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Gaby Bergbauer

Anschlag im
Schauspielhaus

Band 2

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© 2016 Gaby Bergbauer

Umschlag, Illustration:
©Gaby & Karl Bergbauer

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN
Paperback ISBN 978-3-7323-5925-7
Hardcover ISBN 978-3-7323-5926-4
e-Book ISBN 978-3-7323-5927-1

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

1

Ein ohrenbetäubender Knall ging durch das Schauspielhaus mitten in der Premiere. Requisiten flogen durch die Luft.Schreie waren zu hören, überall sah man Blut. Die Luft war durchtränkt von Brandgeruch und überall war Rauch.

Einige Schauspieler rannten eilig von der Bühne. Viele Zuschauer eilten zum Ausgang. Einige versuchten anderen zu helfen, wo sie nur konnten. Die Detonation kam aus der Richtung des rechten Bühnentors. Die Schreie des Entsetzens waren laut zu hören. Besonders tragisch war es für 3 Schauspieler, die sich nahe am rechten Bühneneingang befanden. Sie waren auf der Stelle tot. Das Bühnenbild wurde durch die Detonation so schwer beschädigt, dass sich ein Teil von den Seilen löste und auf die ersten Reihen der Zuschauer geschleudert wurden. Auch das seitliche Bühnentor wurde beschädigt.

Dan und Mara standen in der Ecke am linken Bühneneingang. Sie wollten die Wirkung ihres Bühnenbildes auf die Zuschauer beobachten. Von der Druckwelle wurden sie nach hinten an die Wand geschleudert und wurden vom Bühnenbild, das auf sie stürzte, verdeckt. Was sich als glücklichen Zufall erwies, denn diese Teile bewahrten sie vor größeren Schäden.

Dan war benommen, als er wieder klar denken konnte, robbte er sich zu Mara. Was war das? Es war kein Schauspiel, wo Pyrotechnik eingesetzt wurde.

Mara war immer noch nicht ganz von den Depressionen genesen, in die sie wegen ihrer Entführung immer wieder fiel. Mit einer Therapie versuchte sie es, in den Griff zu bekommen. Auch Bella ihre Hündin tat alles, damit sie das schlimme Erlebnis vergessen konnte. Sie machte mit Bella lange Spaziergänge, es tat beiden gut. Die kleine Hündin war ihr ein und alles. Wenn sie arbeiten ging, dann passte ihre Nachbarin auf Bella auf. Mara wollte nicht, dass sie so viele Stunden alleine war.

Und nun das. Sie hatte wieder furchtbare Angst. Sie zitterte am ganzen Körper.

Von Weitem hörte man schon die Sirenen der Feuerwehr und Polizei.

Dan fragte Mara, ob sie verletzt sei und ob sie aufstehen konnte. Sie zogen sich gegenseitig hoch, und sahen, dass auf der Bühne genug Helfer waren, also versuchten sie, in den Zuschauerraum zu gelangen.

Als Mara einige Kulissenteile im Zuschauerraum sah, schrie sie: »Meine Schwester«, und sah Dan ängstlich an.«

Ilona war zum ersten Mal im Schauspielhaus. Mara zeigte ihr vor der Vorstellung die Werkstätten. Ilona war beeindruckt. Nein, so hätte sie sich die Arbeit ihrer Schwester nicht vorgestellt. Sie war erstaunt, wie man auf der Bühne Bäume aufstellt. Mara ermutigte Ilona, den dicken Baumstamm anzuheben. Ungläubig näherte sich Ilona dem Baumstamm. Sie konnte ihn ohne Mühe hochheben und sie musste Lachen. »Hey Mara, ich kann Bäume ausreißen.« Die Baumstämme hatten fast 1 m Durchmesser und Ilona konnte sie mit Leichtigkeit hochheben. »Aus was für einem Material bestehen sie, die Rinde fühlt sich wie Gummi an. Es sieht täuschend echt aus?«

Mara erklärte: »Die Bäume werden aus Styropor gefertigt und die Rinde ist aus einer dünnen Gummimasse, die gleichzeitig die Maserung der Rinde von Bäumen hat. Die Kleinen hier bleiben so, wenn größere Bäume benötigt werden, dann kommt noch ein Stahlträger rein.« Das alles fand Ilona sehr interessant.

»Du Mara glaubst du, dass es möglich wäre, mit meiner Schulklasse einmal hier herzukommen? Das würden die Kinder bestimmt ganz toll finden.«

»Aber sicher doch, hier werden oft Führungen gemacht. Ich sage dir Bescheid, wenn keine Aufführung ist, dann könnt ihr euch auch die Bühne ansehen.«

»Au ja, das wäre toll.« Ilona ging auf ihrem Platz in der ersten Reihe neben ihrem Freund Michael zurück. Er hatte kein Interesse hinter die Kulissen zu schauen. Nur ihr zuliebe ist er notgedrungen mitgegangen. Ein Fußballspiel wäre ihm lieber gewesen. Er wollte sich aber nicht schon wieder Krach mit Ilona einhandeln.

Die Feuerwehr und Notärzte waren schon im Schauspielhaus und versorgten die Verletzten. Mara rannte wie von Sinnen zu ihrer Schwester Dan folgte ihr. Mara konnte sie zuerst nicht finden. So viele Menschen wurden verletzt. Dann sah sie Ilona auf einer Trage liegen. Blutverschmiert und sie hatte eine Halskrause an. An der linken Hand war sie dick verbunden. Mara eilte zu ihr. Ilona konnte sie nicht hören, da sie nicht bei Bewusstsein war. Mara rief immer wieder unter Tränen ihren Namen, aber sie bekam keine Antwort. Der Notarzt, der Ilona versorgte, schob Mara ganz sachte beiseite. Mara erwiderte aufgeregt, »Das ist meine Schwester.« Der Notarzt sah sie kurz an und meinte: »Ihre Schwester ist sehr schwer verletzt, wir müssen sie auf den schnellsten Weg ins Krankenhaus bringen.« Sie kommt in die Uniklinik. Und schon eilten sie mit ihr zum Ausgang. Mara sackte in sich zusammen und Dan fing sie auf. Er machte ein sehr ernstes Gesicht.

Das Theater war voll von Sanitätern, Feuerwehr und nun auch der Polizei. Später wurden auch die drei Toten Schauspieler abgeholt und in die Gerichtsmedizin gebracht.

Außen wurde das Theater weiträumig abgesperrt, weil auch eine sehr große Fensterscheibe im Foyer auf den Gehweg fiel. Auch hier wurde ein Sprengsatz gezündet. Gott sei Dank wurde dort niemand ernstlich verletzt. Einige Passanten mussten wegen Schock ärztlich versorgt werden. Durch die Premiere waren auch mehr Presseleute anwesend, die jetzt schon auf ihre Topstory fieberten.

Man konnte noch nicht ausmachen, ob sich der oder die Täter unter den Verletzten befanden, oder ob es Fernzündungen waren. Noch immer versuchten die Notärzte, die Verletzten zu versorgen. Alle Schwerverletzten wurden in die umliegenden Krankenhäuser gebracht. Die Feuerwehr stütze die Kulisse und Dan half ihnen dabei, weil er sie konstruiert hatte und die Schwerpunkte genau kannte. Mara setzte er zuvor auf einen der hinteren Stühle und beruhigte sie. Ein Notarzt musste ihr eine Beruhigungsspritze geben. Dan würde sofort zu ihr kommen, sobald er fertig war.

Als das Theater vollständig geräumt wurde, fing die Arbeit der Spurensuche an. Kommissar Beck mit seinem Team war noch in der Nacht vor Ort. Er grübelte, was war das Motiv der Tat?

Und natürlich war die Presse schon wieder da, knurrte Kommissar Beck.

Sie wartet wie immer auf eine Erklärung. »Die sollen uns doch erst einmal unsere Arbeit machen lassen.« Er schickte seinen Pressesprecher vor, damit er die Presse beruhigen kann. Auf Peter war immer Verlass, er sagt sehr viel und am Ende doch nichts, musste er schmunzeln. Sehr zum Ärger der Presseleute. Aber was soll man denen sagen, wenn wir selbst noch nichts Genaues wissen?« Kommissar Beck konnte sich die morgige Schlagzeile schon vorstellen. Einige Pressefotografen waren auch im Theater. Da sie weiter hinten saßen, wurden sie nicht verletzt. Bilder wurden geschossen.

Die Polizei drängte alle Schaulustigen soweit ab, damit die Feuerwehr und Notärzte ihre Arbeit machen konnten. Auch die Pressefotografen wurden auf Abstand gehalten, um die Privatsphäre der Verletzten zu schonen.

Ein schöner Anblick war es ganz sicher nicht. Jeder konnte sich vorstellen, dass ein paar ganz pfiffige Pressefotografen ganz scharf drauf waren, um ihre Bilder von den Verletzten meistbietend in den Agenturen anzubieten. Dem wollte man einen Riegel vorschieben.

In Zusammenarbeit mit der Polizei hat die Theaterleitung Sprengstoffspürhunde geordert, weil vermutet wird, dass an mehreren Stellen ein Sprengsatz zu finden ist. Die Katastrophe wäre dann noch viel größer.

Das Schauspielhaus hat auf der Vorderseite eine Fußgängerzone, die jeden Abend sehr belebt ist. Die Straßenbahn ist zu weit vom Schauspielhaus entfernt, als das sie getroffen werden könnte. Auch herunterfallende Glasscheiben der Fensterfront würden sie nicht treffen. Jedoch die ganzen Passanten waren sehr gefährdet. Nah am Schauspielhaus ist auch ein U-Bahn-Aufgang. Es könnte noch viel mehr Verletzte geben. Die große Fensterscheibe am Schauspielhaus hatte nichts mit der Detonation an der Bühne zu tun.

Noch in der Nacht kamen sie mit zwei Sprengstoffspürhunden und Spezialisten, die im Notfall einen Sprengsatz entschärfen können. Auf Anfrage erklärte ein Halter dieser speziell ausgebildeten Hunde, warum man sie so gerne hinzuzieht:

»Hunde werden immer öfters für diese Zwecke eingesetzt, da sie rund 240 Millionen Geruchszellen gegenüber dem Menschen von rund 8 Millionen haben. Hunde haben auch 1200 unterschiedliche Rezeptoren, gegenüber dem Menschen mit 360. Sie sind aufgrund ihrer genetischen Abstammung dafür bestens geeignet. Haben sie etwas gefunden, setzen sie sich hin und warten. Auf die Frage, ob man jeden Hund darauf ausbilden kann?, antwortete er: »Man kann im Prinzip jeden Hund nehmen, wir nehmen allerdings nur langnasige Hunde. Die kurznasigen sind da weniger geeignet.«

Und schon ging er mit seinem Hund los. Der Hund blieb vor dem linken Feuerlöscher stehen und setzte sich. Ein Zeichen, dass er etwas gefunden hatte. Die Spezialisten nahmen den Feuerlöscher vorsichtig ab und gingen mit ihm raus. Wäre er ebenso explodiert, hätte es den sicheren Tod von Dan und Mara bedeutet. Auch ein Rucksack mit fünf Molotowcocktails fand ein Hund nicht weit vom linken Bühnentor.

Im Foyer, wo alles für die Premierenfeier vorbereitet wurde, fand sich ein Päckchen, wo niemand wusste, wem es gehörte. Auch davor blieb ein Hund sitzen. Das war der dritte Sprengsatz, der gefunden wurde.

Man fand Überreste des Feuerlöschers vom rechten Bühnentor.

»Mein Gott, was hatten denn die Täter vor«, sinnierte Kommissar Beck. Von den möglichen Attentätern fehlte bisher jede Spur. Es waren drei Tote und 25 Verletzte, davon 8 Schwerverletzte zu beklagen. Er war gespannt, ob es ein Bekennerschreiben geben wird und von wem.

Die drei toten Schauspieler waren ausgerechnet die drei neuen Schauspieler, die für dieses Stück engagiert wurden. Das war eine sehr traurige Premiere für sie. Wie man hörte, haben sie alles gegeben und wirklich lange geprobt. Sie waren so stolz auf ihr Engagement. Ihre Tanzeinlagen beherrschten sie sehr gut. Der Regisseur war mehr als zufrieden. Die letzte Probe war ein voller Erfolg. Natürlich waren sie auch aufgeregt, aber Lampenfieber gehört dazu. Und nun lagen ihre toten Körper in einem Zinksarg.

Als Dan fertig war, fuhr er mit Mara in die Uniklinik um nach Ilona zu sehen. Sie erfuhren, dass Ilona noch im OP lag. Sie setzten sich in den Warteraum und sie hingen ihren Gedanken nach. Mara hatte sehr große Angst um ihre Schwester. Ihre Gedanken schweiften zu ihrer Kindheit. Sie hatte sich mit Ilona immer gut verstanden. Beide hielten zusammen, wie Pech und Schwefel. Manchmal stöhnte ihre Mutter und meinte schmunzelnd: »Wie das doppelte Lottchen. Alles heckt ihr zusammen aus.« Mara ließ nie etwas auf ihre Schwester Ilona kommen. Dann wurde sie wieder aus ihren Gedanken gerissen, denn ihre Eltern kamen in den Warteraum des Krankenhauses. Mara und ihre Mutter umarmten sich und weinten.

Zum Schluss kam Michael. Er nahm alles mehr teilnahmslos hin. Die anderen dachten, er stünde noch unter Schock. Die Männer gaben sich nur stumm die Hand. Man konnte nichts tun, als abwarten. Sie mussten noch drei Stunden warten, bevor sich die Tür öffnete und der Operateur zu ihnen kam. Sofort stürzte Mara zu ihm und auch ihre Mutter stand nun auf. Der Arzt bat sie in sein Büro.

Als sich alle gesetzt hatten, begann er:

»Guten Abend, mein Name ist Dr. Albrecht. Ich habe Frau Kamp operiert. Die Inneren Verletzungen konnten wir beseitigen, dort wird auch nichts mehr zurückbleiben. Die Milz mussten wir allerdings entfernen, aber jeder Mensch kann ohne sie weiterleben.« Nun machte er eine Pause, weil er das erst einmal sacken lassen wollte. Mara fühlte, dass da noch etwas kam und sie fragte: »Aber?«

Der Arzt räusperte sich und sah sie an: »Die Verletzung an der linken Hand war so schwer, dass wir ihre Hand nicht mehr retten konnten. Wir mussten sie amputieren.« Mara presste ihre Faust in den Mund, damit sie nicht aufschreien konnte. Dann hörte sie ihre Mutter schon haltlos weinen, auch ihr liefen die Tränen über das Gesicht. Dan war sofort bei Mara und nahm sie in den Arm.

»Nein«, rief Mara, sie war bemüht, nicht die Nerven zu verlieren. Das Beruhigungsmittel wirkte noch, »Ilona ist doch erst 24 Jahre alt. Sie ist Lehrerin und liebt ihren Beruf.«

Michael fragte: »Wird Ilona wieder ganz gesund?« Jeder schaute ihn an und verstand die Frage nicht. Hatte er denn nicht zugehört, dass sie eine Hand verloren hatte.

»Ja«, erwiderte der Arzt, »Bis auf ihre Hand wird sie vermutlich wieder ganz gesund. Das wird aber erst die Zeit zeigen. Wir sind nicht der liebe Gott, wir tun, was wir können. Nun haben wir sie in ein künstliches Koma versetzt, damit sich ihr Körper erholen kann. In zwei Tagen holen wir sie langsam zurück.« Er sah Michael an und erwiderte: »Später bekommt Frau Kamp eine Prothese. Sie sind heute so ausgefeilt, dass es nicht mehr störend aussieht.«

Mara fragte den Arzt, ob sie zu ihr könne:

»In einer halben Stunde wird sie fertig sein, dann können Sie sie auf der Intensivstation besuchen. Sprechen Sie mit ihr, auch wenn sie im Koma liegt, kann sie das mitbekommen.

Haben Sie noch Fragen?«

Michael fragte: »Ob das mit der Hand wirklich sein musste?«

Dan stumpte ihn an: »Michael lass es gut sein, die Ärzte wissen, was sie tun.«

Michael drehte sich um und verließ grußlos das Zimmer, noch bevor der Arzt antworten konnte. Jeder fragte sich, was mit ihm los war. Ein mitfühlender Freund sah anders aus. Er wollte Ilona nicht einmal sehen. Das bestürzte Mara sehr. Der Arzt ging an seinem Schrank und kam mit einem Glas Wasser und einer Tablette zu Maras Mutter.

»Hier nehmen Sie das, es wird Sie etwas beruhigen.« Unter Tränen lächelte sie matt und nahm die Tablette.

»Frau Kamp hat überlebt und aus medizinischer Sicht wird sie wieder gesund. Das sollte in Ihrem Fokus sein. Frau Kamp wird ihre ganze Liebe und Zuwendung nötig haben. Wenn sie wieder aufgewacht ist, versuchen Sie ganz normal mit ihr zu reden. Mitleid wird sie mehr abschrecken.« Jeder stimmte ihm zu. Alle waren über das Ergebnis der OP geschockt.

Als Mara zu Ilona kam und sie in dem Bett liegen sah, mit all den Schläuchen und Piepsen der Monitore, kamen ihr die Tränen. Sie versuchte, sie hinunter zu schlucken. Mara wollte für ihre Schwester tapfer sein. Beide schauten auf den dick verbundenen linken Arm. Mara versuchte, mit Ilona zu reden. Streichelte ihr die Wange. Maras Mutter hielt ihr die rechte Hand. Nach 10 Minuten mussten sie gehen. Dann gingen ihr Vater und Dan zu ihr. Sie kamen nach weiteren 10 Minuten wieder raus. Mara konnte nicht mehr, sie weinte haltlos. Dan ging zu ihr und drückte sie an sich. Maras Mutter sagte unter Tränen: »Das war Ilonas erster Besuch in einem Theater. Sie wollte so gerne sehen, wie und wo du arbeitest, Mara und dann passiert so etwas Schlimmes. Es ist doch noch gar nicht lange her, da war sie deine Brautjungfer.«

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