Stefan Maiwald

Meine Schwiegermutter ist cooler als deine

Neue Abenteuer aus Italien

 

 

 

Originalausgabe

Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München

© 2009 Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München

 

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eBook ISBN 978-3-423-40155-5 (epub)

ISBN der gedruckten Ausgabe 978-3-423-21115-4

 

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Inhaltsübersicht

Vorwort

Die Personen

Die Heldin dieses Buches

Lillis Erfolg oder: Abenteuer im Grödnertal, Teil 1

Beatrices Spitznamen

Zwei Trüffelschweine

Das Tor des Jahres

Magic Minnie

Frühjahrsputz

Minnie kommt, und die Chinesen zittern

Halbfinale Deutschland – Italien 2006

Die eingebildete Kranke

Italien, wie man es haben will

My Personal Shopper

Do you speak, äh, Dingsbums?

15 Verhaltensregeln für Restaurants, Trattorien und Pizzerien in Italien (erstellt mit kompetenter Hilfe von Minnie, Pepe und Laura)

Bauernmatt

»Wenn du am Spieltag beerdigt wirst, kann ich leider nicht kommen«

Der Abstieg eines Statussymbols

Auf großem Fang

9 Dinge, die mich an Italien nerven

Der Büchsenmacher

Großer Bruder, große Familie

Kein Halten mehr

10 Sätze, die man auf Italienisch können sollte (die aber in keinem Lehrbuch stehen)

Drei Charaktere: (1) Der Glückspilz

Drei Charaktere: (2) Der Unaussprechliche

Drei Charaktere: (3) Der Seher

Der große Satz

Mein Klingelton

Die ewige Suche

Der Maibel® oder: Abenteuer im Grödnertal, Teil 2

Abenteuer im Grödnertal, Teil 3

Abenteuer im Grödnertal, Teil 4

Abenteuer im Grödnertal, Teil 5

Jenseits der Stille

Warum ich nicht mehr die Grünen wähle

Einmal Zahnarzt, hin und zurück

10 Fehler, die man in Italien nicht machen sollte

Mein Eine-Art-Schwager spricht mir Mut zu

Das Festival

Shopping in München

Zirkuskinder

Der einsame Papi

Lillis Werk

Nicht ohne meinen Vater

Das Kreuz

10 Gründe, warum Sie einmal nach Grado kommen sollten

Und falls Sie wirklich kommen wollen

Vorwort

Danke für Ihr Interesse. Viele Menschen haben mein Buch ›Laura, Leo, Luca und ich‹ gekauft, das im Januar 2007 erschien. Das bedeutet vielerlei. Erstens: Meine italienische Familie stellt mich Fremden jetzt nicht mehr als »der Typ aus Deutschland« vor, sondern als »der Typ aus Deutschland, der Bücher schreibt«. Zweitens: Vom Honorar konnte ich meine Frau und meine Töchter zum Urlaub in ein Wellnesshotel in Kärnten einladen, wo meine Frau sich massieren ließ und ich den Tag damit verbrachte, lauwarmes Heilwasser zu trinken und gegen ein Bergmassiv zu starren. Drittens: In meiner Heimatstadt Braunschweig bin ich richtig bekannt geworden. Alte Schulfreunde meldeten sich bei mir, und meine Familie hat ein Album mit Zeitungsausschnitten angelegt, und da ich früher immer rumgetönt hatte, mal Schriftsteller werden zu wollen, bin ich ganz froh, dass es mir beinahe gelungen ist. Wer die Messlatte hoch legt, riskiert eben, als Großmaul durchs Leben zu gehen, und da meine Rivalen aus der damaligen Zeit Chirurgen, Bürgermeister und Staatsanwälte geworden sind, war ich es mir einfach schuldig, mal was Vernünftiges auf die Beine zu stellen. Viertens: Manche denken, ich wäre jetzt Millionär. Sehr komisch, wirklich. Fünftens: Den Band gibt es auch als Hörbuch zu kaufen, und auf dem Cover der CDs ist ein Foto von Laura, Leo und Luca. Den echten. Damit man sich die Gesichter mal anschauen kann. Sechstens: Auf die Frage: »Ist denn Ihr Buch autobiografisch?« habe ich etwa dreihundert Mal die Antwort »110 Prozent« gegeben, und ich meine es auch so. Bis auf die Nummer unserer Strandkabine, da habe ich im ersten Band geschummelt: Sie lautet nicht 84a, sondern 74a. Siebtens: Es gibt ein neues Buch. Wieder autobiografisch. Hier ist es. Viel Spaß!

Die Personen

Man muss ›Laura, Leo, Luca und ich‹ nicht gelesen haben, um dieses Buch zu verstehen, aber der Verlag und ich hätten es natürlich ganz gern, dass Sie es dennoch kaufen. Falls Sie mit dem Personal und dem ganzen Drumherum noch nicht vertraut sind, dann lassen Sie sich kurz erzählen, dass ich weitgehend in Italien lebe, weil ich eine Italienerin geheiratet habe. Wir haben inzwischen zwei Töchter. Mehr müssen Sie eigentlich nicht wissen.

 

Laura

meine Frau

 

Leo

mein älterer Schwager

 

Luca

mein jüngerer Schwager

 

Minnie

meine Schwiegermutter, von der recht oft die Rede sein wird

 

Pepe

mein Schwiegervater

 

Lilli (eigentlich Elisabetta)

meine Tochter, zum Zeitpunkt des Niederschreibens 5 Jahre alt

 

Trilli (eigentlich Beatrice)

meine Tochter, zum Zeitpunkt des Niederschreibens 2 Jahre alt. Trilli ist nur ein Arbeitstitel, wir sind immer noch auf der Suche nach einem geeigneten Diminutiv.

 

Claudia

Leos Frau

 

Marta

Lauras Cousine

 

Paolo

der Mann von Lauras Cousine. Eine Art Schwager, oder gibt es für dieses Verwandtschaftsverhältnis ein eigenes Wort?

 

Nini

Martas Mutter1

 

Mario

Ninis Mann, der sehr gut deutsch spricht. Auf Familienfeiern habe ich nun keine Ausreden mehr.

 

Marina

unser Babysitter

 

Miriam

unser Babysitter, wenn Marina keine Zeit hat.

 

Lietta

unser Babysitter, wenn weder Marina noch Miriam können. Lietta ist unser Ass im Ärmel.

 

Stefano

ein Cousin um zwei Ecken, der aber zu Weihnachten immer sehr schöne Geschenke bringt.

 

Uta

meine Mutter, von der in diesem Buch nicht die Rede sein wird, die aber sicher etwas dagegen hätte, in dieser ganzen Verwandtschaftsblase so gar nicht erwähnt zu werden.

 

Jochen

mein Vater, der ebenfalls keine weitere Rolle spielt, obwohl er in meiner italienischen Familie hoch angesehen ist, bringt er doch zu jedem Weihnachtsfest geräucherten Wildlachs mit, der in Italien viel hermacht.

 

Anna

Lauras Freundin und Mutter zweier kleiner Söhne namens Lollo und Mattia. Anna und Laura haben die beiden bereits mit meinen Töchtern verlobt. Ich wurde nicht gefragt.

Die Heldin dieses Buches

In diesem Buch gibt es eine Menge Geschichten über mich und meine italienische Familie. In vielen dieser Geschichten taucht meine Schwiegermutter Minnie auf, außer dann, wenn wir in die Berge fahren, denn Minnie verträgt die Höhenluft nicht. Minnie ist nicht ihr richtiger Name, sie heißt Mirella, aber so ruft sie nur mein Schwiegervater, wenn er stinksauer ist. Und das ist er selten, denn es ist einfach nicht opportun, auf Minnie stinksauer zu sein.

Sie wissen: Im mediterranen Kulturkreis hat die Familie Gewicht, und wenn einen die moderne Arbeitswelt nicht auseinandergerissen hat, dann wohnt man auch noch mehr oder weniger auf einem Fleck. Dass die Hälfte der unverheirateten 35-Jährigen bei ihren Eltern wohnt, ist kein Klischee, sondern statistisch untermauert. Bei meiner italienischen Familie verhält es sich so, dass Minnie und Pepe 180 Meter von uns entfernt wohnen und mein Schwager Leo mit seiner Frau Claudia 450 Meter. Da wir uns auf einer Insel befinden, kann man sich ohnehin nicht so leicht ausweichen. Aber Sie verstehen, was ich meine. Nur Luca lebt ungebührliche 150 Kilometer entfernt in Padua (dabei ist er genau 35 Jahre alt und unverheiratet), aber er ist ja auch ein erfolgreicher Architekt, und es würde komisch wirken, wenn der Bürgermeister von Grossetto ihn anrufen will, um ihm den Auftrag für ein neues Rathaus zu erteilen, und am Apparat wäre Minnie, die sagt: »Luca kommt gleich, aber er muss erst noch sein Zimmer aufräumen.«

Minnie jedenfalls ist diejenige, die die Familie beisammenhält. Sie ist der Fixstern unseres Universums, aber sie tut auch was dafür. Zunächst einmal kocht sie jeden Abend für uns. Sie kümmert sich um unsere Kinder und meine Garderobe (später mehr dazu). Sie erinnert den Rest der Familie an Geburtstage und Jubiläen und hält uns auf dem Laufenden, was auf der Insel passiert. Das kann sie gut, weil sie sich jeden Samstag von Alida frisieren lässt. Bei Alida trifft sich halb Grado (nämlich die gesamte weibliche Bevölkerung), und man tauscht sich aus. Auf einer Insel mit 9 000 Einwohnern gibt es immer genug zu erzählen, denn jeder kennt jeden, aber nicht genau. Außerdem kommen zwischen Ostern und Oktober genügend Touristen, die für Gesprächsstoff sorgen. Mal versenkt ein Österreicher seinen Range Rover im Hafenbecken, mal türmt ein Deutscher nach zwei Wochen aus dem ersten Hotel am Platze, ohne die Rechnung zu bezahlen (aber immerhin hat er die Bademäntel dagelassen).

Minnie ist unser CNN, unser Restaurant, unsere Backstube, unser Aushilfskindergarten und unsere Änderungsschneiderei. Um ehrlich zu sein, habe ich keine Ahnung, wie man ohne eine Schwiegermutter mit Würde leben kann. Zumindest hätte ich keine Muße, Bücher wie dieses zu schreiben, denn ich wäre zu sehr damit beschäftigt, neben meinem 9-Stunden-Schreibtag Hemden zu bügeln, hungrige Mäuler zu stopfen und Geburtstage zu vergessen. Außerdem würde ich dauernd auf meinen ausgefransten Hosensaum treten, aufs Gesicht fallen und mir die Schürfwunden im Krankenhaus desinfizieren lassen müssen. Tipp am Rande: Italienische Krankenhäuser bringen’s nicht. Verletzen Sie sich lieber daheim.

Sehen Sie, dieses Buch wird nicht ins Italienische übersetzt. Ich könnte auch schreiben, dass meine Schwiegermutter ein entsetzlicher Drachen sei, und es würde mir nicht schaden (es sei denn, meine Schwiegermutter kramt ein Wörterbuch hervor und schlägt unter »entsetzlich« und »Drachen« nach). Nördlich der Alpen ist die Schwiegermutter übel beleumundet; uns Mitteleuropäern ist das ganze Konzept »Großfamilie« irgendwie suspekt. Ich habe es selten erlebt, dass man in Deutschland mit drei bis vier Generationen an einem Tisch sitzt, ohne dass es bald zu hässlichen Streitereien kommt, die sich im besten Fall um Politik drehen. Italiener sind in dieser Hinsicht das am wenigsten neurotische Volk, das ich kenne. Die Familien funktionieren, selbst in der Pubertät scheint es erheblich weniger Probleme zu geben, aber bei meinen Töchtern habe ich ja noch ein paar Jahre Zeit, um das zu verifizieren. Ich werde berichten.

Wenn ich jetzt mal in die Verhaltensforschung abschwenken darf: Es ist erwiesen, dass die Mütter von Müttern sich viel mehr um die Enkel kümmern als die Mütter von Vätern. Das lässt sich in allen Völkern beobachten. Gut, meine Mutter wohnt 1 200 Kilometer weit weg, da ist es schwierig, morgens die Kleinen in der Krippe abzuliefern. Der Hintergrund für diese aufopferungsvolle Einmischung der mütterlichen Linie scheint zu sein, dass die Mutter der Mutter sich sicher sein kann, dass es ihre Gene sind, die sie da auf dem Arm trägt, während die Mutter des Vaters ja nie so genau weiß, ob sie da nicht ein Kuckucksei in den Schlaf singt. Wie gesagt, streng verhaltenspsychologisch gesprochen. Laura ist natürlich über jeden Verdacht erhaben. Zudem sagt man, die Kinder sähen mir ähnlich.

Also: Wer ist Minnie? Das Wichtigste vorweg: Ihr Herz schlägt für den AC Mailand. Das ist nicht nur so dahingesagt. Wenn Milan verliert, dann hat sie drei Tage lang schlechte Laune. Wenn Milan gewinnt, zerquetscht sie meine jüngste Tochter. Ansonsten ist sie aber recht cool, auch wenn die Kinder schreien, was ich bemerkenswert finde, da ich ja schon an mir selbst merke, dass ich mit zunehmendem Alter etwas ungeduldiger werde. Sie feilscht wie ein Weltmeister, sie kennt alles und jeden, sie weiß immer eine Lösung. Sie wollte auch mal Journalistin werden, aber als innerhalb von 25 Monaten drei Kinder zur Welt kamen, war ihre Bestimmung klar. Sie weiß alles über ›Sturm der Liebe‹, eine deutsche Soap Opera rund um ein bayerisches Hotel namens Fürstenhof, die in Italien als ›Tempesta d’amore‹ so erfolgreich ist, dass sie um 20 Uhr ausgestrahlt wird.

Manchmal ist sie ein klein wenig zu besorgt, zum Beispiel als mein japanischer Freund Kenji mich in Grado besuchte. Kenji ist ein 37-jähriger Journalist und für einen Japaner doch überraschend groß (gut 190 Zentimeter). Er hat den schwarzen Gürtel in Karate und lebt in Tokio, wo er täglich anderthalb Stunden mit der U-Bahn in seine Redaktion fährt. Eines Tages wollten wir zusammen an den Strand gehen, doch am vereinbarten Treffpunkt erschien Kenji nicht. Minnie war außer sich vor Sorge. Mein Hinweis, dass man sich um jemand, der sich in einem 12-Millionen-Menschen-Moloch zurechtfindet, auf einer 9 000-Einwohner-Insel nicht viele Gedanken machen müsse, fand kein Gehör. Mein zweiter Hinweis, dass jemand, der in seiner Freizeit mit bloßen Händen Bretter und Ziegelsteine entzweihaut, auch in der Lage sei, sich aus eventuellen misslichen Situationen zu befreien, konnte Minnie ebenfalls nicht beruhigen, und sie war drauf und dran, zur Polizei zu gehen. Irgendwann tauchte Kenji dann auf. Er war im Wasser gewesen, hatte ausgiebig mit der Schwimmlehrerin meiner Kinder geflirtet und danach für uns alle Eis am Stiel gekauft.

Aber meistens hat sie die Ruhe weg. Ihr Erfolgsgeheimnis: Wenn es um das Wohlergehen ihrer Liebsten geht, hat sie keine Skrupel. Wenn ihr irgendwas nicht passt, ruft sie tatsächlich den Bürgermeister an, während ich daneben sitze und sie mit Gesten zu beschwichtigen versuche. Doch am Ende setzt sie sich durch. Man kann ihr nichts abschlagen. Und ihre Papardelle mit Lachs – also, die sind wirklich großartig.