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Lisanne Jasef

Vom Mond geküsst





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Kapitel 1 Neuanfang

Wieder einmal hallte das Geschrei durch das komplette Treppenhaus der Mehrfamilienwohnung. Ihr sonst so blasses Gesicht mit den niedlichen Sommersprossen war rot durch das Salz der Tränen. „Hör' auf zu heulen!“, rief er. Der Freund ihrer Mutter. Nie gab es auch nur einen einzigen Tag ohne Streit. Und nun war es wieder so weit.

 

Schnell lief das Mädchen mit den dunklen Haaren und Augen in ihr Zimmer und verschloss augenblicklich die Tür. Schnell fuhr sich, die frisch neunzehn Jahre alt gewordene, April Dawson durchs Haar und überlegte hektisch.

 

Schnell schnappte sie sich eine Reisetasche aus ihrem Schrank und packte ihr wichtigstes Hab und Gut in diese. Als sie damit fertig war, griff sie nach ihrem Rucksack mit ihrem Zeug für das Medizinstudium und schloss blitzschnell ihre Tür auf, wonach sie flink durch den Flur huschte. „Wo willst du hin, junge Dame! Hier geblieben!“, rief ihre Mutter.

 

April antwortete nicht und verschwand. Sie lief so schnell sie konnte, zu ihrem Wagen und machte sich auf den Weg zu ihrem Freund Jeremy. Dieser war zwei Jahre älter als sie und besaß bereits seine eigene Wohnung.

 

Schnell klopfte sie an seiner Tür und war total außer Atem. Als er die Tür öffnete, blieb ihm die Spucke weg. „Was ist denn los, meine Kleine?“, fragte er besorgt und zog sie in seine Arme. Sie schluchzte. Als sie aufsah und in seine braunen Augen schaute, die sie immer noch besorgt musterten, fing sie an zu reden: „K-Kann ich.. bei dir bleiben?.. Bitte..“, wimmerte sie und schaute ihn flehend an.

 

Er strich sich eine Strähne seiner braunen, hoch gestylten Haare wieder hoch und nickte: „Natürlich. Du weißt, du kannst immer hier bleiben, wann du willst. Ich hab dich gerne bei mir und ich hab dir doch schon oft genug gesagt, dass es mir lieber wäre, wenn du zu mir ziehst.“ „Ich danke dir Jer...“ „Brauchst du nicht. Das ist doch selbstverständlich. So, nun komm aber erst einmal rein. Ich mache es uns gemütlich.“

 

Somit gingen die Beiden hinein und April zog sich sofort ihre Schuhe und Jacke aus. Jer griff sanft nach ihrem Arm, wo sich ein tief blau gefärbter Fleck befand. „Sag mir nicht, dass das schon wieder dein bekloppter Bruder war.“ „Ok, ich sage es dir nicht.“ „Der kann noch was erleben..“ „Du weißt doch, wie er ist..“ „Das gibt ihm aber keine Erlaubnis dafür, dich zu schlagen! Der Typ wird noch sein blaues Wunder erleben!“, sagte er und sah sie beschützend an.

 

„Ich liebe dich.“, gab April nur von sich und kuschelte sich mit dem Gesicht an seine starke Brust und lauschte, wie so oft, nach seinem Herzschlag, welcher sie immer beruhigte, egal in welcher Situation es auch war.

 

„Ich liebe dich auch, meine April. Du kannst ja ins Schlafzimmer rüber gehen und in Ruhe deine Sachen auspacken. Ach ja, was mein ist, ist auch dein.“, sagte er und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Sie lächelte ihn mit strahlenden Augen an und küsste ihn sanft. „Was täte ich nur ohne dich?“, murmelte sie leise.

 

Er schmunzelte und zuckte mit den Schultern. April ging ins Schlafzimmer und packte dort ihre Sachen aus. Sie beeilte sich extra etwas, damit sie sich nach einer Weile zu ihrem Liebsten auf das Sofa kuscheln konnte. Leise ertönte eine ruhige, schöne Melodie aus seiner Anlage. Gemeinsam lauschten sie diesen Klängen und Jer legte fürsorglich eine Decke über sie, worin sich beide einkuschelten.

 

Nach einer Weile sagte sie ruhig an ihn gerichtet: „Da ich nun bei dir wohne, werde ich dir natürlich im Haushalt helfen“. „Aber nicht allzu viel. Du hast schon genug mit deinem Studium zu tun!“, antwortete er daraufhin. „Wo wir gerade dabei sind... Ich habe vor das Studium abzubrechen“, als sie diese Beichte aussprach, sah sie auf ihre Hände. „Warum?“, fragte er sie. „Ich habe gemerkt, dass es doch nicht so das Wahre ist.“ „Okay. Du sollst dich ja wohl in deinem Beruf fühlen.“ „Danke für dein Verständnis“ Er nickte ihr zu und die Stille mit der Musik im Hintergrund kehrte zurück.

 

 

Es war sehr schön in der normal großen Wohnung. Der dunkle Boden harmonierte perfekt zu den weißen Wänden und den dunklen Möbeln. April schmiegte sich mehr an Jeremy, welcher sie im Arm hielt.

 

„Hast du schon eine Alternative, wegen eines Jobs?“, fragte er sie nun. „Ja. Du weißt doch, dass ich Kinder liebe und daher hab ich mir überlegt, Erzieherin zu werden.“ „Klingt doch super.“ „Ja, das finde ich auch. Ich brauche nur noch den Vertrag zu unterschreiben.“, erwiderte sie und lächelte glücklich.

 

Er lächelte nun ebenfalls, denn ihre alleinige Anwesenheit war das Schönste, was er sich vorstellen konnte. Gemeinsam genossen sie die Zeit und unternahmen Verschiedenes. Am Abend saß April in ihrer Hälfte des Ehebettes und tippte auf den Tasten ihres Laptops herum. Sie unterschrieb den Arbeitsvertrag und verschickte diesen anschließend.

 

Nach Minuten kam auch Jer endlich zu ihr und setzte sich neben sie, nachdem er ihr eine Tasse Tee reichte. Die Decke, die er sich nahm, legte er um sein Liebling und zog sie anschließend an sich. Ein Kuss an die Schläfe folgte. Nun kuschelten sich die Beiden wieder aneinander und genossen die Zweisamkeit.

 

„Bleib für immer bei mir.“, kam es leise von April. „Für immer.“, erwiderte er liebevoll und küsste sie sanft, um es ihr zu beweisen. Schließlich packte sie ihren Laptop weg und schmiegte sich an ihn. In den Armen ihres Liebsten fand sie schnell in den Schlaf.

 

Es war eine traumlose Nacht und als sie aufwachte, war Jer schon längst aus dem Haus, da er als Mechaniker sehr früh zur Arbeit musste. Sie beschloss sich erst einmal Frühstück vorzubereiten und schlenderte verschlafen in die Küche. Sie beeilte sich mit ihrem Käsebrötchen und machte sich anschließend fertig.

 

 

Ihr griffbereites Handy schnappte sie sich und rief ihre Freundin an, da diese gleichzeitig ihre Arbeitskollegin sein würde. Gemeinsam hatten sie abgeklärt, dass April sie zur Arbeit mitnehmen würde, da es direkt auf dem Weg lag. April war vollkommen zufrieden mit ihrem Beruf und ging, als ihre Schicht endete, ohne Stress und sehr glücklich zu ihrem Auto.

 

Als sie an der Wohnung ankam, machte sie sofort für Jeremy und sich das Mittagessen. Dieser kam so eben zur Tür hinein und zog den guten Geruch der Mahlzeit durch seine Nase und lächelte. „Schatz, ich bin wieder da“, rief er und nahm sie sofort in den Arm und küsste sie liebevoll.

 

Gemeinsam aßen sie zu Mittag und unterhielten sich nebenbei darüber, was heute alles auf der Arbeit passiert war. Nach dem Essen stand Jer auf und gab ihr einen Kuss auf den Kopf. „Ich muss leider nochmal los, ich habe etwas auf der Arbeit vergessen“. April nickte und räumte den Tisch ab.

 

Nachdem dies getan war, zog sie sich ihre Jacke an und schnappte sich ihren Schlüssel. Sie verließ die Wohnung und ging spazieren. Dies tat sie besonders gern, wenn es langsam dämmerte. Sie genoss die Abendsonne und steckte die kalten Hände in die Taschen ihrer Jacke, da es sehr kalt geworden war. Weil sie den Wald über alles liebte, begab sie sich in diesen und genoss die Geräusche, genauso wie die Gerüche.

 

Ohne es zu merken, gelangte sie immer tiefer und tiefer in den Wald. Es wurde allmählich dunkel und ihr viel auf, dass sie sich etwas verlaufen haben musste. Sie sah zum Himmel hinauf, wo sich alle Sterne Zuhause fühlten und empfand diesen Moment als unbeschreiblich.

 

So langsam suchte sie den Weg zurück und hörte plötzlich das Knacken eines Zweiges, welcher zerbrach. Oder war es doch nur Einbildung? Ihre Schritte wurden immer schneller, bis sie schließlich rannte. Endlich kam sie zu Hause an, wo sie die Tür schnell hinter sich schloss und erst einmal mitten im Wohnzimmer stehen blieb.

 

Ihr Puls war leicht erhöht und ihre Augen suchten paranoid das Zimmer ab. Erst nach Minuten fühlte sie sich sicher. Sie setzte sich auf ihr Bett und zog die Beine an ihren Körper. Schnell schaute sie auf die Uhr und fragte sich daraufhin, wann Jer endlich nachhause kommen würde? Sie wusste es nicht, da sie sich nicht daran erinnern konnte, dass er es ihr gesagt hatte und wartete sie auf ihn.

 

Stunden vergingen und als sie endlich das Geräusch der Tür hörte, sprang sie schnell auf und lief zu ihm. Er empfing sie und zog sie somit sofort in eine feste Umarmung. „Ist alles in Ordnung?“, fragte er sie und schaute sie besorgt an. Bei seinem Anblick konnte sie nur lächeln. Ein Nicken verschaffte ihm Erleichterung. Er gab ihr noch einen kleinen Kuss an die Stirn und zog dann seine Jacke aus.

 

„Soll ich uns etwas zu essen machen?“, fragte April, nun wieder mit einem strahlenden Lächeln und dem üblichem Glanz in ihren Augen. „Ich brauche nichts.“, antwortete er nur.

 

Der Abend verlief nicht besonders spannend. Er war wie jeder andere. Viel Zeit verging und somit auch die Wochen. Immer der gleiche langweilige Tagesablauf. Aufstehen, Arbeiten, Schlafen. Mehr nicht. Jeremy kam immer später nach Hause. Er machte Überstunden, sagte er ihr jedes Mal. April sah ihn mit der Zeit immer weniger. Sie wunderte sich mehr und mehr, warum er so spät zurück kam.

 

Seid kurzer Zeit telefonierte er ständig mit einer Person, von der April nicht wusste. Die Brünette wurde langsam misstrauisch. Was sollte sie davon halten? Auch hierfür bekam sie keine Antwort. Hatte er eine Andere? War ihm April nicht mehr gut genug? Diese Fragen stellte sie sich allmählich.

 

 

Wieder war es ein Uhr nachts. Er war immer noch nicht Zuhause. Und sie wartete. Sie wartete, bis sie wieder das vertraute Geräusch der Tür hörte, welche ins Schloss fiel. Sie setzte sich einfach ins Bett und starrte die Wand an. Er kam nicht zu ihr. Sie schaute zur Tür des Zimmers und lauschte. Nichts war zu hören. Die Stille machte ihr Angst.

 

Langsam stand sie auf und schlich leise zum Raum, in dem sie ihren Liebsten vermutete. Die Küche. Sie hatte recht, denn dort setzte er sich abends hin, wenn er sich ausruhte. Wie ein Schatten stand April im Türrahmen. Er saß am Tisch und hielt sich den Kopf mit beiden Händen. Was hatte er nur?

 

„Jer...“, erklang die sanfte, leise Stimme der Brünetten. Er schaute ruckartig auf. Seine Augen schauten leer aus. „Hey Kleine“ Er spielte. Er spielte alles. Das Lächeln und das „Hey Kleine“, was er immer sagte. Doch heute hörte es sich anders an. Gespielt. Hatte sich die Vermutung bewahrheitet? Hatte er April wirklich belogen und betrogen? Den Gedanken hielt sie nicht aus und somit sprudelte die Frage förmlich aus ihr heraus: „Was ist los mit dir? Es ..es ist alles so anders, als sonst. Du bist anders“. Es folgte keine Antwort. „Jer... wir sagen uns doch immer alles..“, kam es von ihr leise und mit einem gekränktem Unterton.

 

„Es tut mir Leid April. Ich kann es dir leider nicht sagen, so gern ich das auch tun würde. Aber es geht nicht. Mach dir keine Sorgen, Süße. Es ist alles gut.“ Jeremy sah zum Tisch. Er schaute ihr nicht in die Augen. April wusste ganz genau, wann er log und wann er die Wahrheit sagte. Sie konnte mittlerweile seine komplette Körpersprache auswendig. Es war, als hätte sie seine Psyche studiert. Seine Haltung verriet ihr nichts Gutes.

 

Ihr kamen die Tränen, denn sie wusste ganz genau, dass er log. Er hatte sie noch nie angelogen. Warum tat er es nun? Tränen bahnten sich in ihren Augen an und nahmen ihren Weg über ihre Wange hinab zu ihrem Kinn. Sie tropften zu Boden, was er nun zu bemerken schien. Er schaute auf und blickte sie an. „Warum lügst du mich an?.."

 

Dieser Satz war von den Tränen erstickt und kaum hörbar, doch er tat es. Er hatte es gehört. Er verzog seine Miene nicht. Es schien so, als ob es ihn nicht mehr interessieren würde, was sie fühlte. Hatte er überhaupt noch Gefühle für sie? Die selben Gefühle, die sie für ihn hatte? Sie fühlte immer noch das Gleiche für ihn, wie als sie sich das erste Mal küssten. Sie hatte immer noch das selbe Kribbeln im Bauch, wenn sie ihn sah, er sie anlächelte oder berührte, was er in letzter Zeit jedoch selten tat.

 

„Hast du eine Andere?“, fragte sie unter Tränen und schaute ihn leer an. Nun veränderte sich sein Blick. Von ausdruckslos in geschockt. „Niemals! So etwas würde ich dir nie antun, April und das weißt du auch! Ich liebe dich und das wird sich auch nicht so schnell ändern!“ Der Ton seiner tiefen Stimme wurde immer lauter, was sie zusammen zucken ließ. Aber sie merkte es. Er hatte an dieser Stelle nicht gelogen. Und sie liebte ihn ebenso.

 

Eine Weile sahen sich die Beiden einfach nur an. Schließlich nahm Jer ihre Hand und zog sie sanft zu sich heran. Sie setzte sich auf seinen Schoß und atmete tief durch. „Tut mir Leid, dass ich so etwas von dir gedacht habe...“, sagte sie leise. Er schüttelte nur den Kopf und versteckte das Gesicht an ihrem Rücken. Er atmete ihren süßen Geruch ein, den er so sehr liebte.

 

An dem Abend ging das junge Paar endlich gemeinsam schlafen. Er umschlang sie mit seinen starken Armen und beschützte sie. Sie spürte seinen muskulösen Körper und kuschelte sich noch mehr an ihn. Geborgenheit und Wärme umgab sie, was beide in den Schlaf finden ließ.

 

Am nächsten Morgen war Jer schon weg. Wie jeden Morgen. Wieder vergingen die Wochen, wie im Flug. Es änderte sich rein gar nichts. Im Gegenteil. Er entfernte sich immer mehr von ihr. Niedergeschlagen. Das war sie die ganze Zeit über. Es fiel ihm nicht einmal mehr auf, was sie noch viel trauriger werden ließ.