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Elsbeth Würzer, Thomas Zellweger

Schulalltag konkret

Was Lehrpersonen beschäftigt

ISBN Print: 978-3-03905-894-5

ISBN E-Book: 978-3-03905-969-0

1. Auflage 2013

Alle Rechte vorbehalten

© 2013 hep verlag ag, Bern

www.hep-verlag.ch

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Zum Geleit

I Klasse

1 Der «schwierige Schüler»
(Elsbeth Würzer)

2 Disziplin
(Elsbeth Würzer)

3 Teamarbeit und Kooperation
(Thomas Zellweger)

II Unterricht

4 Motivation
(Thomas Zellweger)

5 Aufmerksamkeit und Anstrengung
(Thomas Zellweger)

6 Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitäts-Störung – ADHS
(Thomas Zellweger)

7 Heterogenität: Wunsch und Wirklichkeit
(Thomas Zellweger)

III Lehrperson

8 Rolle und Identität von Lehrpersonen
(Thomas Zellweger)

Exkurs: Die gute Lehrperson
(Elsbeth Würzer)

9 Belastungen im Lehrberuf
(Elsbeth Würzer)

10 Nähe und Distanz
(Elsbeth Würzer)

IV Institution Schule

11 Eine Schule für Knaben?
(Elsbeth Würzer)

12 Die umsichtige Schulleitung
(Thomas Zellweger)

13 Bildungspolitik
(Elsbeth Würzer)

V Eltern

14 Neue Formen der Familiengestaltung
(Thomas Zellweger)

15 Verpflichtungen und Erwartungen von Eltern
(Thomas Zellweger)

16 Elterngespräche
(Elsbeth Würzer)

Anhang

Kollegiale Intervision/Fallbesprechung

14 Prinzipien für die Erziehung eines Kindes mit ADHS

Facetten generischen pädagogischen Wissens

Häufige Erziehungsfehler – Tappen Sie nicht in die Fehlerfalle!

Verzeichnis der Abbildungen

Verzeichnis der Tabellen

Literaturverzeichnis

Bildnachweise

Fußnoten

Vorwort

Selbst für begnadete Lehrpersonen wird der Lehrerberuf immer anspruchsvoller und schwieriger. Dafür sind vielerlei Gründe verantwortlich: Eltern versuchen immer häufiger, sich auf verschiedenen Wegen in den Schulbetrieb einzumischen, wenn sie aus rein subjektiver Sicht mit etwas nicht einverstanden sind. Bildungspolitikerinnen und Bildungspolitiker lieben Schulreformen und verfallen dabei oft einem Populismus, besonders seit die Schule zu einem beliebten Wahlkampfthema geworden ist. Die wachsende Bildungsverwaltung spricht von grossen Freiräumen für die einzelne Schule, greift aber trotzdem vermehrt in das Geschehen ein, weil sie meint, die Lehrerschaft sei nicht fähig, mit solchen Freiräumen sinnvoll umzugehen. Viele Eltern nehmen ihren Erziehungsauftrag nicht mehr richtig wahr, was für die Lehrerschaft stetig belastender wird, weil sie sich mit Problemen beschäftigen muss, die mit ihrem eigentlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag nichts mehr zu tun haben. Und schliesslich erschweren die Erziehungswissenschaften die Gestaltung und Führung von Schule und Unterricht. Der prestigegeladene Trend zur datengestützten empirischen Forschung führt zu immer mehr widersprüchlichen Aussagen und häufig zu unreflektierten Übergeneralisierungen, denen die bildungsphilosophische Reflexion oft fehlt und die – vor allem in der Lehrerbildung – zu anhaltend grösserer Verwirrung im Theorie-Praxis-Bezug von Schule und Unterricht beitragen.

Alle diese Erscheinungen machen es heute schwierig, ein Buch über die Schule, den Unterricht und das Umfeld der Schule zu verfassen. Für gewisse Leserinnen und Leser wird es zu wenig wissenschaftlich sein, was immer das heissen mag. Für andere wird es zu zufällig oder zu pragmatisch sein, weil man selbst andere Erfahrungen gemacht hat oder weil die Empfehlungen nicht mit den eigenen Werthaltungen übereinstimmen. In diesem Spannungsfeld haben Elsbeth Würzer und Thomas Zellweger den eigenständigen und originellen Versuch unternommen, aufgrund von Interviews mit Lehrkräften der Volksschule belastende Probleme zu ermitteln und sie mit gut gewählten Beispielen aus dem Schulalltag zu verdeutlichen. Zur Klärung der Frage- und Problemstellungen fügen sie den vordringlichen Problemkreisen, welche die Volksschullehrerinnen und Volksschullehrer belasten, kurze und gut lesbare theoretische Erläuterungen bei, aus denen sie praktische Hinweise und Empfehlungen für den Schulalltag ableiten. Dabei ist das Bemühen um eine differenzierte Darstellung mit einem guten Praxisbezug erkennbar. Das Buch besticht durch die Klarheit der Empfehlungen und enthält viele Hinweise, die für Volksschullehrerinnen und Volksschullehrer sehr hilfreich sein können. Es will den vielen leider durch das Geschehen verunsicherten Lehrkräften Sicherheit geben und auf diese Weise den Lehrerberuf stärken.

Sicher werden einzelne angesprochene Aspekte zu Diskussionen oder gar zu Kritik führen. Aber wer ist heute in Schulfragen überhaupt noch in der Lage, die Wahrheit zu pädagogischen Fragen zu vermitteln? Das Geschehen ist zu kompliziert und beinhaltet zu viele Zielkonflikte, in denen es kein Richtig oder Falsch gibt. Wesentlich sind Schriften, die konsistent sind und Hilfestellung geben, selbst wenn sie in dieser Hinsicht nur Anregungen zur Reflexion bieten.

Dienen kann dieses Buch zwei Zwecken: als Lesebuch zur Erweiterung des eigenen Horizontes, aber ebenso gut auch als Nachschlagewerk, vor allem dann, wenn man als Volksschullehrer oder -lehrerin zu einem eigenen Schulproblem sehen möchte, ob andere Lehrpersonen mit gleichen oder ähnlichen Problemen kämpfen und wie man sie lösen kann. Dank der Gliederung jedes problemorientierten Kapitels in Aussagen von Lehrpersonen, praktische Beispiele und theoretisch fundierte, aber nicht praxisferne Empfehlungen wird das Buch nie langweilig, sondern zu einem zielgerichteten Ratgeber.

Rolf Dubs

em. Professor an der Universität St. Gallen

Zum Geleit

«Der Lehrer hat die Aufgabe, eine Wandergruppe mit Spitzensportlern und ­Behinderten bei Nebel durch unwegsames Gelände zu führen, und zwar so, dass alle bei bester Laune und möglichst gleichzeitig an drei verschiedenen Zielorten ankommen.»

Dass der Lehrberuf anspruchsvoll ist, ist unumstritten. Die verantwortungsvolle Aufgabe immer und immer wieder zur Zufriedenheit aller – der Klasse, der Eltern, der Institution und der Politik – zu erfüllen, gleicht dem Versuch der Quadratur des Kreises.

Als Dozierende einer pädagogischen Hochschule und Schulpraxis-Mentor/in wirken wir an der Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis. Wir gehen in dieser Funktion in etlichen Schulhäusern und Klassenzimmern ein und aus und kommen mit jungen, aber auch mit langjährigen, erfahrenen Lehrpersonen ins Gespräch. Die Türen zur Schulwirklichkeit stehen uns weit offen, und wir gewinnen tiefen Einblick in die (Aus-)Wirkungen der bildungspolitischen Anstrengungen.

«Schulalltag konkret» hat in solchen Gesprächen seinen Anfang genommen. In einer offenen Umfrage baten wir Lehrpersonen in verschiedenen Kantonen, die drei Themen zu benennen, die sie (im April 2011) am meisten beschäftigten. Die Antworten, teils kurz und bündig, teils sehr ausführlich. Sie liessen sich den Kategorien Klasse, Unterricht, Lehrperson, Institution Schule und Eltern zuordnen. Innerhalb dieser Bereiche konnten wir 16 Kernpunkte ausmachen, die sich in den 16 Kapiteltiteln des vorgelegten Buches spiegeln.

Grundsätzlich sind alle Kapitel nach demselben Muster aufgebaut:

A Aussagen von Lehrpersonen

B Beispiele

C Theorie

D Empfehlungen und Massnahmen

Wir waren uns bei der Arbeit an diesem Buch bewusst, dass wir nicht alle angesprochenen Themen gleich ausführlich behandeln können. Angesichts der Komplexität der Fragestellungen verstehen wir «Schulalltag konkret» als Diskussionsbeitrag – und als eine Annäherung an die Quadratur des Kreises.

Unser Dank gilt den Lehrpersonen, die uns mit ihren Antworten auf unsere Umfrage Anstoss zu den Themen gaben: Sachverständigen (Schulleitungen, Heilpädagogen, einer Schulpsychologin, Prof. Rolf Dubs und vielen anderen), den Interviewten; den «Critical Friends», die einige Kapitel durchlasen und uns mit wichtigen ergänzenden Ratschlägen unterstützten und schliesslich dem hep verlag, der unser Projekt von Anfang an unterstützte.

Elsbeth Würzer und Thomas Zellweger

Januar 2013

Das Motto, das diesem Geleitwort vorangestellt ist, stammt aus dem Buch «Das Eltern­gespräch in der Schule» von Claudius Hennig und Wolfgang Ehinger, erschienen bei Auer, Donauwörth.

I Klasse

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1 Der «schwierige Schüler»
(Elsbeth Würzer)

A Aussagen von Lehrpersonen

Eines der brennendsten Themen der meisten befragten Lehrpersonen ist der Umgang mit «schwierigen», verhaltensauffälligen Schülerinnen und Schülern.

Eine Primarlehrerin (4. Klasse) aus dem Kanton Zürich bringt es auf den Punkt:

A1 «Meine Pensenpartnerin und mich belastet die Unruhe in unserer Klasse sehr. Wir haben extrem viele verhaltensauffällige Kinder. Die Schulpsychologin hat viel zu tun bei uns. Nebst diesen speziellen Kindern bleibt manchmal zu wenig Zeit für Kinder, die im normalen Masse Hilfe brauchen würden.»

Und ein Sekundarlehrer aus dem Kanton Luzern schreibt:

A2 «Mich beschäftigt der Umgang mit sehr verhaltensauffälligen Jugendlichen.»

Einerseits ist es die Summe von Störungen des Unterrichts, von Vorfällen mit «schwierigen Schülern» und andererseits der Schweregrad von einzelnen Verhaltensauffälligkeiten. So zum Beispiel der Sekundarschüler, der auf eine wiederholte Arbeitsaufforderung zum Lehrer sagt: «Heb d’Schnure, susch hau der eis i d’Frässi», oder die Sekundarschülerin, die dem Lehrer auf eine Ermahnung den Mittelfinger zeigt und «Figg di» sagt.

Wir setzen den Begriff bewusst in Anführungszeichen. Es ist schier unmöglich, hier die geschlechtsneutrale korrekte Bezeichnung des «Lernenden» zu verwenden, weil der «schwierige Schüler» eben oft alles andere tut als lernen. Zudem sind «schwierige Schüler» heute in der überwiegenden Mehrzahl Knaben (Guggenbühl 2006, S. 45). An anderer Stelle ( Kapitel 11, Eine Schule für Knaben?) wird auf diese Thematik eingegangen.

Einige Beispiele sollen illustrieren, womit Lehrpersonen im Schulalltag beim «schwierigen Schüler» konfrontiert sind.

B Beispiele

B1 Im Werkunterricht, der nach sechs Lektionen den Schulalltag beendet, wird die elektrische Säge für eine Arbeit gebraucht. Philipp kam am Morgen das dritte Mal in dieser Woche zu spät in den Unterricht, hat diesen den ganzen Tag, wie so oft, mit lauten Kommentaren, die nichts mit der Schule zu tun haben, gestört und andere Schülerinnen und Schüler abgelenkt. Als Philipp ein ganz kleines Stück Holz schneiden will, sagt ihm die Lehrperson, dies sei zu gefährlich, er solle es von Hand sägen (die Finger könnten verletzt werden). Philipp beginnt mit ihr zu diskutieren und will sein Vorhaben durchsetzen. Die anderen 15 Lernenden sind wie immer abgelenkt und verfolgen die Szene. Daraufhin lässt er die Maschine an und zersägt das kleine Stück vor den Augen der Lehrperson.

B2 Kevin ist in der 5. Klasse sehr auffällig. Jeden Tag gibt es einen Vorfall mit ihm. Ständig klopft er mit einem Stift auf das Pult, während die anderen Lernenden ruhig arbeiten wollen. Er zerkratzt seine Unterlagen, arbeitet nicht mit oder sperrt sich zum Beispiel mit einer Schere in der Toilette ein. Im Fach Musik gab die Musik-Fachlehrperson eine kurze Einführung zur Prüfung. Da ist es so ausgeartet, dass Kevin den Unterricht immer wieder unterbrochen hat mit Sätzen wie: «Ich bin behindert. Ich bin doof. Ich will ficken lernen.»

B3 Die 4. Klasse ist an einer stillen Arbeit. Reto will diese Einzelarbeit nicht machen; er geht deshalb nach vorne zur Lehrperson und sagt ihr das. Diese versucht, ihn zu motivieren, indem sie ihm bei der ersten Aufgabe hilft. Reto geht zurück an seinen Platz und macht die Arbeit selbstständig fertig. Die Lehrperson sieht die gelungene Arbeit und lobt Reto für die gute Arbeit. Kurz darauf radiert Reto alle Antworten aus und ruft: «Gefällt es Ihnen immer noch?»

Die Beispiele stehen stellvertretend für Belastungen, die als Einzelphänomen nicht besonders ins Gewicht fallen würden; aber hinter jeder Situation stehen unzählige Wiederholungen in allen möglichen Schattierungen, das Repertoire an Reaktionsweisen kennt keine Grenzen. Grenzenlos wird mitunter auch die Ohnmacht vieler Lehrpersonen, vor allem auch der Fachlehrpersonen, die nur wenige Lektionen in einer Klasse unterrichten (wie B2 veranschaulicht). Hinter jedem dieser Beispiele stehen persönliche und individuelle (Leidens-) Geschichten. Reihen sich über Tage und Wochen hinweg solche Ereignisse aneinander, so schwindet das Vertrauen in die eigene Selbstwirksamkeit, kann der Ärger wachsen, macht sich Ohnmacht breit – und die Arbeit kann im wahrsten Sinne des Wortes immer schwerer lasten.

Ein «schwieriger Schüler» allein, so glauben viele Lehrpersonen, wäre in einer Klasse durchaus tragbar oder ertragbar. Doch in vielen Klassen ist der «schwierige Schüler» kein Einzelfall. Im Zusammenhang mit der Auf­lösung von Kleinklassen, der Erhöhung der Klassengrössen kumulieren sich in vielen Klassen die «schwierigen Schüler», die Probleme, die Sorgen, der Frust der Lehrperson. Zusätzliche Lehrpersonen, schulische Heilpädagogen, die Schulsozialarbeit sind oft eine Hilfe und Erleichterung, doch viele Schwierigkeiten sind Teil eines grundlegenden Beziehungsmusters des Kindes oder haben tiefere familiäre Wurzeln und lassen sich selten rasch beheben. Schwierige Konstellationen müssen sowohl von Lehrpersonen als auch von Mitschülerinnen und -schülern oft über längere Zeit ausgehalten werden. Manch eine Lehrperson ist froh, in solchen Fällen nur wenige Lektionen in der fraglichen Klasse zu erteilen.

C Theorie

Was ist ein «schwieriger Schüler»? – Versuch einer Definition

Beim Versuch, den «schwierigen Schüler» zu definieren, stolpert man sogleich über die beiden Tatsachen, dass erstens das «schwierige» Verhalten eines Lernenden nicht für jede Lehrerin, jeden Lehrer ein Problem darstellt und dass sich zweitens dieses Verhalten nicht bei jeder Lehrperson zeigt (auch nicht in allen Gruppenkonstellationen). Gleichwohl wäre es verfehlt, das Verhalten des «schwierigen Schülers» nur als Reaktion auf Umstände, auf eine bestimmte Lehrperson, ein bestimmtes Schulfach, eine Gruppendynamik usw. einzustufen. Dies hiesse zu verkennen, dass hier ein junger Mensch mit einer Geschichte – einer Schulkarriere mit Ecken und Kanten oder einer belasteten Familiengeschichte – beteiligt ist. Plakative Schuldzuweisungen an die Adresse der Eltern oder an die Lehrpersonen sind zumeist Ausdruck der Ohnmacht der Beteiligten, Ausdruck der Not, der schlaflosen Nächte, des Zweifelns, der Hilflosigkeit. Oft fliessen Vereinfachungen in eigene Erklärungsversuche ein. Mal sind sie Trost, weil die Ursache nicht bei einem selbst liegt, mal bestätigen sie das eigene (Vor-)Urteil.

Doch wie könnte man den «schwierigen Schüler» allgemein definieren? Eine erste mögliche Definition liefern Klein und Krey (2001):

«Schwierig ist der Schüler, den wir als schwierig empfinden.» (A. a. O., S. 3)

Die Lehrperson wird hier zur Ursache des Erlebens, unter Umständen zur Ursache der Probleme erklärt. Das «Schwierige» liegt in ihrem persönlichen Erleben begründet. Wäre ihre Empfindung anders, wäre das Problem nicht (mehr) da. Unserer Meinung nach stellt diese Definition für die betroffene Lehrkraft keine grosse Hilfe dar und betrachtet nur eine Seite der Medaille. Diese Sicht verkennt, dass der Lehrperson ein Mensch gegenübersteht, der auch empfindet, wertet, agiert und reagiert. Die Probleme sind oft nicht nur auf einer Seite zu finden. Eventuell könnte eine andere Lehrperson mit einem anderen – allenfalls erweiterten – Handlungsrepertoire mehr Erfolg haben.

Das Erleben der eingeschränkten Selbstwirksamkeit angesichts eines «schwierigen Schülers» kann zu einem gewichtigen Stressfaktor im Lehr­beruf werden ( Kapitel 9, Belastungen im Lehrberuf). Die Folgen können gravierend sein und sich in somatischen und/oder psychosomatischen Beschwerden äussern. Nicht nur die von Burn-out stark betroffenen Lehrpersonen müssen dies erleben. Auch erfahrene und erfolgreiche Lehrpersonen wissen von Klassen oder Schülern zu berichten, die sie in ihrem Glauben an die eigenen persönlichen Fähigkeiten erschüttert haben.

In einem zweiten Versuch könnte man einen Schritt weiter gehen und das Verhalten und dessen Auswirkungen beschreiben:

Ein «schwieriger Schüler» sticht durch sein unangenehmes und auffälliges Verhalten über längere Zeit hervor und stört die Lehrperson, den Unterricht und/oder das Klassenklima ständig auf irgendeine negative Art und Weise.

Diese Definition ist deskriptiv und bezieht das Umfeld (Mitschülerinnen und Mitschüler), den Rahmen und die Lehrperson mit ein. Ebenso wird die Beschreibung ergänzt durch die Faktoren Zeit und Zielgerichtetheit.

Doch was ist die Ursache von schwierigem Verhalten? Nicht jedes solche Verhalten ist stets destruktiv, vielleicht erreicht ein Schüler nur auf diese Art und Weise Beachtung, die andere durch Leistungsbereitschaft erfahren, eine Möglichkeit, die dem störenden Schüler jedoch – aus welchen Gründen auch immer – verschlossen bleiben. Jeder Mensch sucht auf seine Art eine soziale Beziehung. Manchmal ist die Sehnsucht nach Aufmerksamkeit auch übersteigert, oder Eifersucht und Konkurrenz versperren den Blick für die Realität. Eine Lehrperson versucht zumeist auf verschiedene Art und Weise, auf die verhaltensauffälligen Lernenden zu reagieren, und kommt nicht selten an Grenzen des möglichen Repertoires.

Der Versuch einer eigenen Definition wird immer länger, wenn wir weiter ergänzen:

Ein «schwieriger Schüler» sticht durch sein unangenehmes und auffälliges Verhalten über längere Zeit hervor und stört die Lehrperson, den Unterricht und/oder das Klassenklima ständig auf irgendeine negative Art und Weise. Er lenkt permanent die Aufmerksamkeit der Lehrperson auf sich und neigt dazu, deren Grenzen auszuloten. Die Lehrperson hat oft das Gefühl, nichts ausrichten zu können, weil sie schon alles Mögliche ausprobiert und sich das Verhalten des Lernenden nicht geändert hat.

Auch Klein und Krey (2001) sehen objektive Kriterien, die ein Verhalten als «schwierig» erkennen lassen und eine präzisere Definition erfordern:

«Schwieriges Verhalten ist Ausdruck fehlender sozialer Kompetenzen.» (S. 4)

Dieser Erklärungsversuch ist kurz, weil er das Verhalten mit seinen Mängeln ausdrückt. Die Beschreibung ist personenunabhängig, das heisst, das Erleben der Lehrperson und der Orientierungsrahmen spielen darin keine Rolle. Sie überzeugt durch «Neutralität». Nicht alle Lehrpersonen kennen das Gefühl der Hilflosigkeit bei einem oder mehreren «schwierigen Schülern». Durch das Fehlen einiger wichtiger sozialer Kompetenzen bei einem oder mehreren Lernenden können sich tatsächlich störende Verhaltensweisen und Haltungen ausbreiten, wie zum Beispiel Rücksichtslosigkeit, geringe Frustrationstoleranz, sich über Regeln und Grenzen hinwegsetzen, nicht zuhören usw. Fehlende soziale Kompetenzen müssen jedoch nicht zwingend schwieriges Verhalten auslösen.

In neueren Fachpublikationen findet man Begriffe wie «verhaltensauffällig», «verhaltensoriginell», oder es ist die Rede von «erwartungswidrigem» und «herausforderndem» Verhalten. Im Rahmen der integrativen Schulung ist die Bezeichnung «Kinder mit besonderen Bedürfnissen» am gebräuchlichsten ( Kapitel 6, ADHS). Dazu ergänzen die psychiatrischen Kürzel POS1 und AD(H)S2 die Bezeichnungen des «schwierigen Schülers» und werden manchmal synonym zum Begriff der Verhaltensauffälligkeiten gebraucht (Göppel 2010, S. 202 f.).

Verständnis und Vorgehensweise gegenüber verhaltensauffälligen Schülerinnen und Schülern haben sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend verändert. Heute ist es selbstverständlich, dass vertieft die Ursachen eines auffälligen Verhaltens ergründet werden.

Becker bezeichnet den «schwierigen Schüler» in seinem Buch «Lehrer lösen Konflikte» als «Problemschüler». In seiner Umschreibung bringt er unseres Erachtens einen Punkt besonders deutlich zum Ausdruck: Die Problemschüler sind bei der Lektionsvorbereitung der Lehrperson immer präsent (Becker 2006, S. 132). Sie fragt sich bei jedem Planungsschritt, ob das Vorhaben wohl in dieser Form gelingen wird, ob eine bestimmte Methode nicht derart viel Unruhe in den Unterricht bringt, dass ein Arbeiten nur noch schwer möglich ist, usw. Die Lehrperson verliert in dieser täglichen Arbeit den Schwung, braucht bei diesen Abwägungen viel Zeit, und die Motivation sinkt. Dies hat wiederum einen Einfluss auf die Klassenführung und damit direkt auf die Lernenden: ein Teufelskreis.

Wenn dieser Zustand erreicht ist, besteht Handlungsbedarf. Es darf nicht sein, dass ein oder mehrere verhaltensauffällige Kinder in einer Regelklasse das Lernklima derart dominieren, dass viele Heranwachsende in ihren Bedürfnissen zu kurz kommen.

Warum gibt es «schwierige Schüler»?

Eine mögliche Antwort wäre, die Ursache in den heutigen «schlechten Zeiten» suchen. Wenn man sich jedoch mit der Geschichte von verhaltensauffälligen Kindern beschäftigt, trifft man schon früh auf verschiedenste Bezeichnungen. So gibt es in der Literatur die «verkommenen Söhne» und «missratenen Töchter». In der Pädagogik ist die Liste der Adjektive lang und vielfältig und widerspiegelt die jeweilige Zeit. Man sprach von bösartigen, sittlich verwilderten, von moralisch schwachsinnigen, soziopathischen Kindern. Oder von schwer erziehbaren, gemeinschaftsschwierigen, seelisch heimatlosen, entwicklungsgestörten, entwicklungsgehemmten, haltschwachen Kindern. Und auch von sozial schwierigen, verhaltensgestörten, verhaltensschwierigen und erziehungshilfebedürftigen Kindern war die Rede (Göppel 2010, S. 201 f.).

Schwieriges Verhalten ist von verschiedenen, miteinander verknüpften Faktoren geprägt. Einerseits ist von Entwicklungsverletzungen, aktuellen Entwicklungskrisen, neurobiologischen Störungen (zum Beispiel ADHS), aktuellen Familienproblemen, familiären Erziehungsfehlern und schulischen Fehlern die Rede und andererseits von gesellschaftlichen Einflüssen (Keller 2010, S. 29 f.). Es ist nicht Thema dieses Buches, alle diese Hintergründe und Ursachen für Verhaltensauffälligkeiten von Schülerinnen und Schülern zu beleuchten, zu analysieren und zu erklären.

Es soll hier genügen, darauf aufmerksam zu machen, dass jede Eindimensionalität einer Lösungssuche im Wege steht. Kurzfristig mag wohl die eine oder andere Erklärung in der Enttäuschung und/oder Ohnmacht entlastend sein, doch wenn sie zu kurz greift und keinen Lösungsansatz eröffnet, steigert sie unter Umständen die Verbitterung. Wichtig erscheint uns, dass Lehrpersonen «schwierige Schüler» als solche ernst nehmen und sich Gelegenheiten verschaffen, deren Störungsbotschaften zu übersetzen. Manchmal gelingt es in einem Gespräch, mögliche Ursachen zu erfahren. Vielfach machen Lehrpersonen die Erfahrung, dass der «schwierige Schüler» selbst unter seinem Verhalten leidet und es verändern möchte. Von der Einsicht zum korrigierten Verhalten ist allerdings zuweilen ein weiter Weg, wie Wiater (2009) schreibt:

«Damit Verhaltensmodifikation überhaupt gelingen kann, muss es zwischen Schüler und Lehrer nicht nur ein maximales Vertrauen und eine grösstmögliche Kooperationsbereitschaft geben, sondern vor allem auch die Bereitschaft und Offenheit des Schülers dazu. […] Ohne Mitwirkung des Schülers bleiben die Bemühungen um eine Änderung seines Verhaltens erfolglos.» (A. a. O., S. 61)

So bleiben ohne Mitarbeit und Einsicht des Lernenden oft nur schulische Ordnungsmassnahmen wie zum Beispiel ein Time-in, ein Time-out, eine Versetzung in eine Parallelklasse oder in eine andere Schule respektive der Schulausschluss als mögliche Lösungen.

Kernfragen im Umgang mit «schwierigen Schülern»

Der Umgang mit einzelnen «schwierigen Schülern» war schon immer eine der Herausforderungen im Lehrerberuf. Der «schwierige Schüler» ist keine Erfindung unseres Jahrhunderts. Verständnis und Vorgehensweise haben sich aber in den letzten Jahrzehnten grundlegend verändert. Heute ist es selbstverständlich, dass vertieft die Ursachen eines auffälligen Verhaltens ergründet werden. Unbestritten ist jedoch auch die Zunahme von Verhaltensauffälligkeiten in den heutigen Regelklassen. Dies hat, wie bereits oben angedeutet, verschiedene Ursachen.

Ohne den Erneuerungsbedarf der Schule infrage zu stellen, seien hier doch einige kritische Bemerkungen im Zusammenhang mit der Häufung von «schwierigen Schülern» erlaubt.

Im Klassenzimmer sind vielfach heilpädagogische, logopädische und/ oder sozialpädagogische Fachpersonen anwesend sowie Personen aus verschiedenen Projekten ( Kapitel 3, Teamarbeit und Kooperation). Parallel dazu hat die Entwicklung zu immer mehr Teilpensen und zur Aufteilung der Klassenverantwortung geführt. «Gewicht» und Bedeutung der Klassenlehrperson wurden insofern teilweise problematisiert, als sie als Einzelkämpfer im Schulzimmer stehen und handeln. Heute beklagt man die zum Teil hohe Anzahl von Lehrpersonen, die in einer Klasse unterrichten. Bestrebungen scheinen nun wieder in die Gegenrichtung zu laufen. Die Erkenntnis beginnt sich durchzusetzen, dass eine Zerstückelung der Pensen den Bildungszielen der Volksschule wenig förderlich ist.

Auch der Enthusiasmus über die weitgehende Integration von Sonderschülerinnen und -schülern und Lernenden mit besonderen Bedürfnissen wird heute mehr und mehr kritisch hinterfragt. Damit soll keineswegs der Rückkehr zu einer absoluten Separation das Wort geredet werden. Die Auswirkungen der Bildungspolitik der letzten Jahre, die heute zu Kritik Anlass geben, sind in den Klassenzimmern heute Realität.

In vielen Schulen wurden Kleinklassen aufgelöst und die Schülerinnen und Schüler in Regelklassen integriert. Die politische Forderung lautete, dass diese Lernenden in die Regelklassen integriert werden sollten (zumeist durch heilpädagogische Massnahmen begleitet), während die Klassengrössen praktisch nicht verändert wurden ( Kapitel 13, Bildungspolitik). Separation wurde zum Unwort erklärt. Eine Folge dieser Integration ist, dass die Heterogenität massiv zugenommen hat, was die Lehrpersonen zu immer ausgeprägterer Individualisierung zwingt. Dies hat den Unterricht an der öffent­lichen Volksschule massgeblich verändert.

Was bedeutet das im Hinblick auf den «schwierigen Schüler»? Eigentlich würde er stabile Bezugspersonen brauchen – und nicht möglichst viele Fachlehrpersonen. Für viele «schwierige Schüler» bedeuten die heutigen Verhältnisse eine Überforderung, die sich wiederum in einer Verstärkung des «schwierigen» Verhaltens manifestieren kann.

Auch gesellschaftliche Veränderungen und zunehmende Migration haben zur Verschärfung der Situation in den Regelklassen geführt. Lehrpersonen erleben tagtäglich, dass die Anzahl «schwieriger Schüler» und/oder der Schweregrad von Verhaltensauffälligkeiten und die unterschiedlichsten Voraussetzungen der Lernenden in einer Klasse häufig einen gemeinsamen Klassenunterricht verunmöglichen ( Kapitel 7, Heterogenität: Wunsch und Wirklichkeit).

Nicht wenige Lehrpersonen reduzieren aus dieser Not die Vielfalt der Lehrmethoden, verzichten auf den Klassenunterricht und greifen auf den «offenen» Unterricht zurück, um denjenigen Schülerinnen und Schülern, die ungestört lernen wollen, Gelegenheit dazu zu geben.

Mit dem damit einhergehenden Freiraum des Unterrichts (weniger Überblick über den Lernprozess) können «schwierige Schüler» zumeist nicht umgehen und sind überfordert. So wird die Lehrperson schon bei einer allfälligen Gruppenbildung darauf schauen, dass verhaltensauffällige Schülerinnen und Schüler die lernwilligen nicht stören. Mit «offenem» und/oder individualisiertem Unterricht erreichen verhaltensauffällige Schülerinnen und Schüler oft nur bescheidene Resultate. Auch in diesem Rahmen würden sie intensive Betreuung und Begleitung brauchen, die in den Regelklassen zulasten der leistungswilligen Lernenden geht. Darüber hinaus beklagen die Lehrpersonen, dass Lehrmittel für ein eigenständiges und differenziertes Lernen kaum vorhanden sind. Gemäss der umfangreichen Belastungsstudie des Kantons Zürich (2009) fehlen taugliche Lehrmittel für einen individualisierenden und differenzierenden Unterricht weitgehend (Bucher 2010, S. 32).

Die Klassenlehrperson kann (wie erwähnt) vielfach den leistungsstärkeren Lernenden nicht gerecht werden. Diese wandern oftmals, wenn dies finanziell möglich ist, in Privatschulen ab. Aber auch die guten Schülerinnen und Schüler sollen in der Volksschule gefördert und gefordert werden, was eine ausreichende Verfügbarkeit der Lehrperson erfordert. Für das breite «Mittelfeld» der Klasse gilt dasselbe. Es ist kaum verwunderlich, wenn ein Sekundarlehrer aus der Zentralschweiz folgert: «Die zunehmende Heterogenität in der Klasse gibt mir das latente Gefühl, nicht genügen zu können.»

Diese Lehrperson unterrichtet zusammen mit einer IF3-Lehrperson engagiert im Teamteaching. Und trotzdem erlebt sie, dass es ihr nicht (mehr) gelingt, alle Schülerinnen und Schüler zu motivieren und zu Erfolgserlebnissen zu führen. Überflüssig zu erwähnen, dass sich dies negativ auf die Berufszufriedenheit auswirkt.

D Empfehlungen und Massnahmen

Aufgrund der Multikausalität des Themenkreises «schwieriger Schüler» geben wir im Folgenden verschiedene Empfehlungen und schlagen Massnahmen vor (ohne Anspruch auf Vollständigkeit). Dabei werden alle beteiligten Ebenen (Schulzimmer, Schulhaus, Gemeinde und Kanton) berücksichtigt.

Lehrperson
Klare und enge Unterrichtsführung

Damit sie die dringend benötigten schulischen Erfolgserlebnisse erreichen können, brauchen verhaltensauffällige Lernende einen stark strukturierten Unterricht, eine reizarme Sitzordnung, immer wiederkehrende Abläufe (Routinen), klare und geregelte Absprachen unter den Lehrpersonen, ähnliche Unterrichtsstile.

Kooperation am Arbeitsplatz
Teamarbeit

Ein wichtiger Punkt im Umgang mit «schwierigen Schülern» ist die Zusammenarbeit der Lehrpersonen im Team. Wird der «schwierige Schüler» als ein Lernender, der «zufälligerweise in meiner Lerngruppe» ist, betrachtet, so sollte sich auch die Kooperation im Team ändern. Damit ist Folgendes gemeint: Hat ein verhaltensauffälliger Lernender eine für die Lehrperson nicht mehr tragbare «Tagesform», springt eine Kollegin, ein Kollege aus dem Team ein und unterstützt so weit als möglich.

Absprachen

Lehrpersonen, die in einer Klasse unterrichten, sollten über ihre «schwierigen Schüler» stetig im Gespräch sein, damit sie Entwicklungsrichtungen (auf alle Seiten) nicht «verpassen» und auf Ausweichmanöver gemeinsam reagieren können. Lernende «kennen» ihre Lehrpersonen mindestens so gut wie diese die Lernenden.

Kollegiale Intervision

Eine regelmässig stattfindende, lösungsorientierte, vorstrukturierte kollegiale Intervision ( Anhang 1) kann für Lehrpersonen sehr entlastend sein, ist sie einmal professionell eingeführt worden.

Schulleitung/Gemeindeschulbehörden
Ablaufplan bei disziplinarischen Problemen

Viele Schulhäuser kennen einen Ablauf (Leitfaden), wie die Lehrperson bei Grenz- und Regelverletzungen, bei problematischen Verhaltensweisen konkret vorgehen soll. Einerseits sind darin Disziplinarmassnahmen aufgeführt, andererseits auch Möglichkeiten, Unterrichtsbelastungen, Unterrichtsstörungen und Krisensituationen sofort zu begegnen. Es existieren diverse Konzepte. Das bekannteste ist wohl das Trainingsraum-Programm (Balke 2003; Classen & Niessen 2006).

Time-in-Möglichkeiten

Einige Schulen haben eine Anlaufstelle für Lehrpersonen mit «schwierigen Schülern». Diese ermöglicht im Schulalltag ohne grosse Absprachen, einzelne den Unterricht störende Schülerinnen und Schüler vorübergehend (für Stunden, Tage oder wenige Wochen) innerhalb der Schule zu platzieren. Diese Massnahme bedarf immer einer Begleitung. Dazu existieren unterschiedliche gemeindebezogene Konzepte.

Anzahl Lehrpersonen an einer Klasse

In den meisten Schuleinheiten unterrichten heute mehrere Lehrpersonen in einer Klasse. Dieser Punkt wird auch in der oben erwähnten Belastungsstudie gewichtet. Eine empfohlene Massnahme: die Anzahl Lehrpersonen pro Klasse reduzieren (vgl. Bucher 2010, S. 31). Buchers Studie empfiehlt vor allem eine «Zusammenführung» der IF- und IS-Pensen auf eine Lehrperson. Die Vielzahl der Unterrichtenden hat jedoch auch mit dem Wechsel der Ausbildung der Lehrpersonen vom «Allrounder» zur Fächergruppenlehrkraft zu tun. Tatsache bleibt, dass vor allem verhaltensauffällige (und leistungsschwache) Schülerinnen und Schüler (aber auch die anderen) konstante, stabile und verlässliche Bezugspersonen brauchen. Im Übrigen wird es für die Lehrperson bei mehreren Klassen wegen der grossen Anzahl von Lernenden immer schwieriger, eine Beziehung zu den einzelnen Lernenden aufzubauen. Eine mögliche Folge davon: häufigere disziplinarische Störungen – ein Teufelskreis.

Empfehlungen: Mit Blick auf die grösser werdende Anzahl von verhaltensauffälligen Schülerinnen und Schülern sollen so wenige Lehrpersonen wie möglich an einer Klasse unterrichten. Dass sie in der Folge eventuell einen ungünstigeren Stundenplan haben, geschieht freilich in ihrem Interesse (vgl. oben). Des Weiteren müsste die Ausbildung der Fächergruppenlehrkraft im Hinblick auf die Wichtigkeit der Bedeutung einer Klassenlehrperson überdacht werden.

Infrastruktur

Die anspruchsvolle Arbeit mit verhaltensauffälligen Schülerinnen und Schülern mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen bedeutet, dass sich im Schulzimmer verschieden grosse Lerngruppen mit eventuell zwei bis drei Lehrpersonen auf zum Teil kleinem Raum befinden. Wenn in einigen Lerngruppen diskutiert wird und andere Lernende selbstständig lernen, ist unter anderem der Lärmpegel derart, dass sich nicht alle konzentrieren können.

Massnahmen: Bauliche Veränderungen wie Nebenräume, grössere Schulzimmer (flexibel unterteilbar) sind in vielen Gemeinden dringend nötig.

Kantonale (gesetzgebende) Ebene
Zu grosse Klassen

In den heutigen heterogenen Klassen sind Individualisierung der Stoffvermittlung und Differenzierung der Lerninhalte oft die einzige Möglichkeit des Unterrichtens. Diese Methoden setzen eine grosse Konzentrationsfähigkeit und Selbstständigkeit der Lernenden voraus, die viele «schwierige Schüler» (und nicht nur sie) in einer Klasse mit über zwanzig Lernenden nur ungenügend aufbringen können.

Massnahmen: Die Richtlinien für die Klassengrössen sind vom Kanton vorgegeben. Ausnahmen gibt es sehr selten. Die Schulleitung hat auf die Klassengrösse nur strukturellen Einfluss, das heisst: je grösser die Schuleinheit, desto grösser der Spielraum. Es sind politische Massnahmen, die das Problem der grossen Klassen beheben könnten.

Lehrmittel

Situation: Die Lernenden verfügen über die unterschiedlichsten Lernvoraussetzungen.

Massnahmen: Lehrmittel sollten für verschiedene Lern- und Leistungs­differenzierungen verfügbar sein. Solche Lehrmittel müssten folgende Bedingungen erfüllen:

sofort einsetzbar;

alle Materialien vorhanden;

genügend Übungsmaterial vorhanden;

übersichtliche Differenzierung;

selbstständige Lernkontrolle durch die Lernenden.