Die Habsburger ohne Reich

Hannes Etzlstorfer • Die Reisen der Habsburger

HANNES ETZLSTORFER

DIE REISEN DER
HABS­BURGER

Von Kavalierstouren, Brautschau
und hoher Diplomatie

ISBN 978-3-218-00895-2
Copyright © 2013 by Verlag Kremayr & Scheriau GmbH & Co. KG, Wien
Alle Rechte vorbehalten
Schutzumschlaggestaltung: Kurt Hamtil, Wien
unter Verwendung eines Fotos von Imagno/Austrian Archives
Satz und typografische Gestaltung: Kurt Hamtil, Wien
Lektorat: Katharina J. Schneider
Datenkonvertierung E-Book: Nakadake, Wien

INHALTSVERZEICHNIS

I. Herrschen verpflichtet: Reisen zwischen Notwendigkeit und Lust

II. Diplomatische Missionen, Kavalierstouren und Bildungsreisen

III. Zur Brautschau und auf Hochzeitsreisen

IV. Einmal Frankfurt und retour: König- und Kaiserwahlen, Krönungen

V. Nach dem Rechten schauen: Dienst- und Inspektionsfahrten

VI. Allerhöchste Ausflüge, Vergnügungsreisen und Wallfahrten

VII. Endstation Kaisergruft

VIII. Anmerkungen

IX. Literatur

Das wichtigste Stück des Reisegepäcks
ist und bleibt ein fröhliches Herz.
Hermann Löns (1866–1914)

Meiner fröhlichen Lebens- und Reisebegleiterin
Lisi dankbar gewidmet.

I.
HERRSCHEN VERPFLICHTET:
REISEN ZWISCHEN NOTWENDIGKEIT UND LUST

„Das ist das Angenehme auf Reisen, dass auch das Gewöhnliche durch Neuheit und Überraschung das Ansehen eines Abenteuers gewinnt.“ So charakterisierte Johann Wolfgang von Goethe eines der Hauptmotive des Reisens.
Er sei „Novarum rerum cupidus“ („Ich bin neuer Dinge begierig“), meinte auch Gaius Julius Caesar (gest. 44 v. Chr.), dem alle nachmaligen Kaiser ihren Titel verdanken sollten. Er reiste aber nicht nur aus Neugierde und Lust: Der schier rastlose Caesar war vor allem in militärischer Mission von Spanien über Gallien, Britannien bis hin nach Kleinasien und Nordafrika unterwegs. Die Antike kannte auch bereits Forschungsreisen, bei denen die Sehenswürdigkeiten Ägyptens und Griechenlands ausgekundschaftet wurden. Und selbst die Möglichkeit der Sommerfrische und der Kuraufenthalte als Ausgleich für soviel Rastlosigkeit im Dienste der Staatssache zeichnet sich schon in der Antike ab: Man erholte sich in den römischen Kaiserthermen oder in reizvollen Landvillen abseits der Großstädte. Schon Horaz versprach sich vom Landleben Erholung: „Beatus ille, qui procul negotiis“ („Glücklich ist der, der fern von Geschäften/Pflichten ist“).

Nach ihren besondern Staats=Absichten hierzu genöthiget

In ihrem Selbstverständnis als Regenten des Heiligen Römischen Reichs haben sich daher Generationen von Königen und Kaisern auf diese antiken Traditionen berufen. Gerade am Beispiel der Habsburger, die nach der Schlacht am Marchfeld am Freitag, den 26. August 1278 die Herrschaft in Österreich antraten und von da an die Geschicke des Landes über 640 Jahre prägen sollten, werden nicht nur die unterschiedlichen Reiseabsichten und -usancen ablesbar, sondern auch ihr Bedeutungswandel. Zwischen der Geburt König Rudolf I. (1218) und der Abdankung Kaiser Karls I. (1918) liegen genau 700 Jahre, in denen insgesamt 24 Generationen von Habsburgern aufeinander folgten, aus denen wiederum 400 Personen das Erwachsenenalter erreichten. Unter diesen befinden sich neben 18 Kaisern auch fünf regierende Herzöge, vier Könige und eine Königin in der österreichischen Hauptlinie.1 Die Habsburger verdankten viele ihrer politischen Erfolge weniger dem militärischen Geschick als einer taktisch ausgeklügelten Heiratspolitik bzw. diplomatischem Kalkül, die auch in der legendären Habsburgerdevise des 15. Jahrhunderts ihren Ausdruck findet: „Bella gerant alii, tu felix Austria nube. Nam quae Mars aliis, dat tibi diva Venus“ („Kriege führen mögen andere, du, glückliches Österreich, heirate. Denn was Mars den anderen verschafft, gibt dir die göttliche Venus“). Auch wenn die Habsburger bei ihren Hochzeiten weniger dem Fingerzeig der Liebesgöttin denn politisch-finanziellen Notwendigkeiten folgten, entband sie diese nicht, in ganz Europa Ausschau nach den „besten Partien“ zu halten und dabei gelegentlich selbst auf Brautschau zu gehen. Die diesbezüglichen Zeremonialvorschriften des Barock nennen dieses Problem auch ohne Umschweif: „Es geschicht nicht selten, daß diejenigen, so sonst Länder und Unterthanen zu beherrschen pflegen, bey ihren Vermählungen ihren eigenen Willen beherrschen, und sich mit einem Ehegatten verbinden müssen, nicht, wie sie ihn sonst nach dem natürlichen und freyen Zuge ihres Hertzens erwehlen würden, sondern, wie sie nach ihren besondern Staats=Absichten hierzu genöthiget werden.“2

Nicht immer ist bei den Reisemotiven die Grenze zwischen Pflicht und Vergnügen klar auszumachen, da Traditionen, Konventionen wie auch das jeweilige Naturell und Interesse des Reisenden stark hineinspielen. Manchmal erfolgten Reisen wegen drohender Gefahren oder aus Geldnot, was ihnen mehr den Charakter einer Flucht verleihen sollte. Nachdem etwa am 30. Mai 1485 König Matthias von Ungarn Wien erobert hatte, fühlte sich Kaiser Friedrich III. in seinen Erblanden nicht mehr sicher und trat eine mehrjährige Reise in das Reich an, um Hilfe zu holen. So beschloss er, jeden einzelnen Kurfürsten und Fürsten an dessen Wohnort aufzusuchen, um durch persönlichen Einfluss Beistand zu erringen. Dass er dabei wenig Erfolg hatte, überrascht angesichts des in sich gekehrten, misstrauischen und von Geiz geplagten Monarchen nicht. Die Reiseroute, die ihn über Linz und Salzburg nach Innsbruck und von da an westwärts führte, änderte er jedoch mehrmals. Der Grund klingt recht banal: Er konnte ob seiner Notlage einfach keine Reichsstadt unbesucht lassen, allein schon wegen des städtischen Einzugsgeschenks, das ihm als Kaiser zustand und für das er manchen Umweg in Kauf nahm. Durch seine Einzelbesuche bei den verschiedenen Fürsten, denen er Zugeständnisse zu machen geneigt war, verursachte er jedoch Missgunst und Neid und brachte sich auch selbst in Gefahr: Als Friedrich am 16. August 1485 von Konstanz aus Ausflüge auf die Bodenseeinseln Reichenau und Mainau unternahm, verübten Edelleute einen Überfall auf ihn, der jedoch glimpflich verlief.3

Habsburg als Herrscherhaus von europäischem Format

Friedrichs III. Regierungszeit von 53 Jahren war nicht nur die längste eines herrschenden Königs bzw. Kaisers des Heiligen Römischen Reiches, sie fiel auch in die Umbruchszeit vom Spätmittelalter in die Epoche von Renaissance und Humanismus. Das brachte auch eine nachhaltige Wende im Reiseverhalten mit sich. Eine wichtige Voraussetzung für diese neue Lust am Reisen und an der Erkundung der sichtbaren Welt stellte ein neues Naturverständnis dar, das von den Humanisten wie Conrad Celtis gefördert wurde und so auch in den höchsten Kreisen ein Umdenken bewirkte. Die bis ins Spätmittelalter zum Gefahrenbereich erklärte Natur mit ihren finsteren Wäldern und unwegsamen Gebirgslandschaften, wie sie etwa noch Dante in seiner „Göttlichen Komödie“ schildert, wurde nicht nur ihrer dämonischen Aura entkleidet, sondern zunehmend als abenteuerliche Herausforderung begriffenob im Zuge einer politischen Mission oder eines Jagdausflugs. Von Kaiser Maximilian I. weiß man etwa, dass er sich 1504 bei seinem Aufenthalt in der Stadt Gmunden im Salzkammergut nicht nur für den benachbarten Hallstätter Salzberg interessierte, sondern auch für waghalsigere Touren begeistern ließ: Als der Kaiser vom 13. bis 17. November 1506 erneut in Gmunden weilte, entschloss er sich zur Besteigung des auch heute noch oft unterschätzten Traunsteins (1691 Meter Seehöhe). Maximilians Begleiter Johann Cuspinian notierte am Morgen des 14. November 1506 in seinen Tagebuchaufzeichnungen, dass der Kaiser um 6 Uhr früh mit wenigen Adeligen und Jägern den „sehr hohen Berg Traunstein“ bestieg und von diesem Jagdausflug um 7 Uhr abends wieder unbeschadet nach Gmunden zurückgekehrt sei.4

„Das Stillsitzen und der Müßiggang pflegt adelige tapfere Leiber nicht anders als der Rost das Eisen zu verderben!“ Aus dieser Warnung des umtriebigen und im wörtlichen Sinne „von unterwegs“ regierenden Kaisers Maximilian I. spricht zugleich jene Notwendigkeit, die sich seit jeher aus dem Herrscheramt ergibt: Mobilität im Dienste der Politik, der Diplomatie und der dynastischen Repräsentation. Sie war auch erforderlich angesichts der europaweiten familiären Bande der Habsburger, wie es eben auch das Beispiel Maximilians vor Augen führt: Der am Gründonnerstag 1459 als Sohn eines gebürtigen Innsbruckers5 und einer Portugiesin aus Torres Vedras6 geborene Regent ist ja im Grund selbst das Ergebnis dieser europaweiten Vernetzung des Hauses Habsburg. So hatte er von seiner Mutter Eleonore von Portugal den Zug ins Weite und ins Große geerbt, von seinem Vater Friedrich III. Ehrgeiz und Sendungsbewusstsein wiewohl auch das Unvermögen, mit Geld umzugehen, und von der väterlichen Großmutter, der aus Warschau stammenden Cimburgis von Masowien, das litauische, polnische, normannische und russische Temperament.7

Reisen trotz Schuldenberg

Angestachelt von der prunkvollen Hofhaltung am burgundischen Hof, mit dem Maximilian I. vor allem durch die Heirat mit Maria von Burgund verbunden war, wuchs auch sein Wunsch nach einer repräsentativen Hofhaltung. So wurden in Burgund bereits im 15. Jahrhundert jene opulenten und mit prachtvollem Geschirr ausgestatteten Schauessen eingeführt, die in der Folge auch auf Reisen stattfanden und dem obligatorisch höfischen Festleben Exklusivität sicherten. Sie wurden dadurch auch zu einem kostspieligen Statussymbol eines jeden Hofes, auf das man ebenso wenig verzichten wollte wie etwa auf die Hofmusik. So hatte Maximilian bei seiner Heirat auch die berühmte burgundische Musikkapelle übernommen, die zwar ihren Sitz in Wien hatte, deren berühmteste Musiker jedoch mit dem kaiserlichen Tross quer durch das Reich zogen, um bei Feierlichkeiten wie etwa bei den Reichstagen in Worms (1495), Augsburg (1496), Freiburg (1498), Augsburg (1500), Linz (1501) oder – um nur eine weitere von vielen Stationen zu nennen – in Hagenau im Elsass (1505) aufzutreten.8 Der stets über seine Verhältnisse lebende Kaiser versprach ihnen zwar Lohn sowie die Abgeltung von Reisekosten und Kleidung, doch die verschuldeten Hofmusiker sahen immer seltener Geld. Denn Reisen und höfische Repräsentation verschlangen Unsummen, weshalb Kaiser Maximilian ob seines prunkvollen Lebensstils ständig neue Kredite bei seinem Augsburger Hausbankier Jakob Fugger tätigte, der im Gegenzug zahlreiche Privilegien erhielt. Die Augsburger hatten daher Maximilian ob seiner 17 Aufenthalte (insgesamt zwei Jahre und 211 Tage) bereits den Beinamen „Bürgermeister von Augsburg“ gegeben. Er griff in einer Bedrängnis auch auf jenes Traditionsrecht zurück, das schon seinem Vater Friedrich III. beim Besuch von Reichsstädten einen Notgroschen sicherte: So stattete er der bei Augsburg gelegenen freien Reichsstadt Memmingen, die er seine „Ruh und Schlafzell“ nannte, insgesamt 13 Besuche ab, wobei die Stadt bei jedem Besuch Geld- und Naturalienzahlungen zu leisten hatte – zumeist getarnt als Gastgeschenke.

wegen kürtze der Zeit soviel angedeutet werden/
Ihr notturfft Schrifftlich zu übergeben

An diesen lukrativen Usancen hielten die Habsburger wie auch viele andere Herrscher bei ihren Reisen auch in den folgenden Jahrhunderten fest. Als sich etwa Kaiser Ferdinand II. 1622 von Wien nach Innsbruck aufmachte, um dort seine künftige Gattin Eleonore Gonzaga zu empfangen, legte er auch in den größeren Städten Halt ein. Während er sich dabei gerne beschenken ließ, blieb dem stressgeplagten Mann hingegen zum Leidwesen der zahlreichen Bittsteller kaum Zeit für ein offenes Ohr, wie etwa unmissverständlich aus einem Reisebericht von 1622 hervorgeht: „Als kays. May. nacher Ennß Gelangt und allda pernociert/ haben die Ober Ennßerische Stände sich presentiert und deroselben 6000 Ducaten verehrt/ welche darneben andere Sachen mündlich anbringen wollen, denen aber wegen kürtze der Zeit soviel angedeutet werden/ Ihr notturfft Schrifftlich zu übergeben/ alsdann sollte ihnen noch billichen dingen gemäßne Resolution erfolgen.“9 Dass auch der Kaiser mal was springen ließ, wenn ihn der gebotene Empfang zu überraschen wusste, zeigt der weitere Verlauf von Ferdinands Reise:

„Von dannen ist man in Tyrol verruckt/ vor Rottenburg am inn hat man auff Ihrer Mayj. Ankunfft dreymal nacheinander 10. Stuck Geschütz im Castell Loßgebrennet. Ein Büchsenschuß ausserhalb Schwatz/ haben die Bergknappen in schoen ehrenP(f)orten darauff ain Adler gestanden/ sambt andern schönen Inventionen mehr/ darunter aber ain Brunnen/ darauß rother Wein geflossen/ aufgerichtet/ daselbsten kays. May. in daß Bergwerck gefahren und den Arbeitern 200. Gulden verehret. Folgendts nacher Hall gezogen/ allda man sie mit starckem Schiessen und Verehrung etlicher Lagel süssen Weins gar honorifice empfangen.“

Weingeschenke zählten übrigens seit jeher zu den fürstlichen Gaben, wie dies auch aus den Zeremonialvorschriften hervorgeht: „Wann die Fürsten in Teutschland durch die Reichs=Städte oder andere ansehnliche Städte passieren, so werden sie nach einer alten hergebrachten Gewohnheit mit dem Ehren=Wein, mit Hafer, und mit gewissen raren Fischen, als Forellen usw. beschenkt.10

Schon seit dem Spätmittelalter sind Geschenke an die Habsburger wie auch Zuwendungen der Habsburger an fremde Potentaten bezeugt. Diese Gepflogenheiten wurden besonders bei so reiseintensiven Terminen wie Hochzeiten oder Friedensschlüssen Teil des Zeremoniells, neben herausragenden Kunstobjekten überreichte man sich auch exotische Pflanzen oder Tiere sowieals Reverenz an die Frömmigkeit der Habsburger – Reliquien.11 Diese Tradition zieht sich bis herauf zu Kaiser Franz Joseph, der auf seinen Reisen von seinen Untertanen mit Präsenten überhäuft wurde – verbunden mit der Hoffnung, damit zum Hof-Lieferanten aufzusteigen oder an ein kaiserliches Gegengeschenk zu kommen. Manche originellen Geschenke vermochten daher auch Erstaunen und Verlegenheit auszulösen: So herrschte dichtes Gedränge, als am 6. März 1552 Kaiser Maximilian II. (1527–1576) mit seiner Gattin Maria aus Spanien wieder in Wien eintraf, denn er brachte einen indischen Elefanten mit, der den Namen Soliman getragen haben soll.
Er war ein Geschenk der Tochter Kaiser Karls V. und der Isabella von Portugal, Johanna von Spanien (1535–1573), und stammte aus den portugiesischen Kolonien. Gemeinsam mit der kaiserlichen Familie, dem großen Hofstaat wie auch dem indischen Tierpfleger Mahout brach man im Winter 1551 von Madrid aus nach Barcelona auf, wo es dann per Schiff nach Genua ging und dann wieder im Fußmarsch in Richtung Brenner. Das Eintreffen des imposanten Trosses beim noch tagenden Konzil von Trient am 13. Dezember 1551 bescherte Maximilian II., dem Neffen des mächtigen Kaisers Karl V., bedeutenden Prestigegewinn. Nach der Überquerung des Brenners ging es dann in Tirol auf dem Wasserweg (Inn) bis nach Wasserburg, wo man am 24. Jänner 1552 einen Aufenthalt einlegen musste, weil Maximilian erkrankt war, und dann nach Wien. Einen Elefanten hatte man hierzulande nie zuvor leibhaftig gesehen. Er fand im neuen Tiergehege im Schloss Ebreichsdorf sein neues Zuhause, starb jedoch bereits am 18. Dezember des nächsten Jahres. Aus seinem rechten Vorderfuß wurde ein Stuhl angefertigt, der über die Kunst- und Wunderkammer des Freiherrn Joachim Enzmillner im Schloss Windhaag bei Perg in die Sammlungen des Stiftes Kremsmünster gelangte und so die Erinnerung an dieses gigantische Reisemitbringsel im Lande bis heute aufrechterhält.

Besonders originelle Aufmerksamkeiten und Geschenke konnten gelegentlich auch den beschenkten Regenten in Verlegenheit bringen: Als sich Kaiser Franz Joseph beispielsweise 1909 in Prag aufhielt, verehrte ihm ein Schneidermeister Kvapil, der über Umwege an die Maße des Kaisers gekommen sein dürfte, eine selbst geschneiderte Gala-Marschallsuniform mit roten Hosen und weißem Waffenrock. Der Kaiser war gerührt und veranlasste, dass man Kvapil ein Geschenk mache, das den dreifachen Wert der Uniform habe. Der Schneider äußerte den Wunsch nach einer Uhr. Der Hofsekretär sträubte sich aber derart, dafür eine kostbare Uhr zu kaufen, dass ihm erst mit dem Kaiser gedroht werden musste, diesen Befehl auszuführen … Er kaufte daraufhin widerwillig einige Chronometer, von denen der Kaiser schließlich den prächtigsten aussuchte, um diesen dem Schneider zum Dank zukommen zu lassen.12 Kein Wunder daher, dass das Kaiserhaus viele Geschenke ablehnte, die Schenkenden erhofften sich daraus ja doch stets ein Gegengeschenk … Und so lehnte beispielsweise auch Kaiserin Elisabeth die ihr angetragenen Hunde höflich abum Schönbrunn nicht zum allerhöchsten Tierheim verkommen zu lassen?

Es spricht immer mehr gegen meine Reise

Schon an diesen sporadischen Zeitfenstern lässt sich erahnen, dass sich in den Reisen der Habsburger nicht nur Politik und Schicksale der jeweiligen Protagonisten spiegeln, sondern auch Mentalitäten und nicht zuletzt auch geänderte Reisebedingungen. Ob der heute bescheiden wirkenden Reisegeschwindigkeit der Kutschen von vier bis sechs Stundenkilometern im ebenen Gelände ergaben sich selbst für kürzere Distanzen enorme Reisezeiten und für die Reisenden große Strapazen. Die vielfach schlechten Straßenverhältnisse und die oft nur behelfsmäßigen Reparaturen trugen das ihrige dazu bei, dass es oft nur rumpelnd über die Landstraßen dahinging – auch wenn es an diesbezüglichen Hofverordnungen nicht mangelte: „Wo in ihren eigenen Landen die Wege, entweder zur Winters-Zeit wegen des Schnees impracticabel worden/ oder auch sonst übel und gefährlich zu passiren sind, so befehlen sie ihren Beamten an, dass die Bauern die Wege ausbessern, die Brücken repariren, und alles auf den Strassen, so weit die Grentzen ihres Reichs und ihres Gebiethes gehen, in guten Stand setzen.“13 Diese Probleme verstärkten sich bei Schlechtwetter bzw. in der kalten Jahreszeit. Diese machten oft selbst schon kurze Ausfahrten unmöglich. So schreibt Kaiser Leopold I. am 9. Dezember 1665 aus Laxenburg: „Heut hat es ein solchen Schnee gworfen, dass ich nit weiß, ob ich morgen auf Wien werde kommen, dann all’ Weg verwahet sein, und ist es just ein Wetter gwest, als wie ich von Prag nach Frankfurt abgreist bin.14 Nicht minder strapaziös wurde auch das Reisen in der sommerlichen Hitze empfunden. So empfand etwa Leopolds I. Enkelin, Kaiserin Maria Theresia, mit zunehmendem Alter das Reisen immer beschwerlicher, wie sie in einem Brief an Erzherzogin Marie Christine vom 4. März 1776 anmerkt, die sie zu einer Reise (wahrscheinlich nach Florenz und Rom15) zu bewegen versuchte:

„Es spricht immer mehr gegen meine Reise als dafür, die Jubiläumstage werden den Ausschlag geben. Wenn ich zwei Wochen ununterbrochen durchhalte. Mit dem Wagen den vier Kirchen einen Besuch abzustatten, werde ich mich wahrscheinlich trauen. Sicherlich werde ich eine traurige Figur abgeben, da ich weder mit den Leuten laufen noch essen kann, ich kann nicht mehr spazieren gehen und auch ins Theater schaff ich es nicht mehr. In meinen Bewegungen gehemmt, innerlich und äußerlich in meinem Gehaben behindert, kaum angekommen wieder abreisen, in ein Land der Allerärmsten einfallen, wo alles über den Haufen geworfen und unzufrieden ist, muß überlegt sein.“

Er ist von Gott auf den Thron gesetzt worden, daß er arbeitete

Ob der europaweiten Politik der Habsburger war das Reisen jedoch unverzichtbar und musste als notwendige Pflicht anerkannt werden. Diese unbedingte Pflichttreue, die sich als Charakterzug der Habsburger herauskristallisierte, reklamierte etwa auch der unerbittliche Kämpfer für die Gegenreformation, Kaiser Ferdinand II., für sich: „Er ist von Gott auf den Thron gesetzt worden, daß er arbeitete, nicht daß er müßig gienge, ein großer Potentate könnte seine Gesundheit nicht schonen, wenn er anders dem gemeinen Wesen wollte geholfen sehen, er wollte lieber sich selbst, als sein Amt versäumen.“16 Zudem pflegte er zu sagen: „In drey Dingen würden ihm die Zeit nicht lang, im Gottesdienst, im Rath, und im Jagen.17 Der Zweck einzelner Reisen wird jedoch oft überlagert von anderen Pflichten und Rücksichten, wobei man praktischerweise auch in der Reiseplanung solche „Sonderaufenthalte“ einplante – abgesehen von jenen Stopps, die entweder durch Unpässlichkeiten der hohen Herrschaften auftraten oder weil es ihnen schlichtweg an manchen Orten so gefiel, dass sie gerne einmal das Reiseprotokoll ignorierten.

Solche außertourlichen Aufenthalte finden sich in den zahllosen klassischen Hofberichten, die voll sind von Schilderungen pompöser Feste, Aufzüge und Zeremonien, aus denen vor allem der Rang des Herrscherhauses und sein Gottesgnadentum ersichtlich werden sollten. Als etwa Kaiser Ferdinand III. anlässlich der bevorstehen Wahl seines bereits designierten Sohnes Ferdinands IV. zum römisch-deutschen König am 31. Mai 1653 in Augsburg eintraf, statteten beide demonstrativ der katholischen Stadtpfarrkirche St. Ulrich und Afra einen Besuch ab: „Den 25. dito haben Ihre Kayserl. Mayest. Und Königl. Mayest. (…) bei St. Ulrich zu Morgen dem heutigen Gottsdienst beygewohnt, die in diesem würdigen Gottshaus heilige Cörper zusehen begehrt/ selbigen Nachmittag ist der Kayserlichen und Königlichen Mayestäten auch das Hochwürdig Wunderbarliche Sacrament in der Kirchen zum H. Kreutz mit schöner Solennität gezaigt worden.“18 Ob sie genug für ihre Zukunft gebetet haben? Ferdinand IV. starb am 9. Juli 1654 an den Pocken und konnte sein Amt nicht mehr antreten. Sein Vater sollte ihm 1657 in den Tod folgen, und so wurde 1658 der Bruder von Ferdinand IV., der 1640 geborene Leopold Ignatius, zum Kaiser (Leopold I.) gewählt und damit zur tonangebenden Instanz.

Die Staatskasse ist leer, es befindet sich darin nicht ein Heller

Leopold I. leitet über zum österreichischen Hochbarock, in dem die kaiserlichen Hofreisen zwar nach den tradierten Prinzipien erfolgten, der gigantische Aufwand für Reisende wie auch die Belastungen für die Gastgeber jedoch erneut gesteigert wurden – und damit den Staat schon unter Leopold I. an den Rand des Bankrotts trieben. Bereits am 12. Oktober 1703 hatte Gundakar Thomas Graf von Starhemberg dem Kaiser hinsichtlich der finanziellen Lage der Monarchie „reinen Wein“ eingeschenkt, indem er darauf hinwies, dass „der Status an sich selbsten (…) ad extrema gedyhen“ und daher Vorsorge zu treffen sei, „damit man nicht alle augenplickh zu grund gehe“, wozu Leopold bemerkt, es sei zu bedauern, „dass Alles in einen so üblen Stand kham; doch muss man noch den Mueth, noch die Hände sinkhen lassen, sondern alle Extrema ergreifen, Sich zu retten“.19 Der Monarch wusste freilich auch, dass drakonische Maßregeln zur Sanierung des Staatshaushaltes auch die Wirkung des höfischen Auftritts mindern würden. Das Problem sollte sich auch auf seine Söhne Josef und Karl ausweiten, die als prunkliebende Regenten genauso wenig Verständnis für Sparmaßnahmen zeigten. Es ist daher dem für die finanziellen Angelegenheiten zuständigen Grafen Starhemberg zu danken, dass nicht alles aus dem Ruder geriet. Seine Persönlichkeit bürgte für einen geordneten Haushalt, und die Summen, die dem Staat vorgestreckt wurden, waren vielfach nur dem privaten Ruf des Hofkammerpräsidenten zu danken. Als Kaiser Karl VI. noch in Spanien weilte, musste ihm Starhemberg aber trotzdem schreiben: „Die Staatskasse ist leer, es befindet sich darin nicht ein Heller, Hofstaat und Armeen sind unbezahlt, die Cameralgefälle auf Jahre verpfändet.“20

Ungeachtet dieser prekären Lage ließ sich Karl, der nach dem Tod seines Bruders Josef I. zum Kaiser avancierte Habsburger, 1723 mit aller Prachtentfaltung auch zum böhmischen König krönen. Die Krönungsreise dauerte vom 19. Juni bis 23. November und verschlang mit ihren 147 Tagen die gewaltige Summe von 1.066.864 fl. 34 kr., wovon lediglich 441.474 fl. 28 kr. auf gewöhnliche Ausgaben, 625.390 fl. 6 kr. jedoch auf außerordentliche Ausgaben entfielen. Und hier äußert sich einmal mehr die fatale Schlampigkeit der Hofbuchhaltung, die am 13. August 1742 ganz andere Zahlen, und zwar nur 553.935 fl. 28 kr. 70, vorlegte, weil sie diese Extraordinaria nur teilweise eingerechnet hatte. Die Summe fiel auch deshalb so hoch aus, weil noch Rückstände des Soldes, der Adjuta und Pensionen auszuzahlen waren, um „die mitgehenden Hof- und Dicasterial-Persohnen“ in den Stand zu setzen, „sich mit den auf der Reys und in Prag erforderlichen Notwendigkeiten zu versehen“ und ihren zurückzulassenden Frauen und Kindern „die erforderlichen Lebens-Mitteln zu verschaffen“21.

Finanziert wurde die Fahrt durch sogenannte „Anticipationen“ verschiedener Stände und Persönlichkeiten, die mit ihrem Geld natürlich auch auf Gegengeschäfte vom Kaiser hofften. Da die für die Reise notwendigen Gelder jedoch nicht alle rechtzeitig eingetroffen waren, brach man gleichsam auf Pump zur Krönung auf. Man überbot sich dann seitens der Gastgeber geradezu bei der Erstellung von abwechslungsreichen Rahmenprogrammen rund um den hohen Gast, damit die Huld des Herrschers leichter auf den Gastgeber falle. In den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses geriet besonders der Einzug des Kaisers auf die Prager Burg, wo er sich mit festlichem Gepränge zum böhmischen König krönen ließ. Die Chronik berichtet unter anderem, dass der Baldachin, unter dem der Monarch über den Prager Königsweg auf den Hradschin gelangte, derart pompöse Ausmaße erreichte, dass man sich genötigt sah, einige Ladenschilder samt Aushängern an den Bürgerhäusern entlang dieses Königsweges zu entfernen. Ob dies dem kaiserlichen Prestige geschadet hat?

Der Weg ist das Ziel?

Gerade die Hofreisen, wie sie etwa zu Krönungen oder Erbhuldigungen notwendig wurden, waren kostspielig – sowohl für die Reisenden als auch für die Gastgeber und Untertanen, zumal neben einer standesgemäßen Unterkunft auch spezielle Rahmenprogramme mitgedacht werden mussten. Das betraf besonders die Feste anlässlich solcher Besuche. Und zum Mitfeiern bot sich den Habsburgern auf ihren Reisen genügend Gelegenheitso berichtet Kaiser Leopold I. in seinem Brief vom 6. Oktober 1665 vom Aufenthalt am Hof des Salzburger Erzbischofs: „Habe mich fünf Tag allda aufgehalten, und hat es alle Tag neue Intratenimenti abgeben, Comoedi, Feuerwerk und andre Sachen haben nit gmangelt.22 Schon Tage zuvor hatte sich Leopold auf seiner Dienstreise nach Innsbruck vom Reiz des Salzkammergutes fasziniert gezeigt, wie aus seinem Brief aus dem am Attersee gelegenen Schloss Kammer vom 18. September 1665 hervorgeht: „Sonsten ist unser Reis bishero glücklich und wohl abgeloffen (…) dann ich habe Zahntwehe, die macht mir nit viel Lust zum Schreiben. Aber dieser Ort ist so schön, dass ich ganz darein verliebt bin. Bin mit aller mein Zahnwehe drei Stund auf dem See herumgefahren.“ Leopolds Vorliebe für das Salzkammergut gipfelte dann 1689 im Kauf der See- und Landschlösser Orth am Traunsee samt Herrschaft, die in der Folge in Habsburgischem Besitz blieb.

Als großer Jagdfreund begab sich Leopold I. am 10. September 1680 zur Gemsjagd auf den Hohen Schrott, wo er mit seiner Gemahlin Eleonore Magdalena (seine dritte Gattin) je eine Gemse – von insgesamt 24 – erlegte. Diese Faszination, die vom Salzkammergut ausging, teilte er mit zahlreichen Habsburgern vor und nach ihm.

So hielt sich auch Leopolds Sohn Kaiser Karl VI. gerne im Salzkammergut auf und verband manche Dienstreise mit privaten Vergnügen, wie sein Abstecher ins spätsommerliche Salzkammergut des Jahres 1732 zeigt. Er besuchte am 29. August 1732 gemeinsam mit seiner Gemahlin Elisabeth Christine von Braunschweig und großem Gefolge von Linz kommend die Stadt Gmunden. Man speiste bei der Herfahrt im Kloster Lambach zu Mittag und „erlustigte“ sich unterwegs im sogenannten „Urfer“ mit „Fischstechen“. Gerade in dem Moment, als die Reisegesellschaft die Pfarre Laakirchen passierte, brach im gegenüberliegenden Ohlsdorf ein Großbrand aus, dem 13 Wohn- und Nebengebäude zum Opfer fielen. Dies veranlasste die kaiserlichen Majestäten, am nachfolgenden Tag jedem, der durch den Brand geschädigt wurde, einen „Brandsteuerbetrag“ von 25 Gulden zu überreichen. Am 30. August ergab sich dann für den leidenschaftlicher Jäger, der Kaiser Karl VI. zeitlebens war, die Möglichkeit für eine Gemsenjagd auf dem Traunstein. Am 1. September unternahmen die hohen Herrschaften einen Ausflug zum Traunfall oberhalb Lambach, um am 2. September die Reise nach Ischl anzutreten, „allwo sich allerhöchst dieselben mehrmallen mit Gambsjagden belustigten“. Am 4. September wurde die Rückreise nach Linz notwendig, da hier am 10. September die Erbhuldigung der Landstände stattfinden sollte. Es hielt ihn aber nicht lange in der Stadt, denn schon am 15. September reiste Kaiser Karl VI. erneut nach Gmunden, wo er sich bis zum 19. September „mit Gambs- und anderen Jagden“ unterhielt.23

Von der Schönheit der Landschaft zeigte sich aber auch sein Enkel und Kaiser Josef II. überwältigt, der voll Begeisterung an seine Mutter (Maria Theresia) schrieb: „Dieser Traunsee ist prächtig, und da wir gestern schönes Wetter hatten, so war die Fahrt über das Wasser bezaubernd …“ (27. Oktober 1779)

„Reisekaiser“ Franz I.

Bei allem Sparwillen bestimmten aber Traditionen und Zeremoniell über Jahrhunderte die Vorbereitungen, den Ablauf und die Zielsetzungen von offiziellen Reisen des Hofes. Diese wurden auch eingehalten, wenn eine solche Reise mehrere Ziele verfolgte. Um dabei auch die unterschiedlichsten diplomatischen Missionen, Hoheits- und Verwandtschaftsbesuche wie auch die jeweiligen Interessen des Regenten berücksichtigen zu können, bedurfte es auch noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts sehr viel Zeit.

Gerade Kaiser Franz I. (II.) sollte sich als wahrer Reisekaiser erweisen, der neben vielen zeitaufwändigen Hofreisen durch ganz Mitteleuropa auch eine Reihe kleinerer Ausfahrten bzw. Expeditionen unternahm. Nach dem Vorbild und auf Drängen seines Onkels Josef II. legte er detaillierte Reisetagebücher an, um nach Beendigung der Reise aus den Aufzeichnungen und festgehaltenen Eindrücken persönliches Wissen zu beziehen und auf deren Basis politische oder wirtschaftliche Änderungen zu prüfen. Solch detaillierte und aufschlussreiche Reisejournale hat schon Josef II. der Nachwelt hinterlassen, wobei dieser Reformkaiser seine Reiseaufzeichnungen auch als wissenschaftliche Studien begriffen wissen wollte, die er deshalb auch von Kartografen und Geografen illustrieren ließ. Josef II. hat dann diese grafisch aufbereiteten Reisejournale seiner interessierten Mutter Maria Theresia sowie ihrem Beraterkreis von Generälen und Ministern zur Einsichtnahme vorgelegt. Josef II. erhoffte sich aus dieser Vorgangsweise einen besseren Einblick in die jeweilige Lage und Probleme einzelner Provinzen seines Reichs. Der Bruder Josefs II., der Großherzog Peter Leopold und nachmalige Kaiser Leopold II., gab seinem Sohn Kaiser Franz I. den zu beherzigenden Rat: „Man muß Alles sehen und kennen lernen und die Menschen in allen beobachten und darüber urteilen können.“ Somit wurde Franz in seinen Reiseusancen nicht nur von seinem Vater Kaiser Leopold II., sondern auch von seinem Onkel Kaiser Josef II. nachhaltig geprägt, der seinen Neffen auch auf manchen Reisen begleiten durfte.

Nicht alle Reisen gestalteten sich jedoch so umfangreich wie etwa die Italienreise, die Kaiser Franz I. 1819 unternahm: Sie beanspruchte ein halbes Jahr. Während dieser langen Abwesenheit ernannte er Erzherzog Ludwig zu seinem Stellvertreter, während sich Fürst Metternich immer über wichtige Details während der Reise auf dem Laufenden halten ließ. Schon während der Vorbereitung dieser Reise wurden seitens der Wiener Beamten bei Hof die Details aus diplomatischen Gründen verschleiert. Diese Verheimlichungstaktik war vor allem gegen die Beamten des Heiligen Stuhles gerichtet, um den zahlreichen Anfragen der römischen Kurie, vor allem was politische Gespräche zwischen Kaiser und Papst betraf, auszuweichen, da solche vom Kaiser nicht gewünscht wurden. Aus dieser Haltung resultieren auch die deutlichen Unterschiede zwischen der Reiseplanung und ihrer Durchführung, über deren Details der Kaiser höchstpersönlich in seinem Reisetagebuch Auskunft gibt: „Beschreibung Meiner Reise nach Italien im Jahre 1819 Von Wien aus — durch Meine Staaten über Pontafel Nach Venedig, sofort über Rovigo – nach den Päpstlichen Legationen — dann nach dem Großherzogtume Toskana, und dessen Hauptstadt Florenz — weiter nach dem Päpstlichen Staate, und dessen Hauptstadt Rom — sofort durch denselben nach dem Königreiche Neapel und dessen Hauptstadt und ihren Umgebungen — und so wieder zurück mit etwas veränderter Reiseroute bis nach Schönbrunn. Vom l0ten Hornung bis 2ten August“.24 Dieses kulturhistorisch außerordentlich ergiebige Reisetagebuch erhellt nicht nur die Gepflogenheiten und logistischen Herausforderungen bei solchen Großunternehmungen, sondern gibt auch Einblick in seine Interessen bzw. Besuchsprioritäten. Begonnen wurde die Reise, die ihn über Neunkirchen und Bruck an der Mur in den Süden führte, am Mittwoch, den 10. Februar 1819: „Den 10ten Hornung: Von Wien bis Krieglach 10 1/2 Stunden ziemlich gut gefahren, abgelöset an den Poststationen, bis Neunkirchen mit Hof- dann mit Postpferden gefahren; in Neunkirchen im Posthause gespeiset, außer dem Ort auf der Gloknitzer Seite links wie Wir fuhren, ein 1 Stock hohes gutes Haus: in Krieglach im Posthause eingekehrt, wie Wir kamen im Orte links, mit mehreren guten Zimmern, darunter 2 grosse. Beym Kreisamte Bruck ist der Kreishauptmann Ziegler mit seinem Personale zufrieden, nur den Kreissecretair Zumenburg kann er nicht in das Amt bringen, oder hat ihn nicht hingebracht seit einem Jahr; er soll hypochondrisch seyn; er möchte tauschen mit einem Känzlisten bey einem Österreichischen Kreisamte.

Den 11ten Hornung: Bis Bruck 21/2 Stunden mit Postpferden, abgelöst an den gewöhnlichen Stationen; von Bruck bey der Post vom Platz in der Gasse fort, die Post links lassend meist, bald aus der Stadt heraus, dann zwischen Gärten mit Mauern und Häusern eine Kirche rechts, eine links; dann über die Muhr über eine hölzerne Jochbrücke; dann rechts; rechts die Muhr, der Weg an der Muhr ist aufgemauert, das Thal ziemlich breit, bebaut, in selbem sind einzelne Häuser, die Berge rechts eine Kette mit ziemlich jähen Abhängen, theils bebaut, theils Wald 3. meist Nadelholz, jene links eine niederere Kette Abhänge ziemlich jäh, eben so bebaut, meist Wald; man fährt durch ein Ort, Unterachen, von zerstreuten Häusern, links eine Kirche mit Thurm, und ein 1 Stock hohes gutes Haus bey selber, beyde nicht weit vom Wald; die Chaussee ist gut, eben, über der Muhr an selber sind einige Häuser und ein Schiffbauplatz; die Schiffe sind vom schwachen Holz, kleine Pletten, wie einer (?) Ladel; auch scheitern sie öfters bey den vielen Wehren auf der Muhr; die Weinzierlbrücke ist auch einer der gefährlicher, Punkte: von den Bergen, deren Rücken ungleich ist, gehen Schluchten herab nicht-sehr schroff; hie und da im Thal sind auch Stücke Wald, hinter den vorderen Bergen links sieht man mit Wald bewachsene höhere (…).25

Nun wollen Wir das Werk anschauen,
und dann werden Wir’s schon machen!

An seinen vielen zumeist eintägigen Ausfahrten, die beispielsweise Werkbesichtigungen oder sonstigen Inspektionen galten, musste Kaiser Franz I. auch seine wirtschaftspolitische Kompetenz und Problemlösungsbereitschaft demonstrieren, die er in der für ihn typischen hemdsärmeligen Weise auch gerne unter Beweis zu stellen suchte. Diese unnachahmliche Mischung aus kindlicher Neugierde und echter Betroffenheit belegt etwa ein zeitgenössischer Bericht über den Besuch von Kaiser Franz I. bei Andreas Töpper (gest. 1873), der am Jeßnitzbach südlich Scheibbs zwei Walzwerke und zwei Flammenöfen mit Holzfeuerung errichtet hatte und nun den Kaiser mit ambitionierten Ausbauplänen konfrontieren wollte:

„Am 20. August 1820 rollen in Grieß sechs Hofwagen an. Ihre Majestäten der Kaiser und Kaiserin Karolina Augusta, Kronprinz Ferdinand, die Prinzen Franz Karl, Johann und Ludwig, Staatskanzler Metternich, Obersthofmeister Graf Wrbna und Neuperg und einige Hofdamen entsteigen den Wagen. Meister Töpper trägt in kurzen Worten seinem Kaiser die kränkenden Verhältnisse vor, die ihn an der Arbeit und Werkausgestaltung hindern und bittet um Abhilfe. Huldvoll bemerkt der Kaiser: ,Nun wollen Wir das Werk anschauen, und dann werden Wir’s schon machen!‘ Nun geleitet Töpper die hohen Gäste in die Werksräume; er läßt die Maschinen in Umtrieb setzen. Das Eisen, das bereits in den Öfen in Glut versetzt worden war, wird vor den Augen der staunenden Gäste verarbeitet: Blechflammen werden ausgewalzt, Stangeneisen werden aus der Streckwalze ausgezogen (…). Der Kaiser tritt an ein Schneidewerk und teilt eigenhändig Bandeisen in zwei Stücke. Er bekundet Wohlgefallen an den neuartigen Werkseinrichtungen und spricht im Lärm der Hammer mit den Arbeitsmännern. Die jungen, kräftigen Burschen stammen sämtlich aus der Umgebung des Werkes, und Töpper schult sie in der Eisenverarbeitung: Meister Töpper, der einfache Zeugschmied aus dem Erzberglande, der aus eigener schöpferischer Kraft das Unternehmen emporführt! Da wendet sich der Landesfürst zum Kreishauptmann: ,Für die Werksmänner muß etwas geschehen, damit sie nicht zum Militärdienst fort müssen!‘ Und der Kreishauptmann schlägt vor: ,Majestät, vielleicht die zeitliche Befreiung!‘ Mit den schlichten Worten: ,Na gut!‘ bekundet der Kaiser seine Zustimmung. Nach einem mehr als zweistündigen Aufenthalt in Grieß setzen die hohen Gäste ihre Reise fort.“26

Töppers Präsentation hatte den Kaiser sichtlich beeindruckt, da er anschließend zu einer Audienz nach Schloss Weinzierl beordert wurde, bei der ihm der Kaiser persönlich versicherte, dass er keine Hindernisse bezüglich der Bewilligung der Neugestaltung seines Werkes mehr zu befürchten habe. Meister Töpper musste dann auf Wunsch des Kaisers an der Marschallstafel teilnehmen, wo man, so der zeitgenössische Bericht weiter „herzliche Toaste auf das Gedeihen der aufstrebenden Unternehmung ausgebracht hatte.“

Gegen Abend war wieder gutes Wetter

„Schiff mit einer Juden-Synagoge“„20–30 schwimmenden Individuen der dortigen Schwimmschule“