Anmerkungen

[1] Wenn wir schreiben „in der GFK“ meinen wir den Prozess und die Haltung, die der Gewaltfreien Kommunikation zugrunde liegen.

[2] Um die Begriffe zu verdeutlichen, werden in den Reflexionen eigene Erlebnisse und Erzählungen von Freunden und Bekannten wiedergegeben. Hier sind Erfahrungen von Liv Larsson und von Katarina Hoffmann eingeflossen. Das „Ich“ kann also als ein eher überpersönliches, literarisches Ich verstanden werden.

[3] Wir haben uns entschieden „Wolf“ und „Giraffe“ in Anführungszeichen zu setzen, um zu verdeutlichen, dass es sich um Metaphern handelt und nicht die Tiere selbst gemeint sind.

[4] Sich über die Unterschiede verschiedener Schlüsselunterscheidungen klar zu sein ist ein Bestandteil des Zertifizierungsprozesses, den GFK-Trainer beim CNVC (Center for Nonviolent Communication) durchlaufen.

[5] Weitere Informationen hierzu finden Sie in: Rosenberg, Gewaltfreie Kommunikation. Eine Sprache des Lebens , besonders in Kapitel 4.

[6] Anm. d. Ü.: Im Schwedischen werden die Worte „behov“ (Bedürfnis) und „behöver“ (bedürfen, brauchen) verwendet. Das Schwedische „behöver“ ist umgangssprachlicher als das deutsche „bedürfen“ und entspricht im alltäglichen Sprachgebrauch eher dem Wort „brauchen“.

[7] Mehr dazu erfahren Sie in: Rosenberg (2011), Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens, besonders in den Kapiteln 5 und 6.

[8] Siehe auch Schlüsselunterscheidung Nummer 6, in der es ebenfalls um Bitten geht.

[9] Mehr dazu erfahren Sie in: Rosenberg (2011), Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens, besonders in den Kapiteln 5 und 6.

[10] Rosenberg, Marshall B. (2011), Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens.

[11] Anm. d. Ü.: Etwa 35 Euro, Stand März 2013.

[12] „Ehrliche“ bzw. „aufrichtige Äußerungen“ sind hier immer im Sinne authentischen Selbstausdrucks zu verstehen.

[13] Lesen Sie mehr über die Intention hinter der Anwendung von GFK in: Rosenberg (2011), Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens, besonders in Kapitel 1 und 2.

[14] Söderberg, Hjalmar (2012), Doktor Glas, übersetzt von Verena Reichel, Manesse.

[15] Anm. d. Ü.: In Schweden ist Alkohol über 3,5 % Vol. nur im staatlichen Systembolaget zu haben. Einkaufen darf man dort erst ab einem Alter von 20 Jahren, das Trinken von Alkohol ist ab 18 Jahren erlaubt.

[16] Siehe Schlüsselunterscheidung 7, in der es um den Unterschied zwischen umgangssprachlichem und klassischem Giraffisch geht.

[17] Anm. d. Ü.: Im schwedischen Original wird der Empathie hier die „sympati“ entgegengesetzt. Der Begriff bedeutet – ebenso wie das englische „sympathy“ – sowohl Sympathie als auch Mitleid.

[18] Siehe auch Schlüsselunterscheidung 17.

[19] Siehe auch Schlüsselunterscheidung 21.

[20] Siehe auch Schlüsselunterscheidung 2.

[21] Lesen Sie mehr über Empathie in: Rosenberg (2011), Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache für das Leben, besonders in den Kapiteln 7 bis 9.

[22] Erfahren Sie mehr über Empathie in: Rosenberg (2011), Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens, besonders in den Kapiteln 7–9.

[23] Lesen Sie mehr über Selbstempathie in: Rosenberg (2011), Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens, besonders in den Kapiteln 9 und 12.

[24] Vergleichen Sie auch die Schlüsselunterscheidung 25.

[25] Wineman, Steven (2003): Power-Under: Trauma and Nonviolent Social Change, kostenloser Download unter www.traumaandnonviolence.com/. Eine deutsche Zusammenfassung findet sich unter www.visionenundwege.de.

[26] Rosenberg, Marshall B. (2011), Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens.

[27] Rosenberg, Marshall B. (2011): Erziehung, die das Leben bereichert: Gewaltfreie Kommunikation im Schulalltag.

[28] Rosenberg, Marshall B. (2011): Erziehung, die das Leben bereichert: Gewaltfreie Kommunikation im Schulalltag.

[29] Sehen Sie hierzu auch Schlüsselunterscheidung 9, den Unterschied zwischen der „Ehrlichkeit des Wolfes“ und der „Ehrlichkeit der Giraffe“.

[30] Lichtenberg, Georg Christoph (1974): Aphorismen, Schriften, Briefe. , herausgegeben von Wolfgang Promies in Zusammenarbeit mit Barbara Promies, Carl Hanser Verlag.

[31] Lesen Sie mehr darüber in: Rosenberg (2011), Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens, besonders Kapitel 5, 11 und 12.

[32] „Wandel“ (schwed. „skifte“) ist hier im Sinne des englischen „shift“ zu verstehen.

[33] Rosenberg, Marshall B. (2010): Wie ich dich lieben kann, wenn ich mich selbst liebe: Ein praktischer Ratgeber zu einer neuen Art von Beziehungen.

[34] http://utveckling.mastercoach.se

Liv Larsson und Katarina Hoffmann

42 Schlüsselunterscheidungen in der GFK

Für ein tieferes Verständnis der Gewaltfreien Kommunikation

Über dieses Buch

Was ist der Unterschied zwischen Bedürfnissen und Strategien? Diese Frage können viele, die sich etwas mit der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) beschäftigt haben, vermutlich beantworten. Aber wo genau liegt der Unterschied zwischen Schwäche und Verletzlichkeit? Und was unterscheidet Wertschätzung von Anerkennung? Dieses Buch konzentriert sich in seiner Darstellung der GFK auf so­genannte Schlüsselunterscheidungen. »Wir haben dieses Buch geschrieben, um verschiedene Begriffe in der Gewaltfreien Kommunikation genauer unter die Lupe zu nehmen und so einige wichtige Unterschiede zwischen der GFK und unserer alltäglichen Kommunikationsweise zu verdeutlichen. Diese Begriffe bezeichnen wir als Schlüsselunterscheidungen.« So beschreiben die Autorinnen selbst ihr Ansinnen. Und sie hoffen, dass ihre Zusammenstellung von insgesamt 42 Schlüsselunterscheidungen den Leserinnen und Lesern dabei helfen wird, neue Wege im Denken und in der Kommunikation zu entdecken.

Orth_Gottfried

Liv Larsson ist CNVC-zertifizierte GFK-Trainerin. In Schweden sowie in europäischen und asiatischen Ländern gibt sie ihre GFK-Kenntnisse an viele Menschen weiter: an Führungskräfte, UN-Mitarbeiter, Friedensarbeiter, Mediatoren, Ärzte, Lehrer u.v.m.

Fritz_Hilde-n

Katarina Hoffmann erhielt ihre GFK-Aus­bildung u.a. von Marshall Rosenberg und ist vom CNVC zertifiziert. Sie gibt GFK-Seminare und begleitet Einzelne und Gruppen in ihrer persönlichen Weiterentwicklung und im Umgang mit Konflikten.

Copyright: © der deutschen Ausgabe: Junfermann Verlag, Paderborn 2013

Copyright: © der Originalausgabe: Liv Larson, 2011

Die Originalausgabe ist 2012 unter dem Titel „42 Nyckelskillnader för djupare förståelse av Nonviolent Communication“ im Verlag Friare Liv konsult erschienen.
info@friareliv.se, http://www.friareliv.se.

Illustrationen: Vilhelm Nilsson

Übersetzung: Judith Momo Henke

Coverbild: © Cristian Baitg – iStockPhoto.com

Covergestaltung / Reihenentwurf: Christian Tschepp

Alle Rechte vorbehalten.

Erscheinungsdatum dieser eBook-Ausgabe: 2014

Satz: Peter Marwitz, Kiel (etherial.de)

Digitalisierung: JUNFERMANN Druck & Service, Paderborn

ISBN der Printausgabe 978-3-87387-924-9
ISBN dieses eBooks: 978-3-87387-966-9

Wegweiser

Für diejenigen, die sich im Hinblick auf ein bestimmtes Thema mit den Schlüsselunterscheidungen beschäftigen möchten, haben wir eine Einteilung der Texte vorgenommen, die Ihnen hoffentlich hilft, schneller zu finden, was Sie suchen.

Schlüsselunterscheidungen rund um die vier Komponenten der GFK

1.   Der Unterschied zwischen „Beobachtungen“ und „Bewertungen“

2.   Der Unterschied zwischen „Gedanken“ und „Gefühlen“

3.   Der Unterschied zwischen „Bedürfnissen“ und „Strategien“

4.   Der Unterschied zwischen „vagen Bitten“ und „klaren, machbaren Bitten“

5.   Der Unterschied zwischen einer „Bitte um das, was man will“ und einer „Bitte um das, was man nicht will“

6.   Der Unterschied zwischen „Bitten“ und „Forderungen“

Schlüsselunterscheidungen rund um „Wölfe“ und „Giraffen“

7.   Der Unterschied zwischen „klassisch Giraffisch“ und „umgangssprachlich Giraffisch“

8.   Der Unterschied zwischen „Giraffe sein“ und „sich wie eine Giraffe verhalten“

9.   Der Unterschied zwischen „Ehrlichkeit der Giraffe“ und „Ehrlichkeit des Wolfes“

10. Der Unterschied zwischen „Giraffenschrei“ und „Wolfsschrei“

11. Der Unterschied zwischen „Nein sagen als Wolf“ und „Nein sagen als Giraffe“

12. Der Unterschied zwischen „sich giraffisch entschuldigen“ und „sich wölfisch entschuldigen“

Schlüsselunterscheidungen rund um Ehrlichkeit

1.   Der Unterschied zwischen „Beobachtungen“ und „Bewertungen“

2.   Der Unterschied zwischen „Gedanken“ und „Gefühlen“

3.   Der Unterschied zwischen „Bedürfnissen“ und „Strategien“

4.   Der Unterschied zwischen „vagen Bitten“ und „klaren, machbaren Bitten“

9.   Der Unterschied zwischen „Ehrlichkeit der Giraffe“ und „Ehrlichkeit des Wolfes“

28. Der Unterschied zwischen „moralischen Urteilen“ und „Bewertungen auf der Basis von Bedürfnissen“

35. Der Unterschied zwischen „Stimulus“ und „Ursache“

Schlüsselunterscheidungen rund um Empathie

13. Der Unterschied zwischen „mit Fokus auf den Inhalt zuhören“ und „mit Fokus auf den Prozess zuhören“

14. Der Unterschied zwischen „Empathie mit Fokus auf Bedürfnissen“ und „Empathie mit Fokus auf unerfüllten Bedürfnissen“

15. Der Unterschied zwischen „behaupten“ und „vermuten“

16. Der Unterschied zwischen „intellektuell vermuten“ und „empathisch vermuten“

17. Der Unterschied zwischen „Sympathie“ und „Empathie“

18. Der Unterschied zwischen „Ratschlägen“ und „Empathie“

19. Der Unterschied zwischen „empathisch zuhören“ und „trösten“

20. Der Unterschied zwischen „trauern“ und „aufgeben“

21. Der Unterschied zwischen „Selbstempathie“ und „sich in Gefühlen suhlen“

22. Der Unterschied zwischen „Selbstempathie“ und „seine Gefühle ausagieren“

Schlüsselunterscheidungen rund um Selbstempathie

13. Der Unterschied zwischen „mit Fokus auf den Inhalt zuhören“ und „mit Fokus auf den Prozess zuhören“

17. Der Unterschied zwischen „Sympathie“ und „Empathie“

20. Der Unterschied zwischen „trauern“ und „aufgeben“

21. Der Unterschied zwischen „Selbstempathie“ und „sich in Gefühlen suhlen“

22. Der Unterschied zwischen „Selbstempathie“ und „seine Gefühle ausagieren“

Schlüsselunterscheidungen rund um Macht

23. Der Unterschied zwischen „dominanzorientierten Systemen“ und „bedürfnisorientierten Systemen“

24. Der Unterschied zwischen „Macht mit Menschen“ und „Macht über Menschen“

25. Der Unterschied zwischen „Angst vor Autoritäten“ und „Respekt vor Autoritäten“

26. Der Unterschied zwischen „Gehorsam“ und „Selbstdisziplin“

27. Der Unterschied zwischen „beschützender Machtausübung“ und „bestrafender Machtausübung“

28. Der Unterschied zwischen „moralischen Urteilen“ und „Bewertungen auf der Basis von Bedürfnissen“

29. Der Unterschied zwischen „Bestrafungen“ und „Konsequenzen“

30. Der Unterschied zwischen „Schwäche“ und „Verletzlichkeit“

31. Der Unterschied zwischen „äußerer Motivation“ und „innerer Motivation“

32. Der Unterschied zwischen „Wahlfreiheit“ und „Abhängigkeit“

33. Der Unterschied zwischen „Abhängigkeit/Unabhängigkeit“ und „wechselseitiger Abhängigkeit“

34. Der Unterschied zwischen „Wertschätzung“ und „Anerkennung“

Weitere Schlüsselunterscheidungen

35. Der Unterschied zwischen „Stimulus“ und „Ursache“

36. Der Unterschied zwischen „Kompromiss“ und „Wandel“

37. Der Unterschied zwischen „etwas tun, das uns mit dem Leben verbindet“ und „etwas tun, das uns vom Leben trennt“

38. Der Unterschied zwischen „fordern“ und „beständig an etwas festhalten“

39. Der Unterschied zwischen „Liebe als Gefühl“ und „Liebe als Bedürfnis“

40. Der Unterschied zwischen „natürlich“ und „gewohnheitsmäßig“

41. Der Unterschied zwischen „leisten“ und „erschaffen“

42. Der Unterschied zwischen „offenen Fragen“ und „geschlossenen Fragen“

Einleitung

Wir haben dieses Buch geschrieben, um verschiedene Begriffe in der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) genauer unter die Lupe zu nehmen und so einige wichtige Unterschiede zwischen der GFK und unserer alltäglichen Kommunikationsweise zu verdeutlichen. In der GFK sprechen wir von „Schlüsselunterscheidungen“ und im vorliegenden Buch wollen wir einige davon beschreiben.

Wir hoffen, dass Sie, wenn Sie sich mit diesen Unterschieden beschäftigen, neue Wege des Denkens und der Kommunikation entdecken. Die hier aufgeführten Schlüsselunterscheidungen können Ihnen zum Beispiel helfen zu entscheiden, wann und wie Sie die vier Grundkomponenten in der GFK1 – Beobachtungen, Gefühle, Bedürfnisse und Bitten – anwenden möchten.

Hoffentlich werden sie Ihnen darüber hinaus verdeutlichen, wie Sie sich selbst und anderen auf eine Weise zuhören können, sodass eine Verbindung entsteht. Wir sind zuversichtlich, dass Sie dadurch mehr Freiheit gewinnen, Ihre Bedürfnisse auszudrücken.

Dieses Buch leistet keine allumfassende Beschreibung der GFK, sondern konzentriert sich auf die Schlüsselunterscheidungen. Indem wir wichtige Aspekte unserer Kommunikation und unserer Konfliktlösungsstrategien beleuchten und sie uns folglich bewusst machen, können wir sie als Inspirationsquelle für neue Möglichkeiten nutzen, uns anderen gegenüber zu verhalten.

Mithilfe der Schlüsselunterscheidungen möchten wir einen unbekannten oder wenig vertrauten Begriff erklären2, indem wir ihn einem anderen Begriff gegenüberstellen, der vielleicht bekannter ist. Beispielsweise ist es leichter, ein Tandemrad zu erklären, wenn wir ein gewöhnliches Fahrrad zugrunde legen und die Unterschiede aufzeigen können – vorausgesetzt, der andere hat eine klare Vorstellung von dem Begriff Fahrrad. Und wenn wir das japanische Instrument Koto beschreiben wollen, gelingt das leichter, wenn wir von der finnischen Kantele, der schwedischen Schlüsselharfe oder der alpenländischen Zither ausgehen. Um unser Anliegen an diesem Beispiel zu verdeutlichen: Wir haben nicht etwa den Anspruch, alle Instrumente oder auch nur alle Saiteninstrumente den Kategorien Koto, Kantele, Schlüsselharfe oder Zither zuzuordnen. Wir beschreiben einzig und allein die Unterschiede, ohne damit etwas über ihre Qualität oder über weitere Instrumente zu sagen. Es geht nicht darum festzustellen, das eine sei richtig oder falsch, besser oder schlechter als das andere. Wir beantworten einfach die Frage: „Worin besteht der Unterschied?“ Dass diese Frage gestellt wird, ist uns ebenso wichtig wie die Antwort.

„Wölfe“ und „Giraffen“

Die GFK wird in Anlehnung an die teilweise aus pädagogischen Gründen verwendeten Metaphern „Giraffe“ und „Wolf“ auch als „Giraffensprache“ bezeichnet.3 In anderen Ländern kann statt des „Wolfes“ eine andere Metapher gebräuchlich sein.

Wenn wir den „Wolf“ als Symbol verwenden, betonen wir die wertvolle Botschaft dessen, was er uns zu sagen hat, und möchten nicht dazu beitragen, dieses Tier zu verteufeln.

Die „Giraffe“ fungiert als Symbol für eine Sprache, die leichter zu einer direkten Verbindung führt und auf einer Linie mit der Haltung liegt, auf der die GFK basiert: einer Sichtweise, die davon ausgeht, dass Menschen einander unterstützen möchten, sofern sie es aus freien Stücken tun können. Der „Wolf“ wird als Symbol für eine Sprache genutzt, die es schwerer macht, miteinander in Kontakt zu treten – manchmal glückt es, manchmal nicht. Da die meisten von uns gewohnt sind, in Begriffen wie „richtig“ und „falsch“ zu denken, nehmen wir vielleicht an, die „Wolfssprache“ sei falsch, die „Giraffensprache“ richtig – aber das ist nicht der Sinn und Zweck dieser Metaphern. Wenn wir von „Wölfen“ und „Giraffen“ sprechen, möchten wir damit wesentliche Unterschiede verdeutlichen und es Ihnen erleichtern, neue Kommunikationsarten einzuüben und auszuprobieren.4

Schlüsselunterscheidung 1:
Der Unterschied zwischen „Beobachtungen“ und „Bewertungen“

„Die höchste Form menschlicher Intelligenz ist die Fähigkeit, zu beobachten ohne zu bewerten.“

Jiddu Krishnamurti

Wenn es uns gelingt, unsere Beobachtungen von unseren Bewertungen zu trennen, verringern wir das Risiko, dass andere unsere Äußerungen als Kritik verstehen. Mit einer Beobachtung meinen wir das, was wir mit unseren Sinnen erleben – also etwas, das wir sehen, hören, riechen, schmecken oder fühlen können. Eine Beobachtung ist das, was eine Videokamera aufzeichnen könnte.

Mit Bewertungen meinen wir die Folgerungen, die wir aus unseren Beobachtungen ziehen. Wir beschreiben Eigenschaften der beobachteten Person oder des beobachteten Ereignisses, ziehen daraus Schlüsse und bewerten dann das Erlebte als gut oder schlecht, normal oder unnormal. Bewertungen sind wie die Kritik des „Films“, den wir gesehen haben.

Wenn wir eine Person sehen, die sich vom Sofa erhebt, zum Fernseher geht, ihn hochhebt, zum Fenster trägt und ihn mit Schwung durch die geschlossene Scheibe wirft, ist das eine Handlungsabfolge, die eine Videokamera aufzeichnen könnte. Hätten wir diese Szene gesehen und würden anschließend jemandem davon erzählen, wären unserem Bericht sicher einige Bewertungen beigefügt. Das könnte sich etwa so anhören:

„Er tickt nicht ganz richtig, er hat den Fernseher genommen und ihn aus dem Fenster geworfen.“

Mit den Informationen, die wir haben, kann niemand sicher sagen, wie der Werfer „tickt“ – das ist eine Bewertung. Vielleicht war sein Handeln, wenn wir es von einer anderen Warte aus betrachten, vernünftig und entschlossen. Möglicherweise hat der Mann bemerkt, dass es aus dem Fernseher angebrannt riecht. Dann würden wir sein Verhalten vielleicht als besonnen interpretieren.

Oder denken wir an jemanden, der 20 € auf ein Spendenkonto für Waisen einzahlt – eine Tat, die wir entweder als großzügig oder auch als knauserig bewerten können, je nachdem was wir aus dem Verhalten der Person schließen. Wenn wir von diesem Ereignis erzählen, könnten wir etwa sagen:

„Sie ist so großzügig! Obwohl sie nur ihre kleine Rente zum Leben hat, hat sie dem Kinderheim 20 € gespendet.“

Ist die Person, die das Geld auf das Spendenkonto eingezahlt hat, hingegen als ungeheuer reich bekannt, würden wir sie oder ihn vielleicht als geizig bezeichnen. Und genau genommen wissen wir gar nichts über diese 20 €. Es könnte sich genauso gut um einen fälligen Rechnungsbetrag handeln, der von einer – und schon wieder eine Bewertung – nachlässigen Person aus Versehen auf das falsche Konto überwiesen wurde.

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Reflexion

Die Schwierigkeit, Beobachtungen und Bewertungen auseinanderzuhalten, kann Feindbilder schaffen oder verstärken. Zum Beispiel berichtete ein Reporter während der schweren Überschwemmungen in New Orleans im Jahr 2005 in einer Nachrichtensendung von Menschen, die verlassene Geschäfte betraten. Er sagte:

„Sie wollen um jeden Preis ihr eigenes Überleben und das ihrer Familie sichern.“

In den dazugehörigen Bildern war deutlich zu sehen, dass die beschriebenen Personen europäischer Abstammung waren. Im Bericht aus einem anderen Teil der Stadt sprach er hingegen von „Plünderungen“ und die Personen auf diesen Aufnahmen waren allesamt Afroamerikaner. Wertungen dieser Art können dazu beitragen, dass Feindbilder entstehen und am Leben erhalten werden. Außerdem können sie selbsterfüllende Prophezeiungen hervorrufen. Wir sehen nicht, was tatsächlich passiert oder was jemand wirklich tut, sondern bestätigen ein Bild, das bereits fest in unserem Denken verankert ist.

Während meiner Studienzeit habe ich an einem sogenannten zeugenpsychologischen Experiment teilgenommen, das zeigte, wie unsere fertigen Bilder – das, was wir oft als im Voraus gefasste Meinungen bezeichnen – unsere Wahrnehmung beeinflussen. Uns wurde ein kurzer Film über einen Verkehrsunfall gezeigt. Das eine Auto war ein nagelneuer Mercedes, der fast lautlos vorwärtsglitt, das andere eine alte Kiste mit röhrendem Auspuff. Der Zusammenstoß der beiden Autos erschien mir gewaltig. Nach dem Film sollten wir einen Fragebogen ausfüllen und unter anderem angeben, wie schnell die beiden Autos unserer Meinung nach gefahren waren und wer entsprechend geltender Verkehrsregeln den Unfall verursacht hatte. Alle Studenten in der Gruppe waren sich einig, dass die alte Kiste zu schnell gefahren war, schneller als der Mercedes. Außerdem hatte der Fahrer unserer Meinung nach gegen die Verkehrsregeln verstoßen und so den Unfall verursacht. Als wir den Film ein zweites Mal sahen, mussten wir ziemlich verdutzt (Bewertung!) feststellen, dass es genau umgekehrt war: Der Fahrer des Mercedes war zu schnell gefahren und hatte sich nicht an die Regeln gehalten.

Schlüsselunterscheidung 2:
Der Unterschied zwischen „Gedanken“ und „Gefühlen“

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Jemand hat einmal den Abstand zwischen Herz und Hirn als den längsten halben Meter der Welt bezeichnet. Vielleicht weil viele Menschen es als schwierig empfinden, ihren Gefühlen zu lauschen und zwischen Denken und Fühlen zu unterscheiden.

Unsere Gedanken sind unter anderem Interpretationen, die wir über unsere Gefühle und die ihnen zugrunde liegenden Ursachen anstellen. Diese Gedanken werden von der Kultur geformt, in der wir aufwachsen, und von der Sprache, die wir gelernt haben. Wir machen uns Vorstellungen und ziehen mehr oder weniger vorschnelle Schlüsse.

Vielleicht beziehen wir auch etwas mit ein, das zusammen mit unserem Gefühl aufgetreten ist, um dadurch einen Bezug zu konstruieren, der uns unser Empfinden begreiflicher macht.

Mit Gefühlen meinen wir das Erleben körperlicher Reaktionen. Die Worte, die wir für unsere Gefühle finden, sind Versuche, diese physischen Reaktionen zu benennen. Welche körperlichen Reaktionen wir empfinden ist dadurch bedingt, ob wir haben, was wir benötigen, oder nicht. Daher können sie, abhängig von den Umständen, von einer Sekunde auf die andere wechseln.5

In unseren Äußerungen vermischen wir manchmal unsere Gedanken und Gefühle. Das kann die Verbindung zu uns selbst und zu anderen erschweren.

Reflexion