OER für alle!

Positionen zu „Offenen Bildungsmaterialien“

werkstatt.bpb.de

Kooperative Berlin / Bundeszentrale für politische Bildung

2013

ISBN 978-3-00-043431-0

CC-BY-SA

„Wir brauchen eine Kultur des kollaborativen Zusammenarbeitens.“-

Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für Politische Bildung

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1. Open Educational Resources – Grundlagen

1.1 Definitionen von Open Educational Resources

Im Dialog zu Open Educational Resources – Teil 1

Im Dialog zu Open Educational Resources – Teil 2

OER – Was ist das? Was kann das?

Open Education für alle

1.2 Freie Bildungsmaterialien: Stand in Deutschland

Angehört: Fachgespräch zu Open Education des Bildungsministeriums

Open Educational Resources, die UNESCO und Deutschland

2. Open Educational Resources: rechtliche Grenzen und Möglichkeiten

2.1 Einführung: OER und das Urheberrecht

„Wenn nicht sein darf, was doch sein sollte“

Freie Bildungsmaterialien und die Kultur des Teilens

2.2 Ein Lizenzierungsmodell für freie Bildungsmaterialien: Creative Commons

Creative Commons als Urheberrecht 2.0?

Warum sollte ich meine Werke „umsonst“ zur Verfügung stellen?

CC-Inhalte für die Bildungsarbeit nutzen

3. Aktuelle OER-Initiativen

3.1 Aktuelle nationale Initiativen

Eine neue Generation? Die OER-Natives

Dem praktischen Horizont entgegen

Jetzt geht es ans Konkrete

OpenHPI – Lernen via Web 2.0

3.2 Aktuelle internationale Initiativen

Polnische Pioniere

„Lehrer 2.0“ – Norwegen

Open Education in den USA: Viele Akteure für ein Ziel

L3T: ein österreichisches OER-Projekt

4. Freie Bildungsmaterialien herstellen

10 nützliche Tipps, um mit OER zu starten

Ein eigenes E-Book veröffentlichen – Teil 1: Die Produktion

Ein eigenes E-Book veröffentlichen – Teil 2: Die Veröffentlichung

Lesehinweise und technische Details

Impressum

Vorwort

Warum ein eBook und warum zum Thema Open Educational Resources? Die Bildung ist im Umbruch, denn die Lebenswelten der Lehrenden sowie der Kinder und Jugendlichen verändern sich rasant. Wie im Journalismus oder in der politischen Teilhabe löst die Digitalisierung auch im Bildungsbereich nicht nur massive Veränderungen aus, sondern schafft gleichzeitig neue Möglichkeiten. Ein zentrales Zwischenergebnis ist der völlig veränderte Zugang zu und die Verbreitung von Informationen, Wissen und teilweise auch zu Bildungsmaterialien. Eine Konsequenz ist die Forderung nach Open Educational Resources (OER).

Denn dieser kulturelle Wandel im Umgang mit Bildung und Chancen der Teilhabe, die veränderte Rolle der Lehrenden, die Integration neuer (mobiler) Medien und die Diskussion neuer didaktischer Konzepte und Methoden eröffnet die Möglichkeiten einer plattentektonischen Verschiebung was Zugang, Nutzung und Anpassung von Bildungsmaterialen angeht. Die wachsende Durchdringung aller Gesellschaftsteile mit digitalen Kommunikationsmitteln wie Smartphones und Tablets ermöglichen andere Nutzungspraktiken, mehr Austausch und Kollaboration zwischen den Lehrenden und den Lernenden über die gewohnten Grenzen hinweg und führen – neben dem formalen Lernen in gewohnten Strukturen – zu neuen, auch informelleren Formen des Lernens.

Immer lauter und nachhaltiger werden deswegen die Forderungen der „Open Education“-Bewegung nach der freien Verfügbarmachung von Bildungsinhalten (Open Educational Resources/OER). Dabei geht es aber nicht nur um die konkrete Nutzung von Texten, Bildern und anderen Materialien, die Lehrende beispielsweise ihren lokalen Bedürfnissen oder den thematischen Ausformungen in ihrer Schule anpassen können. Vielmehr wirft die OER-Bewegung auch grundsätzliche Fragen auf. Wer organisiert die Bildung? Wer definiert die Bedürfnisse der Lernenden und wie werden sie in die Entwicklungen von Materialen und Strategien einbezogen? Das tradierte Zusammenspiel der Kultusministerkonferenz, der Bundesländer und der Verlage als sogenannte Gatekeeper, die Inhalte setzen, ihre Aufbereitung erörtern und häufig die Verbreitung kontrollieren, wird in Frage gestellt. Dabei sollte es sich jedoch um ein echtes, diskursiv angelegtes „In Frage stellen“ handeln, das nicht überflüssige Frontstellungen manifestiert, sondern im Sinne der bestmöglichen Bildung für alle nach Synergien, nach neuen Formen der Zusammenarbeit sucht. Zugrunde liegt diesen Überlegungen die mutige Version einer Bildungswelt, in der jeder Mensch auf der Welt freien Zugang zu einem global aggregierten Wissensbestand hat, und die Möglichkeit, mit Hilfe von offenen Lizenzen, gemeinsam die Bildungsmaterialien weiter zu entwickeln, individueller und aktueller zu machen und die Qualität zu verbessern.

Aber was sind eigentlich „Offene Bildungsmaterialien“? Von „offenen und freien“ Materialen/OER wird nach allgemeinen und aktuellem Verständnis gesprochen, wenn diese verändert, kombiniert, (auch in anderen Zusammenhängen) wiederverwendet und weiterverbreitet werden dürfen. Nach wie vor sind die meisten Lern- und Lehrmaterialien jedoch urheberrechtlich geschützt und dürfen nur eingeschränkt bearbeitet und weiter verbreitet werden.

Im Sommer 2002 befasste sich die UNESCO auf dem Forum on the Impact of Open Courseware for Higher Education in Developing Countries mit der Relevanz von Lehr- und Lerninhalten und prägt seitdem die Begrifflichkeit Open Educational Resources/OER für frei zugängliche und offene Lern- und Lehrmaterialien. In Deutschland war – insbesondere mit Blick auf die Ereignisse im internationalen Umfeld – das Interesse an OER-Initiativen bisher eher gering. Seit der Debatte um den Schultrojaner im Herbst 2011 nimmt das Thema jedoch mehr und mehr an Fahrt auf. Wenn auch die Einigung von Ländern und Verlagen dazu führte, dass Lehrende in Deutschland Schulbuchinhalte, Noten etc. digital im Rahmen des Unterrichts aufbereiten und verwenden dürfen, ging dies vielen Bildungsaktivist_innen noch nicht weit genug. Die Diskussion um OER ist Gegenstand vieler Mini-, und Fachkonferenzen und netzpolitischer Initiativen. Die Deutsche Unesco-Kommission e.V. bringt in diesen Tagen eine Broschüre mit „Was sind Open Educational Resources?“ heraus und das Thema erreicht mit der OER-Konferenz von Wikimedia Deutschland im September 2013 ihren bisher größten offiziellen Rahmen. Im kommenden Jahr möchte sich auch die Kultusministerkonferenz dem Themengebiet nähern und plant eine größere Veranstaltung.

Auch die Verlage können sich dem Thema nicht mehr verschließen, 2012 präsentierten knapp 20 Verlage, darunter Klett, Cornelsen und Oldenbourg, die Gemeinschaftsinitiative digitale-schulbuecher.de. Zudem führte die Debatte bereits im November 2012 zu einer ersten Anhörung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die Kultusministerkonferenz. Als Ergebnis des Fachgesprächs wurden vom BMBF Studien zu verschiedenen Aspekten von OER initiiert – etwa die Untersuchung von Handlungsfeldern, Akteur_innen und eine vergleichende Länderanalyse durch das Deutsche Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF), das Thema der Metadaten durch die Technische Informationsbibliothek (TIB) Hannover oder eine Fokussierung der juristischen Perspektive durch die Firma iRights.Law. Alle drei Studien liegen nun abgeschlossen und veröffentlicht vor.

Das Projekt werkstatt.bpb.de – Digitale Bildung in der Praxis, Werkstatt, Labor und Diskussionsportal der Bundeszentrale für politische Bildung, untersucht und diskutiert die Veränderungen in Schule und Unterricht, die sich durch die Digitalisierung ergeben. In diversen Beiträgen und mehreren Veranstaltungen hat sich werkstatt.bpb.de mit den Fragen, die im Kontext von OER und ihrem Einsatz im Schulbereich stehen, auseinander gesetzt. Welche Bedeutung haben OER für die Lehre, das Lernen und die Institution Schule? Erzielt ihre Erstellung und ihr Einsatz einen didaktischen Mehrwert? Wie lässt sich die Qualität von OER sicherstellen? Worauf muss beim Einsatz von OER geachtet werden, wer sind die treibenden Akteur_innen, die OER entwickeln und zur Verfügung stellen und wo werden die neuen Materialien zur Verfügung gestellt?

Ein Ergebnis der Auseinandersetzung – und begleitet durch die Bundeszentrale für politische Bildung – ist eine eigene Initiative zur Erstellung von OER, der sogenannte Open Educational Development/OED-Prozess. Die Werkstatt ruft alle Interessierten zur Teilnahme an einem offen und transparent gestalteten Prozess auf, um „offene Bildungsmaterialien“ gemeinsam zu entwickeln.

Ein weiteres Ergebnis der Auseinandersetzung um OER ist nun das vorliegende eBook. Es ist das Kondensat einer der Schwerpunkte der werkstatt.bpb.de, ein Kooperationsprojekt der Bundeszentrale für politische Bildung und der Kooperative Berlin. Seit Projektbeginn arbeiten wir, neben anderen Themen, intensiv an den Chancen und Möglichkeiten von OER, haben verschiedenste Positionen gehört, Diskussionen angeregt, mit Lehrenden gesprochen und Verlagen debattiert. Im Sinne der Philosophie der werkstatt.bpb.de war es auch hier unser Ansatz, einen neugierigen, möglichst sachlichen Blick auf diesen durch die Digitalisierung in Gang gekommenen Prozess zu werfen, verschiedene Akteur_innen zu vernetzen und Empfehlungen für die Bundeszentrale für politische Bildung, aber auch die anderen Bildungsanbieter abzugeben.

Dieses eBook versammelt eine Auswahl verschiedener Beiträge der werkstatt.bpb.de und seines Schwesterprojekts pb21.de und möchte in seiner kompakten Form einen Beitrag dazu leisten, dass möglichst viele Interessierte online und offline mit diesem Thema in Berührung kommen. Es bietet Definitionen, historische Entwicklungen und Ziele und Visionen der Open Education-Bewegung, benennt relevante Akteur_innen und ihre Interessen, zeigt die rechtlichen Grenzen und Möglichkeiten des deutschen Urheberrechts auf und stellt aktuelle OER-Initiativen vor. Zu den Autor_innen, Referierenden und Anleitenden zählen u.a. Matthias Spielkamp (iRights.info), Jan Neumann (Projektkoordinator am Hochschulbibliothekszentrum NRW), Leonard Dobusch (Juniorprofessor am Institut für Management der Freien Universität Berlin), Jöran Muuß-Merholz, (Jöran und Konsorten, pb21), Elly Köpf (Wikimedia Deutschland e.V.), Wilfried Hendricks (Institut für Bildung in der Informationsgesellschaft (IBI)) und Thomas Berndardt, (Dipl.-Medienwissenschaftler an der Universität Bremen).