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Inhaltsverzeichnis

Impressum

CREDO

VORWORT

HAUPTPERSONEN

1 VOM ANFANG

2 WENDUNGEN

3 WEIDEERLEBNISSE

4 HOFFNUNGEN

5 NEUGIER UND GÄNSEHAUT

6 VON WÜNSCHEN UND ÄNGSTEN

7 KLEINE PROVOKATIONEN

8 ES SCHLÄGT DREIZEHN

9 WARUM

10 SPANKING VIRTUELL

11 DIE PEITSCHE

12 LEHRSTUNDEN

13 ZUKUNFTSTRÄUME

EPILOG

ANMERKUNGEN

DANKSAGUNG

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2016 novum Verlag

ISBN Printausgabe: 978-3-99048-420-3

ISBN e-book: 978-3-99048-421-0

Lektorat: Lucy Hase

Umschlagfoto: Thomas Leitermann, Radeburg/Sachsen, Deutschland

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

www.novumverlag.com

CREDO

Die schlimmste Pein ist,

wenn eine große Sehnsucht ständig in greifbarer Nähe ist,

ohne dass diese Sehnsucht jemals Erfüllung findet.

Orientalische Weisheit

*

Eine schlimmere Pein ist,

wenn eine große Sehnsucht keine Erfüllung findet,

die sich mit Mut und Entschlossenheit hätte erfüllen lassen.

Petra

*

„Man sieht nur mit dem Herzen wirklich gut.

Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“

Antoine de Saint-Exupéry: „Der kleine Prinz“

*

VORWORT

Eine ganz gewöhnliche Frau, die der Generation 50+ zugeordnet werden kann, entdeckt aufregende Seiten einer ihr bisher verborgenen Welt. Petra durchbricht nach dem Ende ihrer Familienphase die Schranken ihres Alltagslebens, biegt ab auf einen Weg jenseits ausgeschilderter Pfade und nimmt all ihren Mut zusammen für eine abenteuerlich anmutende Welt.

Alles beginnt mit den Worten:

„Du suchst einen Menschen, der deine Neigungen versteht, der streng und doch einfühlsam ist, der mit Rohrstock und Peitsche umgehen kann und genügend Fantasie besitzt? Gehörst du zu den Menschen, die gerne darüber reden, oder liebt dein Kopfkino die Spannung und das Ungewisse? Spürst du das Brennen? Spürst du die Hand? Spürst du das Vertrauen, die Nähe, den Respekt?“

Diese Worte stammen von einem ganz gewöhnlichen Mann, der der Generation 50+ zugeordnet werden kann. Er kennt die aufregenden Seiten dieser verborgenen Welt. Er sucht mit diesen Worten eine Frau, die sich ihm ganz hingibt mit Lust am Schmerz und schmerzvoller Lust, die ihn nicht als grausam und gewalttätig abstempelt, weil er endlich seine Träume ausleben will.

Erzeugen diese Gedanken nicht ein gewisses Gefühl von Gänsehaut? Riecht es nicht förmlich nach Abenteuer, nach Ausbruch aus eingefahrenen Gleisen des Alltags? Der Abzweig in ein Land nirgendwo und vielleicht doch gleich nebenan?

Haben Sie vielleicht selbst schon manchmal solche Gedanken im Geheimen gehegt? Wollen Sie sich den Genuss gönnen, hinter die Kulissen einer Welt zu schauen, die geheimnisvoll, spannend, aufregend, erotisch, schauerlich, lebensfroh, direkt, unheimlich und eigentlich doch auch wieder ganz normal ist? Zumindest sind die Menschen darin ganz normal und real. Oder doch ein wenig abenteuerlich und unberechenbar? Eine Welt voller Überraschungen, voll Liebe und Leiden, mit Fantasie und Erotik, mit Hoffnungen und Enttäuschungen und mit Sehnsüchten, Wünschen und Träumen. Leider aber auch mit Eifersucht, Demütigung, Wut, Misstrauen, Unverständnis und Schranken. Eigentlich ist alles genau so wie im ganz normalen Leben. Oder doch nicht ganz genau so?

Was erleben die beiden Mittfünfziger? Welche Erfahrungen müssen sie machen? Welche Gedanken und Erkenntnisse bringt dieses tiefe Eintauchen in den Dschungel von Dominanz und Unterwerfung, von Macht und Gehorsam? Welche Sprache wird dort gesprochen?

Von einem letzten Tabu unserer so aufgeschlossenen Gesellschaft wird der Schleier gehoben. Die ungewöhnlich anmutenden sexuellen Neigungen werden zum öffentlichen Lesestoff. Mit Vorsicht, Einfühlungsvermögen und Respekt, aber dennoch mit direkten und teils deftigen Worten, schildert diese reife Frau ihren Gang zwischen den Welten. Eine gehörige Portion erotische Fantasie und Humor schmücken den Roman aus und machen daraus ein prickelndes Lesevergnügen. Machen Sie es sich bequem und lassen Sie sich in diese andere Welt entführen. Vielleicht entdecken Sie sich sogar selbst darin.

HAUPTPERSONEN

Petra

Lebte Petra in einer früheren Lebensform als Sippe von Männern, Frauen und Kindern unterschiedlichen Alters mit festgelegten Rangordnungen, so würde sie zur weisen Frau oder Schamanin taugen. Sie hat es verstanden, ihr Hirn zu benutzen, um sich aus den Zwängen und Ängsten einer verklemmten Kindheit zu lösen. Dafür musste sie nicht mit der Familie brechen oder ihrer diktatorischen Gesellschaftsordnung entfliehen. Sie benutzte ihren Kopf schon als Teenager, um ihre Umwelt kritisch zu betrachten und Verhaltensweisen zu hinterfragen. Im Alter von vierzehn Jahren bestimmte sie über ihr Leben weitgehend selbst. Sie hatte es aber immer schwer, weil ihre Erziehung sie zu Zurückhaltung und Unterwürfigkeit prägten.

Petra liebt die persönliche Freiheit und gesteht das auch anderen zu. Auch zwei Menschen brauchen Regeln im Umgang miteinander, ist sie überzeugt und handelt danach. Leider kann sie sich mit ihrer subversiven Persönlichkeit nur schwer durchsetzen. Sie gewinnt keine wirklichen Freunde und hat nicht gelernt ihre Ellenbogen zu gebrauchen, verzichtet viel zu oft und muss erleben, wie andere an ihr vorbeiziehen. Nein, Petra ist wahrlich keine Heldin. In jener früheren Lebensform würden ihre Schwächen vielleicht durch die Gruppe getragen werden, denn jeder respektiert eine Schamanin oder weise Frau.

Real lebt Petra in einer demokratischen Ordnung. „Geld regiert die Welt“, sagte schon ihre Oma. Aber Geld konnte sie nie anhäufen. „Respekt verdient man sich durch Leistung“, sagten ihre Eltern. Aber oft wurde ihr der Respekt verwehrt. Dennoch hat sie viel Respekt anderen Menschen gegenüber erwiesen. Geld ist nicht alles und Respekt beginnt mit Selbstrespekt, sagt sie sich nun.

Es gibt zwar Frauenquoten und Selbsthilfegruppen, doch die bringen Petra nicht wirklich weiter. Natürlich fragt sie sich, in welche Richtung ihr Leben zukünftig gehen soll und wie sich ihr Umfeld entwickelt. Doch was nützen Demokratie und Freiheit, wenn die Menschen nicht damit umgehen können? Petra musste erkennen, dass Existenzängste und soziale Isolation das Leben genauso wenig frei und demokratisch machen wie jene Gesellschaftsordnung, in der sie aufwuchs. Immerhin hat sie verstanden, dass sie jeden Tag um ihren eigenen kleinen Frieden kämpfen muss, damit diese kleine Welt, im Universum welcher Demokratie oder Diktatur auch immer, ein Stück so wird, wie sie es möchte! Mit dieser Einsicht hat sich Petra im Beruf durchaus gut positionieren können. Im privaten Leben stößt sie zunehmend auf Ignoranz, Gleichgültigkeit und emotionale Kälte, was ihr arg zu schaffen macht. Sie hält sich für eine weltoffene Frau und ist doch voller Zweifel gegenüber dem, was in beängstigender Geschwindigkeit täglich ihr Leben durchflutet.

In einer Spankingsession hingegen kann Petra, ihrer inneren Bestimmung gemäß, sich ausleben. Dort ist sie wahrhaftig lebendig, selbstbewusst subversiv und deshalb überzeugend. Hier muss sie nicht nachdenken. Hier kann sie sich hingeben, fühlt sich angenommen und bestätigt. Deshalb stellt sie sich den Peitschen und Rohrstöcken, deshalb schlägt es irgendwann dreizehn, deshalb …

Michael

Lebte Michael in einer früheren Lebensform als Sippe von Männern, Frauen und Kindern unterschiedlichen Alters mit festgelegten Rangordnungen, so würde er zum Häuptling oder Stammesführer taugen. Er gäbe mit seiner Persönlichkeit der Gruppe Schutz und Sicherheit, stellte seine Regeln für das Zusammenleben auf und sorgte mit strenger Konsequenz und diskussionslosem Durchsetzungsvermögen für deren Einhaltung. Er ist kein Held, nur ein Mann mit Stärken und eben auch Schwächen. In jener früheren Lebensform würden seine Schwächen durch die Gruppe getragen, denn jedes Gruppenmitglied würde, in seinem eigenen Interesse, den Häuptling respektieren.

Im Prinzip handelt Michael auch jetzt nach diesen Regeln. Er fördert die Emanzipation im täglichen Leben, genießt seine Freiheit und lebt Dominanz nur im Spiel aus. Für ihn ist es wichtig, diese Dinge konsequent auseinanderzuhalten.

Geld wertet er als Basisgröße für Respekt. Da altbewährte Rangordnungen weitgehend passé sind und Teamfähigkeit ein Begriff ist, den keiner genau deuten kann, baut er sich seine Welt, wie er sie für sich für richtig und bequem empfindet.

Natürlich ist Michael ein aufgeklärter Mann und fragt sich, in welche Richtung die Gesellschaft geht. Er findet längst nicht alles gut, aber so ist es eben, sagt er sich. Er versteht nicht, warum andere Menschen Freiheit nicht zu schätzen wissen. Es wurde schon immer viel gelogen, gefeilscht, geschwindelt, betrogen. Die Ellenbogen auszufahren ist schließlich keine Sünde. Man muss verstehen, das System für sich zu nutzen. Deshalb konnte er sich im Beruf durchaus bis ganz nach oben in jene Ebenen durchsetzen, in denen ein eiskalter Wind bläst. Beruflich hat er glänzend Karriere gemacht.

Im privaten Leben stößt Michael jedoch oft an seine Grenzen, weil seine inneren Regeln und Normen nicht mit den gesellschaftlichen Vorgaben korrelieren und selten unreflektiert akzeptiert werden. Ja, er hält sich gewissenhaft an die Gesetze. Gesellschaftliche Zwänge hinterfragt er, und wenn sie keinen Sinn für ihn ergeben, durchbricht er diese auch zuweilen. Geprägt durch eine Erziehung voller Werte, die nicht in sein Weltbild passen, und mit dem gefühlten Widerspruch zum täglichen Leben, gerät er in Selbstzweifel. Der Zwiespalt, wie er sich richtig verhalten soll, verunsichert ihn im Umgang mit Frauen. Aber das gibt er nicht offen zu. Er hält sich für einen modernen Helden und ist doch voller Ignoranz gegenüber allem, was das Bild seiner inneren Ordnung stört.

In einer Spankingsession hingegen kann Michael, seiner inneren Bestimmung gemäß, sich ausleben. Dort ist er wahrhaftig lebendig und deshalb absolut überzeugend. Hier muss er nicht erst nachdenken, was er wie tun sollte. Hier, in der Rolle als Häuptling, tut er intuitiv das Richtige. Er ist Häuptling. Er muss das nicht irgendwie spielen. Er agiert authentisch.

Diese Zerrissenheit, die Selbstzweifel, auch Ängste, die er sich manchmal in Träumen eingesteht und die er in der Realität mit fast zwanghaftem Hang zur Kontrolle kompensieren will, machen ihm schwer zu schaffen.

Petra ist für ihn eine gewisse neue Herausforderung. Deshalb kauft er sich Peitschen und Rohrstöcke, deshalb schlägt es irgendwann dreizehn, deshalb …

Beziehung zueinander

Petra erkennt das dominante Potenzial von Michael intuitiv sehr schnell. Bereits beim ersten Treff weiß sie, dass sie diesem Mann nichts vormachen kann. Sie findet in ihm, was sie so lange vergeblich gesucht hat, eine Führung. So vertraut sie sich Michael bedingungslos an, denn sie hat keine andere Wahl. Als sie schmerzvoll und glücklich bestätigt bekommt, dass seine Stärke echt ist, will sie sich ihm vertraut machen. Unter seiner Führung könnte sie jeden Weg gehen, den sie sich allein nicht zu gehen wagt, ohne Klagen, ohne Zweifel, ohne Vorwürfe, ohne Angst. Die Hand, die sie nehmen könnte, wenn sie Angst und Zweifel plagen, hofft sie nun endlich gefunden zu haben, wie früher die Mitglieder einer Sippe den Rückhalt in dieser gefunden haben sollten.

Weil Michael aber mit dem neuzeitlichen normalen Leben ebenso seine Probleme hat, machen ihm diese Vertrautheit und Nähe Angst. So hält er genau die Frau, die ihn respektvoll schätzt, lieber völlig aus seinem Leben raus, als sich ihrer Bedürfnisse in geeigneter Weise anzunehmen. Mit dieser ehrlichen Konsequenz einer Frau kann er nicht umgehen. Dieses Verhalten erscheint ihm suspekt. Er glaubt nicht an dessen Wahrhaftigkeit.

1 VOM ANFANG

Fantasien ergreifen in letzter Zeit mehr und mehr von meinem Körper und meinem Geist Besitz. Es sind Wachträume, verbunden mit körperlichem Verlangen, das ich mit dieser Intensität vorher nicht kannte. Ich sitze vor dem Bildschirm und sollte eigentlich meine Arbeit erledigen. Es ist noch ein Bericht zu schreiben und die Überarbeitung einer Vorlage müsste längst fertig sein. Aber die Gedanken schweifen ab und die Finger tippen Begriffe in das Fenster der Suchmaschine, welche noch nicht einmal meinen aktiven Wortschatz füllten. Peitsche, Rohrstock, Züchtigung, englische Erziehung, Bestrafung, Demut, Gehorsam …

Was ist los mit mir? Welche Defizite aus meinem Leben bahnen sich mit diesen Begriffen ihren Weg? Bin ich abnormal veranlagt? Sollte ich mir Sorgen machen? Gewiss, in letzter Zeit habe ich oft Kopfschmerzen, fühle mich gereizt, müde oder kraftlos. Das sind die Wechseljahre. Irgendwann muss das schließlich losgehen. Das durchleben alle Frauen, denke ich. Ich versuche mich zu konzentrieren, abzuschalten und die Gedanken auf meine Arbeit zu lenken. Aber es gelingt nicht. Immer wieder gleiten die eben gelesenen Worte wie Nebelschwaden durch mein Gehirn, Tippen meine Finger weitere Suchbegriffe in die Spalte der Suchmaschine.

Schließlich tauchen aus den Tiefen des virtuellen Netzwerkes noch nie gekannte Begriffe auf. Spanking, Spanker, Caning …

Jetzt verbinden sich die Worte mit dem Wunsch nach Kontakten. Gibt es noch andere Menschen, die ähnliche Fantasien haben? Der einmal eingeschlagene Weg führt virtuell weiter und weiter in diese unbekannte Welt hinein und zu Menschen, die auch auf der Suche sind, so wie ich.

Langsam begreife ich, dass ich eine Suchende auf der Suche nach einem Abenteuer bin. Mein Körper, mein seit Kindheitsgedenken unterdrückter Trieb, gibt den Weg vor. Ich folge mit meinem Willen, mit Glück, Mut und Verstand, mit Irrtümern, Hoffnungen, Bangen und Erwartungen, mit Wünschen, Träumen, Ängsten, Überwindung und Zweifeln.

Ich lese und lese. Die Zeit vergeht. Längst sollte der Bildschirm eigentlich schweigen, doch diese Seiten und Gedanken lassen mich nicht mehr los.

Dann treffe ich auf etwas völlig Unerwartetes. Eine Anzeige unter vielen auf einer Kontaktseite fällt mir auf, weil der Text bei mir schlichtweg einschlägt. Dieser Text fällt mit seinen Formulierungen aus dem üblichen Rahmen und weckt meine ganze Aufmerksamkeit. Da steht tatsächlich geschrieben:

„Du suchst einen Mann, der genau weiß, wie er mit deiner Neigung umgehen muss? Dann bist du richtig bei mir. Da ich sehr streng und gleichzeitig sehr einfühlsam bin, kann ich wohldosiert auf dein Bedürfnis nach Strafe und Befriedigung eingehen. Ich werde deinen Po mit der Hand, dem Rohrstock und der Peitsche bearbeiten. Wenn du davon träumst, so kommen auch andere Instrumente infrage, die auch mehr als nur deinen Po treffen können.

Wichtig ist mir zu sagen, dass ich zwar Spaß am Spanking habe, auch sonst sehr aufgeschlossen bin, aber auf keinen Fall grausam oder sadistisch veranlagt bin. Ich werde dein Maß finden.

Eine Kostprobe:

Stelle dir vor, wir gehen spazieren im Sommer, du bist frech zu mir und ich spüre genau, was du fühlst und bald bekommen sollst. Auf der Rückfahrt biege ich in einen Waldweg ein, halte an und hole den Rohrstock aus dem Kofferraum. Ich verlange von dir, dass du dich über das warme Blech der Motorhaube legst. Du spürst das Kribbeln nun am ganzen Körper. Du fürchtest dich und kannst es doch kaum erwarten, bis der erste Schlag deinen Po trifft. Du kannst es noch weniger erwarten, bis wir zu Hause sind, um das alles zu vollenden, mit dem Stock, der Peitsche, dem Riemen. Oder vollenden wir es gleich hier im Freien, in der Sonne? Gefällt dir diese Kostprobe? Hast du eigene Fantasien? Dann antworte mir.“

Hinter jedes dieser Worte setze ich in Gedanken einen Haken. Aus den angefügten allgemeinen Daten entnehme ich, dass der Mann, der dies geschrieben hat, mein Jahrgang ist und in einer Gegend wohnt, in der ich schon oft spazieren gegangen bin. Vielleicht bin ich ihm sogar schon einmal begegnet?

Wer ist dieser Mann, der solche Worte formulieren kann? Worte, die unter die Haut gehen und eine Saite in mir zum Schwingen bringen, die noch nie erklungen ist. Worte, die auf der Haut brennen und im tiefsten Inneren der Seele einen kleinen Orkan auslösen. Es sind doch nur Worte! Was geschieht erst, wenn diese Worte zu Taten werden?

Soll ich mich wirklich melden? Was soll ich schreiben?

„Hallo,

du bist erfahren, ich bin nicht wesentlich jünger als du, aber Neuling. Bisher traute ich mich nur im Kopfkino. Nun möchte ich das auch erleben. Fantasie habe ich genug. Statt Motorhaube könnte ich mir einen umgefallenen großen Baumstamm gut vorstellen.

Grüße, Petra“

Mehr als diese drei Zeilen bekomme ich nicht zusammen. Meine Finger zittern und im Kopf herrscht eine eigenartige Leere. Der Bericht muss warten und auch die Überarbeitung der Vorlage geht in eine weitere Hoffnungsrunde. Der Termin ist ohnehin überfällig. Was soll es also? Früher hätte mir diese Haltung ein schlechtes Gewissen bereitet. Jetzt lasse ich mich mit einem Glas Wein in den Sessel fallen, bin erschöpft und dennoch irgendwie glücklich und zufrieden. Bei meiner Lieblingsmusik, Schlager der Achtziger, überlasse ich mich angenehmen Träumen, schlafe seit langer Zeit die ganze Nacht ruhig und bin am nächsten Morgen ausgeruht wie lange schon nicht mehr. Doch schon geht die Spannung wieder los.

Wird dieser Mann überhaupt antworten? Ist das eigentlich alles wahr oder nur eine Laune der Fantasie? Beim Öffnen meiner E-Mail überfällt mich wieder dieses Zittern von gestern. Der Puls rast wie vor einer Prüfung und irgendwie erscheint das Zimmer überheizt. Also Fenster auf, tief durchatmen und der Wahrheit ins Auge geschaut. Welcher Wahrheit eigentlich? Es ist doch noch gar nichts passiert. Zu spät denke ich daran, dass meine Mailadresse einen Hinweis auf meine wahre Identität enthält. Der erste gravierende Fehler mit Folgen vielleicht? Welche Folgen? Ich habe nichts Verbotenes getan.

Keine Antwort? Ich wusste es! Die Aufregung war umsonst. Du bist viel zu uninteressant, Petra, zu alt, zu unerfahren. Der sucht nach jungen Frauen. Die werden ihm bestimmt seinen digitalen Postkasten geflutet haben.

Petra! Warum steckst du immer so schnell zurück? Es liegen noch nicht einmal vierundzwanzig Stunden dazwischen. Schaue einfach später wieder nach.

Und? Eine Antwort! Tatsächlich! Und welche?

„Liebe Petra,

ich habe mich über deine Antwort auf meine Anzeige sehr gefreut. Ich finde es schön, dass wir beide ähnliche Fantasien haben. Gerne würde ich mit dir diese auch Wirklichkeit werden lassen. Ich verspreche dir auch, dass das mit dem entsprechenden Einfühlungsvermögen und mit Verantwortung geschieht. Da du noch Neuling bist, wird das für dich nicht unwichtig sein. Dazu gehört natürlich auch Diskretion, die auch für mich einen hohen Stellenwert hat.

Wir könnten es schon sehr bald möglich machen, unsere Träume wahr werden zu lassen. Wollen wir uns in einem Café treffen? Oder hast du andere Vorstellungen?

Grüße, Michael

P.S.: Die Fantasie mit dem Baumstamm wird uns viel Freude bereiten. Bei den derzeitigen Temperaturen lege ich dich aber lieber über den großen Esstisch und streiche mit dem Stock über deine Rundungen, bevor

Wieder hinter jedes Wort einen Haken gesetzt! Oh, dieser Mann kann schreiben.

Los, Petra, antworte! Das Abenteuer beginnt.

„Hallo Michael,

ich bin sehr aufgeregt, freue mich aber auch auf diese Einführung in neue Erfahrungs- und Erlebenswelten. Sei einfühlsam, aber auch nicht zu nachsichtig!

Grüße, Petra“

Was schreibe ich da nur für einen Blödsinn? Will ich das wirklich? Noch ist ein Rückzug möglich. Aber ist der Weg zurück nicht schon verwehrt? Warum soll er nicht zu nachsichtig sein?

Wobei? Warum überhaupt diese Bemerkung? Ja, das Schiff hat Fahrt aufgenommen. Der Wind weht und treibt unaufhaltsam hinaus in unbekannte Gefilde. Das Abenteuer ruft mit einer weiteren Botschaft.

„Liebe Petra,

es ist gut, dass du ein bisschen aufgeregt bist. Schließlich hast du wohl schon einige Jahre Kopfkino betrieben und du weißt nicht, wie es in der Realität sein wird, auch nicht, wie dein Spanker deine Wünsche erfüllt. Wird es so, wie du es dir immer vorgestellt hast? Oder doch ganz anders?

Bei einem bin ich mir ganz sicher. Ich bekomme heraus, welche Intensität du brauchst und was du brauchst. Meine Nachsicht wird sich in den Grenzen halten, wie es für deine Erziehung gut und erforderlich ist.

Eines kannst du mir aber vorab verraten. Gehörst du zu den Menschen, die gerne vorher darüber reden wie und was, oder liebt dein Kopfkino die Spannung und das Ungewisse, was passiert? Egal wie, pflege deinen Po gut bis Samstag! Denn da wird er einiges über sich ergehen lassen müssen! Spürst du schon das Brennen? Spürst du schon, wie ich mit meiner Hand über deine Halbkugeln streiche, bevor der erste

Grüße, Michael“

Liebe Petra“ – wie vertraut diese Anrede bereits klingt. Dabei kennen wir uns noch gar nicht. Wie bekommt er wohl heraus, welche Intensität ich brauche? Dann dieses Wort Erziehung. Es klingt irgendwie aufregend. Wie soll ich eigentlich meinen Po pflegen? Bisher habe ich diesem Körperteil noch nie viel Aufmerksamkeit geschenkt. Und diese drei Punkte am Schluss? Die machen mich ganz verrückt!

Gewissheit oder Ungewissheit? Es ist ein Abenteuer. Was ist dabei schon gewiss? Nein, ich will nicht wissen, was auf mich zukommt. Sonst mache ich doch noch einen Rückzieher. Also Spannung pur. Wie viele Tage sind es noch bis Samstag? Es sind zu viele und gleichzeitig zu wenige Tage des Wartens, der Anspannung, der Angst und der Träume.

Und gerade die Träume werden noch weiter angeheizt. Jetzt gehe ich auch mal in die Offensive. Wenn schon Spannung, dann richtig Spannung.

„Lieber Michael,

zu deiner Frage meine Antwort: Ungewiss, was passiert, wie, womit, wie viel ist mir, zumindest für das erste Mal, lieber. Vielleicht mit verbundenen Augen? Dabei kann man besser spüren und die Umgebung ist für mich ja ohnehin total neu und ablenkend. Ich könnte mir vorstellen, dass mir das eine gewisse Empfindung für Geborgenheit und Nähe bietet.

Grüße, Petra“

Ja, „lieber Michael“. Dieser Mann, den ich noch gar nicht kenne, er ist mir dennoch schon recht vertraut geworden. Geborgenheit und Nähe? Sollte ich das gerade bei diesem mir so unbekannten Mann finden? Spielt mir nicht die Fantasie einen Streich? Kein Wort in seinen Botschaften spricht von Geborgenheit. Warum streben Frauen immer nach Sicherheiten? Es gibt keine Sicherheit und bei einem Abenteuer schon gar nicht. Die Antwort schürt Zweifel, lässt Hoffnungen und Erwartungen offen.

„Liebe Petra,

so wird es sein. Ich habe ein paar nette Spielsachen besorgt, die dir für den Anfang ein paar unterschiedliche Sinneserfahrungen zeigen werden. So werden wir sehr schnell herausbekommen, wie diese auf deiner Haut wirken.

Bis Samstag, dann …“

Da sind sie wieder, diese drei Punkte. Und Spielsachen? Was kann damit gemeint sein? Aus meinen Kindertagen kenne ich Spielsachen. Mit Sicherheit hat das damit nichts zu tun.

Bald schon werde ich es erfahren. Bis Samstag, also.

Noch zweimal schlafen bis zu dem großen Tag X. Übermorgen wird sich irgendetwas Aufregendes in meinem Leben ereignen. Das Abenteuer beginnt und die leidige Frage jeder Frau bei einem Date mit dem unbekannten Mr. Y taucht auf. Was soll ich anziehen? Hat das überhaupt eine Bedeutung? Der erste Eindruck entscheidet. Also doch. Was für ein Mensch ist ein Spanker? Legt er Wert auf Kleidung oder mehr auf das Darunter? Rock oder Hose, Bluse, T-Shirt, Jacke, Kopfbedeckung oder keine? Welche Farbe? Schwarz? Oder lieber doch farbenfreudig?

Noch einmal schlafen bis zum großen Tag X.

Die Entscheidung in der Kleiderfrage fällt auf schwarze Hose und lange Bluse im Karomuster in Weinrot, Weiß und Schwarz. Das verleiht ein gewisses frauliches, aber auch sportliches Aussehen und hebt den Wohlfühlfaktor. Keine Kleidung, in der ich mich selbst verunsichert fühle. Verunsichert, aufgeregt und wenig selbstbewusst bin ich ohnehin schon.

Erstaunlich gut geschlafen in der Nacht. Beim Aufwachen beginnt das Kopfkino zu arbeiten. Frühstücken und die üblichen bürgerlichen, nein, jetzt schon mir spießig und ermüdend erscheinenden Kleinigkeiten eines gewöhnlichen Samstagvormittags nehmen mich voll in Anspruch. Schließlich muss ich so tun, als ob ein ganz unaufgeregter Kaffeebesuch ansteht. Ich kann meiner Familie nicht die Wahrheit sagen, noch nicht. Die halten mich für verrückt und werden mir die Sache mit vielen demütigenden Worten ausreden wollen. Nein, keine Sterbenssilbe über mein wahres Vorhaben darf über meine Lippen kommen.

Endlich rückt der Zeiger der Uhr der Stunde für die Abfahrt entgegen. Endlich können die aufgestaute Unruhe und Erwartung in Aktivität umgesetzt werden. Autoschlüssel und die üblichen Kleinigkeiten, dann geht es los. Endlich fahren, dem Ungewissen entgegen. Die Fahrstrecke ist bekannt und das Ziel für den Treffpunkt ein ebenfalls bekannter Ort in einer netten, idyllischen Ausflugsgegend. Ich habe diesen Ort des Schicksalstreffens vorgeschlagen. Er hat meinen Vorschlag akzeptiert. Ein gutes Zeichen?

Wider Erwarten herrscht viel Verkehr an diesem ersten Frühlingssamstag. Ich stehe im Stau. Über die Brücke auf die andere Seite des Flusses zu gelangen erfordert Geduld. Nichts für mich an diesem Tag. Meine Nervosität steigt. Ich werde zu spät kommen. Wie sieht das aus? Nicht mal eine Handynummer habe ich von ihm. Warum denkt man an solche naheliegenden, wichtigen Dinge nicht? Meine Geduld ist genug strapaziert. Ich wechsle die Spur und nehme einen anderen Weg über eine andere Brücke. Es geht voran und bald bin ich aus der Stadt heraus. Die bekannte Landschaft im beginnenden Grün mit den ersten Boten des Frühlings zieht an mir vorüber. Wie oft bin ich diese Strecke schon gefahren? Jedenfalls noch niemals mit so viel Spannung und Herzklopfen der Erwartung. Die Uhr im Auto zeigt 14.45 Uhr und ich biege auf die Zielgerade ein. Noch eine schöne kleine Straße durch den Wald liegt vor mir. Zweiten Gang rein und mit Tempo dreißig die Fahrt genießen, denke ich. Bald bin ich am Ziel meiner Sehnsucht.

Meiner Sehnsucht? Wenn er mich nun gar nicht mag? Oder wenn er mir nicht geheuer erscheint? Wir wissen eigentlich nichts voneinander. Noch nicht einmal Fotos haben wir ausgetauscht. Vielleicht ist das aber auch gar nicht üblich in dieser Sparte? Egal, jetzt ist dafür keine Zeit und gleich werde ich ihn sehen. Dann sind andere Dinge von Bedeutung. Noch 500 Meter, eine Rechtskurve, und der Bahnhof des kleinen Ortes, unser ausgemachter Treffpunkt, kommt in Blickweite. Noch 200 Meter, eine Linkskurve und schließlich der Parkplatz. Wie am Samstag zu erwarten war, stehen einige Autos darauf, aber es sind auch noch genügend freie Parkplätze vorhanden.

Es ist jetzt genau 15 Uhr. Pünktlicher geht es nicht. Ich parke gekonnt rückwärts in eine Lücke ein, sodass ich den gesamten Platz aus dem Auto heraus überblicken kann. Wir haben ausgemacht, dass ich im Auto sitzen bleibe und er auf mich zukommt. Der Gedanke einer schützenden Hülle aus Blech um mich herum verleiht mir eine gewisse Sicherheit. Wie geht es jetzt weiter? Wer wird gleich auf mich zukommen? Niemand da? Plötzlich bin ich ganz ruhig. Er ist nicht gekommen. Das Abenteuer fällt aus. Ich kann in Ruhe einen kleinen Bummel unternehmen und meinem Schicksal danken, dass es mich vor unbedachten Aktionen bewahrt hat. Ruhig durchatmen und dann das Autoradio angeschaltet. Vielleicht hat er sich etwas verspätet? Das kann vorkommen. Auch ich wäre beinahe zu spät gekommen.

Aus einem der bereits geparkten Autos steigt nun ein Mann aus. Er trägt einen langen schwarzen Mantel, schwarze Hose, schwarze Lederhandschuhe. Handschuhe im Frühling? Er stellt sich an die Ecke und schaut über den Platz, so als ob er etwas suchen würde.

Ist ER es? Niemand sonst ist zu sehen. Soll ich aussteigen? Nein. Wir haben ausgemacht, dass ich im Auto sitzen bleibe. Vielleicht ist das bereits ein erster Test, ob ich die getroffenen Verabredungen einhalte?

Wieso kommen mir solche Gedanken? Ich bin durchaus für die Einhaltung von Verabredungen und Absprachen, aber mit diesem Hintergedanken habe ich diese Dinge noch nie betrachtet. Wenn ich aus dem Auto aussteigen will, dann steige ich eben aus. Das entscheide ich ganz allein. Nein, ich bleibe sitzen. Vielleicht ist er es auch gar nicht? Doch, er wird es sein. Ist ja sonst niemand da. Nun tue doch endlich was, denke ich und merke gar nicht, dass ich unentwegt zu ihm hinschaue. Jetzt lasse ich die Seitenscheibe halb herunter. Ein Zeichen der Bereitschaft zur Kontaktaufnahme, aber ich bleibe im Auto sitzen. Welche Überwindung mich das kostet, welche Zweifel mich plagen. Wie sehen meine Haare aus? Sollte ich mich kurz kämmen? Sollte ich mich mal im Spiegel auf der Rückseite der Sonnenblende ansehen? Zu spät dazu.

ER kommt auf mich zu und grüßt durch das Fenster. Er lächelt. Ich sehe in seine Augen. Sein Gesicht weckt augenblicklich Vertrauen in mir. Nun hält es mich nicht mehr länger auf dem Autositz. Ich steige aus, dann ein „Hallo“ und ein Händedruck. Er zieht den Handschuh nicht aus und scheint etwas verwirrt über den Händedruck. Macht man die Begrüßung in dieser Szene gewöhnlich anders? Woher soll ich das wissen?

Kurze Verlegenheitspause und dann geschieht auch schon die erste Ungeheuerlichkeit. Ich höre mich fragen: „Wie geht es weiter? Fahren wir mit deinem Auto?“

Bin ich verrückt geworden? Petra! Das hatte ich mir als die so ziemlich letzte Option vorbehalten. Seit wann steige ich zu einem mir völlig fremden Mann ins Auto, noch dazu zu einem Spanker? Er wird etwas rot und verlegen. Das macht ihn mir auf Anhieb noch mehr vertraut. Er fasst sich schnell und rettet zum Glück die Situation, indem er mich zwar in sein Auto bittet, aber nur für einige klärende notwendige Worte der Absprache, wie er sagt. Dass dies eine Finte sein könnte, kommt mir nicht in den Sinn. Dieser Mann hat mein Vertrauen im Handstreich erobert, obwohl er doch noch gar nichts dafür getan hat. Mein Gehirn funktioniert ohnehin nicht mehr logisch. Ich agiere aus dem Bauch heraus. Also sitze ich nun neben ihm in seinem Auto. Ledersitze, Armaturen, Lederhandschuhe, er hat diese Handschuhe immer noch an, vermischen sich vor meinen Augen zu einem Gefühl von Unwirklichkeit. Dieser Mann, groß und kräftig, mit dunkler, vertrauenerweckender und gleichzeitig dominierender Stimme stellt Fragen. Was für Fragen? Es sind Fragen, die mir noch nie jemand gestellt hat. Klare und präzise formulierte Fragen, die ebensolche Antworten erfordern. Ich antworte so knapp wie möglich. Zu mehr als Ja und Nein bin ich ohnehin nicht in der Lage, ohne mich mit irgendwelchem Gestammel zu blamieren.

„Du hast noch niemals Spanking gemacht?“ – „Nein.“

„Du willst es probieren?“ – „Ja.“

„Willst du nur auf dem Po oder auch an anderen Körperstellen geschlagen werden?“ Ich zögere mit der Antwort. Er verwendet das Wort „schlagen“. Das war mir doch aber vorher klar! Allerdings, doch jetzt, so selbstverständlich ausgesprochen, erzeugt es Gänsehaut. Also antworte ich vorsichtig mit: „Nur auf den Po.“ Er lächelt, als ob er bereits jetzt schon mehr wüsste als ich, und dann kommt die nächste Frage, die mich wie ein Keulenschlag trifft.

„Es wird Striemen geben. Ist das in Ordnung?“ Das klingt unwillkürlich bedrohlich. Striemen! Ich will diese Spielsachen kennenlernen, jagt ein Gedanke durch mein Gehirn. Da ist mindestens ein Rohrstock dabei. Ich wollte doch immer einen Rohrstock erleben. Der gibt nun mal Striemen. Also antworte ich: „Ja, das ist in Ordnung.“ Dabei schaue ich auf das Armaturenbrett, als würde dort der Antworttext zum Ablesen stehen.

Gewissenhaft wie ein Uhrwerk stellt er sofort die nächste Frage. Ich komme mir etwas wie in einem Bewerbungsgespräch vor. Was macht dieser Mann beruflich? Arbeitet er hier einen Fragenkatalog ab und fällt danach sein Urteil über mich? Was denke ich denn für Blödsinn? Warum stelle ich keine Fragen? Weil ich mir darüber noch gar keine Gedanken gemacht habe. Was soll ich fragen? Er weiß, was er von mir wissen will, ich nicht. Die nächste Frage sitzt.

„Du wirst dich ganz ausziehen?“ Das war eine Frage von ihm, die ich aber auch gern ihm selbst gestellt hätte. Aber hier hat er das Sagen. Also antworte ich, bevor er noch denkt, ich hätte mit dieser Frage ein Problem. „Ja, das ist in Ordnung?“ Ja, damit habe ich wirklich keine Probleme. Dieses „Ja“ kann ich guten Gewissens geben. Kleidung stört mich nur. Aber dann kommt schon die nächste Frage mit einem einleitenden Satz, der mir Bauchkribbeln verursacht.

„Diese Frage stelle ich jetzt ganz direkt. Sind sexuelle Handlungen zwischen den Hieben in Ordnung?“ Warum macht ein Mann Spanking?, denke ich. Er will als Belohnung sexuelle Befriedigung. Das sollte mir doch klar sein als reife Frau. Was will ein Mann sonst von einer Frau? Soll ich fragen, was er konkret mit „sexuellen Handlungen“ meint? Mache dich nicht lächerlich, Petra! Ich bin eine Frau mit gewissen Erfahrungen und längst aus dem Teenageralter raus. Er muss denken, ich ziehe mir die Schuhe mit dem Löffel an, wenn ich solche Fragen stelle. Also: „Ja, das ist in Ordnung.“

Es folgt eine kleine Pause, in der er offensichtlich meine Antworten analysiert. Also doch ein Bewerbungsgespräch. Gleich wird er mir seine Ablehnung bekannt geben. Oder lässt er es, wie immer in solchen Situationen, mit der zweifelhaften Antwort eines „Sie bekommen von uns Bescheid“ bewenden? Quatsch! Wir haben nie mit dieser förmlichen Anrede „Sie“ begonnen. Dieser Mann macht Eindruck auf mich, ohne dass ich sagen kann, womit. Ich starre vor mich hin und lasse seine Antwort in mich hineinträufeln.

„Gut, dann gehen wir es an.“ Hat er das jetzt wirklich gesagt? Wir gehen es an? Ich soll jetzt bald erleben, was ich so oft geträumt habe? Mein Herz schlägt plötzlich wie wild gegen die Rippen und die Hände fühlen sich feucht und kalt an. Er hat Handschuhe an. Ob er so ruhig ist, wie er äußerlich erscheint? Oder ist er auch etwas aufgeregt?

Es folgt noch eine Beschreibung für den Weg, der ich versuche aufmerksam zuzuhören. Vorsichtshalber frage ich noch mal nach, ob ich es richtig verstanden habe. Dann geht es los. Jeder mit seinem Auto. Ich brauche nur hinter ihm herzufahren. Das Fahren erfordert meine Konzentration und ich fühle mich etwas wie damals in der Fahrschule. Ich fahre seit über zwanzig Jahren Auto und nun fühle ich mich wieder wie ein Anfänger, der jede seiner Handlungen kontrollieren muss. Nun fängt mein Herz wieder an, sich heftig bemerkbar zu machen. Wir nähern uns dem Ziel der Fahrt, eine nette kleine Eigenheimsiedlung, ordentlich, aufgeräumt und etwas bieder. Jeder hat sein Häuschen mit Gärtchen und Garage. Jeder werkelt in seinem Garten, macht seine eigene Haustür zu und lebt sein kleines Familienidyll, friedlich, langweilig, idyllisch, fremd. Wie oft bin ich schon an solchen Siedlungen vorbeigegangen? Wer wohnt hier? Was sind das für Menschen? Welchen Tätigkeiten gehen sie nach? Haben sie viel Geld oder viele Schulden? Sind diese Bewohner glücklich, genervt, langweilig, interessant oder ganz normale Zeitgenossen? Zumindest hinter die Fassade eines dieser Eigenheime soll ich nun gleich etwas näher schauen dürfen. Eines ist sicher: Langweilig und ganz normal werden die nächsten Stunden gewiss nicht sein.

Er geht voraus und ich soll eine kleine Weile später folgen. Mit weichen Knien gehe ich den kleinen Weg entlang. Immer genau einen Fuß vor den anderen setzen und dabei nicht denken, hämmert es in meinem Kopf. Die Tür ist angelehnt. Ich trete ein und lege Schuhe und Jacke ab. Hoffentlich führt er mich nicht gleich in einen Kellerraum mit gruseligen Gerätschaften und schummriger Beleuchtung. Was mache ich dann? Wieder gehen? Auf der Stelle? Diese Frage bleibt unbeantwortet. In seinem Heim ist es hell, freundlich, sauber, ordentlich. Zimmer mit großen Fenstern lassen den Blick in den Garten frei. Zwei Räume zum „Sich-Wohlfühlen“, denke ich. Die Küche mit großem Esstisch und sechs Stühlen schließt sich als offener Raum an das Wohnzimmer an. Der Garten ist mit einer hohen, blickdichten Hecke zum Weg abgegrenzt.

Auf dem Esstisch liegt, in eine grüne Decke eingewickelt, das Spielzeug. Nur gut, dass ich diese Dinge nicht vorher sehen wollte.

„Magst du Sekt? Das entspannt etwas“, fragt er nun. Sekt kenne ich von diversen Feiern und mir hat das noch nie geschmeckt. Entspannt? Eigentlich will ich jetzt gar nicht entspannt sein. Nicht jetzt, wo es gleich ernst wird. Jetzt will ich meine fünf Sinne beisammenhalten, was schwer genug ist, auch ohne Sekt.

„Nein, nur Wasser“, höre ich mich sagen. Ist er enttäuscht über meine Antwort? Was ich mir für Gedanken mache … Ich bekomme ein Glas Wasser und versuche es so zu halten, dass er das Zittern meiner Hand nicht bemerkt. „Hungern und Dürsten gehören bei mir nicht mit zur Strafe“, sagt er. Strafe? Was für ein Wort! Wird das jetzt gleich eine Strafexpedition? Ich werde wieder unruhig. Was mache ich eigentlich, wenn das hier in eine Richtung läuft, die ich nicht mehr will? Angst stellt sich ein. Nicht denken jetzt, nur fühlen! Gedanken machen Angst. Nimm die Umgebung wahr, achte auf dein Bauchgefühl, höre auf diesen Mann und auf das, was er mit dir tun wird. Du hast es so gewollt, seit so vielen Jahren schon. Dein Körper hat es dir zu verstehen gegeben und nachdrücklich sein Recht eingefordert. Du konntest an fast nichts anderes mehr denken in der letzten Zeit. Nun ist er also endlich da, der Augenblick der Wahrheit. Das neue Wort „Spanking“ bekommt einen Inhalt. Ich atme tief ein.

„Trinke noch was, dann fangen wir an.“ Wie nahe er mir kommt, stellt sich schräg hinter mich und schlägt mir leicht mit der Hand auf den Po. Unwillkürlich zuckt mein Arm, um die Bewegung abzuwehren. Gerade noch rechtzeitig kann ich mich kontrollieren und die Geste stoppen. Hat er es bemerkt? Wenn ja, dann geht er darüber hinweg, als hätte er es nicht bemerkt. Die nächsten Schläge sind etwas stärker, tun aber natürlich nicht weh, so auf die Hose mit der Hand. Das Gefühl dabei ist unbeschreiblich. Es ist eine Mischung aus Aufregung, Erotik, Nähe, Kindlichkeit, Teenager, Alberei.

Bevor ich genauer darüber nachdenken kann, geht es weiter. Er verbindet mir mit einem Tuch die Augen. Ich habe es so gewollt. Nun soll ich mich ausziehen. Zuerst die Hose. Die Hose auszuziehen mit verbundenen Augen ist schwierig. Wie ungewohnt solche gewohnten Handlungen plötzlich sind. Dann knöpft er mir die Bluse auf und fordert mich auf, die übrigen Sachen abzulegen. Schließlich stehe ich im Slip da. Warum habe ich mir keine prickelnde Unterwäsche gekauft? Das ist mir etwas peinlich, aber jetzt nicht zu ändern. Nun stehe ich also nackt da. Nackt mit verbundenen Augen vor einem mir unbekannten Mann, in einer fremden Wohnung. Auf dem Tisch liegen Spielsachen, die ich gleich kennenlernen werde. Und niemand weiß, wo ich bin. Ich muss verrückt sein. Ein Abenteuer ist immer verrückt. Tue einfach, was er sagt. Du vertraust ihm doch schon seit einer Ewigkeit. Ja, seit der Ewigkeit, als wir uns auf dem Bahnhofsparkplatz in die Augen gesehen haben. Wie lange ist das her? Wie heißt die kleine Straße, in der ich mich jetzt befinde? Welche Nummer hat das Haus? Versuche mal, etwas sachlich zu denken. Es gelingt mir nicht.

„Stütze dich mit den Händen hier ab.“ Gemeint ist die Tischplatte vom Esstisch, vor dem ich schon die ganze Zeit stehe. Meine Hände fühlen das kühle Holz. Den Kopf leicht gesenkt, versuche ich mich zu konzentrieren und nun an Spielsituationen aus meiner Kindheit zu erinnern. Wir haben bei fast jedem Wetter im Freien gespielt. Meine Eltern wohnten weitab von der Stadt. Wir spielten in einer wirklichen Wildnis in mannshohem Gras, auf uralten Kirschbäumen, in Sandlöchern, wilden Sträuchern und selbst gebauten Hütten aus Ästen und Gras. Wir spielten die Helden aus unseren Kinderbüchern und aus Kinofilmen nach. Stolze Indianer, harte Trapper, Musketiere, Robinson, Captain Flint und andere aufregende Figuren ließen wir lebendig werden. Die Kirschbäume waren Pferde oder Masten von Segelschiffen, Stöcke benutzten wir als Degen, Flinten oder Ruder. Weidenruten wurden zu Peitschen und das hohe Gras zum Ozean. Fantasie hatten wir genug und auch blaue Flecke und kleine Schürfwunden gehörten zum Spiel dazu. Langweilig wurde es nie. Ein Ball, Roller und später Fahrräder waren die einzigen richtigen Spielsachen. Je intensiver wir unsere Rollen spielten, umso mehr verpassten wir den Blick auf unsere Wirklichkeit. Misserfolge in der Schule, Streit der Eltern, Ermahnungen, Strafen und Ängste waren in diesen Stunden vergessen. Kaum, dass wir uns jemals wirklich ernsthaft gestritten hätten. Wenn doch, so war es nicht von langer Dauer. Nein, ich kann nicht sagen, dass ich eine unbeschwerte Kindheit hatte. Aber diese wirklichen und wahrhaftigen Spiele, dieses Eintauchen in eine andere Welt der Fantasie, dieses direkte, unmittelbare körperliche Leben aus meinen Kindheitstagen möchte ich um keinen Preis eintauschen wollen.

Warum denke ich ausgerechnet jetzt über solche vergangenen Zeiten nach? Ich stehe hier in einem Einfamilienhaus eines mir unbekannten Mannes. Auf dem großen Esstisch liegen, mit einer Decke abgedeckt, mir unbekannte Gerätschaften. Ich habe die Kleidung abgelegt und stehe, die Hände auf dem Tisch abgestützt, die Körperrückseite ungeschützt den Launen dieses Mannes ausgeliefert, in seinem Zimmer. Mir ist kalt und heiß zugleich und irgendwie erscheint die ganze Situation unwirklich. Die Erinnerungen an ferne Kindertage verblassen, denn jetzt werden gleich ganz andere Spiele die Szene bestimmen.

Noch einige weitere Begriffe schwirren mir vor den Augen.

Kribbeln, Erwartung, Spannung, Vorfreude, Aufregung, Fantasien, physischer Schmerz, Neugier, mentale und körperliche Erregung, Erwartungsangst, Schreien, Anspannung, Mut, Demut, Stolz, Überwindung, Glück, Zufriedenheit, Wärme, Umarmung, Geborgenheit, Entspannung, Ruhe, Zuwendung, Bestimmtheit, Führung, Dominanz, Stärke, Willen, Konsequenz, kontrollierte Kraft und Macht, Männlichkeit, Ungehorsam, Grenzen, Beugung, Bestrafung, Akzeptieren, Respekt, Demut, Gehorsam, aus freiem Willen, als Bedürfnis, ohne Zwang!

Aha! Das sind alles sehr tief gehende Emotionen und Gefühle, denke ich. Dadurch werden viele chemische, physische und psychische Reaktionen im Körper ausgelöst. Kein Wunder, dass ich durcheinander bin. Spanking zu betreiben ist also offenbar normal! Mein Körper hat es mir gesagt und ich bin der unmissverständlichen Aufforderung gefolgt. Alles in Ordnung, also.

Alles in Ordnung? Spanking zu betreiben ist normal? Vielleicht, aber reden kann ich nicht darüber. Mit niemandem! Was soll ich tun? Wie geht es weiter? Was macht es mit mir?

Mit diesen Fragen trete ich wieder in jene Welt ein, die ich bisher Realität genannt habe.