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Taschenbuch
der Lebensmittelkontrolle

von

Martin Müller

Bundesvorsitzender im Bundesverband der
Lebensmittelkontrolleure Deutschland e.V.

Rochus Wallau

Strafverteidiger, Rechtsanwalt, Gummersbach

Dr. Markus Grube

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Gewerblichen
Rechtsschutz, Gummersbach

Deutscher Fachverlag GmbH
Fachmedien Recht und Wirtschaft

Vorwort

Das Normenprogramm des lebensmittelrechtlichen „Grundgesetzes“ Europas ruft zwei Gruppen von Akteuren auf, an seiner Realisierung mitzuwirken: Gemäß Art. 17 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 sind das die Lebensmittelunternehmer und die Angehörigen der zuständigen Überwachungsbehörden. An die Idee dieser gemeinsamen Zielvorgabe knüpft dieses Taschenbuch an: Das Taschenbuch der Lebensmittelkontrolle ist in dem Bewusstsein geschrieben, dass trotz aller, den jeweiligen „Rollenvorgaben“ geschuldeten, Interessengegensätze, beispielsweise in der Einzelsituation, die beiden Akteursgruppen eine gemeinsame Basis verbindet.

Das Taschenbuch der Lebensmittelkontrolle ist ganz in diesem Sinne weder ausschließlich aus der einen noch ausschließlich aus der anderen Perspektive geschrieben, dieses Buch ist auch keine juristische Abhandlung, keine Handlungsanweisung und auch keine Formularsammlung. Das Taschenbuch der Lebensmittelkontrolle will vielmehr die Angehörigen beider Akteursgruppen über die Grundsätze und Organisation der Lebensmittelkontrolle, ihren Gegenstand und ihre (rechtlichen) Folgen für den Lebensmittelunternehmer in kurzer, für die praktischen Bedürfnisse relevanter Weise informieren. Dementsprechend haben wir versucht, die nach unserer praktischen Erfahrungen wesentlichen „Stichpunkte“, die an diese drei Themenfelder anknüpfen, so aufzubereiten, dass sie aus sich heraus – mit zeitlich zumutbarem Aufwand – lesbar sind.

Das Taschenbuch der Lebensmittelkontrolle enthält zur Veranschaulichung zudem einige Beispiele behördlicher Verfügungen, zehn u. E. wesentliche lebensmittelrechtliche Entscheidungen und jeweils zehn Tipps für einen „vernünftigen“ Umgang mit der Kontrollsituation, die sich an die Gruppe der Lebensmittelkontrolleure und die Gruppe der Lebensmittelunternehmer richten.

Für Anregungen, konstruktive Kritik und Vergleichbares sind wir jederzeit dankbar.

Drolshagen/Gummersbach, Februar 2014

Die Verfasser

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Abkürzungsverzeichnis

A. Die Lebensmittelkontrolle in Deutschland: Die Organisation der Kontrolle, die Anforderungen an ihre Durchführung und deren Ergebnisse

I.

Geschichtliche Entwicklung der Lebensmittelüberwachung

II.

Der Lebensmittelsicherheitsbegriff

III.

Marktbezogene Maßnahmen im Falle von Abweichungen

IV.

Hygienekonzepte und HACCP

V.

Hygieneanforderungen in Lebensmittelbetrieben

VI.

Focus: Backstationen im Einzelhandel

VII.

Die Organisation der Lebensmittelüberwachung

VIII.

Das Anforderungsprofil an Lebensmittelkontrolleure sowie die Ausstattung des Kontrollpersonals

IX.

Risikoorientierter Kontrollansatz und amtliche Probenahme

X.

Die rechtliche Rolle der Untersuchungsämter

XI.

Befugnisse des Lebensmittelkontrolleurs und Rechte des Betroffenen während der Kontrolle

XII.

Das Recht auf Gegenprobe

XIII.

Die Zukunft der Lebensmittelkontrolle

B. Der Gegenstand der Kontrolle: produktbezogene und betriebsbezogene lebensmittelrechtliche Anforderungen

I.

Einführung

II.

Grundsätze betreffend die Zusammensetzung von Lebensmitteln

III.

Stoffrecht: Zusatzstoffe, Enzyme, Aromen, Anreicherung und unerwünschte Stoffe

IV.

Neuartige Lebensmittel („Novel Food“)

V.

Verarbeitung und Behandlung von Lebensmitteln, insbesondere deren Dekontamination

VI.

Grundlagen der Lebensmittelinformation

VII.

Das allgemeine Irreführungsverbot

VIII.

Die Bezeichnung des Lebensmittels

IX.

Das Verzeichnis der Zutaten und die Information über allergene Stoffe

X.

Die Information über die Menge bestimmter Zutaten („QUID“)

XI.

Die Nettofüllmengenangabe

XII.

Informationen über MHD, Verbrauchsdatum und Einfrierdatum

XIII.

Information zum verantwortlichen Lebensmittelunternehmer

XIV.

Nährwertdeklaration

XV.

Health-Claims-Verordnung (nährwert-und gesundheitsbezogene Angaben)

XVI.

Information bei Angeboten loser Ware

C. Was alles nach/mit der Kontrolle kommen kann

I.

Rechtsfolgen der Beanstandung – Allgemein

II.

Verwaltungsrechtliche Rechtsfolgen

III.

Sanktionsrechtliche Rechtsfolgen – Strafe, Buße undmehr

IV.

Lebensmittelbußgeldrecht

V.

Lebensmittelstrafrecht

VI.

Organisationsverschulden

VII.

Unternehmensgeldbußen

VIII.

Informationsrechtliche Rechtsfolgen

IX.

Transparenz im Lebensmittelrecht

X.

Das Europäische Schnellwarnsystem

XI.

www.lebensmittelwarnung.de

XII.

Presse und Medien

XIII.

www.lebensmittelklarheit.de

XIV.

Behördliche Informationsspeicherung: BALVI iP

XV.

Die Kosten der Kontrolle: Gebühren

XVI.

Die Amtshaftung des Kontrolleurs

XVII.

Revision der Verordnung (EG) Nr. 882/2004

D. Beispiele behördlicher Unterlagen und Verfügungen

I.

Kontrollbericht der Lebensmittelüberwachung

II.

Lebensmittelrechtliche Ordnungsverfugung – einfach

III.

Lebensmittelrechtliche Ordnungsverfugung – sofortiger Vollzug mit Zwangsgeldandrohung

IV.

Anhörungsbogen im OWi-Verfahren

V.

Strafanzeige

VI.

Probenahmebericht

VII.

Verfahrensanweisung für eine amtliche Kontrolle

E. 10 Tipps, die ein Kontrolleur kennen sollte

F. 10 Tipps, die ein Unternehmer kennen sollte

G. 10 Entscheidungen zum Lebensmittelrecht, die man kennen sollte

I.

Cassis de Dijon

II.

Nikotin in Vollei

III.

Nudeln

IV.

Sauce hollandaise

V.

Schnitzel vom Schwein

VI.

Öffentliche Warnung

VII.

Glykol

VIII.

Steffensen

IX.

Backshop

X.

Kompetenz der Kontrolleure

H. Weiterführende lebensmittelrechtliche Literatur

Anhang: Anhang II VO (EG) Nr. 852/2004 über Lebensmittelhygiene

Abkürzungsverzeichnis

Abs.

Absatz

ADI-Wert

„Acceptable Daily Intake“, bedeutet etwa „duldbare tägliche Aufnahme“. Der ADI-Wert gibt die Menge eines Stoffes an, die über die gesamte Lebenszeit täglich gegessen werden kann, ohne dass dadurch gesundheitliche Gefahren zu erwarten wären

Anh.

Anhang

ARfD-Wert

Der ARfD-Wert (= Acute Reference Dose)gibt die geschätzte Menge eines Stoffs in einem Lebensmittel an, die ohne nennenswertes Risiko für den Verbraucher über einen kurzen Zeitraum pro Tag unter Berücksichtigung besonders gefährdeter Bevölkerungsgruppen (z.B. Kinder und Ungeborene) aufgenommen werden kann

Art.

Artikel

AVV RÜb

Allgemeine Verwaltungsvorschrift über Grundsätze zur Durchführung der amtlichen Überwachung der Einhaltung lebensmittelrechtlicher, weinrechtlicher, futtermittelrechtlicher und tabakrechtlicher Vorschriften

AVV SWS

AVV Schnellwarnsystem

BALVI ip

Bundeseinheitliche Anwendung für Lebensmittelsicherheits- und Veterinärüberwachungsinformationsverarbeitung, integriertes Programm

Buchst.

Buchstabe

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BMEL

Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft

BSE

Bovine spongiforme Enzephalopathie (deutsch: „die schwammartige Gehirnkrankheit der Rinder“) oder umgangssprachlich auch Rinderwahn genannt, ist eine Tierseuche

bspw.

beispielsweise

BVL

Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit

BZRG

Bundeszentralregistergesetz

bzw.

beziehungsweise

C

Celsius

CVUARRW

Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Rhein-Ruhr-Wupper

d.h.

das heißt

EFSA

Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit

evtl.

eventuell

FAO

Food and Agriculture Organization of the United Nations

gem.

gemäß

GG

Grundgesetz

g.g.A.

geschützte geografische Angabe

ggf.

gegebenenfalls

GHP

Gute Hygienepraxis

GMO

genetically modified organism (deutsch: genetisch veränderter Organismus)

grds.

grundsätzlich

g.U.

geschützte Ursprungsbezeichnung

HACCP

Hazard Analysis and Critical Control Points-Konzept (deutsch: Gefahrenanalyse und kritische Lenkungspunkte) ist ein vorbeugendes System, das die Sicherheit von Lebensmitteln und Verbrauchern gewährleisten soll

IfSG

Infektionsschutzgesetz

inkl.

inklusive

i.d.R.

in der Regel

insb.

insbesondere

i.S.

im Sinne

i.V.m.

in Verbindung mit

LEH

Lebensmitteleinzelhandel

lfd.

laufend

LFGB

Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch

LG

Landgericht

LMHV

Lebensmittel-Hygieneverordnung

LMIV

Lebensmittelinformationsverordnung

LPresseG

Landespressegesetz

MHD

Mindesthaltbarkeitsdatum

NGO

Nichtregierungsorganisation

Nr.

Nummer

NRW

Nordrhein-Westfalen

OWiG

Ordnungswidrigkeitengesetz

RASFF

Rapid Alert System Food and Feed (Europäisches Schnellwarnsystem)

RSS-Feed

„Really Simple Syndication“, Format, in dem eine einfache und strukturierte Veröffentlichung von Änderungen auf Websites gespeichert werden kann

s.

siehe

sog.

sogenannte; sogenannter; sogenanntes

StA

Staatsanwaltschaft

StPO

Strafprozessordnung

Tier-LMHV

Tierische Lebensmittel-Hygieneverordnung

u.a.

unter anderem

u.U.

unter Umständen

usw.

und so weiter

VA

Verwaltungsakt

vgl.

vergleiche

VIG

Verbraucherinformationsgesetz

VO

Verordnung

VwGO

Verwaltungsgerichtsordnung

VwVfG

Verwaltungsverfahrensgesetz

vzbv

Verbraucherzentrale Bundesverband

WHO

World Health Organization (Weltgesundheitsorganisation)

z.B.

zum Beispiel

z.Zt.

zur Zeit

A. Die Lebensmittelkontrolle in Deutschland: Die Organisation der Kontrolle, die Anforderungen an ihre Durchführung und deren Ergebnisse

I. Geschichtliche Entwicklung der Lebensmittelüberwachung

Lebensmittelkontrolle – die Kontrolle der „Mittel zum Leben“ – ist in ihrer modernen Form vielleicht noch jung, ihre Wurzeln gehen aber bis in die Altreiche der Babylonier und Ägypter zurück. Bereits der Kodex Hammurabi, eine umfangreiche babylonische Sammlung von Rechtstexten aus dem 17. Jahrhundert v. Chr., normierte eine Reihe drakonischer Strafen für Lebensmittelfalschungen bzw. eichrechtliche Verstöße.

Das Wort „Kontrolle“ hat seinen Ursprung in der Antike. Bei den damaligen Schiffstransporten wurde die Ladungsliste in Form einer Schriftrolle dem Schiffsführer mitgegeben. Eine gleiche Liste, so schreibt Walter Krebs in seiner Habilitationsschrift „Kontrolle von Verwaltungsentscheidungen“ (1984), die Gegenrolle „contra rutola“, wurde auf dem Landweg zum Ziel gebracht. Am Ort des Empfängers wurden Rolle und Gegenrolle mit der Ladung verglichen. Es wurde verglichen, es wurde kontrolliert.

Die Anfänge des deutschen Lebensmittelrechts lassen sich bis in das Mittelalter zurückverfolgen, wobei die Entstehung des Lebensmittelrechts mit dem Aufstieg der mittelalterlichen Städte einhergeht (instruktiv hierzu Mettke, Kommentar zum LFGB, Behr’s Verlag, A 2, Ziffer 2). So beschloss beispielsweise die Stadt Köln im 14. Jahrhundert die Bekämpfung der „Weinpanscherei“, um den wachsenden Gefährdungen ihrer Bürger durch gesundheitsschädlichen Wein entgegenzuwirken. Regelungen zur Fleischgewinnung verfasste beispielsweise die Stadt Nürnberg mit einer frühen Verordnung zur Fleischhygiene. Die teilweise grausamen Strafen und autoritären Regelungen lassen den Schluss zu, dass Lebensmittelbetrügereien eine Konstante darstellen, deren Voraussetzungen eine mehrstufige Wertschöpfungskette und eine Anonymisierung der Lieferbeziehungen sind.

In den Vorarbeiten zum „Ersten reichseinheitlichen Nahrungsmittelgesetz“ (NMG), das unter Reichskanzler Bismarck im Jahre 1879 erlassen wurde, wurden Betrugstatbestände im Verkehr mit Lebensmitteln intensiv diskutiert. Kriminelle Verfälschungen von Lebensmitteln, z.B. von Mehl durch Gips oder Kreide, durch Pikrinsäure zum Ersatz von Eigelb in Teigwaren, aber auch Arsen in Stärkezukker oder Kleister, Kreide und Seifenlösung in Milch, gekochte Kartoffeln in Quark oder Bitterkleeauszug in Bier, scheinen im 19. Jahrhundert an der Tagesordnung gewesen zu sein. Entsprechend regelte das Nahrungsmittelgesetz im Zuge präventiven Vorgehens die polizeilichen Befugnisse für die Durchführung der Lebensmittelkontrolle und schuf weitgehende Verordnungsrechte des Bundesrates zum Schutze der Volksgesundheit.

Das NMG behandelte den Verkehr mit verdorbenen, nachgemachten oder kontaminierten Lebensmitteln, wurde aber bald als unzureichend angesehen, da es nicht über ein allgemeines Irreführungsverbot verfügte. In der Folge erarbeitete das Reichsgesundheitsamt ein novelliertes Gesetz über den Verkehr mit Lebensmitteln und Bedarfsgegenständen, das zum 1.10.1927 in Kraft trat und neben den Detailregelungen das Angebot irreführender Produkte generell sanktionierte.

Weitere Reformen führten im Jahre 1974 schließlich zum Gesetz zur Neuordnung und Bereinigung des Rechts im Verkehr mit Lebensmitteln, Tabakerzeugnissen, kosmetischen Mitteln und sonstigen Bedarfsgegenständen (LMBG), welches die Eingriffsmöglichkeiten des Staates zum Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsschäden und Irreführungen weiter erhöhte. Erstmalig wurden darüber hinaus spezielle Regelungen zur Werbung für Lebensmittel eingeführt, beispielsweise das Verbot krankheitsbezogener Werbung oder das Verbot für Tabakwerbung in Hörfunk und Fernsehen. Das LMBG ist unmittelbarer Vorläufer des LFGB, das in Deutschland im Jahre 2005 in Kraft trat und bis heute gilt.

Das LFGB ist seinerseits Ausdruck eines grundlegenden Neuansatzes im Lebensmittelrecht, welcher – ausgelöst durch die Irritation, ja geradezu den Schock der BSE-Krise – erforderlich schien, um verlorenes Verbrauchervertrauen wieder aufzubauen. Dabei war man sich des Umstandes bewusst geworden, dass Lebensmittelkrisen der Neuzeit häufig ihren Ausgangspunkt auf der Agrarstufe haben. Ein integrierender Ansatz, der die gesamte Lebensmittelkette einbezieht („from farm to fork“ – „from stable to table“), lag damit nahe.

Beeindruckend ist die Bestandsaufnahme der Europäischen Kommission in ihrem Weißbuch zur Lebensmittelsicherheit vom 12.1.2000, wo es heißt (vgl. dort auf Seite 7 unter Ziffer 2.):

„Die Agrar- und Ernährungsindustrie ist für die europäische Wirtschaft insgesamt von besonderer Bedeutung. Mit einer Jahresproduktion im Werte von annähernd 600 Mrd. EUR bzw. etwa 15% des gesamten produzierenden Gewerbes zählt die Lebensmittel- und Getränkeindustrie zu den führenden Wirtschaftszweigen der Europäischen Gemeinschaft. Im internationalen Vergleich erweist sich die EU als weltweit größter Lebensmittel- und Getränkeerzeuger. Unter den Industriezweigen steht die Ernährungsindustrie an dritter Stelle, was die Zahl der Arbeitsplätze betrifft: hier sind über 2,6 Millionen Menschen beschäftigt, davon 30% in kleinen und mittleren Unternehmen. Was die Landwirtschaft betrifft, so hat ihre Jahresproduktion einen Wert von etwa 220 Mrd. EUR, und die landwirtschaftlichen Arbeitsplätze entsprechen 7,5 Millionen Vollzeitstellen. Die jährliche Ausfuhr an landwirtschaftlichen Erzeugnissen, Lebensmitteln und Getränken hat einen Wert von etwa 50 Mrd. EUR. Diese wirtschaftliche Bedeutung wie auch die Tatsache, dass wir in unserem Alltag praktisch ständig mit Lebensmitteln zu tun haben, belegen, dass die Lebensmittelsicherheit sowohl für die Gesellschaft insgesamt als auch und vor allem für Behörden und Erzeuger von höchstem Interesse sein muss.“

Im Weiteren betont die Europäische Kommission in ihrem Weißbuch, dass die europäische Lebensmittelherstellungskette weltweit zu den sichersten zählt und dass die bestehenden Systeme im Allgemeinen gut funktionieren. Die zunehmende Verflechtung der Volkswirtschaften innerhaib des Europäischen Binnenmarktes, die Weiterentwicklungen in der Landwirtschaft und in der Lebensmittelverarbeitung, ebenso wie neu entstehende Handhabungs- und Vertriebsformen forderten aus Sicht der EU-Kommission jedoch einen neuen konzeptionellen Ansatz.

So schuf die Kommission – klarstellend – eine Verteilung der Verantwortung für die Lebensmittelsicherheit zwischen den beteiligten Akteuren, wonach die Hauptverantwortung für die Lebensmittelsicherheit bei den Futtermittelerzeugern, den Landwirten und den Lebensmittelunternehmen liegt. In diesem Zuge wurde eine Pflicht der Lebensmittelunternehmer zur Gefahrenanalyse und konzeptionellen Bewältigung identifizierter Gefahren eingeführt (s. Näheres hierzu unter IV. Hygienekonzepte und HACCP, S. 15 ff.). Die zuständigen Behörden sorgen mittels nationaler Überwachungs- und Kontrollsysteme dafür, dass diese Verantwortung auch wahrgenommen wird. Die Europäische Kommission sieht es als ihre Aufgabe an, im Wege von Prüfungen und Inspektionen in den Mitgliedstaaten festzustellen, ob die zuständigen Behörden in der Lage sind, diese Systeme zu betreiben. Aber auch die Verbraucher werden dahingehend in die Pflicht genommen, dass sie ihrerseits ein Bewusstsein für die sachgemäße Lagerung, Handhabung und Zubereitung von Lebensmitteln zu entwickeln haben. Auf diese Weise soll der Grundsatz „vom Erzeuger zum Verbraucher“, der sämtliche Stufen der Lebensmittelwertschöpfungskette einschließt, systematisch und konsequent umgesetzt werden.

Entsprechend zieht die im Nachgang zum Weißbuch erlassene Verordnung (EG) Nr. 178/2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts (EU-Lebensmittel-Basisverordnung) in ihrer 30. Begründungserwägung den Schluss:

„Der Lebensmittelunternehmer ist am besten in der Lage, ein sicheres System der Lebensmittellieferung zu entwickeln und dafür zu sorgen, dass die von ihm gelieferten Lebensmittel sicher sind; er sollte daher auch die primäre rechtliche Verantwortung für die Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit tragen.“

Wichtig – und grundlegend neu – ist die Definition des europäischen Lebensmittelsicherheitsbegriffes gemäß Art. 14 der EU-Lebensmittel-Basisverordnung. Danach sind „unsichere Lebensmittel“ (die nicht in den Verkehr gebracht werden dürfen) Produkte, bei denen davon auszugehen ist, dass sie entweder gesundheitsschädlich sind oder „für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet“, also (relevant) qualitativ beeinträchtigt sind. Damit geht der Sicherheitsbegriff über die Abwehr von Gesundheitsgefahren hinaus und erfasst auch Fragen der Qualität. Es fragt sich, ob und inwieweit der (allein) aus dem deutschen Recht bekannte Begriff der „Ekelerregung“ (ohne stoffliche Beeinträchtigung) in der Struktur des EU-Rechts eine Entsprechung findet (s. Näheres hierzu unter II. Der Lebensmittelsicherheitsbegriff, S. 6 ff.).

Aktuell wird zwischen den europäischen Instituten diskutiert, ob der Lebensmittelsicherheitsbegriff auch auf Fälle von Irreführung der Verbraucher ausgeweitet werden muss; diese Debatte ist im Zuge des sog. „Pferdefleisch“-Skandals im Jahre 2013 aufgekommen, eine Situation, bei der offenbar wurde, dass große Mengen von Pferdefleisch willentlich, aber unerkannt anstelle von Rindfleisch an Weiterverarbeitungsbetriebe ausgeliefert und dann dort tatsächlich verarbeitet wurden.

Mit der EU-Lebensmittel-Basisverordnung wurde darüber hinaus die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA errichtet. Die EFSA übernimmt auf EU-Ebene diejenigen Aufgabenstellungen, die im Zusammenhang mit der wissenschaftlichen Beurteilung von lebensmittelrelevanten Themen verbunden sind, etwa vergleichbar mit dem Tätigsein des Bundesinstitutes für Risikobewertung (BfR) auf nationaler Ebene. Die EFSA ist aber auch die Anlaufstelle für die wissenschaftlichen Bewertungen, die im Zusammenhang mit bestimmten Zulassungs- und Genehmigungsverfahren entstehen, beispielsweise im Bereich der Zulassung von Lebensmittelzusatzstoffen oder der Erlaubnis für bestimmte gesundheitsbezogene Aussagen über Lebensmittel (sog. „Health Claims“).

Schließlich wurde mit der EU-Lebensmittel-Basisverordnung das europäische Schnellwarnsystem zur Information über gesundheitsrelevante, grenzüberschreitende Sachverhalte im Lebensmittelsektor auf eine neue Rechtsgrundlage gestellt: Das Rapid Alert System for Food and Feed (RASFF) arbeitet nun auf einer Ebene, die über die Einrichtung eines „roten Notdiensttelefons“ hinausgeht.

Das Lebensmittelrecht ist eines der dynamischsten Rechtsgebiete. Dies beweist nicht zuletzt die aktuelle Initiative der Europäischen Kommission, die europäischen lebensmittelrechtlichen Vorschriften einem sog. „Fitness-Check“ zu unterziehen (sog. „REFIT-Programm“). Nachdem also die lebensmittelrechtlichen EU-Richtlinienvorschriften der 90er Jahre in den 2000er Jahren in EU-Verordnungsrecht überführt wurden, wird von der im Jahre 2014 mit neuer Amtsspitze auszustattenden Europäischen Kommission nun ein weiteres Programm der Konsolidierung und Aktualisierung des europäischen Lebensmittelrechts aufgelegt.

Nicht wenige mit der staatlichen Lebensmittelkontrolle befasste Berufsträger sind somit Zeitzeugen einer lebensmittelrechtlichen Entwicklung, ausgehend vom LMBG aus dem Jahre 1974, das noch auf das Recht des Deutschen Reiches zurückgeht, bis zur kommenden Aktualisierungswelle des „REFIT-Programmes“.

II. Der Lebensmittelsicherheitsbegriff

Lebensmittel, die nicht sicher sind, dürfen nicht in den Verkehr gebracht werden. Als nicht sicher gelten solche Lebensmittel, bei denen davon auszugehen ist, dass sie

gesundheitsschädlich oder

für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet sind,

(vgl. Art. 14 Abs. 1 und 2 der EU-Lebensmittel-Basisverordnung Nr. 178/2002). Der europäische Lebensmittelsicherheitsbegriff ist also zweigliedrig und erfasst auch Situationen, in denen es „nur“ um Qualitätsabweichungen bei einem Lebensmittel geht (s. zweite Fallgruppe: „verzehrsungeeignet“). Diese Differenzierung ist grundlegend. Die EU-Lebensmittel-Basisverordnung gibt verschiedene, zwingend zu berücksichtigende Kriterien für die Sicherheitsbewertung eines Lebensmittels vor (vgl. Art. 14 Abs. 3 bis 7 Verordnung (EG) Nr. 178/2002).

Bei der Entscheidung der Frage, ob ein Lebensmittel aufgrund seiner Gesundheitsschädlichkeit unsicher ist, sind zunächst „die normalen Bedingungen seiner Verwendung durch den Verbraucher“ zu berücksichtigen. Dies bedeutet, dass ein Fehlgebrauch eines Lebensmittels (z.B. regelmäßiger oder singulär erheblicher Konsum von Spirituosen) nicht dessen Bewertung als unsicher rechtfertigt.

Weiterhin sind „die dem Verbraucher vermittelten Informationen“ in die Sicherheitsbewertung einzubeziehen. Solche Informationen können der Etikettierung zu entnehmen sein, z.B. der Hinweis bei Frischfleisch, dass dieses ausschließlich gut durcherhitzt zu verzehren ist (ggfs. einschließlich weiterer Hinweise zur Küchenhygiene), oder allgemein zugänglichen Quellen entstammen. Zu diesen „normalerweise zugänglichen Informationen über die Vermeidung bestimmter die Gesundheit beeinträchtigender Wirkungen eines bestimmten Lebensmittels oder einer bestimmten Lebensmittelkategorie“ gehört z. B. eine übergreifende, intensive Medienberichterstattung, wie dies im Falle der HUS- bzw. EHEC-Epidemie im Mai 2011 oder anlässlich einer Infektion von über elftausend Menschen mit dem Norovirus in Deutschland der Fall war. Weitere allgemein zugängliche Informationsquellen in diesem Sinne sind die Merkblätter und Verbraucherinformationen des BfR zu diversen Gesundheitsrisiken bei Lebensmitteln sowie entsprechenden Schutzmaßnahmen, insbesondere im Bereich mikrobiologischer Risiken (vgl. www.bfr.bund.de/de/publikation/merkblaetter_fuer_verbraucher-512.html).

Bei der Entscheidung der Frage, ob ein Lebensmittel gesundheitsschädlich ist, sollen weiterhin „die wahrscheinlichen sofortigen und/oder kurzfristigen und/oder langfristigen Auswirkungen des Lebensmittels nicht nur auf die Gesundheit des Verbrauchers, sondern auch auf nachfolgende Generationen“ (vgl. Art. 14 Abs. 4 Verordnung (EG) Nr. 178/2002) in Betracht gezogen werden. Da es bei der Sicherheitsbewertung von Lebensmitteln jedoch regelmäßig um Bewertungen geht, die ad hoc zu treffen sind, fehlt in der Praxis jedenfalls für die belastbare Feststellung einer gesundheitsschädlichen „langfristigen Auswirkung auf nachfolgende Generationen“ häufig die erforderliche valide Datenbasis.

Auch die wahrscheinlichen, sich häufenden toxischen Auswirkungen spielen bei der Sicherheitsbewertung eine Rolle, z.B. ungünstige synergistische Effekte bei dem Zusammenwirken verschiedener, für sich genommen unproblematischer Stoffe oder einer Addition verschiedener Stoffe, deren Gehalt einzeln betrachtet vielleicht noch unbedenklich ist, die aber in der Summe ein Problem bereiten.

Schließlich ist auch die „besondere gesundheitliche Empfindlichkeit einer bestimmten Verbrauchergruppe“ zu bedenken, jedoch nur, wenn das Lebensmittel für diese Gruppe von Verbrauchern ausdrücklich bestimmt ist. Dies kann bei Produkten der Fall sein, die sich an Verbraucher mit Allergien oder Unverträglichkeiten wenden, indem beispielsweise die „Freiheit“ von einem als allergen bewerteten Stoff explizit ausgelobt wird, der Stoff jedoch entgegen der Aussage in gesundheitsschädlichen, d.h. in Allergie oder Unverträglichkeiten auslösenden Konzentrationen im Erzeugnis enthalten ist.

Ansonsten gilt für die Beurteilung allergener Stoffe, dass Maßstab der lebensmittelrechtlichen Sicherheitsbewertung regelmäßig der nicht von Allergien oder Unverträglichkeiten betroffene Durchschnittsverbraucher ist. Spuren nicht deklarierter Allergene führen daher nicht zu einer Beurteilung des Produktes als unsicher, insbesondere nicht, wenn ein Spurenhinweis vorhanden ist oder die Schwellenwerte, z.B. nach dem CVUA Stuttgart, eingehalten sind (vgl. www.cvuas.de/pub/beitrag.asp?subid=0&Thema_ID=9&ID=1429&Pdf=No).

Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Durchführung des Schnellwarnsystems für Lebensmittel und Futtermittel (AVV Schnellwarnsystem – AVV SWS), die (auch) Überlegungen zur Sicherheitsbewertung von Lebensmitteln enthält. Diese Allgemeine Verwaltungsvorschrift dient dem einheitlichen Gesetzesvollzug durch die Verwaltungsbehörden, entfaltet aber keine unmittelbare Wirkung gegenüber den Lebensmittelunternehmen. Auch gilt sie (vordergründig) allein für den Bereich der Meldung in das europäische Schnellwarnsystem RASFF. Nach der AVV SWS stellen z.B. Lebensmittel „ein ernstes unmittelbares oder mittelbares Risiko für die menschliche Gesundheit“ dar (§ 7 Abs. 2 AVV SWS), die „Stoffe enthalten, die nach dem Recht der Europäischen Gemeinschaft oder nach nationalem Recht verboten sind“ oder die nicht zugelassene genetisch modifizierte Organismen (GMO) enthalten. Der Katalog der AVV SWS sollte jedoch nicht die Grundlage der Sicherheitsbewertung eines Lebensmittels bilden, da es insoweit stets auf die Prüfung des konkreten Einzelfalles ankommt. Hierzu ein interessantes Beispiel aus dem Bereich der nicht zugelassenen GMO:

1988 entwickelte der Wissenschaftler Alan McHughen an der Universität Saskatchewan in Kanada einen gentechnisch veränderten Leinsamen, den er „(CDC) Triffid“ nannte, frei nach den menschenfressenden Pflanzen, den Triffids, aus John Wyndhams Science-Fiction-Roman „The Day of the Triffids“ (1951). Der Leinsamen enthält Resistenzgene gegen Herbizide und Antibiotika und wurde 1996 in Kanada für den Anbau sowie als Lebens- und Futtermittel zugelassen. Der Zulassung lag eine Sicherheitsbewertung des GMO durch die kanadischen Behörden zugrunde. In Kanada wurde die Sortenzulassung dann aber bereits 2001 wieder zurückgezogen.

Im September 2009 wurden dann bei verschiedenen importierten Leinsaat-Produkten Hinweise auf CDC Triffid FP967, der in der EU nie zugelassen war, gefunden. Bei einer Nachweisgrenze von 0,01% könnten theoretisch bei 100 g Leinsamen, welcher ca. 17.000 Körner enthält, zwei Körner der Triffid-Variante den Positivnachweis auslösen. Die Frage, ob bei den gefundenen Gehalten ein gesundheitliches Risiko für den Verbraucher vorlag, wurde von den verschiedenen nationalen und gemeinschaftlichen Behörden der EU unisono verneint. Das niederländische Amt für Risikobeurteilung kam in seiner Stellungnahme vom 29.9.2009 zu dem Schluss, dass bei den gefundenen Gehalten „etwaige Risiken vernachlässigbar“ seien (vgl. auch den Jahresbericht des CVUA RRW 2009, Seite 25 f.). Der Fall zeigt anschaulich, dass die abstrakten Wertungen bzw. rechtlichen Fiktionen der AVV SWS eine konkrete Sicherheitsbewertung des Einzelfalles nicht ersetzen können.

Lebensmittel sind aber auch dann unsicher im Rechtssinne, wenn sie für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet sind (2. Fallgruppe, Art. 14 Abs. 2 Buchst. b) Verordnung (EG) Nr. 178/2002). Dabei ist zu berücksichtigen,

„ob das Lebensmittel infolge einer durch Fremdstoffe oder auf andere Weise bewirkten Kontamination, durch Fäulnis, Verderb oder Zersetzung ausgehend von dem beabsichtigten Verwendungszweck nicht für den Verzehr durch den Menschen inakzeptabel geworden ist“ (vgl. Art. 14 Abs. 5 Verordnung (EG) Nr. 178/2002).

Es wird deutlich, dass sich Verzehrsungeeignetheit aus einer relevanten, „stofflich-sinnlich“ erkennbaren Qualitätsabweichung ergibt: Beispiele sind angefaultes Obst, schimmelige Backwaren oder stark ranzige Speiseöle. Allerdings kann die Bewertung im Einzelfall Probleme bereiten, da die Qualitätsbeurteilung graduell erfolgt. Mit anderen Worten verhält es sich so, dass ein Lebensmittel von schlechter Qualität durchaus (noch) zum Verzehr durch den Menschen geeignet sein kann. Eine Brühwurst mit erhöhtem Gehalt an nicht pathogenen Keimen kann noch verzehrsgeeignet sein, selbst bei leichten sensorischen Abweichungen.

Nachweisbare Qualitätsabweichungen können also ein Indiz für ein unsicheres, da verzehrsungeeignetes Lebensmittel sein. Wann die Trennlinie zwischen dem „nur“ in seiner Qualität geminderten und dem „schon“ für den Verzehr durch den Menschen nicht mehr geeigneten Lebensmittel überschritten ist, lässt sich dagegen nicht schematisch und abstrakt benennen, zumal auch subjektiv unterschiedliche Toleranzschwellen der Verbraucher zu berücksichtigen sind.

Leichte Überschreitungen von Grenzwerten oder Höchstmengenwerten, z. B. nach Pestizid- oder Kontaminantenrecht, führen in der Regel nicht zu einer Bewertung als „verzehrsungeeignet“, da diese Abweichungen stofflich-sinnlich, also ohne maschinelle Analytik, nicht feststellbar sind. Derartige Überschreitungen führen aber dann zur Bewertung als „unsicher“, wenn mit dem konkret in einem Erzeugnis nachgewiesenen Stoffgehalt eine akute Gesundheitsgefahr für den Verbraucher einhergeht (dann aber unsicher, da gesundheitsschädlich, also ein Fall von Art. 14 Abs. 2 Buchst. a) Verordnung (EG) Nr. 178/2002).

Als ein Sonderfall der zum Verzehr durch den Menschen ungeeigneten Lebensmittel werden die sog. „ekelerregendenLebensmittel diskutiert (vgl. auch Teil B. VII. Das Allgemeine Irreführungsverbot, S. 96 ff.). Gemäß § 40 Abs. 1 LFGB, der die Rechte der Behörden zur Information der Öffentlichkeit beschreibt, dürfen die Behörden die Öffentlichkeit u.a. dann unterrichten, wenn „ein nicht gesundheitsschädliches, aber zum Verzehr ungeeignetes, insbesondere ekelerregendes Lebensmittel in nicht unerheblicher Menge in den Verkehr gelangt oder gelangt ist oder wenn ein solches Lebensmittel wegen seiner Eigenart zwar nur in geringen Mengen, aber über einen längeren Zeitraum in den Verkehr gelangt ist“. Die Frage ist, ob der deutsche Gesetzgeber mit dem Begriff „ekelerregendes Lebensmittel“ eine eigene Rechtskategorie schaffen wollte, z. B. für Produkte, die stofflich-analytisch einwandfrei sind, die vom Verbraucher jedoch subjektiv abgelehnt würden, wenn diesem gewisse Produktionsumstände (z.B. eine schlechte, sich aber auf die Erzeugnisse nicht negativ auswirkende Betriebshygiene) bekannt wären. Mag auch das Ziel, das hinter dieser Überlegung steckt, nachvollziehbar sein (Sicherstellung eines umfassend korrekten Umganges mit Lebensmitteln), ist doch die rechtliche Bewertung als „ekelerregend“ schwierig, da ein rein subjektiver Beurteilungsmaßstab nicht justiziabel ist. Wie empfindet ein Vegetarier ein Fleischerzeugnis? Wie nehmen einzelne Verbraucher bestimmte, aufgrund ihrer Keimflora stark aromatische Käsesorten wahr? Empfehlenswert für die Praxis ist es daher, die problematische Fallgruppe der „ekelerregenden Lebensmittel“ nach Möglichkeit nicht zu bemühen und Beanstandungen nicht auf „ekelerregende“ Lebensmittel zu beziehen, sondern auf die mangelhafte betriebliche Hygienesituation als solche.

„Gehört ein nicht sicheres Lebensmittel zu einer Charge, einem Posten oder einer Lieferung von Lebensmitteln der gleichen Klasse oder Beschreibung, so ist davon auszugehen, dass sämtliche Lebensmittel in dieser Charge, diesem Posten oder dieser Lieferung ebenfalls nicht sicher sind, es sei denn, bei einer eingehenden Prüfung wird kein Nachweis dafür gefunden, dass der Rest der Charge, des Postens oder der Lieferung nicht sicher ist“ (vgl. Art. 14 Abs. 6 Verordnung (EG) Nr. 178/2002). Ein einzelnes unsicheres Lebensmittel begründet also die Annahme, dass die gesamte betreffende Produktionscharge unsicher ist. Allerdings handelt es sich um eine widerlegliche Vermutung: Kann der Lebensmittelunternehmer beweisen, dass es sich beispielsweise bei einem physikalischen Fremdkörper um ein Einzelstück handeln muss, gilt die Vermutung der Chargenbetroffenheit nicht.

Der lebensmittelrechtliche Sicherheitsbegriff ist streng von dem (gesetzlich nicht definierten) Begriff der „Verkehrsfähigkeit“ eines Lebensmittels zu trennen. Letztere meint die umfassende Legalität eines Erzeugnisses, also die Frage, ob das Erzeugnis sämtliche rechtliche Anforderungen, also z. B. auch Kennzeichnungsanforderungen, erfüllt oder nicht. Ein nicht sicheres Lebensmittel ist stets nicht verkehrsfähig. Ein nicht verkehrsfähiges Lebensmittel (z. B. wegen unzutreffender Füllmengenangabe zum Nachteil des Verbrauchers) kann aber sicher im Sinne von Art. 14 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 sein.

III. Marktbezogene Maßnahmen im Falle von Abweichungen

Im Falle von Abweichungen (z.B. Feststellung der Unsicherheit eines Lebensmittels oder Feststellung dessen Verkehrsunfähigkeit) ist der Lebensmittelunternehmer gehalten, bestimmte marktbezogene Maßnahmen einzuleiten und durchzuführen. Die Handlungspflichten betreffen den Lebensmittelunternehmer als Hauptverantwortlichen für die Lebensmittelsicherheit und Lebensmittelhygiene. Diese primäre Handlungspflicht des Lebensmittelunternehmers ist Ausdruck des Paradigmenwechsels, der mit der Geltung der EU-Lebensmittel-Basisverordnung Nr. 178/2002 verbunden ist (s. auch oben unter I. Geschichtliche Entwicklung der Lebensmittelüberwachung, S. 1 ff.).

Nach Art. 19 der EU-Lebensmittel-Basisverordnung muss der Lebensmittelunternehmer dann Produkte öffentlich, das heißt unter Einsatz der Medien bei den Verbrauchern zurückrufen, wenn diese eine Gesundheitsgefahr für die Verbraucher mit sich bringen. Sind Lebensmittel dagegen „nur“ aus dem Grunde unsicher, dass sie für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet sind, bedarf es keines öffentlichen, über die Medien kommunizierten Rückrufes. Hier ist der Lebensmittelunternehmer lediglich gehalten, die betroffenen Produkte bei seinen gewerblichen Abnehmern „still“ zurückzunehmen. Hintergrund dieser Wertung ist, dass der öffentliche Produktrückruf als ultima ratio den Fällen einer Gesundheitsgefahr vorbehalten bleiben soll. Würden dagegen auch diejenigen Produkte öffentlich bei den Verbrauchern zurückgerufen, die aufgrund starker Qualitätsbeeinträchtigungen als unsicher im Rechtssinne zu bewerten sind, führte dies zu „Abstumpfungserscheinungen“ beim Verbraucher, sodass die wichtige Appellfunktion eines öffentlichen Produktrückrufes verwässert würde bzw. verloren ginge. Adressat der genannten Handlungspflichten ist der Lebensmittelunternehmer, und zwar der Hersteller bzw. Inverkehrbringer (Lieferant) der betroffenen Produkte. Der Handel ist jedoch gehalten, bei den Maßnahmen der Hersteller mitzuwirken und diese zu unterstützen.

Ist ein Lebensmittel nicht verkehrsfähig, aber sicher im Rechtssinne, so greifen die zuvor beschriebenen Handlungspflichten nach Art. 19 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 nicht. Gleichwohl kann es sinnvoll und geboten sein, die entsprechenden Produkte zumindest „still“ bei gewerblichen Abnehmern zurückzunehmen, beispielsweise um der Gefahr einer relevanten Verbrauchertäuschung entgegenzuwirken, wenn das Erzeugnis signifikant unzutreffend gekennzeichnet ist (z.B. unzutreffende Bezeichnung des Lebensmittels oder unzutreffende Füllmengenangabe zum Nachteil des Verbrauchers). Erkennt ein Lebensmittelunternehmer, dass ein von ihm in den Verkehr gebrachtes Erzeugnis nicht verkehrsfähig ist, so hat er in jedem Falle den weiteren Vertrieb des Produktes zu unterbinden (sofortiger Vertriebsstopp).

Meldepflichten gegenüber den Behörden bestehen dann, wenn aufgrund der Erkenntnis, dass ein unsicheres Lebensmittel in den Verkehr gelangt ist, die beschriebenen marktbezogenen Maßnahmen durchgeführt werden. Im Falle eines öffentlichen Rückrufes erfahren die Behörden ohnehin von dem Sachverhalt, wobei sinnvollerweise die zuständigen Behörden vor Veröffentlichung der unternehmenseigenen medialen Meldung zu informieren bzw. zu konsultieren sind. Die Meldepflicht nach Art. 19 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 ist daher in denjenigen Fällen relevant, in denen ein unsicheres, d. h. ein für den Verzehr durch den Menschen ungeeignetes Lebensmittel „still“ bei gewerblichen Kunden zurückgenommen wird. Meldepflichtig ist hier das zurücknehmende Unternehmen, also der Lieferant der betroffenen Ware.

Diesem Pflichtenkanon, also diesen sich an die Lebensmittelwirtschaft richtenden Handlungspflichten, steht ein erweiterter Rechtsrahmen der Behörden für die Information der Öffentlichkeit über Abweichungen gegenüber. Nach § 40 LFGB muss die Behörde die Verbraucherschaft informieren, wenn der erforderliche öffentliche Produktrückruf durch ein Unternehmen im Falle von Gesundheitsgefahren unterbleibt (Ersatzvornahme durch die Behörde). Die Behörde darf aber in jedem Fall auf öffentliche Unternehmensrückrufe hinweisen, wie dies auch im Rahmen der Internetseite www.lebensmittelwarnung.de geschieht (vgl. § 40 Abs. 2 LFGB).

Darüber hinaus – und hier unterscheiden sich die Handlungsrechte der Behörden signifikant von den Handlungspflichten der Lebensmittelunternehmer – darf die Behörde die Öffentlichkeit informieren, wenn gegen Vorschriften verstoßen wird, die dem Schutz der Verbraucher vor Täuschung dienen. Dabei muss allerdings „in nicht erheblichem Ausmaß“ gegen die fragliche Regelung verstoßen worden sein (vgl. § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b) LFGB). Dies bedeutet insbesondere, dass Behörden die Öffentlichkeit auch bei relevanten Deklarationsfehlern, die sich als „erheblich“ darstellen, über den Sachverhalt unterrichten dürfen.

Weiterhin dürfen die Behörden die Öffentlichkeit informieren, wenn „zum Verzehr ungeeignete“, dabei „insbesondere ekelerregende“ Lebensmittel in nicht unerheblicher Menge in den Verkehr gelangt sind bzw. wenn die betroffenen Produkte über einen längeren Zeitraum vertrieben wurden. Auch insoweit besteht die Problematik, ob und gegebenenfalls wie der deutsche Gesetzgeber eine Kategorie der „ekelerregenden“ Lebensmittel einführen durfte und wie diese in der Praxis gehandhabt werden soll (vgl. hierzu bereits oben unter II. Der Lebensmittelsicherheitsbegriff, S. 6 ff., und nachfolgend in Teil B. VII. Das allgemeine Irreführungsverbot, S. 96 ff.). Aufgrund der objektiv kaum fassbaren Qualität eines Lebensmittels als „ekelerregend“ und den damit verbundenen Schwierigkeiten der Justiziabilität sollte behördlicherseits eine entsprechende Information der Öffentlichkeit regelmäßig sorgfältig geprüft werden. In diesem Zusammenhang ist auch die aktuelle, in Teil G abgedruckte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in Sachen „Berger Wild“ (S. 231 ff.) von Interesse.

IV. Hygienekonzepte und HACCP

Am 29.4.2004 verabschiedete die Europäische Union das „Lebensmittelhygienepaket“, bestehend aus drei grundlegenden Rechtsakten:

–  der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 über (allgemeine) Lebensmittelhygiene und

–  der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs,

beide vorgenannten Verordnungen richten sich an die Lebensmittelunternehmer, sowie

–  der Verordnung (EG) Nr. 854/2004 mit besonderen Verfahrensvorschriften für die amtliche Überwachung von zum menschlichen Verzehr bestimmten Erzeugnissen tierischen Ursprungs,

die sich (zusammen mit der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 über amtliche Kontrollen) an die zuständigen Behörden richtet.

Mit diesen Verordnungen wurde ein Paradigmenwechsel in der Lebensmittelhygienepolitik der EU eingeführt. Ziel dieser Maßnahmen war es, das bestehende Lebensmittelhygienerecht zu vereinfachen, indem die Aspekte Gesundheit der Bevölkerung, Tiergesundheit und amtliche Kontrollen getrennt und kohärenter ausgestaltet wurden. Dabei fokussieren die Regelungen die Ziele, welche die Lebensmittelunternehmer erreichen müssen, und verzichten auf die detaillierte Beschreibung von Einzelanforderungen. Der neue Regelungsansatz erlaubt individuellere und damit passgenauere betriebliche Lösungen zur Erreichung und Gewährleistung der Lebensmittelhygiene. Gleichzeitig setzen die Verordnungen überwachungsseitig ein hohes Kompetenzniveau voraus, da der flexiblere Regelungsansatz ein starkes eigenes Beurteilungsvermögen der kontrollierenden Personen verlangt, die die betriebliche Situation verstärkt individuell und weniger schematisiert bewerten müssen.

Die grundlegenden Anforderungen an die Hygiene bei der Produktion von Lebensmitteln beschreibt die Verordnung (EG) Nr. 852/2004 über die allgemeine Lebensmittelhygiene. Art. 5 der Verordnung fordert von allen Lebensmittelunternehmern, dass diese „ein oder mehrere Verfahren, die auf den HACCP-Grundsätzen beruhen, einrichten, durchführen und aufrecht erhalten“ (HACCP = Hazard Analysis and Critical Control Points – Gefährdungsanalyse und kritische Steuerungs- bzw. Lenkungspunkte). Nach der Definition des FAO/WHO Regelwerks Codex Alimentarius ist das HACCP-Konzept ein System, das dazu dient, bedeutende gesundheitliche Gefahren durch Lebensmittel zu identifizieren, zu bewerten und zu beherrschen. Das HACCP-System ist das konzeptionelle Zentrum des produktionsspezifischen Umganges mit Hygienefragen.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang, nochmals daran zu erinnern, dass der Hygienebegriff nicht nur Gesichtspunkte der „Sauberkeit“ (wie dies der Begriff nach dem allgemeinen Sprachverständnis vielleicht nahelegt) umfasst, sondern definitionsgemäß

„die Maßnahmen und Vorkehrungen, die notwendig sind, um Gefahren unter Kontrolle zu bringen und zu gewährleisten, dass ein Lebensmittel unter Berücksichtigung seines Verwendungszwecks für den menschlichen Verzehr tauglich ist“ (Art. 2 Abs. 1 Buchst. a) Verordnung (EG) Nr. 852/2004)

bedeutet und damit als Instrument zur umfassenden Gefahrenabwehr verstanden werden muss. Das HACCP-Konzept stellt regelmäßig ein wirksames Mittel zur Erreichung eines hohen Maßes an Lebensmittelsicherheit dar, wenn das System von den verantwortlichen Personen verstanden und gelebt wird.

Ein HACCP-Konzept basiert auf den folgenden sieben Schritten:

1.  Ermittlung von Gefahren, die vermieden, ausgeschaltet oder auf ein akzeptables Maß reduziert werden müssen.

2.  Bestimmung der kritischen Kontrollpunkte auf den Prozessstufen, auf denen eine Kontrolle notwendig ist, um eine Gefahr zu vermeiden, auszuschalten oder auf ein akzeptables Maß zu reduzieren.

3.  Feststellung von Grenzwerten für diese kritischen Kontrollpunkte, anhand derer im Hinblick auf die Vermeidung, Ausschaltung oder Reduzierung ermittelter Gefahren zwischen akzeptablen und nicht akzeptablen Werten unterschieden wird.

4.  Festlegung und Durchführung effizienter Verfahren zur Überwachung der kritischen Kontrollpunkte.

5.  Festlegung von Korrekturmaßnahmen für den Fall, dass die Überwachung zeigt, dass ein kritischer Kontrollpunkt nicht unter Kontrolle ist.

6.  Festlegung von regelmäßig durchgeführten Verifizierungsverfahren, um festzustellen, ob den Vorschriften gemäß den Nummern 1. bis 5. entsprochen wird.

7.  Erstellung von Dokumenten und Aufzeichnungen, die der Art und Größe des Lebensmittelunternehmens angemessen sind, um nachweisen zu können, dass den Vorschriften gemäß den Nummern 1. bis 6. entsprochen wird.

In einem ersten Schritt müssen also die möglichen gesundheitlichen Gefahren für den Endverbraucher, die bei der Herstellung eines Lebensmittels auftreten können, ermittelt werden. Hierbei kann es sich um biologische, chemische oder physikalische Gefahren handeln. Die Gefahrenanalyse sollte anhand einer ausführlichen Beschreibung des Lebensmittels und seiner betriebspezifischen Herstellung erfolgen. Hilfreich ist dabei ein sog. Fließdiagramm, mit dem sämtliche Schritte der Herstellung beschrieben werden. Hierdurch wird die Ermittlung der möglicherweise auftretenden Gefahren erleichtert.

In einem zweiten Schritt erfolgt dann eine Bewertung der identifizierten Gefahren, d.h. die Feststellung der Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens und eine Abschätzung ihrer Bedeutung für die Gesundheit der Verbraucher. Dabei müssen die Gefahren einzeln bewertet werden. So können Fremdkörper grundsätzlich eine Gefahr darstellen. Die Gefahr einer gesundheitlichen Beeinträchtigung des Endverbrauchers ist aber bei Glas- und Metallfremdkörpern wegen der Möglichkeit einer Verletzung der Mundhöhle bzw. des Magen-Darmtraktes anders einzustufen als z. B. bei kleinkalibrigen Plastikfremdkörpern, die in der Regel keine Verletzungen verursachen. Aber auch chemische und biologische Gefahren müssen einzeln beschrieben und bewertet werden. Es genügt beispielsweise nicht, im Zusammenhang mit biologischen Gefahren lediglich allgemein „pathogene Keime“ zu betrachten; vielmehr müssen diese einzeln bewertet werden, da verschiedene Keime bei unterschiedlichen Temperaturen abgetötet werden.

In einem nächsten Schritt werden die sog. kritischen Steuerungspunkte festgelegt und Maßnahmen zur Beherrschung der Gefahren beschrieben. Durch diesen Schritt sollen eventuell auftretende Gesundheitsgefahren für den Endverbraucher möglichst ausgeschaltet, vermieden oder auf ein vertretbares Maß reduziert werden. Dabei muss ein geeignetes Überwachungssystem vorhanden sein, das eine Abweichung vom festgelegten Sollwert sofort anzeigt. Stichprobenweise durchgeführte mikrobiologische Untersuchungen sind hierfür ungeeignet; denn deren Ergebnisse liegen in der Regel zu spät vor, um die wichtige Funktion des HACCP-Konzeptes, nämlich die Lenkbarkeit von Prozessen, zu erfüllen.

Ein gutes Beispiel für einen kritischen Kontrollpunkt ist die Einhaltung der beim Pasteurisieren von Milch geforderten Temperatur von 72 bis 75 °C während einer Zeit von 20 bis 40 Sekunden. Hierdurch ist gewährleistet, dass die in der Milch am häufigsten vorkommenden biologischen Gefahren, wie zum Beispiel Salmonellen, Listerien oder Tuberkelbakterien sowie Milchsäurebakterien, durch die die Milch sauer werden kann, abgetötet werden. Durch Temperatursensoren wird die Einhaltung der geforderten Temperaturen ständig überprüft.

Es folgt die Festlegung von Korrekturmaßnahmen. Im vorgenannten Beispiel, bei unterschrittener Erhitzungstemperatur, kann die Anlage beispielsweise so eingestellt sein, dass bei einer Abweichung die Milch nicht mehr in die Abfüllung geleitet wird, sondern zur Nacherhitzung zurückfließt, bis der Sollwert von 72 bis 75°C (wieder) erreicht ist. Die Korrektur eines fehlerhaften Prozessschrittes kann also im Wege erneuter Bearbeitung erfolgen. Wenn die Sicherheit einer Charge durch eine Nachbearbeitung nicht wiederhergestellt werden kann, ist die Charge zu verwerfen.

Weiterhin ist die Überwachung der Lenkungspunkte und die Durchführung von Maßnahmen zu dokumentieren.

Schließlich muss das HACCP-System regelmäßig verifiziert werden, um dessen Funktionieren festzustellen. Hierzu können z. B. die Prozesse nochmals beleuchtet und/oder Endprodukte untersucht werden.

In bestimmten Fällen, insbesondere in Lebensmittelunternehmen, die keine Lebensmittel zubereiten, herstellen oder verarbeiten, kann es sein, dass alle Gefahren durch die Erfüllung der Grundvoraussetzungen gemäß der Guten Hygienepraxiskeine kritischen Lenkungspunkte im HACCP-Sinne existieren