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Impressum

1. Auflage September 2013

©opyright 2013 by Autor

Umschlaggestaltung: Gesa Schulz

Lektorat: Miriam Spies

Satz und Konvertierung: Fred Uhde (www.buch-satz-illustration.de)

ISBN: 978-3-942920-78-0

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Mutter

Norman Bates aus Hitchcocks Psycho sagt, dass der beste Freund des Mannes seine Mutter sei. Wenn man eine Mutter hat, braucht man keine Frauen, sagt er. Später ersticht er dann unter der Dusche in Frauenkleidern Marion Crane, eine Sekretärin aus Phoenix. Für mich ist das einer der besten Szenen der Filmgeschichte. Allerdings träume ich auch oft schlecht, wenn ich den Film gesehen habe.

Heute Nacht hab ich auch ganz grausig geträumt, ist mein erster Gedanke, als ich vom Telefonläuten aufwache. Ich schaue auf den Wecker. Es ist acht Uhr. Es ist Sonntag und es ist der beste Freund des Mannes: Es ist Mutter. Sie fragt, ob ich heute bitte auch meine dreckige Wäsche mitbringe, wenn ich nach Hause komme. Weil heute doch Waschtag ist, sagt sie. Mutter hat jeden Sonntag Waschtag.

Mutter, du brauchst meine Wäsche nicht zu waschen. Das kann ich schon selber, sage ich wie jeden Sonntag. Aber Mutter besteht darauf und sagt: Ach Junge. Wie jeden Sonntag fängt sie an zu zetern. Sie meint, dass es schade wäre, dass ihr einziger Sohn sich so sehr von ihr distanziert. Erst ist es die Wäsche, die nicht mehr kommt und irgendwann kommst auch du nicht mehr, sagt sie. Und: Wenn ich noch ein Funken Liebe zu ihr spüre, soll ich doch bitte die Schmutzwäsche einpacken. Oder, so folgt das nächste Argument, möchte du mich gleich ins Altersheim schicken? Ich scheine ja nicht mehr von meinem Sohn gebraucht zu werden, sagt sie vorwurfsvoll.

Ach Mutter, denke ich und sehe ihre feuchten Augen durchs Telefon. Ich sag also wie jeden Sonntag: Ja Mutter, ich bring dir deine geliebte Schmutzwäsche.

Und vergiss nicht die dreckigen Schlüpfer, sagt sie.

Und wie jeden Sonntag sag ich ihr, dass ich keine Schlüpfer trage, sondern Shorts. Aber sie sagt nur: Ach Andreas.

Ach Mutter, denke ich.

Natürlich hab ich mit neununddreißig Jahren schon eine eigene Waschmaschine, sogar eine sehr schöne. Ich kann mir auch schon selber den Schniedel waschen und meine Schuhe zubinden, aber trotzdem muss ich jeden Sonntag zu Mutter und ihr die Wäsche vorbeibringen. Seit neununddreißig Jahren wäscht meine Mutter jeden Sonntag für mich. Meine dreckigen Unterhosen, also Schlüpfer, sind für meine Mutter die letzte Bastion ihrer Fürsorgepflicht. Wenn sie nicht mehr den sonntäglichen Haufen dreckiger Socken und T-Shirts bekommt, hört für meine Mutter das Muttersein auf. Dann ist der Junge endgültig weg, denkt sie. Und dann muss sie ins Heim, weil sie ja von ihrem Sohn nicht mehr gebraucht wird. Und da kann ich reden, soviel ich will.

Also packe ich meine Wäsche aus dem Wäschekorb in den Reiserucksack und nehme die hundertfünfzig Kilometer weite Fahrt nach Köln auf mich. Meine Mutter wohnt in Köln. Meine Mutter braucht ihre geliebte Wäsche. Jeden Sonntag ist das so. IC Münster – Köln, Abfahrt: 10:03 Uhr, Gleis 9. Ankunft: 11:46 Uhr, Gleis 7. Mit der S-Bahn Richtung Heumarkt, drei Stationen und dann nur noch die Straße runter. Um 12:10 Uhr stehe ich bei ihr vor der Tür und mit mir meine dreckigen Shorts alias Schlüpfer, die miefenden Socken und die verschwitzten Unterhemden. Mutter hat mich natürlich schon längst entdeckt. Sie steht am Fenster hinter den Gardinen und natürlich öffnet sie die Tür, bevor ich die Klingel gedrückt habe. Und auf ihren Lippen bildet sich schon der erste Vorwurf und die Regel Nummer 1.

Hallo Junge, du bist spät. Putz dir die Schuhe ab.

Mutter, es ist 12:15 Uhr. Ich bin immer um diese Zeit da. Jeden Sonntag. Und ich putz mir immer die Schuhe ab.

Ja, jeden Sonntag bist du zu spät, sagt sie, nimmt mir die dreckige Wäsche ab und reicht mir die roten Filzhausschuhe von Tchibo. Früher waren es braune Cordhausschuhe, aber Mutter geht mit der Zeit.

Setz dich schon mal an den Tisch. Aber es ist ja sowieso alles schon wieder kalt, sagt sie dann. Dass alles, also das Essen, schon kalt ist, sagt sie auch jeden Sonntag. Aber eigentlich ist nie irgendwas an dem Essen kalt. Das kalte Essen ist nur ein weiter Hinweis, was ihr Sohn für ein schlimmer Sohn ist.

Mutter, es ist Viertel nach Zwölf und das Essen ist sicher noch ein wenig warm, sage ich und setze mich.

Ach Junge, sagt sie nur.

Es gibt Jakobsmuscheln im Speckmantel und als Haupt­speise Lammfilet mit Kräuterkruste. Früher gab es immer Schweinebraten und Kaisergemüse, aber Mutter geht mit der Zeit.

Und gestern hab ich in einer Talkshow einen jungen Mann gesehen, der macht auch, was du da machst, sagt Mutter während des Essens. Aber der schreibt mehr über Politik und Geschichte. Warum schreibst du nicht auch mal über Politik, fragt Mutter. Sie wartet auf keine Antwort. Sie erzählt lieber gleich weiter. Der sah allerdings auch vernünftiger aus, so um die Haare herum. Ach Junge, sagt Mutter dann und schaut traurig.

Ach Mutter, sage ich und schaue noch viel trauriger.

Du musst nicht immer so frech zu deiner Mutter sein, meint Mutter. Jeden Sonntag sagt Mutter, dass ich nicht so frech sein muss.

Dann bekomme ich, während die Waschmaschine wäscht, neben dem Lammfilet die weitere Mängelliste gleich mit serviert. Fünf Punkte, die ich unbedingt ändern muss.

Da wäre erstens meine Eitelkeit. Mutter meint, ich hab nun wirklich keinen Grund, stolz zu sein. Mit vierzig Jahren immer noch ohne Mädchen und vernünftigen Job. Der Martin, der Martin Becker, hat jetzt gebaut und schon das zweite Kind, sagt Mutter.

Mit diesem Martin Becker bin ich damals ein halbes Jahr zusammen in den Kindergarten gegangen, aber Mutter hat nach der langen Sandkastenfreundschaft immer noch Kontakt zu den Eltern von Martin Becker.

Zweitens wird meine Wollust von Mutter verurteilt. Such dir mal ein anständiges Mädchen, klagt Mutter. Der Martin Becker hat doch auch ein nettes Mädchen gefunden. Die arbeitet beim Gericht, sagt Mutter. Aber du hast ja immer nur diese schmutzigen, ausgeflippten Mädchen. Dabei hört man doch so viel. Alles drogensüchtige Huren, sagt sie.

Drittens: meine Trägheit. Da hat sie ja vielleicht sogar Recht, denke ich. Mutter sagt: Schlaf nicht immer bis in die Puppen. Der Martin Becker muss morgens auch ganz früh raus. Wir haben dich doch auch nicht schlechter erzogen. Oder haben wir so viel falsch gemacht? Der Martin Becker arbeitet jetzt in England in der Wirtschaft, weißt du, sagt Mutter. Und ich sage: Ja, weiß ich.

Und am Wochenende ist der trotzdem immer bei seiner Mutter. Aber nicht nur wie du für ein paar Minuten, sagt sie.

Viertens: meine Tischmanieren. Iss langsam, Junge. Es nimmt dir keiner was weg, sagt Mutter und nimmt mir meinen Teller weg.

Fünftens: mein Zorn. Sprich nicht so mit deiner Mutter, sagt Mutter, als ich sage, dass mir Martin Becker am Arsch vorbeigeht. Dann guckt sie kurz, wie weit meine Schlüpfer sind. Sind fast schon sauber, sagt Mutter. Dabei waren die wieder so dreckig, sagt Mutter. Sie versteht das auch nicht, also wie man so dreckige Unterwäsche haben kann. Sie fragt, ob ich mich unten rum nicht so gut sauber mache. Und ich erkläre ihr, dass ich mich unten rum immer sehr gründlich sauber mache. Ach Junge, sagt Mutter. Sie fragt sich manchmal, ob Martin Becker auch so dreckige Schlüpfer hat. Das kann sie sich aber nicht vorstellen, dass die bei dem auch so dreckig sind.

Dann ist aber endlich die Wäsche wieder sauber. Mutter hätte nicht gedacht, dass die wieder sauber wird, sagt sie. Ich packe meinen Rucksack mit meiner Wäsche voll und verabschiede mich von Mutter. Sie fragt mich noch, was ich denn heute so treibe und ich erzähle ihr, dass ein ganz schmutziges Mädchen heute zu mir zum Abendessen kommt. Aber vielleicht wird sie duschen und dann zieh ich mir ein paar Frauenkleider an und besuche sie mit einem Messer unter der Dusche. Ach Junge, sagt Mutter nur. Mach aber nicht wieder bis in Puppen, meint sie. Ich glaub, sie hat gar nicht zugehört, was ich gesagt hab. Na ja, Mutter eben.

Familienfest

Da steht wieder einer dieser Tramper, sagt Mutter und schaut verächtlich. Gib bloß Gas.

Mutter und ich sind unterwegs zum Familienfest ins tiefste Westfalen. Da sollte man wirklich keine Tramper mitnehmen, also in dieser Gegend, denke ich und gebe Gas.

Musst uns aber nicht gleich umbringen, kommentiert Mutter und hält sich an dem Griff über der Beifahrertür fest. Natürlich beidhändig, damit ich auch sehe, wie viel Angst sie hat. Dein Vater ist auch immer schnell gefahren. Da wusste man auch nie, ob man ankommt, sagt Mutter vorwurfsvoll. Ich erwähne lieber nicht, dass ich gar nicht ankommen möchte. Unsere Familienfeste zählen nicht gerade zu den Höhepunkten eines Jahres.

Ich schaue in den Rückspiegel und sehe den Tramper uns mit traurigem Blick folgen. Wie lange der wohl da schon steht, überlege ich. Sicher schon sehr lange. Der West­fale an sich misstraut seinen Mitmenschen. Da nimmt man nicht unbedingt einen Tramper mit. Man weiß ja nie, ob der einem nicht doch nachher an die Wäsche will oder an den Geldbeutel. Hat es ja schon alles gegeben, denke ich. Muss nicht, kann aber. Man hört ja so viel im Fernsehen.

Erst letztens: Lisa K. aus Rheine wurde Opfer eines fürchterlichen Verbrechens. Einen Tramper hat sie mitgenommen. Einen Psychopathen. Fast zehn Jahre sperrte der sie im Keller weg. Jetzt ist sie wieder frei und hat ein Buch geschrieben. 3100 Tage Dunkelheit heißt es. Ein Bestseller. Mutter hat das gelesen und mich gefragt, ob ich nicht auch mal so was schreiben könnte. Musst dich doch nicht verstecken, kannst doch auch mal so ein Buch wie die Lisa K. schreiben. Ach Mutter, dachte ich.

Früher bin ich auch oft getrampt. Eigentlich ist nie was passiert. Mit zwanzig sah man mich eigentlich nur mit einem Schild in der Hand an Autobahnauffahrten stehen. Immer unterwegs. Immer auf Achse. Ich alter Cowboy. Die Straße war mein Zuhause. Der Schlafsack war der treue Gefährte des Gefahrensuchers. Ich war Hippie, Outlaw, Landstreicher. Heute aber nicht so. Man wird ruhiger, vernünftiger.

Hättest dir ruhig was Vernünftiges anziehen können, sagt Mutter. Die anderen Kinder sehen immer alle so gut aus, aber du läufst wieder rum, als ob du dir gar nichts leisten könntest, betont sie vorwurfsvoll. Ich sage, dass ich mich mit vierzig nicht mehr unbedingt als Kind sehe. Aber Mutter schüttelt nur verächtlich den Kopf. Ach Junge, sagt sie. Für Mutter bleibe ich immer das Kind. Da kann ich noch so groß werden.

Ich biege kurz vor Ibbenbüren ab, dieser Stadt, die auch noch im 21. Jahrhundert verzweifelt am Kohlebau festhält, und streife den Rand des Teutoburger Waldes. Hier hat meine Mutter ihre Wurzeln, hier wohnt seit Generationen der Rest meiner Familie. Irgendwo am Arsch, denke ich. Mutter erzählt, dass Onkel Bernd gerade wieder angebaut hat. Für die Kinder, sagt sie. Onkel Bernd baut immer an. Für die Oma seniorengerecht, für die Kinder kindgerecht, für die Enkel enkelgerecht, für die Urenkel urenkelgerecht, und wenn mal gerade keine Kinder da sind, baut er einen Carport, ne Garage oder ne Hütte für den Hund, hundegerecht versteht sich. Immer baut er gerade irgendwas ganz gerecht an.

Halt mal an, sagt Mutter.

Was?

Halt mal an.

Ich halte am Straßenrand an, irgendwo heult ein alter kranker Hund. Meine Mutter greift in ihre Tasche und holt eine Bürste raus. Hier. Kämm dich mal, du siehst ja wieder aus, sagt sie. Ich gebe wieder Gas, mir fällt nicht Kluges ein.

Ein paar Minuten später fahr ich bei Onkel Bernds Gebautem und Angebautem vor. Onkel Bernd steht schon am Gartentor zur Begrüßung bereit. Ah, die Margret, ruft er. Und ihr Sohn. Da sind ja unsere Großstädter. Münster ist für Onkel Bernd Weltmetropole. Na, dann kommt mal, sagt er, nachdem wir Onkel Bernd begrüßt haben. Wir gehen rüber zur Terrasse von Onkel Bernd, wo die restliche Verwandtschaft sitzt. Bei uns auf dem Land natürlich alle an ihrem eigenen Tisch. Die Kinder sitzen am Kindertisch. Die Frauen am Frauentisch und die Männer am Männertisch. Natürlich könnten sich die Frauen auch an den Männertisch setzen. Das ist kein Gesetz, dass dort nur Männer sitzen. Aber die Männer haben eben ihre Männerthemen, und da ist es für die Frauen uninteressant.

Ich stehe zwischen allen Tischen und weiß nicht wohin. Am Kindertisch trinkt man Cola, am Frauentisch Kaffee und am Männertisch Bier. Bei den Männern, also meinen ganzen Onkels, steht außerdem noch eine Flasche Korn auf dem Tisch. Korn ist das Wasser des westfälischen Mannes, denke ich. Onkel Otto verteilt fleißig die Pintchen. Immer einen Kurzen für jeden und für Onkel Otto zwei.

Ah, der Andreas. Na komm, trink erst mal einen, sagt Onkel Otto zu mir und trinkt erst einmal selber einen. Ich sage: Nee, ich muss fahren. Aber Onkel Otto meint, dass ich doch gerade erst gekommen sei und sicher nicht schon wieder fahren will. Ich sage: Kein Alkohol am Steuer. Onkel Otto sagt: Das verfliegt doch wieder und ich soll mich nicht immer so ausgrenzen und reicht mir das Pintchen. Vom Frauentisch schaut Mutter böse rüber und zeigt mir durch eine Handbewegung, dass ich trinken soll. Dieser Junge, sagt sie zu meinen Tanten. Sie lachen. Ich trinke.

Na, Andreas. Dann komm mal mit, sagt plötzlich Onkel Bernd und geht ums Haus. Ich folge ihm. Hinterm Haus laufe ich fast gegen den hässlichsten Wintergarten, der je zusammengeschustert wurde. Hier, sagt Onkel Bernd. Hab ich gerade neu gebaut für die Kinder, kindgerecht, sagt er und zeigt auf den Wintergarten. Wow, sag ich. Onkel Bernd, du bist der Größte.

Aber es geht noch weiter. In den nächsten Minuten werden mir noch die neue Markise, die neuen Bodenfliesen und die neuen Gartenplatten gezeigt, die zum neuen Sandkasten hinführen. Wow, Onkel Bernd. Du bist echt Rüdi der Baumeister, sag ich und Onkel Bernd nickt stolz.

Dann gehen wir wieder zurück an den Männertisch. Vorführung beendet. Onkel Otto reicht ne neue Runde Korn. Ich sage erst nein, dann ja und dann muss ich zwei trinken. Weil man auf einem Bein so schlecht steht. Haha, sagt Onkel Otto.

Folgend unterhält man sich an unserem Tisch über Neugebautes und Angebautes. Am Frauentisch über Kinder und Kindeskinder und ihre Arbeit. Und am Kindertisch wird Cola bis zum Abwinken getrunken. Ein Kind muss sich übergeben. Alle anderen Kinder lachen. Keiner hat gemerkt, dass ich die Cola-Flasche mit dem mir gereichten Korn aufgefüllt habe. Was ein Spaß.

Mutter kommt an den Männertisch. Sie sagt, ich soll nicht so viel Bier trinken. Du musst noch fahren Junge. Onkel Otto reicht ihr einen Korn. Mutter lächelt. Ach Otto, sagt sie. Onkel Bernd trinkt auch mit. Am Frauentisch ist man mittlerweile zu Likörchen übergegangen. Der Kindertisch ist fast außer Gefecht. Zwei Kinder schlafen. Eines kotzt. Und die zehnjährige Jana zeigt dem zehnjährigen Janis ihre Scheide. Janis kriegt rote Ohren, trinkt Cola-Korn und will anfassen. Jana lacht blöd. Deswegen haben die hier alle so große Ohren, denke ich. Weil die ganze Verwandtschaft sich hier immer gegenseitig anfasst. Unten rum, meine ich.

Mutter knutscht auf einmal mit Onkel Otto. Onkel Bernd und die anderen Onkels schlafen und am Frauentisch liegt nur Oma noch nicht unterm Tisch, aber die sitzt auch festgezurrt im Rollstuhl. Da kippt man nicht so schnell um, denke ich.

Wenige Zeit später bin ich der Einzige bei Bewusstsein. Ich schäme mich ein wenig über das Bild, das meine Verwandtschaft abgibt. Aber nur ein wenig. Ich nehme mir meine Jacke, geh noch mal ums Haus, schmeiß einen Stein in den Wintergarten und Mutter in unseren Kofferraum und fahre heim. Mutter wird morgen wieder sagen, dass ich mich unmöglich benommen habe. Jedes Jahr sagt sie das. Es ist jetzt egal. Ich hab jetzt erst mal wieder Ruhe. Familienfest ist nur einmal im Jahr.