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Anna Santini (Hrsg.)

Die Weisheit des Orients

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Die Informationen, Empfehlungen und Anwendungen in diesem Buch wurden nach bestem Wissen zusammengestellt. Verfasser und Verlag können jedoch für gleich welche Schäden keinerlei Haftung übernehmen.

Dieses Buch basiert auf der Originalausgabe, die unter dem gleichen Titel 1999im Verlag Droemer Knaur, München, erschienen ist.

Copyright © 2013 MayaMedia GmbH Verlag Dr. Andreas Gößling, Coburg

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ISBN 978-3-944488-16-5

www.mayamedia.de

Inhalt

Einleitung

Geschichte des Islam

Mohammed –„Der Gepriesene“ (570-632)

Mohammeds Lehre

Verbreitung des Islam

Sufismus

Sufi-Weisheiten

Selbsterkenntnis und Weiterentwicklung

Saat und Ernte

Einsicht

Die Geheimnisse des Gebets

Harmonie

Absicht

Das „niedere Selbst“ (die nafs)

Das Negative

Die Liebe

Der Tanz der Derwische

Bedeutende Weise des Morgenlandes

Husain ibn Mansur al-Halladsch (gest. 922)

Schihabaddin Yahya as Suhrawardi (1156-1191)

Muhyi’uddin Ibn ’Arabi (gest. 1240)

Maulana Dschelaluddin Rumi (1207-1273)

Geschichten und Gedanken

Allah besitzt ein Getränk, das für Seine engsten Freunde bestimmt ist: Wenn sie davon trinken, werden sie berauscht, wenn sie berauscht sind, werden siefröhlich, wenn siefröhlich sind, werden sie süß, wenn sie süß sind, beginnen sie zu schmelzen, wenn sie zu schmelzen beginnen, werden sie frei, wenn sie frei sind, suchen sie, wenn sie suchen, finden sie, wenn sie finden, kommen sie an, wenn sie ankommen, werden sie (mit Ihm) eins, und wenn sie eins werden, gibt es keinen Unterschied mehr zwischen ihnen und ihrem Geliebten.

Ali Ibn Abu Talib (600-661)

Einleitung

Ihr glaubt, diese Welt sei an sich ewig
Und dauere fort aus sich selbst,
Aber in Wirklichkeit ist sie nur ein
Lichtstrahl der Wahrheit,
Und in ihr ist die Wahrheit verborgen.
Sa’d al-din Mahmud Shabistari (1250-1320)

Die Weisheit des Orients wurzelt im Islam. Die Bezeichnung „Islam“lässt sich mit „Hingabe an Gott, völlige Gottergebenheit“ übersetzen und leitet sich ebenso wie „Muslim“ von dem arabischen Wort „aslama“ ab („sich vollständig hingeben“).

Der Prophet Mohammed begründete im siebten Jahrhundert nach Christus diese arabische Form des Monotheismus. Somit ist der Islam die jüngste der großen Weltreligionen – die jüngste und vielleicht die frischeste: Ihre Weisheit ist durch Einfachheit und Tiefe, durch Witz und Poesie gekennzeichnet.

Sie trifft ins Herz, auch wenn sie auf den Kopf zielt, und entfaltet ihre Blüten im ganzen Menschen. Diese Erfahrung durfte ich machen, als mir eines Tages zufällig ein Bändchen mit orientalischen Weisheitssprüchen in die Hände fiel. Sofort faszinierten mich der eigenartige Charme, die Klugheit, aber auch das Tröstliche des orientalischen Denkens.

Ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, täglich einen Weisheitsspruch zu lesen und darüber nachzudenken. Seither ist mein Leben reicher geworden. Ich möchte gerade denjenigen Menschen, die in der Hektik des Alltags gefangen sind, empfehlen, sich hin und wieder die Zeit zu nehmen und sich dem orientalischen Denken zu öffnen.

Leider ist der Westen dem Orient und seiner Philosophie gegenüber nicht besonders aufgeschlossen. Dies liegt vor allem an dem Zerrbild vom Islam als einer bedrohlichen, aggressiven Weltanschauung, zu dessen Inbegriff die Terroranschläge auf das World Trade Center gewordensind. „Nineeleven“: Die zwei Zahlen stehen für das Datum 9. September 2001 und brauchen in der westlichen Welt keine weitere Erklärung.

Fanatische Muslime sprengen sich und andere in die Luft, im Irak, in Afghanistan. Mali und andere Länder überziehen sie mit Terrorwellen, getarnt als „Dschihad“, „Heiliger Krieg“ gegen Gottlosigkeit. Schaudernd wendet man sich ab von dieser vermeintlich rückwärtsgewandten, „im tiefsten Mittelalter verhafteten“ Weltanschauung.

Dass auch Kriminelle sich islamischer Argumente bedienen, hat dazu geführt, dass der fundamentalistische Islam zunehmend mit einer grausamen zerstörerischen Ideologie gleichgesetzt wird. Doch das ist nicht der Islam. Und schon gar nicht ist der Islam eine einheitliche Religion.

Mit diesem Buch möchte ich den Blick auf einen Islam lenken, der in einer Zeit der kulturellen Blüte großartige Denker hervorgebracht hat und bis heute eine Quelle der Inspiration für ein Leben in Weisheit und Erfüllung ist.

Seit seiner Gründung durch Mohammed hat es vielfältige Ausprägungen, Lehrmeinungen und Abspaltungengegeben. Der vorurteilslose Blick auf die Weisheiten des Korans, der großen Mystiker und Sufi-Meister fördert wahre Schatzkästchen zutage. Sie vermögen zu erfreuen und zu berühren, vermitteln plötzliche Einsichten in die Zusammenhänge und die Bedeutung unseres Daseins, und sie rühren an tiefe Sehnsüchte.

Für viele westliche Menschen bieten die östlichen Weisheiten einen ganz besonderen Vorteil: Ihre Hinweise zur richtigen Lebensführung sind geprägt von gesundem Menschenverstand und kluger Kenntnis der menschlichen Psyche.

Und sie gehen noch weit darüber hinaus: Sie haben ihre Wurzeln in einem zutiefst religiösen Denken. Ein nach moralischen Regeln geführtes Leben hilft dem Menschen, sich spirituell zu vervollkommnen. Gut denken, gut handeln, sich einordnen in den Kosmos, seinen Platz finden in der Natur und der menschlichen Gemeinschaft, weiser werden und sich Gott nähern – wie viele Menschen empfinden nicht eine tiefe Sehnsucht danach?

In der Zelle und im Kloster,
in der Kirche und in der Synagoge:
Hier fürchtet jemand die Hölle,
dort träumt er vom Paradies.
Wer die wahren Geheimnisse Gottes erkennt,
Lässt solchen Samen nicht in sein Herz sinken.
Omar Chaijam (gest. 1123)

Viele Menschen haben sich hierzulande enttäuscht von ihrer Kindheitsreligion abgewandt und finden auch in der Psychologie nicht die Erfüllung dieser Sehnsucht. Die orientalischen Weisheiten aber verbinden Psychologie und Spiritualität auf beglückende Weise und befähigen uns, ein Leben in Harmonie zu führen und seinen tieferen Sinn zu erkennen.

Wahre Schätze an Weisheit liefern die islamischen Mystiker in der ersten Hälfte des zweiten nachchristlichen Jahrtausends. Aber nicht nur die Weisheit vergangener Kulturen, sondern auch das zeitgemäße Denken der Sufi-Tradition bietet uns Heutigen ein reiches Angebot zum Nachdenken, das uns auf dem Weg zu einer höheren Bewusstheit, zu innerem Frieden und der Erkenntnis unserer Beziehung zum Göttlichen weiterbringt.

In diesem Buchhabe ich ausgewählte Weisheiten des Orientszusammengetragen: Aphorismen weiser Meister der Vergangenheit und Gegenwart ebenso wie Anleitungen zu einer spirituellen Lebensführung.

Erhellend sind einige geschichtliche Aspekte sowie die Lebensläufe großer Mystiker. Schließlich möchte ich der Frage nachgehen: Welche Bedeutung kann die Weisheit des Orients für uns westliche Menschen haben? Welche Elemente sind auch auf unser Leben anwendbar und helfenuns, ein sinnvolles, erfülltes, spirituelles Leben zu führen?

Dreißig Jahre lang habe ich Gott gesucht, und als
ich schließlich meine Augen öffnete, entdeckte
ich, dass in Wirklichkeit Er derjenige war, der michsuchte.
Abu Yazid Al-Bistami (gest. 875?)

Erhebe dich über Zeit und Raum,