Table of Contents
Impressum
Einleitung
Doppelmord am Starnberger See: Der Fall Brühne-Fehrbach
Indizienmord: Der Fall Maria Rohrbach
Der verrückte Weigand: Der Fall Paul Blomert
Ist er der Mörder?: Der Fall Johann Lettenbauer
Ich habe es nicht getan: Der Fall Monika Weimar
Kindesmissbrauch: Der Wormser Prozess
Mord ohne Leiche: Der Fall Pascal
Der falsche Mörder: Der Fall Peggy Knobloch
„Entsorgte" Leiche taucht: Der Fall Rudolf Rupp
Polizistensolidarität: Der Fall Harry Wörz
Sexualleben des Wetterfrosches: Der Fall Jörg Kachelmann
Und plötzlich bist Du verrückt: Der Fall Gustl Mollath
Schadenersatz? Verjährt!: Der Fall Frederike von Möhlmann
Weitere Fälle
Horst Arnold
Günther Kaufmann
Monika de Montgazon
Heinz G.
Zusammenfassung
Quellenverzeichnis

Gunter Pirntke

 

Deutsche Justizirrtümer

 

Impressum

Covergestaltung: Irene Repp

Digitalisierung: Gunter Pirntke

BROKATBOOK Verlag Gunter Pirntke

Mail: brokatbook@aol.com




BROKATBOOK Verlag Gunter Pirntke 2016


gunter.50@gmx.net

Gunter Pirntke

Altenberger Str. 47

01277 Dresden

Einleitung

 

In dubio pro reo - im Zweifel für den Angeklagten - so lautet das Credo der Justiz. Dennoch kommt es immer wieder zu Fehlurteilen: Unschuldige werden inhaftiert, während der Täter sein Leben weiter in Freiheit verbringt. Die finanzielle Haftentschädigung kann die Schmach und den Ansehensverlust nicht aufwiegen.

Ist jemand rechtskräftig freigesprochen, kann ihm kein neuer Prozess gemacht werden - selbst wenn neue Beweise den Freispruch als falsch entlarven. Eine Umfrage zeigt: Eine große Mehrheit der Deutschen hält das für falsch.

Der Rechtsfrieden ist in einem Rechtsstaat ein hohes Gut. Zu ihm trägt zum Beispiel bei, dass Urteile, die einmal rechtskräftig geworden sind, bestehen bleiben.

 

Was aber, wenn sich Jahre oder Jahrzehnte später herausstellt, dass ein Urteil falsch war? Zum Beispiel, weil die kriminaltechnischen Möglichkeiten zur Aufklärung des Falls noch nicht so ausgereift waren wie heute? Muss auch dieses Urteil dann für alle Zeit bestehen bleiben, weil es zwar falsch ist, dafür aber für Rechtsfrieden sorgt? Kann ein falsches Urteil überhaupt für Rechtsfrieden sorgen?

Eine überwältigende Mehrzahl von Bürgern ist offensichtlich der Meinung: Ganz im Gegenteil, das falsche Urteil gefährdet den Rechtsfrieden, wenn alles beim Alten bleibt, obwohl bekannt ist, dass die Richter seinerzeit irrten.

Es zeigt sich immer wieder deutlich, wie zerbrechlich die Wahrheit ist, die täglich tausendfach in deutschen Gerichtssälen rechtsverbindlich gefunden wird - und wie gefährlich sie sein kann für die Betroffenen.

Meistens sind es quälend lange Prozesse, an deren Ende es Strafverteidigern gelingt, Fehlurteile aufzudecken, längst weggesperrte Mandanten aus dem Gefängnis zu holen. In rund 2000 Fällen pro Jahr sieht sich die Justiz in Deutschland genötigt, Wiederaufnahmeverfahren einzuleiten - weil das, was rechtskräftig als ab-

schließende Wahrheit oft von mehreren Gerichtsinstanzen festgestellt wurde, als nicht mehr haltbar erscheint.

Niemand kann auch nur schätzungsweise sagen, wie viele Menschen in Deutschland unschuldig hinter Gittern sitzen. „Eine stattliche Zahl“ an Opfern der Wahrheitsfindung, vermutet der Hamburger Strafverteidiger Gerhard Strate, der schon für etliche Mandanten Wiederaufnahmeverfahren erreicht hat.

 

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Wiederaufnahmespezialist Strate: „Alarmierend inkompetente Gutachter“

 

Doch genauso unüberschaubar ist die Zahl derer, die bei der Suche nach der Wahrheit im Gerichtssaal zu hilflosen Opfern wurden noch bevor es zu einem Urteil

kommen konnte: unschuldig Verdächtigte, verstörte Zeugen, enttäuschte Geschädigte. Im Ringen um die Wahrheit gibt es viele Verlierer vor Gericht.

So stellen sich Fragen nach der Zuverlässigkeit der Dritten Gewalt. Nach den Grenzen der Strafjustiz. Sind es naturgegebene Grenzen? Oder sind es Grenzen, die viel mit menschlicher Fehlbarkeit zu run haben, mit Unfähigkeit oder Arroganz?

Hunderte Menschen kommen jedes Jahr für Taten in Haft, die sie nicht begangen haben. Doch Hilfe können sie nach ihrer Freilassung nicht erwarten. Für das oft zerstörte Leben der Justizopfer hat der Staat nur 25 Euro Schadenersatz pro Gefängnistag übrig - und viele bürokratische Schikanen.

 

Kein Land in Europa zahlt Opfern von Fehlurteilen so wenig wie Deutschland, sagt der Rechtsanwalt Ulrich Schellenberg, Berliner Landesvorsitzender im Deutschen Anwaltsverein. Diese Menschen seien oft traumatisiert, die geringe Entschädigung ein "bodenloser Skandal". Erst 2008 wurde der Satz von 11 Euro auf 25 Euro pro Tag angehoben. Der Deutsche Anwaltsverein hatte 100 Euro gefordert, so viel etwa zahlen auch mehrere andere EU-Staaten.

Doch die Justizminister der Länder konnten sich zu mehr Geld nicht durchringen. Dabei zahlten sie 2011 nur etwa 1,2 Millionen Euro Entschädigung für mehr als 47.000 Tage, die Unschuldige in Haft verbrachten. Das ergab eine Umfrage der Süddeutschen Zeitung unter den Bundesländern, wobei drei Länder - Thüringen, Sachsen und Baden-Württemberg - keine Zahlen liefern konnten. Die Summe liegt also höher, frühere Schätzungen gehen von bundesweit 70 000 Hafttagen im Jahr aus. Das würde bedeuten, dass an jedem Tag durchschnittlich 192 Menschen für ein Vergehen in Haft oder Untersuchungshaft sitzen, das sie nicht begangen haben oder das ihnen nicht nachgewiesen werden konnte.

 

Wie gerecht die Justiz ist, darüber wollen wir uns in den nachfolgenden Fällen ein Bild machen.

 

Doppelmord am Starnberger See: Der Fall Brühne-Fehrbach

 

 

Wollte man die ungezählten Berichte, die im Frühjahr 1962 über diesen Kriminalfall in westdeutschen Zeitungen, Illustrierten und Magazinen veröffentlicht wurden, hier wiedergeben, die Seiten dieses Buches würden nach Tausenden zählen!

„Strafsache AK 1/62 gegen Vera Brühne und Johannes Ferbach" lautete die nüch-terne Amtsbezeichnung des Münchener Schwurgerichts für den Prozess. Was aber machten die Zeitungen daraus? „Mordprozess des Jahrhunderts" war noch der be-scheidenste der Superlative, die die Schlagzeilen füllten und alle anderen Tages-ereignisse unter den Strich drängten. Das Trommelfeuer der Presse lockte dann auch die Neugierigen in Scharen an, ließ sie schon um Mitternacht mit Thermosfla-schen und Wolldecken vor dem pompösen Münchener Justizpalast am Stachus biwakieren, um auch wirklich am anderen Morgen einen Platz im Gerichtssaal zu bekommen. Zum Mordprozess Brühne zu gehen, das war in diesen Wochen ein gesellschaftliches Ereignis wie der Besuch einer Operngalavorstellung.

Und alle, die sich stundenlang angestellt, gedrängt und um die Plätze geprügelt hatten, kamen voll auf ihre Kosten.

 

Vera Brühne (geborene Kohlen, nach 1979 nannte sie sich Vera-Maria Adam; wurde am 6. Februar 1910 in Essen geboren und starb am 17. April 2001 in München) erlangte 1961/62 deutschlandweite Bekanntheit, als sie gemeinsam mit ihrem Bekannten Johann Ferbach angeklagt und verurteilt wurde, den Münchner Arzt Otto Praun und dessen Geliebte ermordet zu haben.

Vera Brühne war in gutbürgerlichen Verhältnissen in Essen-Kray aufgewachsen. Ihr Vater, Ludwig Kohlen (1870–1951), war bei ihrer Geburt Bürgermeister der bis 1929 selbstständigen Bürgermeisterei Kray-Leithe.

In erster Ehe war Brühne mit dem Schauspieler Hans Cossy verheiratet, dem Vater ihrer Tochter Sylvia (1941–1990). Später heiratete sie den bekannten Filmkomponisten Lothar Brühne. Auch diese Ehe wurde geschieden.

 

Johann Ferbach wurde am 9. August 1913 in Köln geborenund verstarb am 21. Juni 1970 in der Justizanstalt Straubing an Herzversagen.

Ferbach wuchs in Köln auf und lernte den Beruf des Büchsenmachers in der Werkzeugmaschinenfabrik von Hermann Kolb. Am 1. Januar 1939 wurde er zur Wehrmacht eingezogen. Im Jahr 1943 desertierte er von der Ostfront und arbeitete anschließend unter dem Namen Hans Spieß in Köln als Bauarbeiter. Für die Familie des Schauspielers Hans Cossy leitete Ferbach den Bau einer Behelfsschutzanlage auf einem von Cossy gemieteten Grundstück. Im Herbst 1944 wurde das gemietete Haus durch Bombenwurf zerstört und die Behelfsschutzanlage verschüttet. Ferbach setzte durch, dass ein Zugang zur Behelfsschutzanlage freigelegt wurde, wodurch u. a. Cossys Ehefrau Vera (1961/62 unter ihrem zweiten Ehenamen Vera Brühne bundesweit bekannt geworden) und die gemeinsame Tochter Sylvia (1941–1990) gerettet wurden. Die Familie Cossy zog nach Kriegsende nach München, während Ferbach in Köln eine Anstellung als Montageschlosser fand. Ferbach war 1960 versicherungspflichtig beschäftigt und verwitwet. Am Mittwoch 13. April 1960 war er krankgeschrieben und erhielt eine Kontrolle von der zuständigen Krankenkasse. Otto Praun hatte für die Chauffeuse Vera Brühne einen VW Käfer gekauft, der durch Ferbach organisiert worden war.

 

Brühne und Fehrbach erlangte deutschlandweite Bekanntheit, als sie am 25. April 1962 angeklagt wurde, den Münchner Arzt Otto Praun und dessen Haushälterin Elfriede Kloo am 14. April 1960 in Pöcking am Starnberger See ermordet zu haben.

 

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Vera Brühne auf dem Weg zur Verhandlung

 

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Johann Fehrbach

 

Jeder Verhandlungstag enthüllte neue Intimitäten des bundesdeutschen Wirt-schaftswunderlebens der oberen Zehntausend, zu dem der brave bajuwarische Bürger sonst keinen Zutritt hat. Da hießen die Zeugen nicht einfach Meyer oder Lehmann, sondern Graf Ingenheim-Molitor oder Elfriede von Duisberg, und von Beruf waren sie nicht, wie normale Sterbliche, Handwerker, Buchhalter oder Hausfrau, sondern mindestens Frauenarzt, Filmkomponist oder Chefreporter. Heinz Rühmann saß leibhaftig auf der ersten Zuhörerbank; der bekannte Schlagerkomponist Harald Böhmelt war in die Geschichte verwickelt, und die nun schon legendäre Hauptangeklagte gar war eine zweimal geschiedene Frau. Ein Staatsschauspieler und ein Komponist, der jahrelang die Musik für die rauschenden UFA-Filme einer Zarah Leander geschrieben hatte, waren ihre Ehemänner gewesen. Hinzu kamen die Handlungsorte des Prozessgeschehens, die, bunt wie im Breitwand-Cinemascopstreifen, ständig zwischen italienischer Riviera und spanischer Costa Brava, zwischen Starnberger See, Ischia und Tanger wechselten. Was hier bei der Erörterung eines Doppelmordes zur Sprache kam, kannte man bisher allenfalls aus pseudo-erotischen Groschenromanen. Der Prozess lieferte den Beweis: So etwas gab es tatsächlich! Von einer Ehe zu dritt erzählte man amüsiert, vom „Zusammenbringen" fünfzehnjähriger Töchter und Söhne und vom genüsslichen Beobachten solcher Spielchen aus einem kostbaren Renaissanceschrank. Selbst ein „Syndikat der Lesbierinnen", das irgendwie beim Doppelmord die Hand im Spiele gehabt haben soll, wurde nicht ausgelassen. Es fehlte nichts aus dem „Bavarian way of high life".

 

Wahlweise konnte der mit dem „dolce vita“ der Bundesrepublik so rückhaltlos kon-frontierte Zuhörer betreten erröten oder begehrlich schmunzeln, sich aufregen oder resignierend mit dem Kopf schütteln; eines aber taten alle, die sich täglich im Ge-richtssaal drängten oder wöchentlich die seitenlangen Gerichtsberichte der Zeitun-gen verschlangen. Nicht zuletzt deshalb war wohl auch der ganze Münchener Mordprozessrummel so widerwärtig breit inszeniert worden, dass selbst eine Zeitung, die „Welt am Sonntag", daran Anstoß nahm und eine Karikatur veröffentlichte, die den deutschen Michel mit Schlafmütze zeigt, wie er angeregt die Zeitungsberichte über den Brühne-Prozess studiert, derweil sich hinter seinem Rücken Adenauer, Strauß und Erhard zufrieden die Hände reiben.

 

Was war nun der Anlass dieses der Bonner Regierung so gelegen gekommenen Münchener Schwurgerichtsspektakulums? Ein hinterhältiger, ungemein brutaler Doppelmord war begangen worden, dem der vorher völlig unbekannte Münchener Arzt Dr. Otto Praun und seine Haushälterin und Lebensgefährtin Elfriede Kloo zum Opfer gefallen waren. Nach Meinung der Staatsanwaltschaft hatte die skandal-umwitterte Lebedame Vera Brühne ihren mitangeklagten Geliebten Johann Ferbach zu der Tat angestiftet und die Ausführung überwacht, um ein heiß begehrtes Traumschloss im Werte von einer Million Mark zu erben, das ihr der Arzt zu Lebzeiten für erwiesene Liebesdienste vermacht hatte. Ferbach fand sich angeblich zu dem Mord bereit, nachdem ihm die Brühne versprochen hatte, fürderhin ihr Leben mit ihm auf dem spanischen Millionenschloss zu teilen.

 

Am 3. Oktober 1961 kam Vera Brühne aufgrund eines Haftbefehles vom 26. September 1961 in Untersuchungshaft. Am 12. Oktober 1961 wurde Ferbach in Köln verhaftet und kam nach Klingelpütz und später in die Justizvollzugsanstalt Neudeck in Untersuchungshaft. Am 28. November 1961 kam der Polizeispitzel und spätere Belastungszeuge Siegfried Schram m ebenfalls nach Neudeck. In einem Zwischenbericht hatte das Gericht festgestellt, dass Ferbach als möglicher Täter nicht ausscheide, sondern vielmehr mit der Tat in einen zwanglosen Zusammenhang gebracht werde und sich durch verschiedene widersprüchliche Angaben verdächtig gemacht habe.

 

Am 25. April 1962 begann ein Schwurgerichtshauptverfahren beim Landgericht München II gegen Brühne und Ferbach. Sie wurden beschuldigt, den Arzt Otto Praun und dessen Haushälterin Elfriede Kloo am 14. April 1960 in Prauns Villa in Pöcking ermordet zu haben.

Mutet diese Darstellung der Tatmotive schon an, als wäre sie einem handelsüblichen Kriminalroman Machart entlehnt, so hinterlässt die eigentliche Geschichte des Doppelmordes und seiner Hintergründe den Eindruck, als stamme sie unmittelbar aus den Büchern eines Edgar Wallace. Nahezu alles, was in solchen Kriminalreißern Verwendung findet, spielt in diesem Fall eine Rolle: Millionenerbschaft, Laster, Leidenschaft, große Welt und geheimnisumwitterte Personen. Keines der erprobten Spannungselemente fehlt. Die geheimnisvollste Figur darin aber ist der Ermordete selbst.

 

Otto Praun, geboren am 28. April 1894 in Würzburg; war Gynäkologe und Immobilienhändler.

Praun entstammte einer Familie, deren Mitglieder seit dem Zweiten Weltkrieg zur Führung der westdeutschen Geheimdienste gehörten:

Sein Vetter Albert Praun war in der NS-Zeit General der Nachrichtentruppe. Er übernahm 1956 mit dem Decknamen „Schwarz“ in Pullach die Leitung der Fernmeldeaufklärung.

Sein Neffe Dietrich Praun brachte es zum Leiter des Referats Sicherheit/Gegenspionage und wurde später unter dem Decknamen „Pranner“ BND-Resident in Tunesien.

Otto Praun wurde 1928 Mitarbeiter der Abwehr, er war Vertrauensarzt der Allianz und Mitglied der NSDAP mit der Mitgliedsnummer 1.725.299. 1937 und 1944 schützte Praun durch Atteste Opfer des Nationalsozialismus vor Verfolgung. Ein Ehepaar wurde so vor der Zwangsarbeit bewahrt. Die Gestapo ermittelte gegen Praun wegen Verstoßes gegen die Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen. 1944 wurde von einem Ortsgruppenleiter ein Parteiordnungsverfahren wegen wiederholten „Nicht-Tragens“ des Parteiabzeichens angeregt. In einer Aktennotiz des BND fanden Journalisten 2001 den Hinweis, Praun habe „der Spionage von Hitlers Wehrmacht als Offizier oder V-Mann gedient und später auch dem BND“ und „sei in Waffenschiebereien verwickelt“ gewesen.

 

1954 wurde eine Mitarbeiterin der Abwehr, Sonja Bletschacher, in Starnberg tot aufgefunden. Sie war eine Freundin von Otto Praun und hatte einen Oberst Bletschacher geheiratet, der 1944 gestorben war. Nach dem Krieg war Sonja Bletschacher einmal von Otto Praun in sein Haus in Pöcking eingeladen worden. Otto Praun war zum Fall Bletschacher befragt worden. Für Tötungsdelikte im Bereich Fürstenfeldbruck war Kripomann Karl Rodatus zuständig. Im Fall Bletschacher wurde Selbstmord ermittelt.

Praun stellte Vera Brühne im Juli 1957 in München als Chauffeuse ein, wofür er ihr einen gebrauchten VW Käfer zur Verfügung stellte und 200 Deutsche Mark monatlich zahlte. Im Oktober 1957 chauffierte Vera Brühne erstmals Praun zu dessen Finca Casavana an der Costa Brava, die von Frau Katja Hintze verwaltet wurde. 1958 entließ Praun Frau Hintze und übertrug Frau Brühne die Verwaltung des Grundstückes bei Lloret de Mar in der Provinz Girona. Am 23. Mai 1959 errichtete Praun in Arbúcies ein Testament, in dem er Frau Brühne ein lebenslanges Wohnrecht auf dem 8,3 Hektar großen Landsitz einräumte.

Der fast fünfundsechzig Jahre alt gewordene Dr. Praun führte bis zu seinem Tode dem Anschein nach ein unauffälliges bürgerliches Leben. In der Münchener Lind-wurmstraße betrieb er eine sogenannte Armeleutepraxis. Nur einige hundert Krankenkassenpatienten bildeten seinen Kundenkreis, und nichts deutete darauf hin, dass er über Güter verfügte, die einen Mord lohnend erscheinen ließen. Auffällig war für Eingeweihte nur, dass Praun trotz des schlechten Geschäftsganges seiner Praxis ständig eine Sprechstundenhilfe für achthundert Mark Monatsgehalt beschäftigte und obendrein noch einen Sekretär für sich arbeiten ließ, der eigentlich Hilfsmonteur war und von einer ärztlichen Praxis nicht die geringste Ahnung hatte.

 

Ostern 1960 ereignete sich dann auch, was Praun schon Monate vorher befürchtet hatte, was aber erst zwei Jahre später Gegenstand des Münchener Schwurgerichts-prozesses werden sollte.

Als am 19. April 1960, dem Dienstag nach Ostern, Praun nicht in seiner Praxis in München-Untersendling erschien, fuhr gegen 22:00 Uhr seine Sprechstundenhilfe mit ihrem Mitbewohner nach Pöcking. Ihr Begleiter betrat die Villa über die Terrassentür und fand Praun erschossen vor. Die Polizei fand später auch die durch einen Genickschuss ermordete Haushälterin Elfriede Kloo im Souterrain der Villa. Der zuständige Kriminalobermeister stellte noch in derselben Nacht einen – für die Aufklärungsstatistik positiven – erweiterten Suizid Prauns fest.

 

Am 22. April 1960 wurde Praun auf dem Münchener Nordfriedhof beerdigt. Er hinterließ ein Vermögen, das auf 1,6 Millionen Deutsche Mark geschätzt wurde, nach heutigem Wert etwa 3.600.000 Euro. Am 2. August 1960 fand im Amtsgericht Starnberg die Testamentseröffnung statt. In seinem Testament vom 23. Mai 1959 räumte Praun Frau Brühne ein lebenslanges Nutzungsrecht für sein Anwesen in Lloret de Mar ein. Praun vererbte sein Grundeigentum in Spanien an Vera Brühne mit der Auflage, dass bei Antritt des Erbes ein Nacherbenvermerk zugunsten seines Sohnes in das Grundbuch eingetragen wird. Vera Brühne hätte das Gelände nutzen können, ein Verkauf wäre aber von der Zustimmung Günther Prauns (* 1930) abhängig geblieben. Mit einer Grundbucheintragung für Brühne hätte diese die Chronologie des Grundeigentums in Spanien dokumentieren können. Nach der Eröffnung des Testamentes Prauns war der Konsens über die Todesursache nicht mehr ungeteilt. Zwei Wochen nach der Testamentseröffnung erstattete der Anwalt von Günther Praun bei der Staatsanwaltschaft beim Münchener Landgericht Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Mordes in zwei Fällen. Außerdem beantragte er die Exhumierung und Sektion der Leiche Otto Prauns. Am 27. Oktober 1960 gab der zuständige Ermittlungsrichter beim Amtsgericht München dem Ersuchen statt. Die anschließende Obduktion ergab, dass Otto Praun mit zwei Kopfschüssen ermordet wurde.

 

Woher aber besaß der vordem so unauffällige Armeleutearzt diese Millionenwerte, die er mit seiner konjunkturschwachen Kassenpraxis nicht verdient haben konnte? Bald stellte sich heraus, dass Praun ein geheimnisvolles Doppelleben geführt und seine ärztliche Praxis nur als Tarnung für andere dunkle Geschäfte betrieben hatte. Er war ständig in der Welt umhergereist, hatte Italien, der Schweiz und immer wieder Spanien und Nordafrika regelmäßig kurzfristige Besuche abgestattet. Auch sein Privatleben entsprach keineswegs der Freizeitgestaltung eines Kassenarztes. Im Stil der großen Lebemänner unterhielt er kostspielige Geliebte aus dem Münchener Künstlerviertel Schwabing, die ebenso attraktiv wie anspruchsvoll waren. Die letzte dieser Gesellschaftsdamen war die angeklagte Vera Brühne gewesen. Zeugen, die Praun näher kannten und später im Ermittlungsverfahren vernommen wurden, wussten zu berichten, dass der Arzt in den letzten Jahren um sein Leben gebangt und zu seinem Schutz stets drei Pistolen bei sich getragen habe. Einem seiner besten Freunde hatte er sogar den Auftrag erteilt, seine Leiche obduzieren zu lassen, falls er eines plötzlichen Todes sterben sollte.

 

Am Dienstag nach Ostern, am 19. April 1960, wartete in der Münchener Praxis die dreiundvierzigjährige Sprechstundenhilfe Renate Meyer vergeblich auf das Erscheinen ihres Chefs. Mehrfach rief sie in Pöcking an, um sich nach dem Verbleib Dr. Prauns zu erkundigen. Als sich am späten Nachmittag noch immer niemand meldete, setzte sie sich mit der Polizei in Verbindung, weil sie befürchtete, Praun könnte einen Autounfall erlitten haben. Sie musste über zwei Stunden warten, ehe man ihr die Auskunft gab, dass ein Autounfall eines Dr. Praun nicht gemeldet worden sei. Als sie sich bedanken und das Gespräch beenden wollte, sagte der Polizeibeamte überraschend: „Bleiben Sie doch bitte am Apparat, ich soll Sie noch mit der Kriminalpolizei verbinden."

Ein Kriminaloberinspektor Kott meldete sich wenig später und fragte Renate Meyer: „Sagen Sie, wie kommen Sie darauf, dass Doktor Praun einen Unfall erlitten haben könnte?"

Später, im Schwurgerichtsprozess, berichtete Renate Meyer über diese Unterhal-tung: „Ich hatte das Gefühl, dass dieser Kriminaloberinspektor schon irgendetwas über das Schicksal des Doktors wusste, als er mit mir sprach. Er stellte auch so merkwürdig interessierte Fragen, zum Beispiel, ob ich wüsste, wo Doktor Praun die Osterfeiertage verbracht habe, ob er mit jemand verabredet gewesen sei und ob ich Doktor Prauns Bekanntenkreis näher kenne. Er tat so, als wollte er mich ausfragen, was ich über das Leben des Doktors wusste. Das alles machte mich noch unruhiger. Ich glaubte, die Polizei wüsste mehr über Doktor Prauns Verschwinden und wollte es mir nur verheimlichen."

Von dieser Unruhe getrieben, suchte Renate Meyer am späten Abend noch den Praxissekretär Hans-Joachim Vogel in dessen Wohnung auf und veranlasste ihn, sie mit seinem Volkswagen nach Pöcking zu fahren. Gegen dreiundzwanzig Uhr trafen beide vor der Villa ein. Im Wohnzimmer sahen sie unerwartet Licht brennen, worauf die Sprechstundenhilfe verärgert schimpfte: „Das ist aber keine Art von Praun. Ist zu Hause und geht nicht ans Telefon. Kommen Sie, wir fahren wieder zurück. Wer weiß, wen er bei sich hat." Der Sekretär Vogel wollte der Sache aber doch auf den Grund gehen. Er klingelte mehrere Male an der Gartentür und kletterte schließlich über den Gartenzaun, als sich niemand meldete.

Vogel ging zur Terrasse der Villa, öffnete eine der großen Flügeltüren, die überraschenderweise nicht von innen verriegelt waren, und nahm sofort, wie er später Frau Meyer erzählte, starken Verwesungsgeruch wahr, der aus dem Hause drang. Er kam zum Zaun des Grundstückes zurück und sagte zu Renate Meyer: „Bleib mal hier stehen, ich glaube, das ist nichts für dich."

Dann ging Vogel in die Villa zurück, kam aber schon nach zwei Minuten wieder he-raus und sagte erregt zu der Sprechstundenhilfe: „Da drinnen ist etwas Entsetzliches passiert. Praun und seine Haushälterin sind erschossen worden! Wir müssen die Polizei holen,".

 

Zwei Jahre später, als Vogel vor dem Münchener Schwurgericht berichten muss, was er in der Villa vorgefunden hatte, stellt ihm der Verteidiger der Angeklagten Vera Brühne die Frage: „Herr Vogel, Sie waren also kaum zwei Minuten in der Villa. Wie haben Sie in dieser kurzen Zeit feststellen können, dass in der Villa zwei Tote waren? Die Leiche der Frau Kloo lag doch in den Kellerräumen. Haben Sie denn den Keller aufgesucht?" Vogel verneint.

„Als ich den toten Doktor Praun in der Diele liegen sah, war ich so erschrocken, dass ich die Villa sofort wieder verließ, um die Polizei zu alarmieren." „Dann muss ich Ihnen die Aussage der Zeugin Meyer entgegenhalten. Frau Meyer hat wörtlich ausgesagt: ,Herr Vogel kam schon nach ganz kurzer Zeit wieder und sagte zu mir: »Praun und seine Haushälterin sind erschossen worden!« 'Stimmt das? Haben Sie das gesagt?" „Möglich, es kann sein", antwortet Vogel ausweichend. „Ich möchte das genau wissen, Herr Zeuge. Haben Sie das so wörtlich zu Frau Meyer gesagt?"

„Wenn sich Frau Meyer noch genau erinnert, wird es schon stimmen", meint Vogel schließlich vorsichtig. Triumphierend springt der Verteidiger Dr. Moser von seinem Stuhl auf. „So, Herr Zeuge, nun erläutern Sie mir bitte mal, woher Sie dann schon wussten, dass die Haushälterin Elfriede Kloo ebenfalls tot war?"

Der Sekretär Hans-Joachim Vogel zögert einen Moment mit der Antwort.

„Wusste! Gott, ich wusste es, genau genommen, noch nicht. Ich nahm es an. Wäre sie noch am Leben gewesen, hätte sie wohl längst den Tod des Doktors entdeckt und der Polizei gemeldet. Deshalb nahm ich an, sie sei auch tot." „Eine merkwürdige Annahme, Herr Zeuge", widerspricht ihm Dr. Moser ironisch. „Wenn Sie schon solche Hypothesen stellten, lag es da nicht näher anzunehmen, Frau Kloo habe Doktor Praun umgebracht und deshalb nichts der Polizei gemeldet."

Vogel sieht den Rechtsanwalt unsicher an. „Weshalb sollte denn Frau Kloo..."

„Weil sie von dem Verhältnis Doktor Prauns zu Vera Brühne wusste, weil sie fürchten musste, nach siebzehnjährigem Zusammenleben mit Praun abgeschoben zu werden. War das kein Motiv für einen Mord?" „Möglich, aber davon wusste..." Vogel spricht den Satz nicht zu Ende. Er wollte sagen: Aber davon wusste ich nichts..., doch da fällt ihm seine Aussage im Ermittlungsverfahren ein. Damals hatte er ausgesagt, Dr. Praun habe mehrmals in der Praxis von Eifersuchtsszenen der Haushälterin wegen Vera Brühne gesprochen. Ohne Übergang bemerkt Vogel deshalb: „Ich kann Ihnen keine andere Erklärung für mein Verhalten geben, Herr Rechtsanwalt. Ich nahm einfach an, dass Frau Kloo ebenfalls tot war."

Im Zuhörerraum setzt jetzt ein unwilliges Raunen ein. Das Kreuzverhör, das der Rechtsanwalt mit dem Zeugen anstellt, interessiert die sensationslüsterne Zuschau-ermenge nicht. Sie wartet auf pikante Erörterungen aus dem reichhaltigen Liebesle-ben der angeklagten Lebedame Brühne. Doch das Raunen verstummt sofort, als Dr. Moser jetzt sagt: „Dann werde ich Ihnen die Erklärung für Ihr Verhalten geben, Herr Zeuge. Stimmt es, dass Sie in einem bestimmten Stadium der Voruntersuchung selbst im Verdacht standen, den Doppelmord begangen zu haben?" Vogel nickt schweigend, wirft dann einen hilfesuchenden Blick zum Staatsanwalt.

Noch unentschlossen, als wollte er erst die nächste Frage des Verteidigers abwarten, erhebt sich der recht junge Staatsanwalt Rueth.

Dr. Moser nutzt die aufgekommene Spannung im Saal aus und sagt, mehr zu den Zuschauern als zum Gericht gewendet: „Nehmen wir einmal an, dieser Verdacht war nicht unbegründet. Dann hätten wir doch eine Erklärung für die Tatsache, dass Sie vom Tode Elfriede Kloos wussten, ohne ihre Leiche gesehen zu haben. Der Mörder wusste doch wohl, wo seine Opfer lagen."

 

Vera Brühne vor Gericht mit ihrem Anwalt. Foto: dpa

Vera Brühne vor Gericht mit ihrem Anwalt.

 

Mit schneidendscharfer Stimme fällt ihm der Staatsanwalt ins Wort: „Herr Rechtsanwalt, der Zeuge steht außer jedem Verdacht! Das erkläre ich als Vertreter der Behörde, die die Ermittlungen geführt hat. Bitte unterlassen Sie alle Fragen, die geeignet sind, das Ansehen des Zeugen zu diskriminieren."

Mit theatralischer Geste protestiert Rechtsanwalt Dr. Moser bei dem Gerichtsvorsit-zenden Dr. Seibert gegen diese Beschneidung seines Fragerechts.

„Herr Landgerichtsdirektor, ich verwahre mich auf das energischste gegen das Ein-greifen der Staatsanwaltschaft. Für mich ist der Zeuge Vogel auch heute noch drin-gend verdächtig, der Mörder von Doktor Praun und Elfriede Kloo zu sein. Was spricht denn für die vermeintliche Schuld meiner Mandantin? Dass sie für die angenommene Tatzeit kein Alibi hat? Und wie sieht es mit dem Alibi des Zeugen aus? Er kann bis heute nicht nachweisen, wo er sich in der Mordnacht aufgehalten hat. Deshalb ist es mein volles Recht, dem Zeugen Fragen nach seiner eigenen Schuld zu stellen." Wie zwei Kampfhähne stehen sich nun die beiden Herren in der schwarzen Robe gegenüber.

Im Zuhörerraum ist man hellauf begeistert. Jeder Verhandlungstag eine neue Sensation, das nächtliche Anstehen war also nicht umsonst gewesen!

Da hebt der Gerichtsvorsitzende Dr. Seibert besänftigend die Hände, glättet mit einer gelassenen Handbewegung die Wogen der aufgekommenen Erregung und sagt versöhnlich: „Herr Rechtsanwalt, Herr Staatsanwalt! Bitte verhandeln wir doch in Ruhe weiter. Gegenseitiges Anschreien hilft uns bestimmt nicht voran."

Mit seiner nonchalanten Verhandlungsart gelingt es ihm auch, den Streit um den mordverdächtigen Zeugen Vogel zu beenden.

„Es ist Ihr gutes Recht, Herr Doktor Moser, Herrn Vogel für den Mörder zu halten. Meinetwegen verdächtigen Sie auch mich noch - in diesem Verfahren ist ja alles möglich -, aber ich muss Sie und den Herrn Zeugen darauf aufmerksam machen, dass er auf Fragen, bei deren wahrheitsgemäßer Beantwortung er sich selbst einer strafbaren Handlung bezichtigen müsste, die Aussage verweigern darf. Laut Paragraph 55, Strafprozessordnung."

Von diesem freundlichen Hinweis auf die Strafprozessordnung macht der Zeuge Vogel dann auch schnellstens Gebrauch. Als Rechtsanwalt Moser erneut versucht, ihn über seinen Aufenthalt in der Mordnacht auszufragen, sagt er aufatmend: „Ich möchte von meinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen!"

Bedeutungsvolles Raunen im Zuhörerraum, zufriedenes Lächeln auf dem geröteten Gesicht des Verteidigers Dr. Moser. Mehr wollte er nicht erreichen. Die Geschworenen müssen jetzt daraus folgern, dass der Zeuge für die Mordnacht kein Alibi hat, also ebenfalls als Täter für den Doppelmord in Frage kommt. Das genügt aber schon, um Zweifel an der Schuld der Angeklagten Brühne aufkommen zu lassen. Und Zweifel bedeuten gemeinhin vor Gericht Freispruch mangels Beweises.

Der nicht minder gewitzte Staatsanwalt Rueth erkennt sofort die Gefahr, die seiner Anklage droht. Er springt hoch, wendet sich mit ausgestrecktem Arm an die verzwei-felten Geschworenen: „Meine Herren Richter, bitte lassen Sie sich nicht von diesem Winkelzug der Verteidigung ins Bockshorn jagen! Wenn der Zeuge Vogel hier keine Angaben über seinen Aufenthalt in der Mordnacht machen will, lässt das noch kei-neswegs den Schluss zu, er könnte ebenfalls in die Tat verwickelt sein. Sich nicht einer strafbaren Handlung bezichtigen zu wollen heißt noch längst nicht, sich nicht eines Mordes schuldig bekennen zu wollen. Es gibt tausenderlei strafbare Handlungen, die ein Mensch in solch einer Nacht begehen kann, ohne gleich ein Mörder zu sein. Denken Sie nur an das in diesem Verfahren schon hinreichend erörterte Delikt des Ehebruchs. Der junge gut aussehende Herr Vogel ist zwar selbst unverheiratet, aber wer will ausschließen, dass er in eine verheiratete Frau verliebt ist und just die fragliche Nacht in Pöcking mit dieser Frau verbracht hat? Wollte er nun die Fragen der Verteidigung nach seinem Alibi wahrheitsgemäß beantworten, müsste er sich vielleicht des Ehebruchs, also einer strafbaren Handlung, bezichtigen. Das bitte ich doch nicht zu übersehen."

Die Chancen sind wieder ausgeglichen. Die Gefahr, die Anklage könnte entkräftet und der Mordverdacht in eine andere, nicht erwünschte Richtung gelenkt werden, ist einstweilen beseitigt.

Nur die sechs Geschworenen hinter dem Richtertisch, biedere Männer aus dem bayerischen Volk, sehen ein wenig ratlos vor sich hin, wissen offenbar noch weniger als zuvor, was sie von der Sache zu halten haben.

 

Die hundertfünfzig Zuhörer im Schwurgerichtssaal sind maßlos enttäuscht. Dass ihnen der Zeuge Vogel das Mordgeständnis vorenthält, sehen sie ihm vielleicht noch nach, dass er aber die Aussage über eine pikante Ehebruchaffäre verweigert, verzeiht man ihm nicht. Man beachtet ihn fortan nicht mehr, und das ist das Schlimmste, was einem am Brühne-Prozess Beteiligten widerfahren kann. Vogels weitere Aussagen werden nur noch mit fortwährendem Husten und lautem Gähnen bedacht. Man fühlt sich um die so gierig erhoffte Sensation betrogen.

Es bleibt die Frage: Woher hatte Vogel nun wirklich Kenntnis, dass Elfriede Kloo tot im Keller lag, als er am Oster-dienstag 1960 die Praun-Villa am Starnberger See ver-ließ, ohne die Leiche der Haushälterin gesehen zu haben? Wusste er davon, weil er der Mörder war? Aber welche Motive besaß er für einen Doppelmord? Die Millionenerbschaft hätte ihm keine materielle Bereicherung, der Tod des Arztes ihm also keinerlei erkennbare Vorteile eingetragen. All diese Fragen fanden weder im Prozess noch in der Presse Beantwortung.

 

War der Arzt wirklich ermordet worden, weil es die Mörder auf seine Millionenhinter-lassenschaft abgesehen hatten, wie es der Münchener Schwurgerichtsprozess zwei Jahre später der Öffentlichkeit weiszumachen sucht? Die Gazetten behaupteten es immer wortreich. Zwei große Illustrierte hatten Monate vor dem Prozess sogar auf eigene Faust kriminalistische Ermittlungen angestellt und scheinbar lückenlos nachgewiesen, dass die Angeklagten Vera Brühne und Johann Ferbach Doktor Praun erschossen hatten, weil der Arzt seinen spanischen Besitz, den er der Brühne testamentarisch vermacht hatte, kurz vor seinem Tode veräußern wollte. Das Traumschloss an der Costa Brava sollte also der Münchener Kokotte entgehen.

Die beiden Angeklagten bestritten aber vom ersten Tag an, die Mörder zu sein. Illus-trierte wie Staatsanwaltschaft waren auch nicht in der Lage, ihnen außer sogenannten psychologischen Indizien überzeugende Beweise entgegenzuhalten. Es gab keine Zeugen, die sie am Tatort gesehen hatten, und keine Spuren in der Villa, die darauf hindeuteten, dass einer von ihnen die Schüsse abgegeben hatte. Aber wer den Prozess aufmerksam verfolgte und sich nicht von der Pressekampagne beeinflussen ließ, wer vor allem statt des skandalösen Lebenswandels der Brühne das geheimnisumwitterte Leben des Ermordeten Doktor Praun untersuchte, fand Dutzende Hinweise auf ganz andere Täter und Tatmotive.

 

Zu den merkwürdigsten Vorkommnissen im Mordfall Doktor Praun gehörte vor allem das Verhalten der Kriminalpolizei nach der Entdeckung der Tat. Als der Sekretär des erschossenen Arztes, Hans-Joachim Vogel, und die Sprechstundenhilfe Renate Meyer am Osterdienstag kurz vor Mitternacht bei der Kriminalaußenstelle Fürsten-feldbruck ihre grausige Entdeckung in der Pöckinger Villa meldeten, benachrichtigte der diensthabende Polizeibeamte sofort den Leiter der Außenstelle, den Kriminalinspektor Georg Kott. Der am Nachmittag an Hinweisen für das Ausbleiben des Doktor Praun noch so interessierte Kott zeigte, als er nachts erfuhr, dass der Arzt und seine Haushälterin erschossen in der Villa lägen, ein mehr als merkwürdiges Desinteresse. Statt sofort Untersuchungen einzuleiten, ließ er den beiden ausrichten, sie könnten nach Hause gehen.

Später befragt, warum er nicht sofort Vogel verhört hätte, gab Kott die fragwürdige Erklärung ab: „Ich wollte den Leuten nicht zumuten, sich die ganze Nacht um die Ohren zu schlagen!"

Erst am anderen Morgen, bei der üblichen Arbeitsbesprechung, erteilte Kott dem vierundvierzigjährigen Kriminalobermeister Karl Rodatus den Auftrag, mit zwei Beamten nach Pöcking zu fahren.

„Ein Doktor Praun hat dort in seiner Villa seine Haushälterin erschossen und dann Selbstmord verübt", sagte Kott wörtlich zu Rodatus und wies den Kriminalobermeis-ter an, lediglich einen kurzen Ermittlungsbericht zu machen, damit die Leichen zur Beerdigung freigegeben werden könnten. Weder das Münchener Schwurgericht noch die Detektive der Illustrierten untersuchten jemals, woher der Kriminalinspektor schon zu diesem Zeitpunkt wusste, was in der Villa Prauns angeblich vorgefallen war. Es kam auch niemand auf den Gedanken, Kott zu fragen, ob er möglicherweise von irgendeiner übergeordneten Dienststelle noch in der Nacht, als der Mord entdeckt wurde, den Auftrag erhalten hatte, den Fall als Selbstmord ohne jedes Aufsehen abzutun.

 

Entsprechend dem Auftrag seines Vorgesetzten führte der nach Pöcking abkom-mandierte Kriminalobermeister Rodatus die Untersuchungen in der Villa durch, ohne sonderlichen Ehrgeiz, einem Doppelmord auf die Spur zu kommen. Die Leiche des Arztes lag aufgedunsen und schon in Verwesung übergegangen im Korridor der Villa, in der Nähe der Haustür. Die Bekleidung des Toten - er trug einen Paletot, und auf dem Fußboden lag der Hut - sowie die Lage der Leiche verrieten, dass Praun erschossen worden war, kurz nachdem er das Haus betreten hatte. Ihm war nicht einmal Zeit geblieben, Mantel und Hut abzulegen. Die erschossene Haushälterin fand man, wie von dem Praxissekretär Vogel angegeben, im Kellergeschoss, in der Nähe der Hausbar auf dem Steinfußboden. Ihr Leichnam wies noch keine Verwesungserscheinungen auf, die Totenstarre war sogar noch vorhanden.

In einem fünf Seiten langen Untersuchungsbericht schrieb Rodatus über seine Er-mittlungen: „Ich überzeugte mich, dass beide Personen tot waren, vermutlich schon seit mehreren Tagen. Am Hinterkopf der Frau fand ich die Einschussstelle eines Nahschusses aus einer aufgesetzten Pistole. Der männliche Tote wies ebenfalls am Hinterkopf, nur etwas höher gelegen, die Austrittswunde einer Pistolenkugel auf. Dr. Praun hatte also, nachdem er seine Haushälterin aus nächster Nähe und hinterrücks getötet hatte, sich selbst in den Mund geschossen. Der Schuss muss sofort tödlich gewesen sein."

Rodatus machte in diesem Protokoll nicht einmal den Versuch, den angeblichen Selbstmord des Arztes zu begründen. Jeder Laie wäre über die Tatsache gestolpert, dass Praun diesen tragischen und gewiss reiflich überlegten Schritt in Hut und Mantel, gewissermaßen zwischen Tür und Angel, getan haben sollte. Rodatus nahm daran genauso wenig Anstoß wie an der prall mit Lebensmitteln gefüllten Aktentasche, die neben dem Toten an der Erde stand. Er hielt es also für logisch, dass Praun, der sich das Leben nehmen wollte, vorher noch für die Osterfeiertage Lebensmittel eingekauft hatte. Es störte ihn auch nicht, dass im Korridor zwar zwei Geschoßhülsen, aber nur eine Pistolenkugel gefunden wurden. Im Esszimmer standen auf einem Serviertisch zwei Kognakschwenker, zwei Whiskygläser und zwei angebrochene Flaschen Schnaps, die darauf hindeuteten, dass hier kurz vor dem blutigen Ereignis noch vier Menschen Schnaps getrunken hatten. Den wackeren Kriminalobermeister kümmerte das nicht. Rodatus versäumte es auch, die Schnapsgläser und den Revolver, der im Korridor lag, auf Fingerabdrücke untersuchen zu lassen. Stattdessen nahm er den Revolver und erschoss damit den in der Küche eingesperrten, halb verhungerten Schäferhund des Arztes.

Nachdem somit alle wichtigen Spuren des Geschehens beseitigt waren, rief Rodatus einen Pöckinger Privatarzt an, bestellte ihn in die Villa und beauftragte ihn, einen Totenschein auszustellen. Als Todesursache diktierte er den Arzt Selbstmord Doch der Arzt weigerte sich, fand sich nur bereit „vermutlich Selbstmord" auf den Totenschein zu schreiben. Darüber entbrannte ein heftiger Streit zwischen dem Arzt und dem Kriminalobermeister. Rodatus bestand darauf, dass als Todesursache „Selbstmord" angegeben werden müsse.

Der Arzt verlangte daraufhin, dass die Leiche des Dr. Praun gerichtlich untersucht werden solle. Nun erst begnügte sich Rodatus mit dem „vermutlich Selbstmord". In-zwischen traf auch der Kriminalinspektor Kott mit dem zweiunddreißigjährigen Sohn des Getöteten, dem Assistenzarzt Dr. Günter Praun, in der Villa ein.

Rodatus berichtete kurz von dem Ergebnis seiner Ermittlungen und fragte dabei wie nebensächlich den Sohn: „Halten Sie Selbstmord für möglich, Herr Doktor?" „Ja, ja, das geht schon in Ordnung, ich habe mit Herrn Doktor Praun Junior schon auf der Herfahrt darüber gesprochen, Rodatus", gab Kott die Antwort, noch ehe der Sohn des Verblichenen den Mund auftun konnte.

Grade so, als gelte es, ein gutes Geschäft zum Abschluss zu bringen, griff anschlie-ßend der Kriminaloberinspektor zu einer der beiden Schnapsflaschen, füllte die auf dem Esszimmertisch stehenden Gläser, die aller Wahrscheinlichkeit nach noch die Fingerabdrücke der Mörder trugen, und prostete den Anwesenden zu.

Für die saloppe Art, mit der die ganze Untersuchung geführt wurde, spricht auch die Tatsache, dass Rodatus zum Abschied zu Praun jr. sagte: „Mir fehlt eigentlich noch eine Revolverkugel, Herr Doktor. Falls Sie die noch irgendwo finden sollten, bringen Sie sie mir doch bei Gelegenheit mal vorbei."

Zwei Jahre später, als im Schwurgerichtssaal die skandalösen Untersuchungsme-thoden der Kriminalbeamten zur Sprache kommen, wettern die Gerichtsreporter zornig über die Dummheit und Unfähigkeit des Kriminalobermeisters Rodatus, doch nicht eine Zeitung stellt die Frage nach der Ursache für diese angebliche Unfähigkeit und Dummheit.

Die „Süddeutsche Zeitung" schreibt zwar ironisch: „Mörder, kommst du nach Bay-ern, dann morde in Pöcking am Starnberger See. Um den perfekten Mord brauchst du dich nicht zu bemühen. Deine etwa hinterlassenen Spuren beseitigt die Polizei von Amts wegen..." Vergeblich sucht man jedoch in dem Bericht nach einer Erklä-rung, warum denn die Polizei die Spuren der Mörder des Dr. Praun von Amts wegen beseitigt hatte.

Der Berliner „Kurier" bringt wohl den Mut auf zu fragen: „War der die Untersuchung leitende Rodatus wirklich dumm? Keineswegs! Er hat viele Jahre in Bayern ausgezeichnete kriminalistische Arbeit geleistet. Warum versagte er aber ausgerechnet in der Pöckinger Mordvilla? Es gehört auch zu den Mystifikationen dieses abartigen Prozesses, dass jetzt alle Schuld auf den wehrlosen Rodatus geschoben wird. Leitender Beamter war aber sein Vorgesetzter Georg Kott. Warum wird Kott nicht in Acht und Bann getan? Warum schließlich wurde dieser Georg Kott für alles, was damals angestellt wurde, um die Spuren der Mörder zu beseitigen, zum Chefinspektor von Ingolstadt befördert?" Der Kurier lässt die Frage unbeantwortet. Andere Zeitungen fragen auch: „Warum fand sich der Sohn des Ermordeten zunächst bereit, dieses Selbstmordspielchen der Kriminalpolizei mitzumachen? Er äußerte doch schon wenige Tage später bei der Staatsanwaltschaft in München, dass er keinen Menschen kenne, der so am Leben gehangen hätte wie sein Vater. Es sei unmöglich, dass er sich selbst das Leben genommen habe."

 

Nachdem die Kriminalpolizei am Mittwoch nach Ostern 1960 ihre fragwürdigen Untersuchungen beendet hatte, begann Praun jr. die Villa nach dem Testament sei-nes Vaters zu durchsuchen. Zu Lebzeiten hatte der millionenschwere Arzt seinen Sohn mehr als kurz gehalten. Von dem Reichtum des Papas profitierte der Sohn nicht. Mehr schlecht als recht musste er sich als Assistenzarzt eines städtischen Krankenhauses durchs Leben schlagen. Voller Neid hatte er die Allüren seines Va-ters beobachtet, nur von der Hoffnung beseelt, dass ihm vielleicht eines Tages gehören würde, was der Vater besaß. Verstanden hatten sich Vater und Sohn ohnehin nie. Es kümmerte den Sohn daher wenig, auf welche Weise der Vater umgekommen war. Ob Selbstmord oder Mord, nur die Erbschaft war für ihn von Interesse. In einem antiken Schreibsekretär, der über ein Dutzend Geheimfächer besaß, fand Günter Praun nach zweitägigem Suchen das Testament, das ihm eine unerwartete Enttäuschung bereitete. Doktor Praun hatte einen beträchtlichen Teil des Vermögens seiner letzten Geliebten, Vera Brühne, vermacht.

 

Am gleichen Tage - die Beerdigung hatte noch nicht stattgefunden - erschien Praun jr. bei der Münchener Staatsanwaltschaft und äußerte die Vermutung, dass sein Vater ermordet worden sei. Er bat darum, dass die Leiche vor der Beisetzung obdu-ziert werde. Dr. Günter Praun wartete auch gleich mit einem handfesten Verdacht auf: Vera Brühne, die letzte Geliebte seines Papas, müsse bei dessen überra-schendem Tod die Hand im Spiele gehabt haben. Zum Beweis legte er das gefundene Testament vor, in dem die Brühne als Erbin des Traumschlosses in Spanien ausgewiesen war. Staatsanwalt Rueth, der im Mordprozess 1962 die Richter immer wieder zu überzeugen suchte, dass lediglich die versprochene Erbschaft Vera Brühne habe zur Mörderin werden lassen, war im April 1960 allerdings noch nicht davon zu überzeugen, dass Praun überhaupt ermordet worden war. „Lassen Sie Ihren Vater erstmals beerdigen. Exhumieren und obduzieren können wir ihn immer noch, falls es notwendig sein sollte", beschwichtigte er den Sohn und trug damit wesentlich dazu bei, dass die Aufklärung des Doppelmordes weiter verschleiert wurde. Der sechsundfünfzigjährige Buchhändler Norbert von Scholler, Studienfreund des ermordeten Dr. Praun, von ihm beauftragt, die Obduktion seiner Leiche bei der Staatsanwaltschaft zu beantragen, falls er eines plötzlichen Todes sterben sollte, hatte große Mühe, von Staatsanwalt Rueth überhaupt angehört zu werden.

Im Prozess sagte er darüber aus: „Ich hatte den Eindruck, dass der Selbstmord Dok-tor Prauns für die Staatsanwaltschaft und die Polizei eine einmal beschlossene Sa-che sei. Man wollte mich gar nicht vorlassen, und als ich dann endlich mein Anliegen vortragen konnte, hörte mir der Beamte kaum zu, las dabei in irgendeinem Aktenstück. Ein Protokoll über meine Aussage anzufertigen, lehnte er als überflüssig ab."

 

Als Dr. Praun jr. mit seinen eigenen Bemühungen, den Tod seines Vaters aufzuklä-ren, nicht vorankam, übertrug er die Erbschaftsangelegenheit schließlich dem Mün-chener Rechtsanwalt Doktor Kittel und erteilte ihm Vollmacht, Anzeige wegen Mor-des gegen Vera Brühne zu erstatten. Zur Beweisführung übergab Günter Praun einen von der Kriminalpolizei angeblich übersehenen Brief, den die Mörder in der Villa hatten liegenlassen.

Dieser auf blauem Luftpostpapier geschriebene Brief trug die Unterschrift des Ermordeten Dr. Otto Praun und war ein halbes Jahr vor seinem Tode in Spanien geschrieben und an seine Haushälterin Elfriede Kloo in Pöcking gerichtet. Er lautete: „Costa Brava, 28. 9. 1959. Liebe Friedel! Der Überbringer dieses Briefes ist Herr Dr. Schmitz aus dem Rheinland, von dem ich Dir schon erzählt habe. Er ist ein sehr wichtiger Mann für mich hier in Spanien. Deshalb sei besonders nett zu ihm. Ich habe von Dir als meiner Frau gesprochen und ihm von unserem schönen Haus in Pöcking erzählt. Zeige ihm alles. Er hat übrigens eine großartige Idee für den unteren Raum. Koche ihm auf, er isst gern gut. Herr Dr. Schmitz hat übrigens eine sehr nette Frau, die ihn auf allen Reisen begleitet und die Dir gut gefallen wird. Ich hoffe, dass es Dir gut geht. Alles Gute und ein Bussi, Dein Otto."

 

So harmlos und nichtssagend der Inhalt des Briefes auch schien, so unheilvoll wurde er für den weiteren Verlauf des Falles. Günter Praun baute auf ihm seine Mordbeschuldigung gegen Vera Brühne auf. Der in dem Brief erwähnte Dr. Schmitz sei ein Vera Brühne bekannter Mann gewesen, der das Schloss in Spanien kaufen wollte, behauptete Günter Praun. Um den Verkauf des Schlosses und damit ihre Enterbung zu verhindern, habe nun die Brühne den Mordplan gefasst und sich einen ihr hörigen Mörder gedungen. Praun argumentierte folgendermaßen weiter: Den „blauen Brief" schrieb Vera Brühne selbst auf der Schreibmaschine, fälschte die Unterschrift und verschaffte so dem gedungenen Mörder gewissermaßen einen Passierschein für die Villa, in die er als Fremder von der misstrauischen Haushälterin gar nicht erst eingelassen worden wäre.

 

Lehnte im April 1960 Staatsanwalt Rueth auch noch die Erhebung der Mordanklage ab, so musste die Kriminalpolizei doch wenigstens die von dem Rechtsanwalt Dr. Kittel erstattete Mordanzeige bearbeiten. Es klingt wie ein Witz, aber tatsächlich wurde damit der wackere Kriminalobermeister Karl Rodatus betraut.