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Bernd Köstering

Düker ermittelt in Offenbach

30 Rätsel-Krimis

Impressum

Personen und Handlung sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

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1. Auflage 2016

Lektorat: Katja Ernst

Herstellung: Julia Franze

E-Book: Mirjam Hecht

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

unter Verwendung eines Fotos von: © fuzzbones / Fotolia.com

ISBN 978-3-8392-5194-2

Teil 1

Günther Düker ist ein Polizist, der einem schnell ans Herz wächst, ein eigensinniger Bulle, liebenswürdig, präsent, korrekt. Im ersten Teil dieses Rätsel-Krimi-Bandes erleben Sie ihn als Polizeihauptkommissar und stellvertretenden Leiter des 2. Polizeireviers Offenbach. Teils rühmliche, teils unrühmliche Rollen spielen dabei seine Lieblingskollegin Bettina Blum, seine jungen Kollegen Thomas Hirzenhain und Niels Conrad sowie sein scheidender Revierleiter Heribert Müller und dessen Nachfolger Polizeirat Lung. Auch Dükers Frau Helga ist – nicht immer zu seiner Freude – an manchem Fall beteiligt.

1. Fundsache

Polizeihauptkommissar Günther Düker vom 2. Polizeirevier Offenbach schüttelte den Kopf. »Wie kann man nur 10.000 Euro auf dem Wochenmarkt verlieren?«

Sein Kollege Thomas Hirzenhain nickte. »Wirklich seltsam. Und noch erstaunlicher finde ich, dass der ehrliche Finder das Geldpäckchen bei uns abgegeben hat. Einfach so, in Zeitungspapier eingewickelt. Trotz intensiver Befragung der Anwohner rund um den Wilhelmsplatz gibt es keine Spur von dem Eigentümer. So etwas habe ich in meiner gesamten Dienstzeit noch nicht erlebt!«

Düker lachte auf. »In deiner gesamten einjährigen Dienstzeit, was für ein Wunder. Aber auch ich mit meinen 28 Dienstjahren habe das noch nicht erlebt.«

»Na ja, Günni, du bist eben ein Fossil, also … Entschuldigung, ein fossiles Element der Offenbacher Polizei.«

»Hör bloß auf, du machst es nur noch schlimmer.«

Im selben Moment hörten sie laute Stimmen, vorn am Ausgang des Reviers zur Berliner Straße. Es klang nach einem Tumult.

Günther Düker öffnete die Bürotür. »Was ist hier los?«

Eine ältere Frau kam auf ihn zu. »Das Geld gehört mir, es ist für eine Kreuzfahrt, die haben wir uns so sehr gewünscht, und jetzt …«

»Liebe Frau, beruhigen Sie sich …«

»Ich soll mich beruhigen? Ihre Leute geben mir ja nicht …«

»Stopp!«, rief Düker und trat in den Flur hinaus. »Sie sind jetzt bitte still! Zuerst trinken Sie ein Glas Wasser und dann begleiten Sie mich in mein Büro, aber leise! Da bekommt man ja einen Tinnitus.«

Er gab seinem Kollegen einen Wink und flüsterte ihm zu. »Thomas, du lässt das Geldpäckchen erst einmal verschwinden und ich befrage sie.«

Hirzenhain nickte und steckte die in Zeitungspapier eingewickelten Scheine unter seine Uniformjacke.

»Kommen Sie herein und nehmen Sie Platz, Frau …«

»Mollenhauer.«

»Gut, Frau Mollenhauer, wie viel Geld haben Sie denn verloren?«, fragte der Polizeihauptkommissar.

»10.000 Euro, Herr Wachtmeister!«

Hirzenhain prustete los.

»Da gibt es gar nichts zu lachen, junger Mann!«, sagte Frau Mollenhauer streng. »Wenn Sie 74 Lebensjahre hinter sich hätten, davon 45 Jahre in der Fabrik, und jetzt schlecht zu Fuß wären, da würden Sie sich auch auf eine Kreuzfahrt freuen.«

»Ja sicher, Frau Mollenhauer«, antwortete Thomas Hirzenhain mit gerötetem Gesicht. »Aber warum tragen Sie denn so viel Bargeld mit sich herum, statt es zu überweisen?«

»Sie stellen vielleicht komische Fragen, das war in der Spardose, über viele Jahre, und jetzt habe ich es herausgeholt!«

Düker kannte die Eigenheiten älterer Menschen in Bezug auf ihre Ersparnisse. »Und wo haben Sie das Geld verloren?«

»Auf dem Wochenmarkt, mitten im Gewühl. Ich dachte zuerst, jemand hätte es mir gestohlen, aber ich habe es wohl verloren. Und nun ist es wieder da, ich bin ja so froh!«

»Wie hatten Sie das Geld denn verpackt?«

»Ach, das weiß ich nicht mehr genau, ist ja über eine Woche her, mein Gedächtnis …«

»War es eingewickelt?«, fragte Thomas Hirzenhain.

Günther Düker warf ihm einen ärgerlichen Blick zu.

»Ja, ja, eingewickelt«, sagte die Frau, »ich glaube in … Papier?«

Hirzenhain holte das Päckchen unter seiner Jacke hervor. »In Zeitungspapier?«

»Ja, genau, das ist mein Geld, wie schön, es ist wieder da!« Sie stand auf.

»Halt!«, rief der Polizeihauptkommissar. »So einfach geht das nicht. Thomas, du gehst jetzt raus und äh … holst uns einen Kaffee, und Frau Mollenhauer, Sie setzen sich bitte wieder hin!«

Er nahm dem verdutzten Kollegen das Geldpäckchen aus der Hand und verstaute es in seiner Schreibtischschublade. Frau Mollenhauer sah den Scheinen sehnsüchtig hinterher. Als Thomas Hirzenhain die Tür geschlossen hatte, begann Günther Düker erneut: »Frau Mollenhauer, Sie haben gerade ausgesagt, dass es über eine Woche her ist, seit Sie das Geld verloren haben. Also: Wann genau war das?«

»Ach, Herr Wachtmeister …«

»Meine Güte, ich bin kein Wachtmeister«, rief Düker, »ich bin Polizeihauptkommissar. Sagen Sie bitte einfach Herr Düker zu mir!«

Die Frau sah ihn erstaunt an. »Du liebe Zeit, dass Ihnen das so an die Nieren geht, hätte ich nicht gedacht, Herr Düker.«

»Entschuldigung, also wann war das?«

»Na ja, mein Gedächtnis, Sie wissen schon, heute ist … Was ist heute?«

»Montag. Frau Mollenhauer, bitte nehmen Sie sich zusammen, Sie sind schließlich noch keine alte Frau, oder?«

»Na hören Sie mal, natürlich nicht. Ach ja, jetzt fällt es mir wieder ein. Ich gehe eigentlich jeden Freitag auf den Markt, aber gestern war Weißer Sonntag, da haben wir die Kommunion meiner Enkelin gefeiert, ein großes Fest, sehr schön, mit über 50 Gästen und … na ja, wegen der Vorbereitung kam ich nicht dazu, am vergangenen Freitag auf den Markt zu gehen, also war es der Freitag zuvor.«

»Gut, und wo genau haben Sie eingekauft, bei welchen Ständen?«

»Bei dem großen Gemüsestand vorne am Markthäuschen. Es gab schon Erdbeeren, die isst mein Mann so gerne, zwei Schalen habe ich gekauft, die kamen aus Chile. Salat auch noch … und Äpfel.«

»Wie viele Äpfel?«

»Fünf Stück, Goldparmäne, die sind schön süß.«

Die Tür ging auf und Thomas Hirzenhain erschien mit drei Kaffeebechern. »So, Frau Mollenhauer, hier ist Ihr Kaffee!«

»Oh, vielen Dank, junger Mann, das tut gut. Nach dem Kaffee gehe ich dann nach Hause.« Sie lächelte. »Mit meinem Geld.«

»Nein«, sagte Düker und erhob sich. »So leid es mir tut, aber Sie gehen nicht nach Hause, und schon gar nicht mit dem Geld. Sie sind eine Betrügerin!«

»Aber Herr Wachtmeister!«

Woher weiß Günther Düker, dass Frau Mollenhauer lügt?

Lösung

Als »Weißer Sonntag« wird der Sonntag nach Ostern bezeichnet. Der Freitag der Woche zuvor ist also Karfreitag, und da findet kein Wochenmarkt statt.

2. Emil Nolde und der Frieden

Polizeihauptkommissar Günther Düker hatte wieder einmal Wochenenddienst. Er saß am Schreibtisch und war damit beschäftigt, auszurechnen, wie viele Wochenenden er in seinen 28 Dienstjahren wohl bereits gearbeitet hatte, als die Bürotür aufflog. Seine Kollegin Bettina Blum stürmte herein. »Günni, auf dem Flohmarkt am Mainufer gibt es Ärger. Drei Leute streiten sich um ein Gemälde, angeblich von einem gewissen Nolde. Keine Ahnung, wer das ist, wir müssen jedenfalls hin!«

Düker nickte. »Geht klar, du fährst mit Thomas rüber, ich schaue nach, was ich über diesen Nolde finde.«

Schon hatte er die Worte »Nolde« und »Maler« in eine Internetsuchmaschine eingegeben. Als erster Treffer tauchte die Homepage des Malerbetriebs Nolde in Bottrop auf, dann der Wikipediaeintrag über einen gewissen Emil Nolde, geboren 1867, gestorben 1956, Mitglied der Künstlergruppe »Brücke«, Schwerpunkt Aquarelle mit kräftigen Farben.

Bettina stand abwartend in der Tür.

»Ist noch was?«, fragte Düker.

»Na ja, wegen Thomas, er ist erst seit einem Jahr im Streifendienst, und dieses Bild … Es ist vielleicht wertvoll, zufällig auf dem Flohmarkt gefunden, hat es ja schon gegeben. Also mir wäre es lieber, du würdest mitfahren.«

Günther Düker nickte, nahm seine Uniformjacke von der Stuhllehne und folgte seiner Kollegin. Als sie an Hirzenhains Schreibtisch vorbeikamen, sagte Düker: »Thomas, ich fahre mit Bettina zum Flohmarkt, du hältst hier bitte die Stellung!«

Das Erstaunen in Thomas Hirzenhains Augen war deutlich zu bemerken.

»Eine knifflige Sache, es geht um Künstler«, ergänzte der Polizeihauptkommissar. »Wir bringen frische Brötchen mit, setz schon mal Kaffee auf, du machst den besten im Revier. Ach, und ruf bitte Hans-Georg an … also Herrn Ruppel, du weißt schon, unseren ehemaligen Stadtarchivar, ich brauch ihn dringend auf dem Flohmarkt. Bis später.«

Sie meldeten sich in der Wache beim Dienstgruppenleiter ab. Bettina hielt den Autoschlüssel hoch. »Signalfahrt?«

Düker nickte. Er hatte zwar keine besondere Lust auf eine rasante Fahrt, aber die aktuelle Lage ließ keine andere Entscheidung zu. Seine Kollegin schaltete das Blaulicht ein, und sie rauschten die Berliner Straße hinunter. Die Kreuzung mit der Kaiserstraße war voller Autos, kaum ein Durchkommen. Bettina schaltete das Martinshorn ein, alle stoben auseinander, elegant lenkte sie den Streifenwagen hindurch, bog links ab und brauste in Richtung Main. Günther Düker kam sich vor wie in einem Karussell auf der Dippemess.

Der Tumult war schon von Weitem zu sehen, ein Pulk von Neugierigen hatte sich gebildet, die sich bis auf die Mainstraße drängten. Düker wies Bettina an, die mainseitige Fahrspur abzusperren, um Unfällen vorzubeugen. Dann kämpften sie sich zu dem Verkaufsstand durch, der das Zentrum des Geschehens bildete. Trotz Dükers stattlicher Figur war das schwierig. »Platz, bitte machen Sie Platz, Polizei!« Ein Stimmengewirr war die Antwort.

»Ruhe bitte!«, brüllte Düker. Seine sonore Stimme tat ihre Wirkung. »Wo ist das Bild?«

Ein grauhaariger Mann im zerschlissenen Mantel zeigte auf einen in Papier eingeschlagenen Gegenstand, der vor ihm auf dem Tisch lag. Etwa 50 mal 50 Zentimeter. »Hier!«, sagte er.

»Sind Sie der Besitzer?«

»Ja.«

»Und Sie wollen es verkaufen?«

»Genau. Für 30 Euro, hat ja schließlich einen schönen Rahmen.«

»Wer wollte es denn kaufen?«

Ein Mann, höchstens 30, in einem hellen Trenchcoat hob die Hand.

»Wegen des schönen Rahmens?«

»Genau«, antwortete der Trenchcoat.

Bettina Blum nahm die Personalien der beiden Männer auf.

»Und Sie?«, fragte Düker in Richtung einer Frau, die unentwegt auf das verpackte Bild starrte.

»Ich, äh, ich heiße Menzinger, Jutta Menzinger, aus Bürgel. Ich bin Kunstsammlerin.«

»Und?«, fragte Günther Düker.

»Na ja, ich bekam mit, dass der Herr dort«, sie zeigte auf den grauhaarigen Standinhaber, »dieses Bild verkaufen wollte, für 30 Euro. Sieht aus wie ein echter Nolde! Das geht doch nicht, der gehört in ein Museum, ins Städel zum Beispiel.«

»Und Sie meinen, das Bild ist echt?«

»Ziemlich sicher. Diese kräftigen Aquarellfarben, seine Signatur mit der Jahreszahl 1928, ein typischer Nolde. Das Bild zeigt seinen Garten am Haus Seebüll, wo er zuletzt wohnte. Die Blumenrabatten wurden so angelegt, dass sie die Buchstaben E und A bildeten: Emil und Ada, sein eigener Vorname und der seiner ersten Frau. Mitten hinein hat Nolde 21 strahlend weiße Rosen gemalt, für jedes Friedensjahr zwischen den beiden Weltkriegen eine Rose. Symbolisch, verstehen Sie? Deshalb der Titel ›21 Jahre Frieden‹, steht hinten drauf. Ein wunderschönes Bild. Wollen Sie es sehen?«

»Hallo, Günther!«, ertönte in diesem Moment eine Stimme aus dem Hintergrund.

Düker drehte sich um. »Hans-Georg, gut, dass du kommst!« Freundschaftlich legte er Hans-Georg Ruppel seine Hand auf die Schulter.

»Ich habe gehört, was die Dame erzählt hat«, sagte Ruppel. »Wann soll das Bild gemalt worden sein?«

»1928«, antwortete Jutta Menzinger.

»Gut, danke. Dann kann ich Ihnen sofort sagen, dass es sich um eine Fälschung handelt.«

Frau Menzinger blieb der Mund offen stehen. »Das sagen Sie einfach so, ohne das Bild überhaupt gesehen zu haben?«

»Richtig«, antwortete Ruppel. Und leise raunte er Düker zu: »Das war ja einfach, hättest du eigentlich selbst herausfinden können!«

Günther Düker sah seinen Freund Ruppel an, als sei dieser ein Außerirdischer.

Wie kommt Hans-Georg Ruppel darauf, dass es sich um eine Fälschung handelt, ohne das Bild gesehen zu haben?

Lösung

Emil Nolde konnte 1928 noch nicht gewusst haben, dass 1939 der zweite Weltkrieg ausbrechen würde, somit genau 21 Jahre Frieden herrschen würde. Die sonstigen Fakten, die Frau Menzinger zu Emil Nolde berichtete, sind alle korrekt. Auch der E&A-Garten am Haus Seebüll existierte tatsächlich.

3. Der falsche Erbe

Polizeihauptkommissar Günther Düker vom 2. Polizeirevier Offenbach wuchtete seine kräftige Gestalt in den Streifenwagen. »Fahr los!«

Sein Kollegen Thomas Hirzenhain nickte, während er sich vorsichtig in den Verkehr auf der Berliner Straße einfädelte. »Mittelseestraße 3?«

»Genau. Der Notar heißt Friedrich Nölker. Die zwei angeblichen Enkel sitzen noch bei ihm. Die werden auch nicht abhauen, wollen ja erben.«

Hirzenhain schüttelte den Kopf. »Unglaublich! Was sind das eigentlich für Typen?«

»Beide behaupten, Physiklehrer zu sein.«

»Ah, Physik. Eins meiner Lieblingsfächer in der Schule.«

Düker sah seinen Kollegen misstrauisch von der Seite an. »Pass auf, dass du mir nicht unsympathisch wirst!«

Thomas Hirzenhain grinste. Zehn Minuten später hielt er vor dem Haus des Notars. Nölker begrüßte die Polizisten und bat sie in sein Büro, während die angeblichen Erben im Nebenzimmer warteten.

»Also«, begann der Notar, »ich habe ein Testament vorliegen, von Gerhard Hubschmidt persönlich unterschrieben. Das war vor zehn Jahren. Mein Kollege hat das gemacht, hier in unserer Kanzlei, er ist inzwischen im Ruhestand. Gemäß Protokoll war der Enkel zugegen, aber ich kenne ihn nicht persönlich, kann ihn deswegen auch nicht identifizieren. Er ist inzwischen nach Australien ausgewandert, es hat lange gedauert, ihn aufzuspüren. Und jetzt das hier: Beide anwesenden Männer haben einen Personalausweis auf den Namen Oliver Paul Hubschmidt. Ich bin schon lange Notar, aber so etwas habe ich noch nie erlebt!«

Günther Düker versuchte, ihn zu beruhigen. »Gut, dass Sie uns angerufen haben, Herr Nölker, wir werden das klären. Können Sie mir bitte sagen, um welchen Betrag es geht, ich meine, lohnt sich das Erbe überhaupt?«

»Sie wissen, dass ich Ihnen das nicht offenlegen muss …«, sagte Friedrich Nölker unsicher.

»Ja, das stimmt. Allerdings sind Sie verpflichtet, das Erbe an den richtigen Enkel zu vermitteln, und die ungefähre Beantwortung meiner Frage würde erheblich dazu beitragen.«

Der Notar nickte. »Na gut, ich möchte es so formulieren: Wenn ich alles zusammenrechne, die Immobilien von Gerhard Hubschmidt in Dietzenbach und Obertshausen, seine Depots und Aktienwerte, dann müssten Sie dafür bei Günther Jauch alle Fragen richtig beantworten.«

»Puh!«, machte der Polizeihauptkommissar. »Das lohnt sich allerdings.«

Als sie in das Nebenzimmer eintraten, erhoben sich zwei Männer, beide Mitte 20, beide blond, beide mit Brille. Düker musterte sie genau, es dauerte eine Weile, bis er sich einen optischen Unterschied einprägen konnte. Der eine hatte jede Menge Sommersprossen im Gesicht, der andere hatte eine glatte, ebenmäßige Haut, auf die so manche Frau stolz wäre.

»Wie heißen Sie?«, fragte Düker den Sprossentyp.

»Oliver Paul Hubschmidt.«

»Ihren Personalausweis bitte.«

Weder Günther Düker noch Thomas Hirzenhain konnten etwas Auffälliges an dem Ausweis erkennen.

»Und Sie, wie heißen Sie?«, fragte Günther Düker den Glatten.

»Oliver Hubschmidt.«

»Ohne Paul?«

»Nein, mit Paul. Mein Vater fand das toll, die Kombination Paul Hubschmidt, wie der Schauspieler. Ich habe meinen Zweitnamen immer gehasst.«

Sein Personalausweis schien ebenfalls in Ordnung zu sein.

»Gut, ich werde Sie jetzt einzeln vernehmen«, sagte Düker. Er zeigte auf das Sommersprossengesicht. »Warten Sie bitte auf dem Flur.«

Der Glatte setzte sich auf einen der Besucherstühle.

»Ihren Lebenslauf in Kurzform bitte!«, sagte der Polizeihauptkommissar.

Der Mann schnaufte genervt. »Also gut, ich wurde in Offenbach geboren, am 8. April 1984, meine Eltern ließen sich scheiden, als ich 21 war, mitten im Studium, ich hab’s aber durchgezogen. Danach hatte ich genug von all dem hier, meine Mutter hat mich total gestresst, das Schulamt wollte mich als Lehrer nach Bebra versetzen, stellen Sie sich vor, nach Bebra! Hessisch Sibirien! Da bin ich zu meinem Vater nach Australien gegangen. Was blieb mir sonst übrig?«

»Aha …«, setzte Thomas Hirzenhain an, doch Günther Düker unterbrach ihn sofort. »Wann genau sind Sie nach Australien ausgewandert?«

»Im August 2007.«

»Und, wie lief’s in Australien?«, fragte Hirzenhain.

Düker winkte ab, er konnte es nicht leiden, wenn seine Vernehmung unterbrochen wurde. »Also, Herr Hubschmidt«, übernahm er wieder, »wie lief es in Australien?«

Der Mann mit der glatten Haut sah interessiert zwischen den Polizisten hin und her und grinste. »Die Gravitationskräfte zwischen Ihnen beiden sind ja interessant!«

»Reden Sie keinen Unsinn«, erwiderte Günther Düker, »Gravitationskräfte gibt es grundsätzlich nur zwischen Planeten, das weiß ja sogar ich. Also, was haben Sie in Australien gemacht?«

Der Angesprochene hob die Schultern. »Es lief nicht besonders gut, ich hatte einige Hilfsjobs auf dem Bau, kam mir vor wie in einer verdammten Sträflingskolonie. Später bekam ich einen Job als Privatlehrer, mein Vater hat mir den vermittelt, er war cool.«

»War?«

»Ja, er ist letztes Jahr gestorben. Krebs.«

»Oh, das tut mir leid. Und Ihre Mutter?«

»Zu der habe ich keinen Kontakt mehr, sie war stinksauer, als ich weg bin.«