Dieter Wischnewski: „Pudel, Nerd & Nymphe – Games of Siggi“
1. Auflage, November 2015, Periplaneta Berlin, Edition Drachenfliege

© 2015 Periplaneta - Verlag und Mediengruppe
Inh. Marion Alexa Müller, Bornholmer Straße 81a, 10439 Berlin
www.periplaneta.com

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, Übersetzung, Vortrag und Übertragung, Vertonung, Verfilmung, Vervielfältigung, Digitalisierung, kommerzielle Verwertung des Inhaltes, gleich welcher Art, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.

Lektorat & Projektleitung: Sarah Strehle (www.lektorat-strehle.de)
Cover & Logo: Marion Alexa Müller
Satz & Layout: Thomas Manegold
print ISBN: 978-3-943876-93-2
epub ISBN: 978-3-943876-94-9
E-Book-Version 1.2

Dieter Wischnewski

Pudel, Nerd

& Nymphe




Games Of Siggi





periplaneta

1

Siggi

Wenn es etwas gibt, das ich wirklich abgrundtief hasse, dann sind es Schnee, Eis und Kälte.

Ich schloss Charley auf, schob meine Aktentasche in den Fond und glitt in einem Haufen dieses weißen Dreckszeugs aus. Nicht mal die Straße anständig räumen konnten die hier.

Während ich mich aufrappelte, fluchte ich einige Mal herzhaft und fragte mich zum tausendsten Male, was ich hier eigentlich verloren hatte. Erst jetzt bemerkte ich, dass Charley in einer Schneewehe versunken war. Zum Kotzen.

Der ganze Winter stank nach Schneetreiben und miesem Wetter, aber der absolute Höhepunkt stand mir nun bevor. Man hatte mich gebeten, einen Vortrag in der niederrheinischen Provinz zu halten. Weil das Honorar sehr großzügig war – und der Dekan meiner Fakultät mir ziemlich in den Ohren gelegen hatte – hatte ich, trotz des ungewöhnlichen Datums, eingewilligt. Die Veranstaltung war tatsächlich auch nicht gerade das gewesen, was ich gut besucht nennen würde.

Schon auf der Hinfahrt war mein kleiner Citroën 2CV mehrfach im Schneegestöber steckengeblieben. Nur meine besondere Begabung hatte Schlimmeres verhindern können und wir waren jedes Mal wieder freigekommen.

Es war ernsthaft damit zu rechnen, dass ich in diesem kleinen Kaff auf unbestimmte Zeit festsitzen könnte. Die Straßen wurden zusehends unbefahrbar und ich konnte unmöglich über Kilometer hinweg den Schnee wegräumen. Meine Gabe hat Grenzen. Der Bürgermeister hatte mir mehrfach versichert, dass er mir ein Zimmer in der „besten Adresse“ der Stadt reserviert hätte.

Das waren großartige Aussichten. Auch jetzt fiel der Schnee in dicken Flocken vom Himmel nieder.

Abgesehen davon, dass die beschissenste Zeit des Jahres vor der Tür stand. Es war der 21. Dezember, der Tag der Wintersonnenwende. Direkt vor den Feiertagen und dem Jahreswechsel. Nicht, dass mir Weihnachten etwas bedeutet hätte. Ich feierte es sowieso nie und ich hatte auch keine Familie, mit der ich es hätte feiern können. Aber normalerweise verschanzte ich mich am heutigen Tage in meiner kleinen, aber luxuriösen Eigentumswohnung, legte mich in eine heiße Wanne, trank Unmengen Sekt, las oder sah fern. Die Welt konnte mich in dieser Nacht einfach mal.

Nun drohte mir eine kleine, miefige Pension ohne Pay-TV, ohne meine Bücher und vermutlich ohne ein heißes Bad. Und das in der verrücktesten Nacht des Jahres. Abgesehen davon, dass die einzige weibliche Bekanntschaft, die sich hier machen ließ, vermutlich schwarzweiße Flecken hatte und herzzerreißend muhen konnte.

Besorgt sah ich auf die Uhr. Noch fünf Stunden bis zur Dämmerung. Nein, zur Not würde ich schon dafür sorgen, dass die Straßen vor mir frei würden. Ich schwang mich also auf den Fahrersitz, steckte den Schlüssel ins Schloss und drehte die Zündung.

Charley gab nur ein heiseres, gurgelndes Geräusch von sich, als würde eine sterbende Stromleitung gegen einen Eisberg knallen, während jemand auf einer einsaitigen, verstimmten Geige Mendelssohns Streichersinfonie rückwärts spielte. Auf den Zähnen. Stockbetrunken.

Und wieder. Und wieder. Und wieder.

Eine Kakophonie des Grauens. Armer Charley. Er tat mir fast so leid wie ich mir selbst.

„Jetzt komm schon! Antworte wenigstens! Charley! Was soll das? Warum springst du verdammt noch mal nicht an? Wenn das einer deiner üblen Scherze ist …“

Aber Charley sagte nichts, er gab nur ein leises, warnendes Brummen von sich.

Jemand näherte sich. Es klopfte an die Scheibe.

Nachdem ich das Fenster heruntergekurbelt hatte, schob sich ein verlebtes Gesicht zu mir rein. Wangen und Nase waren von einem aschgrauen Bart verdeckt, der mit dem Haupthaar darum wetteiferte, möglichst ungepflegt und ungekämmt zu erscheinen. Ich befürchtete fast, dass sich ein Teil des Frühstücks irgendwo in dem Gespinst zwischen Mundwinkel und Kinn versteckte und mir freundlich entgegenlachen würde, sollte es die Chance dazu bekommen.

„Herr Doktor Antiopus, selbst wenn der Wagen startet, werden Sie nie aus der Schneewehe rauskommen.“

Der Bürgermeister. Wie hieß er noch gleich? Ach ja.

„Aber ich muss nach Hause, es wartet noch wichtige Arbeit auf mich, Herr Meyers. Ich muss noch einen weiteren Vortrag ausarbeiten und …“

Sein warmer, ranziger Atem fuhr mir ins Gesicht. Frühstückskorn. Wunderbar. Wenn es etwas gibt, was ich abgrundtief hasse, dann Schnaps aus einer Dorfbrennerei im Odem eines alten Mannes. Direkt nach Schnee, Eis und Kälte!

„Wenn Sie nicht im Auto übernachten wollen, bleibt Ihnen kaum etwas anderes übrig, als auf mein Angebot zurückzukommen. Ich lade Sie auch gern heute Abend zu unserem Wintersonnenwendfest ein!“

Wie verlockend. Vermutlich mit selbstgebranntem Schnaps. Ich würde einen Teufel tun und heute nach Anbruch der Dämmerung draußen rumhängen.

„Nun, ich, äh … dringende Angelegenheit …“

„Frau Weiß, vielleicht können Sie unseren Gast überzeugen, noch ein wenig in unserem wunderschönen Mühlenstedt zu bleiben! Frau Weiß ist unsere Kulturreferentin.“

Der Bart und der Odem verließen das Fenster, stattdessen schoben sich eine frische Meeresbrise und ein rot gelocktes Engelsgesicht zu mir hinein. Nicht, dass es Engel geben würde. Diese langweiligen Harfenspieler auf ihren öden Wolken. Das wusste ich nun wirklich besser. Dennoch … die Symmetrie, die Sommersprossen selbst im tiefen Winter. Sie war … göttlich.

„Angenehm“, sagte ich. Meine Sinne schlugen auf seltsam vertraute Weise an, mein Verstand und mein Körper riefen zeitgleich Bingo. Mein Entschluss, Mühlenstedt heute zu verlassen, geriet arg ins Wanken.

Charley ließ seine Kupplung warnend knacken. Er kannte mich.

„Wir haben per Mail die Details zu Ihrem Vortrag ausgemacht, erinnern Sie sich?“, hauchte sie mit dunkler Stimme. Mir wurde schlagartig einige Grad wärmer.

Ines Weiß. Ich erinnerte mich schwach. Hätte ich das geahnt … ich konnte mich des Gefühls nicht erwehren, dass sie mir irgendwie bekannt vorkam. Nein, an sie würde ich mich erinnern. Garantiert.

„Herr Meyers möchte, dass ich Sie gleich bis in die Gaststätte bringe, sie ist etwas schwer zu finden.“

„Oh, ja, natürlich. Wissen Sie was, ich bin schon überzeugt. Ich muss nur noch ein dringendes Telefonat führen. Dürfte ich kurz?“

Das Gesicht verschwand, die Scheibe kurbelte hoch. Fräulein Weiß drehte mir kurz den Rücken zu. Dieser Hintern! Schlank, aber so unglaublich rund! Und das trotz ihrer winterfesten Kleidung.

Ich griff demonstrativ zu meinem Mobiltelefon, tippte eine willkürliche Tastenkombination und hielt es ans Ohr. Wenn ich mit Charley sprach, wirkte das auf die meisten Leute sehr irritierend und ich wollte nun wirklich nicht das Bild eines skurrilen Sonderlings abgeben. Zumindest nicht mehr als unbedingt notwendig.

„Siggi, lass es!“, fuhr Charley mich direkt an. Seine Stimme erklang direkt in meinem Kopf, so dass nur ich ihn hören konnte. Haha. Sein französischer Akzent machte es immer sau komisch, wenn er sich über etwas aufregte. Und das tat er verdammt oft.

„Hey, sie ist absolut heiß. Und du bist selbst schuld. Wärst du rechtzeitig angesprungen …“

„Ich kann nichts dafür. Diese scheiß Kälte hat meine Batterie erledigt. Und wenn du mich hier stehenlässt, frier ich mir meine verdammten Zylinder ab! Ich will in meine Garage, hörst du? Hast du vergessen, welcher beschissene Tag heute ist? Geht das in deinen dämlichen Schädel, Casanova? Lass dir Starthilfe geben, räum den Schnee weg und wir verziehen uns ins Warme!“

„Charley, mach keinen Stress. Eine Nacht, okay? Morgen kriegst du deine Starthilfe. Sei lieber froh, dass ich mit der Schönen nicht deine Stoßdämpfer austeste, Kumpel.“

„Du kannst mich doch nicht hier stehenlassen! Nicht heute!“

Ich überlegte einen Moment. Sollte ich ihm recht geben? Er war ein verdammter, rostiger Kleinwagen. Nein, mein Stolz verbot mir, jetzt einzuknicken.

„Nur eine Nacht. Ich bin nach Sonnenuntergang in bester Gesellschaft. Und dich lass ich abholen, die haben sicher eine schicke kleine Tiefgarage hier irgendwo, in der du den einen oder anderen hübschen Mini Cooper vernaschen kannst.“ Er fuhr total auf diese Dinger ab.

Ich legte deutlich sichtbar auf, unser Zeichen, dass das Gespräch beendet war.

Charley grummelte noch etwas von „Libido eines verfluchten Zwergkaninchens“ und gab seinen Widerstand auf. Der pure Neid.

Charley hatte schon nichts mehr mit einer Frau gehabt, seit er irgendwann – vermutlich um 1980 herum – bei der Produktion eines 2CV ums Leben gekommen und fortan seine Existenz an diese Blechkiste gebunden war. Nachdem ich ihn vor einigen Jahren quasi aus der Schrottpresse gerettet hatte, war er mir als Diener verpflichtet. Irgendein alter Spuk-Kodex oder so was.

Damals wünschte ich mir, mein Geld hätte für einen schicken Sportwagen ausgereicht. Jetzt sprach er ein akzeptables Deutsch und ich brachte es nicht mehr übers Herz, ihn wegzugeben. Da er ein Modell der Reihe Charleston war und er, wie jeder Spuk(1), seinen früheren Namen vergessen hatte, hatte ich ihn kurzerhand Charley getauft. Und irgendwie war er auch mein bester, weil einziger Freund. Wir haben schon eine Menge Scheiß erlebt, wir zwei.

Gerade als ich ausstieg, stieß Charley plötzlich seine rechte Hintertür ruckartig auf und zu.

„Er hat mich eine kleine Dreckskiste genannt, der Mistkerl!“, fauchte Charley leise. – Es klang mehr wie „Er ’at misch eine kleine Dräckskiste gena’nt!“ – Zum Schießen, ehrlich. Nicht mal wütend konnte man ihn ernst nehmen.

Ja, mit so etwas verstand die kleine Rostlaube keinen Spaß. Und ich kam mal wieder in Erklärungsnöte.

„Es tut mir leid. Die Elektronik spielt wegen der Kälte wohl verrückt. Wissen Sie, alte französische Kleinwagen und dieses Wetter.“

Die Kupplung knackte erneut warnend. „Übertreib es nicht, sonst lernst du mich kennen!“ – „Ubertraib äs nüscht, sonst lärnst du misch gännen!“

Haha.

Wir hatten aus naheliegenden Gründen die nonverbale Kommunikation nicht nur perfektioniert, nein, wir hatten sie auf eine ganz neue Ebene gehoben. Geist-Mensch-Kommunikation-ohne-aufzufallen. Irgendwann würde ich eine empirische Arbeit darüber verfassen. „Man kann nicht-nicht-nicht-kommunizieren – digitale, analoge und paranormale Kommunikation mit der Geisterwelt“. Watzlawick würde sich im Grabe umdrehen und vor Neid grüne Knochen bekommen. Wenngleich ich damit rechnete, dass sein Geist mich und Charley in der einen oder anderen schlaflosen Nacht heimsuchen würde.

„Also, wohin gehen wir?“, fragte ich und grinste Frau Weiß breit an. Noch immer hatte ich das Gefühl, dass sie mich an jemanden erinnerte. Aber ich kam nicht drauf, an wen. Der Bürgermeister rieb sich das Schienbein. Der war immerhin abgemeldet. Die roten Locken umrahmten ihr ausdrucksvolles Gesicht, ihre Augen waren so grün wie die Highlands im Spätsommer und ihr Lächeln war schelmisch und seltsam tiefgründig.

Da bekam ich auch endlich die gedankliche Verbindung, nach der ich die ganze Zeit hoffnungsvoll gesucht hatte. Sie war etwas diffus und befremdlich, aber sie war vorhanden. Strike! Dennoch hatte ich den Eindruck, dass etwas mit ihr nicht ganz stimmte.

Na, was soll’s. Ich wollte sie ja nicht heiraten.

Man muss wissen, dass ich die eine oder andere Fähigkeit geerbt habe. Ich kann übernatürliche Wesen wahrnehmen. Von meiner Mutter habe ich außerdem das Talent, Gedanken zu lesen und mein Gegenüber in meinem Sinne zu manipulieren. Allerdings funktionierte das nur bei Frauen – und auch nur bei sehr speziellen Exemplaren. Und genau genommen war das Einzige, was ich manipulieren konnte, dass sie mich plötzlich unwiderstehlich fanden.

Ich betrachtete mich flüchtig in der Spiegelung eines Schaufensters. Wie sonst hätte ich mir auch den Ruf eines regelrechten Don Juans erwerben können? Ich war studierter Germanist und Psychologe mit dem Spezialgebiet „Moderne Bildergeschichten“, klein, hager, hatte schütteres Haar und trug eine dicke Hornbrille. Ich war also ein beschissener Comic-Nerd, der eine äußerst eigenwillige Ente fuhr und außer Fluchen keine nennenswerten Hobbys hatte … Na ja, fast keine.

Wenigstens hatte ich vor ein paar Jahren die Cordanzüge und Pullunder gegen Jeans, Sakko und Hemd getauscht. Bei Vorträgen. Privat trug ich auch gerne Shirts von diversen Marvel-Helden, mit Star-Wars-Motiven oder Bandlogos aus den siebziger Jahren.

Heute schlotterte ich jedoch, trotz Mantels und Handschuhen, und verfluchte diesen gesellschaftlich etablierten Dresscode, dessen praktischer Nutzen sich mir nach wie vor nicht erschloss. Pullunder und Pudelmütze wären mir lieber gewesen.

Nun ja. Wie auch immer. Trotz allem hatte ich immer die schönsten Frauen am Start. Als ich noch Student war, flogen mir die Herzen der Erstsemester am Campus nur so zu. Und ihre Schlüpfer, versteht sich. Während die durchtrainierten Sportler, arroganten Mediziner und gegelten BWL-Studenten ihre Gesichtsentgleisungen in den Griff zu kriegen versuchten, schleppte ich, der hässliche kleine Nerd, die Frauen manchmal in Gruppen auf den Rücksitz meines Kleinwagens. Und das nur, weil ich immer genau wusste, was sie dachten und wie ich meiner Attraktivität etwas Vorschub leisten konnte. Danke, Mama!

Während wir durch Mühlenstedt schritten, kam uns ein Trupp schwarz gekleideter Teenies entgegen.

„Was ist denn hier los, Ines?“, fragte ich meine Begleiterin. „Ich darf doch Ines sagen? Ich bin übrigens Siggi.“ Scheiße, immer noch kein klarer Gedanke.

„Äh, ja, gern.“ Wurde sie etwa ein bisschen rot? „Also, Siggi. Wie Sie schon gehört haben, findet heute Abend das Wintersonnenwendfest statt. Mühlenstedt feiert das Ganze bei einem Feuer auf dem Marktplatz. Dazu gibt es Glühwein und klassische Musik.“

Die Gruppe Teenies passierte uns. Bleiche Gestalten, die auf ihren Shirts irgendwelche Schriftzüge und Totenköpfe trugen. Das muss doch kalt sein, verflucht!

„Und was haben die damit zu tun, Ines?“ Ich betonte ihren Namen und sah ihr in die Augen. Frauen lieben das.

„Das sind die Fans der heimischen Black-Metal-Band Winter Solstice. Die feiern hier jedes Jahr so etwas wie ihre Gründung. Die geben heute ein riesiges Konzert im Schlossgarten. Junge Leute aus dem ganzen Land kommen deswegen hier her. Außerdem spielen noch andere bekannte Bands. Nennt sich Mühlenstedt Metal.

Ein Traum. Schnee, Grufties, eine nörgelnde Ente und Glühwein. Ach ja, und die Wintersonnenwende. Ich schaffte es immer noch nicht, auch nur einen klaren Gedanken aus der kleinen Sahneschnitte neben mir herauszubekommen, von meinen manipulativen Talenten mal ganz abgesehen.

Wir waren endlich an der Gaststätte, einem heruntergekommen kleinen Lokal namens Zum Jäger, angekommen, als ich einfach ins Blaue hinein einen Versuch wagte: „Wie sieht es aus? Haben Sie Lust, später eine Kleinigkeit mit mir zu essen?“ Und vor der Dämmerung in meinem Zimmer mit mir zu verschwinden?

Ihre grünen Augen fixierten mich. War das etwa Belustigung?

„Danke, das ist ein sehr nettes Angebot. Aber ich werde nach dem Pflichtteil auf dem Marktplatz im Schlossgarten erwartet. Winter Solstice wird wohl kaum ohne ihre Drummerin auftreten.“

Diesmal war ich es, der seine Gesichtsentgleisung in den Griff bekommen musste.

„Aber Sie können gern zum Konzert kommen. Ist umsonst. Und draußen.“

Sie lächelte mich triumphierend an und ließ mich vor der Gaststätte stehen. Ich sah ihr hinterher und bewunderte still, wie sie ihr äußerst niedliches Hinterteil von links nach rechts schwang. Dann löste ich mich endlich von ihrem Anblick und fröstelte innerlich.

Wenn es etwas gibt, das ich wirklich, wirklich abgrundtief hasse, dann unangenehme Überraschungen.

2

Siggi

Ich betrat das Lokal und war angenehm überrascht. Natürlich sah alles nach einer typischen Dorfkneipe aus. An den Wänden hingen Fotos von Leuten, die in diesem Ort groß geworden waren und ihn vermutlich nie lange verlassen hatten. Über dem Tresen hing so ein Kitschgemälde von einem alten Schiff im Sonnenuntergang. Dazu kamen die obligatorischen, wirklich widerlichen Jagdtrophäen, die zu einer Kneipe dieser Art einfach gehörten. Hirsch-, Eber-, Fuchs- und sogar ein echt hässlicher Pudelkopf. Die Theke aus dunkler Eiche war sorgsam poliert und das warme, gedämpfte Licht illuminierte eine ansehnliche Sammlung von Spirituosen aller Art. Der Rest des Raumes bestand aus kleinen Sitzecken, deren Bänke sicher schon hundert Jahre alt waren. Es wirkte seltsam beruhigend, als würde die Zeit hier stillstehen. Vor allen aber war die Kellnerin jung und recht ansehnlich. Und ich konnte ohne Probleme ihre Gedanken lesen.

„Guten Tag“, grüßte sie mich freundlich und lächelte hinreißend. Dabei offenbarte sie mir einen kurzen Einblick in ihren Ausschnitt und schenkte mir einen verschämten Augenaufschlag. Als ob. Ich weiß es doch besser, Süße. Ihr Gedankenmuster überflutete mich quasi und ich konnte durchaus lesen, was für ein gerissenes Weibsbild ich da vor mir hatte.

„Hallo. Antiopus mein Name. Herr Meyers sagte mir, dass er ein Zimmer für mich reserviert hat.“

Da sie offenbar auch so etwas wie die Rezeptionistin war, verschwand sie schnell hinter der kleinen Theke und durchsuchte ein kleines Büchlein. Ihre manikürten Nägel und schlanken Fingern huschten schnell über die Zeilen. „Nein, das tut mir leid. Die Reservierung wurde storniert. Und wir haben wegen des Wetters leider kein Zimmer mehr frei. Heute war eine Vortragsreihe, wissen Sie. Da kommen viele Leute von außerhalb.“

Was du nichts sagst, Kleine. Leider entsprach das offenkundig der Wahrheit.

„Wer hat denn bitte die Reservierung stornieren lassen?“

So ein Affenarsch.

„Das weiß ich leider nicht, tut mir leid.“

Mein Verstand tastete nach einer bestimmten Struktur in ihren Gedanken und ich setzte diesen kleinen Impuls frei, der mir jede Tür – und nicht nur die – zu öffnen pflegte.

„Es ist doch bestimmt noch ein Zimmer für mich frei“, sagte ich mit hypnotischem Unterton. Kein Jedi-Meister hätte mir in dieser Hinsicht den Schneid abkaufen können. Ich hätte mir den Satz „Das sind nicht die Droiden, die ihr sucht.“ rechtzeitig patentieren lassen sollen.

Sie war einen kurzen Moment in Trance, erwachte fröstelnd und wurde erst rot und dann bleich. Mein Trick funktionierte. Wenn es irgendeine Übernachtungsmöglichkeit für mich gab, würde die Kleine mir das nun möglich machen.

„Ich …, also, ja … ich meine, nein. Nein! Die Zimmer sind wirklich alle belegt. Es tut mir sehr leid.“ Nach einer kurzen Pause kritzelte sie ein paar Ziffern auf einen Zettel, ergriff meine Hand, legte ihn hinein und flüsterte: „Du kannst aber auch gern bei mir übernachten.“

Sie strich sich mit der rechten Hand kokett das Haar hinters Ohr und beugte sich ein wenig vor, damit ich noch genauer sehen konnte, was sie so zu bieten hatte. Dabei wechselte ihr Gesicht die Farbe so schnell wie die Alarmleuchten eines Atomkraftwerks beim Super-GAU. Sie war sichtlich verwirrt. Sie wollte mir helfen, konnte aber nicht.

Mit diesem eindeutig zweideutigen Angebot versuchte ihr Gehirn, einen Ausweg aus dieser verzwickten Lage für sie zu finden. Ihr Verstand befand sich gerade in einem sehr labilen Zustand. Ich setzte einen weiteren Impuls frei, der sie von diesem Konflikt befreite, und löste meine Hand aus ihrer Umklammerung. Wenn ich es übertrieb, konnte sie eventuell Schäden davon tragen. Obsessive Leidenschaft endete oft in Wahnsinn, Schmerz und Tod.

„Ist schon okay, ich melde mich.“

Sie erbleichte wieder ein wenig, dann begann sie mit nervösen Fingern Gläser zu spülen und ich wendete mich ab.

Ich wollte schon wieder zur Tür hinaus, um mir eine andere Unterkunft zu suchen, als sie mich noch einmal zurückrief. Ihr schleppender Tonfall zeigte mir, dass sie immer noch ein wenig mit meinem suggestiven Einfluss kämpfte.

„Ein Herr hat das für Sie abgegeben. Ich glaube, der hat auch Ihre Reservierung storniert.“

Sie drückte mir ein Kuvert in die Hand. Dabei fingerte sie ein wenig an meiner Hand herum. „Du rufst an, ja?“, rief sie mir noch nach, während ich hastig nach draußen verschwand und den Umschlag aufriss. Ich wusste sofort, von wem dieses Schreiben kam. Die unverwechselbare Aura sagte es mir. Aber selbst wenn sie nicht gewesen wäre, hätten mir die Handschrift und die spezielle Art des Papiers und der Tinte alles gesagt. Und mir wurde zeitgleich bewusst, dass es irgendeine Form von Ärger bedeutete.

Mein Sohn,

ich habe lange genug mit angesehen,

wie du dein Leben und deine Talente vergeudest.

Das wird ab heute ein Ende haben.

Gehe sofort zum Rheinufer,

genauere Anweisungen wirst du

an der ersten Anlegestelle im Süden finden.

Das Schiff, das dort liegt, gehört ab sofort dir.

Beeil dich!

Dein Vater

Kaum, dass ich zu Ende gelesen hatte, zerfiel das Papier zwischen meinen Fingern und hinterließ nichts als die Illusion eines Sternenregens.

Na toll. Erwähnte ich, dass das Verhältnis zu meinem Vater generell ein wenig angespannt ist?

Ja, ich weiß, was es heißt, als Kind mit einem Übervater umgehen zu müssen, in dessen Fußstapfen man nicht mal passt, wenn man sich zwei Kreuzfahrtschiffe an die Füße schnallt. Buchstäblich. Diese Nachricht kam nun jedenfalls absolut zu Unzeiten und das wusste der alte Mann verdammt genau!

Plötzlich knallte etwas Schwarzes gegen mich, warf mich in eine Schneewehe und kam mit spitzen Knochen auf mir zu liegen. Eine wütende Schimpftirade prasselte auf mich ein.

„Hey, sag das nicht noch mal!“, schimpfte ich und stand auf.

„Hab ich das etwa laut gesagt?“, fragte sie mich verwirrt und kam ebenfalls auf die Beine.

Mist. Manchmal war es schwer zu unterscheiden, wann jemand etwas nur dachte oder wirklich sagte. Und nett war das nicht, was ihr durch den Kopf gegangen war.

Ich klopfte mir den Schnee vom Hosenbein und sah mein Gegenüber an. Sie war komplett in schwarz gekleidet, hatte ein Winter-Solstice-Shirt an und geriet aufgrund ihres sommerlichen Outfits und des Schnees, der sich überall an ihrem schlanken, jungen Körper gesammelt hatte, ordentlich ins Frieren. Die Kleine war kaum volljährig und hatte schon einen ziemlich fiesen Sensenmann auf dem Unterarm tätowiert. Und … war das etwa eine Zahnspange? Wie … niedlich.

„Kannst du nicht aufpassen, wo du hingehst?“, fragte ich mit Entrüstung in der Stimme. Musste ich gerade alt wirken.

„Oh, ähm, ja tut mir leid.“ Sie meinte es ernst! Na so was. Das gab mir den Glauben an die Jugend zurück. Ich war offenkundig alt, wenn ich schon so dachte.

„Ich bin auf dem Weg zum Schloss und hab unterwegs die anderen verloren.“

„Lange Haare, schwarze Kluft, bleiche Nasen und ungepflegte Bärte? Sind da lang.“

„Danke!“, rief sie und rannte mit wehenden Haaren die Straße runter. Nächster Crash vorprogrammiert.

Nettes Kind. Ob Mama und Papa ihr das Tattoo erlaubt haben? Papa? Ach ja. Fast verdrängt. Ich sah auf die Uhr. Knapp vier Stunden bis zum Sonnenuntergang. Also blieb mir nichts anderes übrig, als den Weg Richtung Rhein runterzuschlurfen, mein Schicksal zu verfluchen und unterwegs Bürgermeister Meyers anzurufen.

Der hatte natürlich keinen Plan B. Ganz Mühlenstedt hatte nur eine einzige, bescheuerte Herberge. „Beste Adresse“, haha. Hätte es mir denken können. Scheiß Politiker.

Als ich endlich an der Anlegestelle ankam, erlebte ich die nächste unliebsame Überraschung des Tages. Aber damit war bei dem Humor meines Vaters auch zu rechnen.

Das Schiff, das er mir hatte zukommen lassen, war ein Witz. Der Lack war erneuerungsbedürftig, der Schriftzug Galateia kaum lesbar. Außerdem war es ziemlich klein, vielleicht zehn Meter lang und – waren das etwa Masten?

Es hatte Segel! Oh man. Ich brauchte einen Baumarkt. Da gab es sicher Äxte, die groß genug waren, um ein schönes, großes Loch in das Teil zu hauen.

Aber … Moment, was war das? Der Kahn war von einer Aura umgeben, wie ich sie schon lange nicht mehr gesehen hatte. Mindestens halbgöttlich. Vielleicht sogar eine niedere Gottheit. Das war ja großartig. Ich seufzte und betrat das Schiff. „Bitte um Erlaubnis, an Bord kommen zu dürfen. Erlaubnis erteilt. Und so weiter …“

„Wuff!“

Wuff? Instinktiv ging ich in Deckung, aber das, was da zwischen zwei morschen Kisten hervorsprang, wirkte nicht gerade wie der Höllenhund persönlich. Ein großer schwarzer Pudel sprang mich an, wedelte freudig mit dem Schwanz und kläffte wie besessen, während er mein Gesicht mit seiner langen, nassen Zunge abschleck … nein, er biss mir herzhaft in die Nase! So ein hinterhältiges Mistvieh.

Das Gebell bekam schlagartig einen bösartigen Unterton, als ich ihn mit einer Hand von mir wegzerrte und mit der anderen in sein Auge stach.

Es klappte. Er verzog sich winselnd nach mittschiffs, während ich mit Hilfe meiner besonderen Fertigkeit einen eiskalten Schwall Wasser über das Biest klatschen ließ. Und noch mal. Und noch mal. Aller guten Dinge …

So langsam machte es Spaß. Ich ließ den Rhein immer genau dort über die Reling treten, wo dieses Mistvieh sich gerade aufhielt. Schon praktisch, meine Talente.

Gerade, als ich das Biest mit einer ordentlichen Welle über Bord gehenlassen wollte, frischte der Wind auf, das Wasser kräuselte sich und in der Mitte des Stromes türmten sich die Massen zu einer großen Gestalt mit einer bedrohlichen und sehr starken Aura auf. Das breite, aber edel geschnittene Gesicht wurde von einer Krone umrahmt, die in allen Farben, in denen die Ägäis schimmern konnten, leuchtete. Tiefes Blau ging in sanftes Azur über, bevor es sich in einem fast durchsichtigen, blassen Grün verlor. In der einen Hand schwang die Gestalt einen Dreizack, der vor lauter Macht zu pulsieren schien, die andere zeigte mit ausgestrecktem Zeigefinger auf mich. Ein wirklich beeindruckend muskulöser Oberkörper saß auf einem Fischleib. Wäre nicht der wallende Bart im Weg gewesen, hätte man einen Brustkorb, breit wie ein Fass, bewundern können. Blanke Wut loderte in den kleinen, etwas fischigen Augen.

„Papa?“

Grollend tönte seine Stimme zu mir herüber. Ich schauderte, obwohl ich den Trick längst kannte.

„Es reicht, Siggi. So behandelt man kein Familienmitglied“, zürnten die Wassersäulen in einem tiefen Bass.

Mist. Jetzt sah ich es auch. Die Töle war ebenfalls von einer Aura umgeben. Aber sie war gegenüber der Aura des Schiffes kaum zu sehen. Seltsam.

„Paps, das kann doch nicht dein Ernst sein! Außerdem hat er angefangen!“

„Ich will nichts davon hören!“, donnerte die Wassergestalt, türmte die Wellen um sich her auf und ließ seinen Dreizack knallend die Wasserwand teilen. Wenn Papa wütend wurde, war das wirklich ziemlich beeindruckend.

„Ist ja gut! Aber erklär mir bitte auf der Stelle, dass der Hund von Baskerville da hinten nicht mein Bruder ist!“

„Er ist dein Onkel.“

Für einen Moment musste ich mich auf eine morsche Holzkiste setzen und die Familiengeschichte in meinem Kopf sortieren. Mein Vater hat zwei Brüder und es gibt exakt einen … „Onkel Hades?“

Die Flohschleuder knurrte mich an. Das hieß dann wohl ja.

„Was ist denn mit ihm passiert?“ Falsche Frage, ich wusste es in dem Moment, in dem ich sie aussprach. ‚Hast du denn nie aufgepasst, wenn dir jemand unsere Familiengeschichte … Blabla‘.

„Hast du denn nie aufgepasst, wenn dir jemand unsere Familiengeschichte erzählt hat, Siggi?“

Natürlich hatte ich das. Ich habe zwei verdammte Doktortitel, einen davon in Germanistik. Summa cum laude. Ich kenne jede beschissene Heldensage, die es überhaupt gibt. Aber ich muss es ja keinem auf die Nase binden. Also das mit der Familiengeschichte und den Heldensagen. Die Doktortitel band ich nahezu jedem auf die Nase. Hades, Gott der Unterwelt, Herrscher über die Toten, der Ungebändigte, und so weiter.

„Hades, Gott der Unterwelt, Herrscher über die Toten, der …“

„Ich weiß, Paps. Aber warum zum Geier ist er ein Flohtaxi?“

„Kennst du die Legende der Hadeskappe? Man nennt sie auch Hundskappe. Jetzt weißt du, warum.“

„Verwandlung in einen Hund. Interessante Interpretation der Unsichtbarkeit. Dann soll er sie halt absetzen.“

„Hat er schon.“

Es dauerte eine Weile, bis ich verstand, was das hieß. Ich musste mir richtig Mühe geben, das dreckige Grinsen, das in meine Mundwinkel kriechen wollte, zu unterdrücken.

„Du meinst, er ist ohne diese Kappe ein Pudel und mit ihr der schreckliche Fürst des Totenreiches?“

Wer immer das Universum und die Götter geschaffen hatte, hatte echt schrägen Humor.

„er ist immer der Fürst des Totenreiches, er wandelt nur seine Gestalt mit Hilfe der Kappe.“

„Dann soll er sie eben wieder aufsetzen, kann doch nicht so schwer sein.“

„Das ist das Problem.“

Nanu, hörte ich da so etwas wie Verlegenheit raus? Mein Vater, Poseidon, Gott des Meeres und des Wassers, Sohn der Titanen und verlegen?

„Habt ihr euch etwa wieder gestritten?“

Wenn es eine Familie gab, die dauernd miteinander im Streit lag, war es definitiv meine. Erdbeben, Kriege, Vernichtung ganzer Kontinente, ehrlich, der Denver-Clan ist ein Scheiß dagegen.

Sein Tonfall verriet, dass ich ins Schwarze getroffen hatte.

„Nun, dein Onkel Zeus und ich haben sie ihm weggenommen, weil … ach, halb so wichtig. Und mir, na, ehrlich gesagt tut es mir eigentlich schon wieder leid. Ich bin doch manchmal ein wenig aufbrausend …“

Ein wenig ... Manchmal ... Außerdem neigt er stark zu Untertreibungen.

„… aber Zeus grollt noch. Und da ich eine wichtige Aufgabe für dich habe, dachte ich, wäre es geschickt, wenn ihr euch gegenseitig vielleicht ein wenig helfen könntet. Wenn ihr eure Aufgabe erledigt habt, bekommt Hades auch seine Kräfte zurück.“

Aufgabe. Klang ja großartig.(2)

„Zunächst musst du Hades helfen, die Kappe wiederzufinden. Ich vermute, dass sie irgendwo hier sein muss.“

Das klang noch nicht nach einer wirklich großen Aufgabe. Doch so wie ich meinen Vater kannte, kam die große Aufgabe erst noch.

„Genau genommen vermissen wir einige Artefakte, die du für uns aufspüren musst.“

Hatte ich es doch gewusst. „Was heißt hier ‚einige Artefakte‘?“, fragte ich.

„Nun, der eine oder andere Kraftgürtel, eine Tarnkappe, also, eine richtige, die Äpfel der Hesperiden, ein paar Waffen, die Hephaistos geschmiedet hat. So was eben.“

„Und die habt ihr alle einfach in dieser Welt verloren? Wart ihr betrunken?“

Er druckste rum, bevor er mit der Sprache rausrückte: „Irgendjemand stiehlt seit Monaten Gegenstände mit großer Macht.“

„Das klingt, als wäre da ein verrückter Sammler am Werk, Paps. Wer ist so lebensmüde und klaut Göttern ihr Eigentum? Und vor allem: Wie, bei Spock’s Ohren, schafft er das?“

„Wer ist Spock?“

„Vergiss das.“ Ich wusste genau, dass er nur Zeit schinden wollte. Aber ich ließ nicht locker. „Also?“

„Wir wissen nicht, wer uns beraubt hat. Und auch nicht wie. Ein paar der Artefakte lagen wohl wirklich etwas, äh, ungesichert herum. Hephaistos verträgt einfach keinen Rum und, äh … mindestens einmal ist der Dieb bis in die erste unserer Schatzkammern vorgedrungen.“

Wer bitte schaffte es so weit in den Olymp, ohne aufgehalten zu werden? Und warum sollte ausgerechnet ich jetzt für Papa in meiner Welt aufräumen? Ich fand das reichlich unfair, aber jetzt sah mein Vater mich wieder unglaublich ernst an, so dass ich meine Wut noch zügelte.

„Du sollst uns die Sache wiederbeschaffen. Und zwar samt Dieb“, forderte er und legte möglichst viel Getöse in das Knallen der Wellen.

„Und als Hilfe schickst du mir ... einen Pudel?“

Langsam wurde ich stocksauer. Ich sollte Götterspielzeuge zurückbringen. Nur weil sie es bei ihrer Götterparty mal wieder mit dem Schnaps übertrieben hatten. Fantastisch. Und statt mir eine wirkliche, richtige, echte Hilfe an die Seite zu stellen, bekam ich einen – Pudel. Einen göttlichen zwar, aber …

„Diskutier nicht mit mir! Mach dich an die Arbeit!“

„Und wo soll ich deiner Meinung nach anfangen?“

„Lass dir was einfallen. Du bist doch ein schlauer Kerl. Und ich bin mir sicher, dass du in dieser Stadt fündig wirst.“

Das Wasser kräuselte sich. Die Wellen tosten. Mein Vater löste sich in den Tiefen des Rheins auf und mein Onkel Hades begann, sein Bein zu heben und gegen meines zu pinkeln.

Erwähnte ich, dass ich unangenehme Überraschungen wirklich hasse?