Cover

Was tun, wenn der Hamster den Löffel abgibt?

Inhalt

Vorwort

Fragen des Lebens

Love me tender

Erlauben oder nicht ?

Ansichtssache

Muss ich mein Kind beschützen ?

Grenzkontrolle

Chefdiplomatie

Dauerbrenner

Das Familientrio

Vorwort

Ein bisschen paradox ist es schon : Auf der einen Seite haben Eltern viele Fragen in Bezug auf ihr Kind, auf der anderen Seite bekommen sie häufig Antworten, um die sie gar nicht gebeten haben. Die beste Freundin und der Opa, aber auch der Mann, der hinter einem an der Kasse im Supermarkt steht : Sie alle haben die »besten« Tipps im Umgang mit dem Kind. Auch wenn sie häufig gar nicht um ihre Einschätzung gefragt wurden. Bestimmt ist das nett gemeint und kann durchaus hilfreich sein. Manchmal aber werden die Fragen durch zu viele beliebige Antworten nur größer.

Die eine richtige Antwort wird es auf die wenigsten Probleme im Leben von uns Menschen geben. Doch die passende Antwort dürfte wohl immer die sein, die sich für die jeweilige Familie richtig anfühlt. Bleibt die Frage : Was kann auf dem Weg dahin helfen ?

Als die Süddeutsche Zeitung im Herbst 2014 ihre Samstagsausgabe überarbeitete, war von Anfang an klar, dass künftig auch Familienthemen einen festen Platz im Blatt haben sollten. Um die Lebenswelt von Müttern und Vätern bestmöglich abbilden zu können, entstand die Idee, jede Woche echte Leserfragen in der Zeitung zu beantworten.

Gesucht wurden dafür Erziehungsexperten, die sich mit solchen Themen berufsbedingt ausgiebig beschäftigen. Doch über den Profi hinaus wollten wir vor allem den Rat von Menschen, die sich als Mutter oder Vater die eine oder andere dieser Fragen schon selbst gestellt haben könnten. Uns ging es darum, eine ähnliche Situation zu schaffen wie die, die entsteht, wenn man mit einem Freund bei einem Glas Wein am Küchentisch sitzt und Alltagssorgen bespricht (und in diesem Fall mit einem Freund, der wirklich weiß, von was er spricht).

Weil ein Experte immer auch nur eine Antwort geben kann, dürfen in der Süddeutschen Zeitung jeden Samstag gleich drei Experten die Fragen der Leser beantworten. Mit drei individuellen Stimmen, drei eigenen Meinungen, drei unterschiedlichen Biografien. Aus diesen Fragen und Antworten entstand das vorliegende Buch.

Jesper Juul ist ein dänischer Familientherapeut und Autor zahlreicher internationaler Bestseller zum Thema Erziehung und Familie sowie Leiter der Familienwerkstätten »familylab«. Katharina Saalfrank ist Pädagogin und Musiktherapeutin, sie wurde durch die Sendung »Die Supernanny« bekannt und arbeitet heute in ihrer eigenen Praxis in Berlin. Zudem ergänzt die Schriftstellerin Kirsten Boie das »Familientrio«, die mehr als hundert Kinder- und Jugendbücher verfasst hat, darunter die Geschichten »aus dem Möwenweg« oder die Abenteuer des kleinen »Ritter Trenk« und die »Juli«-Bücher mit Jutta Bauer.

Das »Familientrio« kommt gut bei den Lesern an, jede Woche erreichen uns zahlreiche Fragen : Wie soll ich mit meiner Vierjährigen umgehen, die so wahnsinnig schüchtern ist ? Muss ich der Kinder wegen wirklich einen Fahrradhelm tragen ? Und wie bekomme ich Jugendliche weg vom Handy und die Verwandtschaft dazu, an Weihnachten weniger Geschenke zu schicken ?

Aber auch Fragen in Sachen Partnerschaft trudeln ein : Da ist der Freund, der seine Frau betrügt, die Frau, die auch mal ohne Partner in den Urlaub fahren will, und der Ex-Mann, der sich nicht um seine Kinder kümmert.

Kirsten Boie, Jesper Juul und Katharina Saalfrank haben es nicht leicht : Die Fragen sind oft sehr komplex und der dafür vorgesehene Platz leider begrenzt. Manchmal haben alle drei viel zu sagen, manchmal fällt die Antwort knapp aus. Manchmal sind sich alle drei einig (sie sprechen sich natürlich nicht ab), manchmal liegen uns drei Antworten vor, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Manchmal ist die Antwort klar, manchmal sind es nur Denkanstöße.

Vielleicht werden Sie sich die eine oder andere Frage in diesem Buch auch stellen oder schon gestellt haben. Und im besten Fall finden Sie in den Antworten das, was Ihnen bei der Suche nach Ihrer Wahrheit hilft. Ansonsten : Fragen Sie doch einfach die drei vom »Familientrio« und schicken Sie uns Ihre Frage per E-Mail an : familientrio@sueddeutsche.de

Viel Freude bei der Lektüre  !

Julia Rothhaas

Süddeutsche Zeitung

Fragen des Lebens

»Die eine Wahrheit
gibt es nur
in unseren Köpfen  !«

Jesper Juul

Unser Hamster hat vermutlich Krebs, ein unschönes Geschwür hängt an seinem Hinterteil. Jetzt wollen die Kinder zum Tierarzt. Ich finde es irre, bei so einem kleinen Tier die Lebenserwartung medizinisch zu verlängern, zumal das ja auch Geld kostet. Darf ich den Besuch beim Tierarzt verbieten ? Tobias A.

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Wenn Ihr Budget es irgendwie erlaubt, plädiere ich für einen Besuch beim Tierarzt. Ihre Kinder könnten sich ja auch mit ihrem Taschengeld etwas an den Kosten beteiligen. Für die Kinder ist der Hamster ein Familienmitglied : »Das ist unser Hamster, er ist krank, und nur weil es Geld kostet, geht Papa nicht mit ihm zum Arzt  !« Nein, natürlich werden Ihre Kinder deshalb nicht gleich glauben, auch wenn sie selbst krank wären, würden Sie zuerst finanzielle Erwägungen anstellen. Aber sie würden doch lernen, dass Geld wichtiger ist, als jemandem, den man liebt (und die Kinder lieben ihren Hamster  !), zu helfen. Auch das Wissen, dass es überall auf der Welt Millionen Menschen gibt, die nicht so eine gute medizinische Versorgung erwarten können wie dieser kleine Hamster (ein Thema, dass bestimmt so manchem im Wartezimmer beim Tierarzt durch den Kopf geht), entkräftet das nicht. Nutzen Sie die Gelegenheit, zwar alles für den Hamster zu tun, was möglich ist, aber den Kindern gleichzeitig zu erzählen, dass viele Menschen keine vergleichbaren Möglichkeiten haben, um sich medizinisch behandeln zu lassen. Ich bin mir ganz sicher, dass Ihre Kinder sich nicht nur in Ihrem positiven Papa-Bild bestärkt fühlen werden, sondern gleichzeitig – klar, das klingt jetzt etwas pathetisch  ! – sogar ein bisschen mehr Menschlichkeit von Ihnen lernen werden.

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Ich finde, Sie sollten in diesem Fall Ihrer eigenen Logik folgen und die Wut und die Enttäuschung Ihrer Kinder mutig riskieren. Bleiben Sie sich treu.

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Ob die Lebenserwartung des Hamsters durch eine medizinische Maßnahme beim Tierarzt tatsächlich verlängert wird, erscheint mir bei dem, was Sie beschreiben, noch gar nicht so klar zu sein. Aber was stört Sie denn wirklich an dieser Situation ? Wenn Sie mich fragen : Ich meine, dass Sie Verantwortung für ein Lebewesen übernommen haben. Egal wie groß oder klein dieses Lebewesen auch ist, Ihre Verantwortung verändert sich dadurch in meinen Augen nicht. Offensichtlich ist das Tier krank. Das heißt, Sie – als Verantwortlicher – sollten sich um den Hamster kümmern und schauen, was das kleine Tier jetzt braucht. Ihre Kinder scheinen hier die Verantwortung stärker als Sie selbst zu spüren. Natürlich können Sie den Besuch beim Tierarzt verbieten. Die Botschaft an Ihre Kinder ist dann jedoch : Unser Familienhamster ist es nicht wert, dass man ihm hilft. Das sollten Sie sich, bevor Sie eine Entscheidung fällen, klarmachen. Wenn Sie beim Tierarzt sind, wird dieser sicher ohnehin mit Ihnen besprechen, was im Sinne des Tierchens ist.

Mein Mann hat mit seiner Ex-Frau bereits einen Sohn. Bald nachdem wir ein Paar wurden, bekamen wir auch noch ein Kind. Der Sohn meines Mannes wohnt jede zweite Woche bei uns, wir verstehen uns gut und haben ein enges Verhältnis. Doch neulich stellte er mir plötzlich, ohne dass etwas vorgefallen wäre, die Frage, ob ich das eigene Kind lieber mag als ihn, den Sohn meines Mannes. Was soll ich darauf sagen? Kann man die Liebe zwischen eigenem Kind und Stiefkind vergleichen? Michaela K.

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Leider verraten Sie nicht, wie Ihre ehrliche Antwort auf diese Frage lautet – auch wenn man es vermuten kann. Die muss nämlich keineswegs eindeutig sein  ! Nachdem Ihr Stiefsohn auch bei Ihnen und seinem Vater aufwächst und Sie nicht nur ab und zu besucht, ist die Gewissheit für ihn, dass seine Eltern ihn lieben, so ungefähr das Wichtigste auf der Welt – und Sie sind jetzt nun mal auch seine Mutter. Aber Sie können ihm schon erklären, dass man verschiedene Menschen niemals auf die gleiche Weise liebt. So lieben Sie seinen Vater zum Beispiel anders als ihn und somit auch anders als das Geschwisterkind. Bei einem kleineren Kind etwa spielt das Gefühl, es beschützen zu müssen, noch eine viel größere Rolle, das weiß er ja selbst. Und mit einem größeren Kind kann man schon viel mehr unternehmen und sich richtig vernünftig unterhalten, da entsteht noch mal eine andere Art, sich lieb zu haben. Liebhaben ist etwas sehr Kompliziertes. Vielleicht sagen Sie ihm, wie glücklich Sie sind, dass er Ihr Sohn ist, den Sie einfach so geschenkt bekommen haben, und nehmen ihn dabei ganz fest in den Arm ?

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Die Antwort hängt davon ab, wie Sie empfinden, und außerdem, wie alt das Kind ist. Ist Ihr Stiefsohn älter als drei Jahre, könnte ich mir vorstellen, dass Ihre Wahrheit lauten könnte : »Ich liebe euch beide, auf ganz unterschiedliche Art und Weise. Ich habe darüber ehrlich gesagt nie nachgedacht, bis du mich das jetzt gefragt hast. Also lass mich ein paar Tage darüber nachdenken und dann sprechen wir noch einmal darüber. Aber danke, dass du mich das gefragt hast.«

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Eine neue Familie ist weder für Sie, noch für Ihren Partner noch für die Kinder eine leichte Situation. Beide Seiten sind verunsichert, und eine Familie entsteht ja erst dadurch, dass sich eine Beziehung und bestenfalls auch eine emotionale Verbundenheit entwickeln. Zunächst : Patchwork ist nicht nur ein modernes Phänomen, sondern war in der Geschichte unter anderem wegen viel höherer Sterblichkeitsraten fast schon Normalität. Und dass die »Stiefkinder« dann schlechter wegkamen, ist in unzähligen Sagen und Märchen beschrieben. Nehmen Sie nur die Geschichte vom Aschenputtel. Wie ist es denn, wenn Sie in sich hineinhören ? Spüren Sie eine Unsicherheit ? Es ist ja überhaupt schwierig, Liebe graduell in ein mehr oder weniger einzuteilen. Jede Beziehung ist individuell und definiert sich aus der gemeinsamen Beziehungsgeschichte. Ihr leibliches Kind kennen Sie seit der ersten Minute, Ihr »Bonuskind« kam erst später dazu. Dass dieses Kind Ihnen aber offensichtlich genauso wichtig ist wie Ihr leibliches, können Sie über eine innige Beziehung sicher vermitteln. Wichtig sind dann Botschaften wie diese : Sie lieben Ihren angenommenen Sohn so, wie er ist. Und Ihr eigenes Kind ebenso.

Mein Sohn (14) hat wegen der aktuellen Weltlage Angst vor einem Krieg. Ich selbst bin auch unsicher, aber erfahrungsgemäß wird schon nichts passieren. Soll ich meinem Sohn die Angst vor dem Krieg ausreden ? Oder gehört sie zum Leben dazu ? Tobias F.

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Erfahrungsgemäß können wir anderen Menschen ihre Angst nicht ausreden – nicht einmal unseren Kindern. Aber zu sagen, dass Angst zum Leben dazugehört, erscheint mir fast schon grausam : Wenn Sie glauben, die Angst Ihres Sohnes zumindest ein bisschen verringern zu können, warum sollten Sie dann nicht alles dafür tun ? Warum nicht häufiger mit ihm intensiv über das Thema sprechen ? Mit vierzehn ist er ja in einem Alter, in dem man sich allmählich für das große Weltgeschehen zu interessieren beginnt, nicht mehr nur für die eigenen Angelegenheiten, und dass das bei Ihrem Sohn gerade passiert, ist doch schön  ! Ihr Argument, dass erfahrungsgemäß schon nichts passieren wird, erscheint mir allerdings ein wenig dünn ; ein kluger Vierzehnjähriger wird vermutlich »Einmal ist immer das erste Mal« sagen und weiter Ängste haben. Aber es gibt für Ihre Ruhe ja mindestens ebenso viele gute politische Argumente wie für seine Angst. Und wenn Sie ihm die erläutern, natürlich ohne zu behaupten, es gebe eine Garantie für den Frieden : Könnte das seine Angst nicht vielleicht ein kleines bisschen schrumpfen lassen ?

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Ihre eigene Unsicherheit, aus der heraus Sie Ihre Frage stellen, ist die wertvollste Hilfe in diesem Fall. Nur weil Sie selbst zweifeln, werden Sie in der Lage sein, Ihrem Sohn wirklich zuzuhören und über eine der wichtigsten Fragen des Lebens überhaupt zu philosophieren. Gemeinsam über diese Dinge zu sprechen kann wie eine kleine Oase sein, die einem Halt gibt, Schutz und Sicherheit. Wenn solche Gedanken und Ängste Ihren Sohn in einem Jahr noch bedrücken, und zwar so sehr, dass sie ihn richtig traurig machen, sollten Sie versuchen, herauszufinden, ob andere Probleme dahinterstecken.

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Angst ist ein menschliches Grundgefühl und hat auch eine wichtige schützende Funktion. Sie schärft die Wahrnehmung und lässt uns nach Informationen oder Lösungen suchen. Langjährige Entwicklungsforschung und auch Praxiserfahrungen aus der Therapie haben gezeigt, wie wesentlich es für uns Menschen ist, dass wir unsere Gefühle kennenlernen und einen Zugang zu ihnen entwickeln können. Dabei geht es nicht nur um die positiven Gefühle wie Freude, Begeisterung und die Fähigkeit, Glück zu empfinden. Wir brauchen auch Erfahrungen mit sogenannten negativen Gefühlen : Trauer, Enttäuschung, Schmerz, Wut, Aggression, und auch die Angst gehört dazu. Deshalb ist es wichtig, dass Sie mit Ihrem Sohn sprechen und sich austauschen : Erzählen Sie ihm von Ihren eigenen Gedanken, vielleicht auch von Ihrer eigenen Unsicherheit. Vielleicht sprechen Sie darüber, dass auch Sie – wie jeder – die bedrohlichen Nachrichten aus vielen Teilen der Erde beunruhigen. Gut ist auch, dann auf Ihre eigenen Lebenserfahrungen zu verweisen, dass die Welt schon immer schwierig und unruhig war – zum Beispiel in der Zeit des Kalten Krieges –, aber dass Sie persönlich in Deutschland keinen Krieg erleben mussten.

Ein Freund hat meinem Sohn (6) erzählt, dass es den Nikolaus in Wirklichkeit gar nicht gibt. Mein Sohn findet diese Behauptung lächerlich. Was soll ich ihm sagen, wenn er nach dem Nikolaus fragt? Was würden Sie sagen?
 Andrea H.

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In diese Situation geraten fast alle Eltern irgendwann  ! Meistens zeigt das Kind aber ja schon die Richtung an. Wenn Ihr Sohn die Behauptung des Freundes lächerlich findet, dann hat er offenbar selbst noch keine Zweifel und vor allem : Er möchte noch an den Nikolaus glauben. Nach meiner Erfahrung möchten sehr viele Kinder das sogar dann noch, wenn ihr Verstand ihnen längst sagt, dass es den Nikolaus gar nicht geben kann. Lassen Sie ihn doch ruhig noch eine Weile  ! Allmählich wird er ganz von allein immer mehr zweifelhafte Punkte entdecken, und dann finde ich es auch an der Zeit, ihn darin zu bestätigen. Übrigens haben ja viele Eltern Skrupel, weil sie die Geschichte von Nikolaus, Weihnachtsmann, Christkind und Co. als Lüge empfinden. Stimmt ja im wörtlichen Sinne vielleicht auch. Aber in der magischen Phase der Entwicklung bringen sie für die Kinder zusätzlichen Glanz in die Weihnachtszeit. Und später amüsieren sich die »großen« Kinder meistens sehr darüber, wie der Papa oder der Opa oder Onkel Florian immer gerade dann verschwunden waren, wenn der Weihnachtsmann aufgetaucht ist. Oder darüber, dass der Nikolaus in der Kita die gleiche komische Brille getragen hat wie der Hausmeister im Rathaus.

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»Es ist so, mein lieber Sohn, dass Menschen an sehr unterschiedliche Dinge glauben können. Die eine Wahrheit gibt es nur in unseren Köpfen, und die Tatsache, dass du an den Nikolaus glaubst, macht dich nicht zu einem besseren Menschen als die, die nicht daran glauben. Solange es den Nikolaus in deinem Kopf gibt, sei glücklich mit ihm  !« Womöglich wird Ihr Sohn dann fragen, woran Sie denn selbst glauben. Sagen Sie ihm dann bitte Ihre Wahrheit, wie auch immer die aussieht.

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Sie können die Aussage Ihres Sohnes zunächst zur Kenntnis nehmen und so stehen lassen. Ihre Antwort im Weiteren hängt davon ab, wie Sie in Ihrer Familie grundsätzlich mit den großen und kleinen Geheimnissen in der Weihnachtszeit umgehen. An was glauben Sie ? Was ist Ihre Welt ? Davon können Sie erzählen. Für mich persönlich ist es grundsätzlich eine magische Zeit. Man kann mit Kindern wunderbare Rituale finden und diese Zeit voller kleiner Überraschungen gestalten. Es ist erstaunlich, dass Kinder – auch wenn sie ahnen oder sogar sicher wissen, dass Eltern die Stiefel füllen – dieses Ritual liebend gerne weiterhin mitmachen und jedes Jahr am 6. Dezember die geputzten Stiefel vor die Türen stellen. Ihre eigene Wahrheit finden Kinder zwischen dem, was wir an Bildern erzählen und vorleben.

Mein Sohn will sich an Fasching als IS-Kämpfer verkleiden. Er ist 15 und findet das extrem lustig, Eigentlich ist er ein ganz anständiger Junge, aber das hat er sich nun in den Kopf gesetzt. Seit Wochen lässt er sogar seine spärlichen Barthaare wachsen. Meine Einsprüche kontert er mit einem genervten: »Ist doch nur ein Witz!« Ich finde das allerdings überhaupt nicht witzig. Was kann ich tun? Christine M.

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Das finde ich unglaublich schwierig  ! Für viele Probleme der Pubertät gibt es einfach – das sollten wir ruhig zugeben – keine kurzfristigen Lösungen. Jugendliche suchen in einem bestimmten Alter oft nach der größtmöglichen Provokation. Das kennen wir zum Beispiel auch von Hakenkreuzschmierereien. Eine politische Aussage steckt meistens nicht dahinter, nur der Wunsch, in einem Alter, in dem man sich unsicherer fühlt als sonst jemals im Leben, der Welt zu zeigen und sich selbst zu beweisen, dass man bei anderen Menschen heftigste Reaktionen auslösen und damit also eine Form von Kontrolle ausüben kann. Darum wird Ihr Sohn sachlichen Argumenten auch nicht aufgeschlossen sein, auf dieser Ebene lässt sich das Problem nicht lösen. Trotzdem sollen Sie natürlich Ihre Argumente vorbringen. Dass Sie ihm seine Kostümierung nicht finanzieren oder Geld für ein Faschingsfest geben, das er als IS-Kämpfer besucht, finde ich selbstverständlich. Da Sie ihn nicht einsperren können, wird er (und ein wenig vielleicht auch Sie als seine Mutter) die Reaktionen der Umwelt aushalten müssen. Vielleicht lernt er daraus etwas darüber, was tatsächlich ein Witz ist und wo die Grenzen liegen.

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Tun Sie das, was Sie ohnehin schon getan und Ihrem Sohn gesagt haben, nämlich, dass Sie ihm das nicht erlauben. Er wird Ihre Haltung vielleicht nicht respektieren, aber daran werden Sie beide wachsen – ebenso wie die Qualität Ihrer Beziehung.

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