Inhalt

Geleitwort

Vorwort

1. Kapitel Einführung

1.1 Der Begriff „Anleihe“

1.1.1 Was ist eine Anleihe?

1.1.2 Was sind die Merkmale einer Anleihe?

1.2 Bedeutung der Anleihemärkte

1.3 Einteilung von Anleihen

2. Kapitel Grundausprägung Fix-Kupon-Bond

3. Kapitel Emittenten und Käufer von Anleihen

3.1 Emittenten

Motivation für die Emission von Anleihen

3.2 Käufer von Anleihen

4. Kapitel Märkte

4.1 Primär-Markt

4.2 Sekundärmarkt

4.2.1 Handel professioneller Marktteilnehmer

4.2.2 Handel privater Marktteilnehmer

4.3 Der Geldmarkt

4.3.1 Der Geldmarkt im Euro-Raum

4.3.2 Geldmarktpapiere

4.4 Märkte für Regierungsanleihen

4.4.1 Der Markt für Regierungsanleihen in der BRD

4.4.2 Der Markt für Regierungsanleihen im Euro-Raum

4.4.3 Der Markt für Regierungsanleihen außerhalb des Euro-Raums

4.5 Marktkonventionen

4.5.1 Stückzinsberechnung und Preis-Quotierung

4.5.2 Day Count Conventions

4.5.3 Kuponzahlungstermine und Day Roll Conventions

5. Kapitel Zinskurven

5.1 Zero-Kupon-Raten

5.2 Par-Kupon-Raten

5.3 Berechnung von Zero-Raten

5.4 Berechnung von Diskontfaktoren

5.5 Forward-Raten

5.6 Zinskurvenaufbau

6. Kapitel Renditeberechnung

6.1 Yield to Maturity

6.2 Weitere Renditeberechnungen

6.2.1 Rendite für Zero-Bonds

6.2.2 Rendite für Floating Rate Notes

6.2.3 Rendite für kündbare Anleihen

6.2.4 Optionsfreie Rendite

6.2.5 Rendite für Amortizing Bonds

6.2.6 Rendite für Geldmarktpapiere

6.2.7 Rendite für ewig laufende Anleihen – Perpetuals

6.2.8 Emissionsrendite

6.2.9 Rendite für ein Portfolio von Anleihen

6.2.10 Nominalrendite

6.2.11 Current Yield

6.2.12 Simple Yield to Maturity

6.2.13 Rendite für Inflation-Linked-Bonds

7. Kapitel Repos und Wertpapierleihe

8. Kapitel Übersicht und Orientierungshilfe

9. Kapitel Bewertung

9.1 Fix-Kupon Bond

9.1.1 Bewertung mit einer Zinskurve

9.1.2 Bewertung mit einer Zinskurve + Credit-Spread

9.1.3 Bewertung mit einem Intensitätenmodell

9.1.4 Pull to Par- und Zinskurveneffekt

9.2 Zero-Bonds

9.3 Step-Up / Step-Down Bonds und Amortizing-Bonds

9.4 Floating Rate Notes

9.4.1 Produktbeschreibung

9.4.2 Bewertung

9.4.3 Chance / Risiko

10. Kapitel Chance / Risiko

10.1 Zinsrisiko

10.1.1 Risikokennziffern

10.1.2 Absicherung des Zinsrisikos von Anleihen

10.2 Kreditrisiko

10.2.1 Rating-Einstufungen

10.2.2 Credit Default Swaps

10.3 Liquiditätsrisiko

11. Kapitel Unbesicherte Anleihen

12. Kapitel Besicherte Anleihen

12.1 Besichert mit gesetzlicher Regelung – Covered Bonds

12.1.1 Pfandbrief

12.1.2 Covered Bonds außerhalb Deutschlands

12.2 Besichert ohne gesetzliche Regelung – Structured Covered Bonds

13. Kapitel Hybrid-Anleihen

13.1 Nachrangige Anleihen

13.2 Genussscheine

13.3 Wandelanleihen – Convertibles

13.3.1 Produktbeschreibung

13.3.2 Bewertung

13.3.3 Begriffe und Kennzahlen

13.3.4 Chance / Risiko

14. Kapitel Unternehmensanleihen

15. Kapitel Junk Bonds – Ramschanleihen

16. Kapitel Strukturierte Anleihen

16.1 Kündbare Anleihen

16.1.1 Callable Bonds

16.1.2 Putable Bonds

16.2 Multitranche Notes

16.3 Floating Rate Notes mit Zinsbegrenzung

16.4 Reverse Floating Rate Notes und gehebelte Reverse Floating Rate Notes

16.4.1 Reverse Floating Rate Notes

16.4.2 Gehebelte Reverse Floating Rate Notes

16.5 Rest in Arrears Floater

16.6 Kapitalmarkt-Floater

16.6.1 CMS-Floater

16.6.2 CMS-Spread-Floater

16.6.3 CMS-Volatility-Floater

16.7 Inflation-Linked Bonds

16.7.1 Produktbeschreibung

16.7.2 Bewertung

16.7.3 Chance / Risiko

16.8 Range-Accrual-Notes

16.9 Credit-Linked-Notes

17. Kapitel Asset Backed Securites

17.1 Grundprinzip

17.2 Tranchenbildung

17.3 Motivation für ABS-Transaktionen und Teilnehmer

17.3.1 Motivation

17.3.2 Teilnehmer

17.4 Produktarten

17.4.1 Grundrechtlich besicherte Mortgage Backed Securities

17.4.2 Forderungsrechtlich besicherte Asset Backed Securities

17.4.3 Collateralized Debt Obligations

17.5 Begriffe und Kennzahlen zu Asset Backed Securities

17.5.1 Allgemeine Begriffe

17.5.2 Fälligkeiten

17.5.3 Credit Enhancement und Quality Tests

17.5.4 Weitere Tranchen

17.6 Bewertung und Chance / Risiko

18. Kapitel Weitere Bond-Arten

18.1 Aktienanleihen

18.2 Anleihen mit Ratingabhängigem Kupon

18.3 Ewig laufende Anleihen, Perpetuals

18.4 Extendible Bonds

18.5 Fremd– und Doppelwährungsanleihen

18.5.1 Fremdwährungsanleihen

18.5.2 Dual Currency Bonds

18.5.3 Anleihe in Währung B, mit Zahlungen in Währung A

18.6 Katastrophenanleihen, Cat-Bonds

18.7 Loan Participation Notes

18.8 Medium Term Notes

18.9 Multiissuer Bonds

18.10 Schuldscheindarlehen

18.10.1 Produktdarstellung

18.10.2 Besonderheiten bei Handel und Bewertung

18.11 Sparbriefe

18.12 Stripped Bonds

18.13 Sukuk – Anleihen nach islamischem Recht

19. Kapitel Nebenabreden – Covenants und besondere Kündigungsrechte

Glossar

Literaturverzeichnis

Anmerkungen

Sachverzeichnis

Impressum

Geleitwort

Es ist immer eine Freude, auch nach langen Jahren im Berufsleben erfolgreichen früheren Studierenden zu begegnen. Dies gilt erst recht dann, wenn sie neben dem beruflichen Alltag Zeit und Energie für Veröffentlichungen aufbringen, in denen sie praktische Erfahrungen mit theoretischer Analyse verbinden. Dies gilt in ganz besonderem Maße für dieses Werk. Der Verfasser beherrscht nicht nur die Materie, eine Selbstverständlichkeit. Es ist ihm darüber hinaus eine ebenso präzise wie konzise Darstellung gelungen, die nicht zuletzt durch ihren klaren Aufbau und die schnörkellose Darstellung besticht. Ich wünsche dem Buch den verdienten Erfolg.

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Otmar Issing

Ehemaliger Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank, ehemaliges Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank und der Deutschen Bundesbank, ehemaliges Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Vorsitzender der von der Bundesregierung berufenen Expertenkommission für eine neue Finanzarchitektur („Issing-Kommission“), Präsident des Center for Financial Studies an der Goethe Universität Frankfurt sowie diverse weitere Mandate

Vorwort

„Das Auseinanderfallen, also die Ungewissheit ist dieser Zeit eigen: nichts steht auf festen Füßen und hartem Glauben an sich: man lebt für morgen, denn das Übermorgen ist zweifelhaft. Es ist Alles glatt und gefährlich auf unsrer Bahn, und dabei ist das Eis, das uns noch trägt, so dünn geworden: wir fühlen Alle den warmen, unheimlichen Athem des Thauwindes – wo wir noch gehen, da wird bald Niemand mehr gehen können.“

Friedrich Nietzsche 1

In diesem Sinne: Betreten wir das Eis des Kapitalmarktes. Mit dem richtigen Rüstzeug ist es nicht sehr glatt und so dünn wie man meint ist es auch nicht.

Die Informationen und Fakten, die allgemein frei verfügbar sind, nehmen nicht nur durch das Internet stark zu. Diese freie Verfügbarkeit ist ein entscheidender Vorteil. Die Vielzahl der erhältlichen Fakten macht es jedoch schwieriger, den Überblick zu behalten und das Relevante von dem Irrelevanten zu trennen. Dasselbe trifft auf die Qualität zu. Es wird nicht einfacher, die gesicherten von den ungesicherten Informationen zu trennen. Viele Informationen zu erhalten muss daher nicht immer ein Vorteil sein, da zuviel davon den Blick für das Wesentliche verstellen kann. Entscheidend ist das Herausfiltern der relevanten Punkte und das anschließende Zusammenfügen, um ein möglichst realistisches Gesamtbild zu erhalten.

An den Finanzmärkten verhält es sich ähnlich. Es werden ständig neue Produkte kreiert. Manche davon stellen etwas Neues dar, andere sind nur eine leichte Abwandlung eines bereits bestehenden Produktes. Genauso werden auch die Märkte selber immer größer. An dieser Stelle ist es hilfreich, einen Leitfaden zu haben, um den Überblick zu behalten. Dieser Leitfaden soll hier für die Anleihemärkte und deren Produkte gegeben werden.

Anleihen können sehr sichere Investments sein, aber auch sehr riskante Anlagen mit einem Risikogehalt vergleichbar zu Aktien. Wird von einem festverzinslichen Wertpapier gesprochen, ist daher keineswegs gewährleistet, dass es sich um ein risikoarmes Produkt handelt. Möglichen Risiken stehen natürlich auch die entsprechenden Chancen gegenüber. Es ist daher notwendig, die Produkte zu verstehen und zu wissen, wo die Risiken liegen, bzw. die Marktfaktoren’zu kennen, die für die Wertveränderungen in den Produkten sorgen.

Von Warren Buffet stammt die Aussage, dass er nur in Aktiengesellschaften investiert, deren Geschäftstätigkeit er versteht. Auf Anleihen übertragen heißt das, dass man nur dann investieren sollte, wenn man die Produkte versteht und sich über die Chancen und Risiken im Klaren ist. Diese Notwendigkeit besteht für alle Investorengruppen, egal ob es sich um private Anleger handelt oder um Professionelle. In den folgenden Kapiteln erhält der Leser die Möglichkeit, sich dieses Wissen anzueignen oder zu vertiefen. Diese Kenntnisse kann man in die folgenden Punkte unterteilen:

  1. Aufbau der Anleihe-Märkte
  2. Aufbau der Produkte und deren Funktionsweise
  3. Chancen und Risiken
  4. Methoden die Produkte zu bewerten

Der Handel von Anleihen findet überwiegend zwischen professionellen Marktteilnehmern statt. Für Außenstehende, insbesondere private Anleger ist ein Zugang zu diesen Märkten schwierig. Private Anleger können zwar selber aktiv handeln, ein Verständnis für die Märkte zu entwickeln braucht jedoch seine Zeit. Es ist daher ein Anliegen, die Funktionsweise der Anleihe-Märkte zu vermitteln. Das betrifft auch Fragen zu den Marktteilnehmern, dem Handel der Produkte und dem Zusammenhang zwischen den Märkten. Nicht nur die einzelnen Produkte haben eine unübersichtliche Vielzahl erreicht, auch die Handelsusancen sind in den verschiedenen Märkten nicht einheitlich. Selbst professionellen Marktteilnehmern fällt es hier schwer, den Überblick zu bewahren. Auch hier soll Orientierungshilfe gegeben werden.

Waren am Anfang die Produkte an den Kapitalmärkten noch vergleichsweise einfach aufgebaut, wurden sie mit der Zeit immer strukturierter und komplexer. Ziel ist es, möglichst umfassend die wichtigsten Anleiheprodukte darzustellen. Bei der Darstellung der Produkte und deren Bewertungsmodelle wurde Wert auf die Praxisrelevanz gelegt, damit der Leser die Erkenntnisse auch anwenden kann.

Angesprochen sind unter anderem private Anleger, die eine verständliche und gleichzeitig detaillierte Hinführung an die Produktgruppe Anleihen und ihre vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten suchen. Ihnen wird ein Überblick über die Märkte mit den Produktausprägungen gegeben und ein fundiertes Grundwissen vermittelt, damit sie eigenständig und vor allem erfolgreich mit diesen Finanzinstrumenten umgehen können. Es werden keine Anlageempfehlungen ausgesprochen. Der Leser kann vielmehr anhand seiner eigenen Risikoneigung entscheiden, welches Produkt für ihn geeignet ist.

Eine weitere Zielgruppe sind professionelle Investoren, Fondsmanager und Händler bei Banken, die einen Überblick über den Markt und die verschiedenen Zinsprodukte wünschen und Informationen zu Details und komplexeren Instrumenten suchen. Hier kann der Band auch als Nachschlagewerk dienen. Dasselbe gilt auch für andere professionelle Marktteilnehmer, wie z.B. Bankmitarbeiter und Risikocontroller, die eine detaillierte Analyse der jeweiligen Produkte benötigen, mit den entsprechenden Modellen und Parametern für eine Bewertung und Risikomessung. In den tiefergehenden Betrachtungen der Instrumente werden auch die wissenschaftlichen Aspekte von Anleihen behandelt. Dabei wird unter anderem die Preisbildung der Instrumente erläutert, Zinskurvenaufbau, Risikokennziffern von Anleihen wie Duration, Konvexität und Rendite sowie die Bewertung und Risiken strukturierter Anleihen. Bei den Risikoarten liegt ein besonderer Focus auf dem immer wichtigeren Kreditrisiko.

Zum Gebrauch:

Für Leser, die mit der Materie weniger vertraut sind, ist das Buch so aufgebaut, dass zunächst mit den einfachen Produkten und den Grundlagen begonnen wird und dann auf verständliche Weise, Schritt für Schritt, auch die komplexeren Sachverhalte dargelegt werden. Zunächst werden die grundlegenden Produkte, wie Fix- Kupon Bond und Floating Rate Note, mit deren Aufbau, Funktionsweise und Preisbildung erläutert. Je nach Interesse kann der Leser dann auch zu den komplexeren strukturierten Produkten vorstoßen.

Für die einzelnen Instrumente wird zunächst in der Produktbeschreibung die Funktionsweise dargestellt, anschließend die Methoden zur Bewertung und danach die Chancen und Risiken.

Einen raschen Überblick und ein Verständnis für das Produkt geben die Produktbeschreibung am Anfang des Kapitels und das Aufzeigen der Chancen und Risiken am Ende des einzelnen Kapitels. Leser, die einen tieferen Einblick in die Bewertungsmethode und Funktionsweise der betreffenden Anleiheausprägung wünschen, können das gesamte Kapitel durcharbeiten.

Durch die umfangreiche Behandlung der Themen wird der versierte Leser Punkte finden, die ihm möglicherweise bekannt sind. Er kann dann die entsprechenden Kapitel ohne weiteres überspringen und sich den für ihn interessanten Themen zuwenden.

Berlin, im Januar 2012

Hans Diwald

1. Kapitel

Einführung

1.1  Der Begriff „Anleihe“

Wenn man Anleihen kauft, hat man Glauben. Nicht den Glauben an Gott oder eine höhere Gewalt, sondern den Glauben, dass der Schuldner das geliehene Geld mit Zinsen wieder zurückgibt. Anleihen sind prinzipiell nichts anderes als Kredite und Kredit kommt von dem lateinischen credere = glauben. Leider hat man lernen müssen, dass in diesem Fall der Glaube allein nicht ausreichend ist. Deswegen lässt sich der Gläubiger das Recht einräumen, auf Güter des Schuldners zurückzugreifen, falls dieser in Zahlungsverzug gerät.

Die ersten Kredite fanden in Naturalform statt, z. B. in Gütern oder Lebensmitteln. Kredite in Naturalform haben zahlreiche Nachteile. Es ist nicht sichergestellt, dass der Kreditgeber ein Gut in gleicher Qualität zurückerhält und Lebensmittel sind nicht lange haltbar. Durch die Nutzung von Getreide, das länger haltbar und von der Qualität eher vergleichbar ist, hat man versucht diese Nachteile abzuschwächen. Kredite hatten zunächst einen wirtschaftlichen Hintergrund, wenn z. B. Saatgut benötigt wurde, konnte man es sich leihen und später nach der Ernte mit Zinsen wieder zurückgeben. Kredite konnten aber auch aus Not entstehen, wenn der Ertrag des Grund und Bodens nicht ausreichend war, um sich und die Familie zu ernähren. Sehr oft führte das in die Schuldknechtschaft, die es sowohl im Altertum als auch später im Abendland gab. War der Schuldner nicht in der Lage, seinen Verpflichtungen nachzukommen, konnte der Gläubiger sein Eigentum verwerten, über ihn (seinen Leib) verfügen und im schlimmsten Fall auch seine Familie, Frau und Kinder verkaufen oder töten.

Zinsen entstanden als Ersatz für Arbeitsleistung und Abgaben auf den Kredit. Der Schuldner konnte durch eigene Arbeitsleistung die Zinszahlungen sicherstellen, dies jedoch unbehelligt vom Gläubiger tun. Der Gläubiger wiederum hatte regelmäßige Einnahmen für seinen Lebensunterhalt und für die Sicherstellung der eigenen Liquidität. Die Übertragung des Kredites an einen Dritten ermöglichte es dem Gläubiger größere Zahlungen zu erhalten, falls diese im Vertrag nicht vorgesehen waren. Das setzt das Festhalten des Kredits in schriftlicher Form voraus. Die schriftliche Form verringert auch mögliche Unklarheiten und daraus resultierende Streitigkeiten. Da im Altertum ein Großteil der Bevölkerung weder schreiben noch lesen konnte, wandten sich Kreditgeber und Kreditnehmer, zu der Festhaltung des Vertrages, an Priester in den Tempeln. Als Vertreter der göttlichen Macht genossen sie ein hohes Ansehen und verfügten wegen der zahlreichen Abgaben, die als Tribut an die Gottheit entrichtet wurden, über einen großen Reichtum und wirtschaftlichen Einfluss. So war es eine natürliche Folge, dass die Priester selber auch als Kreditgeber fungierten. Kredite und Zinsen waren für die positive wirtschaftliche Entwicklung ein entscheidender Faktor. Kreditaufnahme aus Not, das Leid und Unrecht durch die Schuldknechtschaft und der Missbrauch durch zu hohe Zinsen, den Wucher, führten dazu, dass das Nehmen von Zinsen vielerorts in Verruf geriet. Andererseits wurde der Vorwurf des Wuchers häufig dafür verwendet, um gegen die Gläubiger zu polemisieren mit dem Ziel, die Rückzahlungen nicht zu leisten.

Die Entwicklung des Kreditwesens verlief über die die Kulturen gesehen nicht linear. Während sich im Abendland das Kreditwesen relativ spät entwickelte, gab es im alten Rom und in Ägypten ein weit entwickeltes Bankensystem. Bereits im alten Babylonien 2000 Jahre v. Chr. gab es Darlehensverträge und interessanterweise auch „… Schuldscheine, welche die Form so genannter Inhaberpapiere haben, d. h. den Charakter eines Wertpapiers. Der Schuldner verpflichtet sich darin, nicht nur dem Gläubiger Zahlung zu leisten, sondern jedem, der ihm die Urkunde präsentiert. Der Schuldschein kann also vom Gläubiger – wie ein Wechsel – nach Belieben weitergegeben werden und verwertet werden.“2 In den Anfangszeiten des Anleihemarktes, wie wir ihn in der Neuzeit kennen, waren die Mittel, die durch den Verkauf der Anleihen aufgenommen wurden, sehr oft zweckgebunden und dienten z. B. der Finanzierung bestimmter Projekte, wie dem Bau von Eisenbahnlinien, Schifffahrtsprojekten, Erschließung von Rohstoffvorkommen oder auch der Kriegsfinanzierung. Gerade für die Kriegsfinanzierung war und ist die Aufnahme von Krediten und der Verkauf von Anleihen ein sehr beliebtes Mittel. So z. B. in Rom zu der Zeit des 2. Punischen Krieges (218 – 201 v. Chr.): „Andererseits nahm der Staat auch das Geld seiner Bürger in Zeiten der Not in Anspruch, so im zweiten Punischen Kriege, wo der Staat Geld und edles Metall einzog und die Namen der Geber in der Liste der „öffentlichen Anleihe“ eintrug.“3 , 4 Der Templer-Orden stellte Kredite zur Finanzierung der Kreuzzüge zur Verfügung, im ersten Weltkrieg legten sämtliche Kriegsteilnehmer Kriegsanleihen auf und die britische Kriegsanleihe von 1932 (3,50 % War Loan) wird, mit einem ausstehenden Volumen von ca. 2 Mrd. Pfund, auch heute noch aktiv an den Börsen gehandelt. Diese Zweckgebundenheit ist mittlerweile, gerade bei den öffentlichen Emittenten, nur noch selten gegeben. Es ist kaum noch nachvollziehbar, für welchen Zweck die Einnahmen aus der Emission einer Staatsanleihe verwendet werden. Meistens verschwinden die Mittel im schwarzen Loch der Haushaltsfinanzierung.

1.1.1  Was ist eine Anleihe?

Der Begriff Anleihe ist nicht eindeutig geregelt. Die Vielzahl der am Kapitalmarkt gehandelten Instrumente und die häufigen Überschneidungen bei der Ausgestaltung dieser Instrumente erschwert eine eindeutige Definition. Bei der Begriffsbestimmung kann man die gesetzlichen Bestimmungen mit heranziehen und die Begriffe, die im Markt gebräuchlich sind.

Definition:

Eine Anleihe oder Bond kann als Kredit definiert werden, für den, statt einem Kreditvertrag, die Form des handelbaren Wertpapiers gewählt wurde. Der Kreditgeber (Käufer der Anleihe) gibt dem Kreditnehmer (Emittent) einen Geldbetrag und erhält im Gegenzug während der Laufzeit Zinszahlungen (Kupon) und am Ende Laufzeit den Geldbetrag (Tilgung) zurück.

Wertpapiere sind handelbar, wenn sie a) vertretbar, d. h. untereinander austauschbar, fungibel und b) zirkulationsfähig, d. h. frei übertragbar sind.5 Wenn die Handelbarkeit an den Kapitalmärkten gegeben ist, hat man ein Wertpapier gemäß § 2 (1) Wertpapierhandelsgesetz – WpHG: „Wertpapiere im Sinne dieses Gesetzes sind, auch wenn keine Urkunden über sie ausgestellt sind, alle Gattungen von übertragbaren Wertpapieren mit Ausnahme von Zahlungsinstrumenten, die ihrer Art nach auf den Finanzmärkten handelbar sind …“ Das Wertpapierhandelsgesetz unterscheidet zwischen 1. Aktien, 2. anderen Anteilen und 3. Schuldtiteln. Anleihen kann man bei den Schuldtiteln unter § 2 (1) 3. a) WpHG bzw. § 1 Abs. 11 KWG einsortieren: „Schuldtitel, a) insbesondere Genussscheine und Inhaberschuldverschreibungen und Orderschuldverschreibungen sowie Zertifikate, die Schuldtitel vertreten …“

Eine Anleihe mit einer festen Laufzeit, festem Kupon und einer fixierten Tilgung, d. h. Rückzahlung des Kapitals am Ende der Laufzeit, ist die bekannteste Ausprägung. Sie wird auch „Fix-Kupon Bond“, „Straight Bond“ oder „Plain Vanilla Bond genannt. Der Nominalzinssatz orientiert sich meist an dem am Emissionszeitpunkt geltenden Marktzinssatz und wird in der Regel entweder halbjährlich oder jährlich gezahlt. Der Effektivzinssatz, die Rendite ist dagegen abhängig vom Nominalzinssatz, dem Kurs und der Restlaufzeit der Anleihe. Auf diese Form der Anleihe trifft der Begriff festverzinsliches Wertpapier zu.

Im Laufe der Zeit sind eine Vielzahl von verschiedenen Ausprägungen entstanden: variabel verzinsliche Anleihen, Anleihen mit sich änderndem Kupon, vorzeitigen Tilgungen oder mit eingebetteten Derivaten, wie z. B. Kündigungsrechten (Call). Aus diesem Grund ist die obige Definition nicht allgemeingültig. Die Vielzahl der vorhandenen Ausprägungen macht eine Abgrenzung zu anderen Kapitalmarktinstrumenten, wie z. B. Zertifikaten, nicht einfach. Oft gibt es hier Überschneidungen. Zertifikate verbriefen dem Anleger oft die Teilnahme an der Kursentwicklung anderer Wertpapiere, Finanzprodukte oder Indizes. Im Gegensatz zu Anleihen gibt es hier jedoch meist keine Kapitalzahlungen am Anfang und am Ende der Laufzeit. Zertifikate kann man somit unter § 2 (1) 3. b) WpHG einordnen: „ … sonstige Wertpapiere, die zum Erwerb oder zur Veräußerung von Wertpapieren nach den Nummern 1 und 2 berechtigen oder zu einer Barzahlung führen, die in Abhängigkeit von Wertpapieren, von Währungen, Zinssätzen oder anderen Erträgen, von Waren, Indices oder Messgrößen bestimmt wird.“ Anleihen dagegen zahlen Zinsen und der Wert der Anleihe ist i. d. R. primär abhängig von dem Zinsniveau am Markt und dem Bonitätsspread des Emittenten.6

Als weiteres Kriterium für eine Anleihe wird oft die Laufzeit am Emissionszeitpunkt verwendet. Bei einer sehr kurzen Laufzeit wird sie den Geldmarktinstrumenten zugeordnet. Als Grenze wird meistens eine Ursprungslaufzeit von einem Jahr genommen.

Anleihen stellen aus Sicht des Emittenten Fremdkapital dar. Anleiheinvestoren erhalten Ausschüttungen, die nicht an die Geschäftsentwicklung des Emittenten gekoppelt sind und die der Emittent auch im Falle eines Verlustes zu leisten hat. Aktien dagegen zählen zum Eigenkapital des Unternehmens. Käufer von Aktien werden Miteigentümer des Unternehmens und erhalten Ausschüttungen (Dividende), die abhängig von der Gewinnentwicklung des Unternehmens sind. Es gibt allerdings auch hybride Anleihen, die dem Eigenkapital zugerechnet werden und deren Zinszahlung von dem Gewinn des Unternehmens abhängig ist. Hier wird deutlich, dass es sich um zwei verschiedene Anlage-Klassen handelt, mit unterschiedlichen Einflussgrößen. Die Gewinnentwicklung des Unternehmens hat auf den Wert der Aktie einen direkten Einfluss. Entstehen im Unternehmen Verluste, sinkt die Kreditwürdigkeit des Schuldners und wird über Kursverluste auch den Wert der Anleihe verringern. Dieser Einfluss ist aber indirekt, da der Emittent die Zinszahlungen weiter leisten muss. Dagegen hat die Zins- und Inflationsentwicklung am Markt einen direkten Einfluss auf den Wert einer Anleihe, der in dieser Form bei Aktien nicht gegeben ist.

1.1.2  Was sind die Merkmale einer Anleihe?

Eine Anleihe wird durch die folgenden Merkmale bestimmt:

Diese Basismerkmale einer Anleihe können sich im Detail von Anleihe zu Anleihe stark unterscheiden.

Ausgabe: Die Ausgabe von Anleihen kann in Form einzelner physischer Urkunden erfolgen, mit dem Mantel, der die Forderung verbrieft und dem Bogen mit den Zinsscheinen. Das ist jedoch mittlerweile unüblich geworden, da die Ausstellung einer Urkunde nicht mehr notwendig ist und Kosten verursacht. Die Verwahrung erfolgt jetzt meistens in elektronischer Form bei den Lagerstellen. Es kann eine Globalurkunde , d. h. eine Sammelurkunde ausgestellt werden, die anstelle mehrfacher Einzelurkunden gedruckt wird und bei einer Wertpapiersammelbank hinterlegt wird. Die einzelnen Wertpapierinhaber halten dann durch einen elektronischen Eintrag auf dem Wertpapierkonto Anteile an der Globalurkunde. Auch die Globalurkunde ist nicht mehr notwendig. Der elektronische Eintrag in einem Schuldbuch ist ausreichend. Wird keine Urkunde ausgestellt, dann spricht man auch von einem Wertrecht. Es handelt sich nicht mehr um eine Verbriefung im klassischen Sinne. Ein Beispiel hierfür sind Bundesanleihen. Hier erfolgt der Eintrag in das Bundeschuldbuch in elektronischer Form. Die Ausgabe in Form von Wertrechten spart Kosten und erhöht die Verlustsicherheit.

Rechtliche Form und Übertragung: Auch die Besitzübertragung des Wertpapiers erfolgt meistens nicht mehr durch physische Lieferung, sondern durch einen elektronischen Eintrag auf dem Wertpapierkonto. Das ist auch abhängig von der rechtlichen Form. Die beiden wichtigsten Formen sind Namenspapiere und Inhaberpapiere:

Inhaberpapiere: Es handelt sich um die vorherrschende rechtliche Form bei Anleihen. Bei einer Inhaberschuldverschreibung ist der Besitz ausreichend, um die verbrieften Ansprüche aus dem Papier geltend machen zu können. Der Schuldner ist verpflichtet, Zins und Tilgung an den jeweiligen Besitzer (Inhaber) des Papiers zu zahlen. Auf dem Papier wird nicht festgehalten, wer der Eigentümer ist. Es gilt daher Besitz = Eigentum. Das macht die Übertragung schnell und unkompliziert. Bei Aktien spricht man von Inhaberaktien und bei Anleihen von Inhaberschuldverschreibungen. Üblicherweise wird bei Inhaberpapieren eine Identifikationsnummer wie z. B. eine ISIN oder WKN vergeben.

Namenspapiere: Im Gegensatz zu Inhaberpapieren wird bei Namenspapieren auf der Urkunde festgehalten, wer der Gläubiger ist. Das erhöht die Sicherheit für den Gläubiger, da ein Missbrauch erschwert wird. Im Gegenzug wird die Übertragung erschwert, da die Übertragung durch Abtretung und Übergabe erfolgt und auf der Urkunde vermerkt wird, wer der neue Gläubiger ist. Zu den Namenspapieren gehören z. B. Namenspfandbriefe und Schuldscheindarlehen (keine Anleihe und kein Wertpapier). Namenspapiere werden auch „Rektapapiere“ genannt.

1.2  Bedeutung der Anleihemärkte

Eine Rente ist ein Einkommen, das nicht auf einer Arbeitsleistung, sondern als Boden- oder Kapitalrente (Kapitalzins) auf Vermögen beruht. Deshalb wird der Markt für festverzinsliche Wertpapiere auch Rentenmarkt genannt. Der Rentenmarkt steht im Gegensatz zum Aktienmarkt, dem Markt für Beteiligungspapiere. Beide zusammen bilden den Kapitalmarkt im engeren Sinne (Markt für langfristige Wertpapiere). Er dient im Gegensatz zum Geldmarkt (Markt für kurzfristige Einlagen bzw. Kredite) der langfristigen Finanzierung. Am Kapitalmarkt finanzieren sich in der Bundesrepublik neben Bund und Ländern auch Kreditinstitute, Banken, Sparkassen und Unternehmen. Auch ausländische Unternehmen und Regierungen haben Zugang zum deutschen Kapitalmarkt. Der Kapitalmarkt im weiteren Sinne ist der Markt für langfristige Kredite und Kapitalanlagen. An ihm wird Kapital als Kredit angeboten und nachgefragt, so z. B.: Hypothekenkredite, Investitionskredite, langfristige Finanzierungskredite und finanzielle Beteiligungen.

Anleihen standen in der Beachtung der Öffentlichkeit lange Zeit im Schatten der Aktien. Tatsache ist aber, dass die Rentenmärkte, sowohl bezüglich des Emissionsvolumens als auch bezüglich des Handelsvolumens, wesentlich stärker entwickelt sind als die Aktienmärkte. Nach Angaben der Europäischen Zentralbank hatte das ausstehende Volumen der Schuldverschreibungen, begeben von Emittenten mit Sitz im Euroraum, im Juni 2011 einen Nominalwert von 16.221 Mrd. €7 . Der Marktwert der Aktienprodukte betrug dagegen 4.741 Mrd. €8. Einen solchen Vergleich muss man immer mit einer gewissen Skepsis betrachten, da es sich um zwei verschiedene Anlageklassen handelt. Er kann einem jedoch die Größe und das Verhältnis der Märkte zueinander vermitteln. Der Einfluss des Anleihemarktes auf die anderen Sektoren des Finanzmarktes, aber auch auf die reale Wirtschaft ist enorm. Die Finanzkrise der Jahre 2007 bis 2010 und die europäische Schuldenkrise seit 2010 hat auch der breiteren Öffentlichkeit recht direkt vermittelt, welche Bedeutung die Anleihemärkte haben, welche Risiken entstehen können, aber auch welche Chancen bestehen.

Abb. 1.1: Aufteilung des Finanzmarktes

Der Einfluss der Anleihemärkte reicht weiter, als man zunächst vermutet und auch als einzelner Bürger kann man sich diesem Einfluss oft nicht entziehen. Sinkt z. B. das Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit des Staates, werden Investoren seine Anleihen nur zu niedrigeren Preisen bzw. höheren Zinsen kaufen. Gestiegene Zinsen erhöhen die Kosten für die Staatsschulden, die einen bedeutenden Posten im Haushalt darstellen. Das Geld fehlt dann an anderer Stelle. Die Märkte können hier aber auch disziplinierend wirken. Die Regierungen stehen nämlich vor der Wahl, höhere Zinsen zu zahlen und im schlimmsten Fall keinen Kredit mehr zu erhalten oder die Ausgaben einzuschränken, Glaubwürdigkeit herzustellen und im Gegenzug dann nur niedrigere Zinsen zahlen zu müssen.

Die einzelnen Bürger spüren gestiegene Zinsen sehr schnell am eigenen Geldbeutel in Form von teureren Krediten, Hypotheken- und Kontokorrentkrediten. Andererseits steigen damit auch die Erträge bei Lebensversicherungen und eröffnen die Möglichkeit, Geld ertragbringender anzulegen. Anleihen werden im Vergleich zu Aktien attraktiver und der kreditfinanzierte Kauf von Aktien wird teurer. Sinkende Zinsen dagegen veringern die Erträge der Sparer, können aber stimulierend auf die wirtschaftliche Entwicklung wirken. Das waren einige wenige Beispiele für die „Macht“ der Rentenmärkte. Nicht umsonst hat James Carville, der ehemalige Berater von Präsident Bill Clinton, in seiner vielzitierten Bemerkung festgestellt: „Im Falle einer Wiedergeburt wollte ich immer als Präsident oder Papst zurückkommen. Jetzt aber möchte ich der Rentenmarkt sein: Man kann jedermann einschüchtern.“9

Anleihen sind Schuldverschreibungen und sind somit ein Teil der noch größeren Gruppe der Schulden. Abb. 1.2 zeigt das Volumen der Schulden der USA Ende Juni 2011:

Abb. 1.2: Volumen der ausstehenden Schulden der USA in Mrd. US-Dollar, Juni 2011 (Quelle: Federal Reserve)10

Im weltweiten Vergleich haben die USA, gemessen am ausstehenden Volumen mit 32 Tausend Milliarden US-Dollar per März 2011, den größten Markt für Schuldverschreibungen.

Abb. 1.3: Markt für Schuldverschreibungen der entwickelten Länder per März 2011. Ausstehendes Volumen, Aufteilung nach Sitz des Emittenten.11 (Quelle: BIS)

1.3  Einteilung von Anleihen

An den Märkten existiert eine immense Vielfalt an Anleihen. Hier den Überblick zu behalten ist nicht einfach. Eine Einteilung der Anleihen in Gruppen oder Kategorien ist daher hilfreich und kann folgendermaßen vorgenommen werden:

Rechtliche Form: Die Unterscheidung erfolgt in Inhaberpapiere und Namenspapiere.

Einteilung nach dem Emittenten: Die Emittenten werden in der Regel in die Gruppen öffentliche Emittenten, Kreditinstitute und Unternehmen eingeteilt.

Markt: Der Markt kann nach der Lokalität, wie z. B. Handel in den USA oder Europa, unterschieden werden. Bezogen auf die Anleihe selber, teilt sich der Markt in den Primär- und Sekundärmarkt.

Ausgestaltung: Jeder Emittent, egal ob es sich um einen öffentlichen Emittent, Bank oder Unternehmen handelt, ist zunächst frei in der Ausgestaltung der Anleihe. Er kann auf seine eigenen Bedürfnisse und auf Kundenwünsche eingehen. Die Papiere können in verschiedener Ausgestaltung verkauft werden, z. B. als Anleihen mit fixer oder variabler Verzinsung, kündbare oder strukturierte Anleihen. Für einzelne Institute und Produkte gibt es jedoch Beschränkungen. So können z. B. Pfandbriefe nur von den Banken emittiert werden, die die Bedingungen des Pfandbriefgesetzes erfüllen.

Sicherungsart: Prinzipiell unabhängig von dem Emittenten und der Ausgestaltung der Anleihe kann es verschiedene Sicherungsarten geben. Bei unbesicherten Anleihen haftet der Emittent mit seinem Vermögen. Für besicherte Anleihen wird eine gesonderte Sicherungsmasse hinterlegt und nachrangige Anleihen werden erst dann bedient, wenn die normalen Gläubiger ihre Zahlungen erhalten haben.

2. Kapitel

Grundausprägung Fix-Kupon-Bond

Nach Angaben der EZB12 teilten sich per Juni 2011 die ausstehenden Schuldverschreibungen von Emittenten mit Sitz im Euroraum wie folgt ein:

Kurze Laufzeit:

  9,47 %

Lange Laufzeit / fester Kupon:

60,75 %

Lange Laufzeit / variabler Kupon:

26,68 %

Zero-Bonds und sonstige:

  3,10 %

Das ist eine sehr grobe Einteilung. Dahinter verbirgt sich eine Vielzahl von Einzelausprägungen. Die üblichste und bekannteste Form einer Anleihe besitzt einen festen Kupon. Am Anfang entrichtet man den Kaufpreis, erhält in festen Abständen Kuponzahlungen und am Ende den Rückzahlungsbetrag, die Tilgung. Die Tilgung erfolgt in der überwiegenden Anzahl der Fälle, auch bei anderen Ausprägungen zu 100 = Par.13 Eine solche einfache Anleihe mit festem Kupon wird auch Plain Vanilla Bond genannt und ist in Abb. 2.1 dargestellt.

Die Anleihe in Abb. 2.1 hat eine Laufzeit von 5 Jahren, zahlt jedes Jahr einen Kupon von 4 % und am Ende der Laufzeit neben dem Kupon einen Tilgungsbetrag von 100. Der Kupon wird immer als jährlicher Kupon in Prozent angegeben. Bei halbjährlicher Zahlung würde der Kupon auch 4 % betragen, es würden jedoch alle 6 Monate 2 % gezahlt. Wird die Anleihe gekauft, dann ist der Kaufpreis zu entrichten. Das kann 100 sein, wird jedoch nach aktueller Marktlage davon abweichen. Der Kaufbetrag ist nicht sofort zu entrichten, sondern gemäß geltender Handelsusance 1 bis 3 Tage nach Geschäftsabschluss.

Abb. 2.1: Zahlungen einer Anleihe mit festem Kupon

Neben dem Kupon und dem Rückzahlungsbetrag gibt es noch weitere Informationen, die man über eine Anleihe kennen muss. Das kann den Emittenten betreffen, den Handel oder die Ausgestaltung der Anleihe. Diese Informationen nennt man auch Stammdaten . Wenn man eine Anleihe kaufen möchte, dann muss man zusätzlich noch wissen, zu welchem Preis die Anleihe aktuell gehandelt wird. Diese Informationen sind Marktdaten .

Emittenten-
Informationen

 

Emittent

Institution, die die Anleihe begeben hat

Art

Art des Emittenten, z. B. öffentlich, Bank, Unternehmen

Sitz des Emittenten

Land des Emittenten

Markt

Markt, an dem die Anleihe gehandelt wird, z. B. Euro-Zone

Identifikationsnummern

 

ISIN

Internationale Wertpapier-Identifikationsnummer

WKN

Deutsche Wertpapier Kenn-Nummer

Sedol

Identifikationsnummer der Londoner Stock Exchange

Common

Identifikationsnummer von Clearstream und Euroclear

CUSIP

Identifikationsnummer für Emissionen in den USA und Kanada

Rating

 

S&P

Einstufung der Anleihe durch die Rating-Agentur Standard & Poor’s

Moody's

Einstufung der Anleihe durch die Rating-Agentur Moody’s

Fitch

Einstufung der Anleihe durch die Rating-Agentur Fitch

Instrument

 

Land

Land, in dem die Emission begeben wurde

Währung

Währung für Kupon und Tilgung

Kupon

Kupon, den die Anleihe zahlt in Prozent

Kuponfrequenz

Zahlungsfrequenz des Kupons, z. B. halbjährlich / jährlich

Day Count Methode

Konvention für die Stückzinsberechnung

Day Roll Methode

Anpassung des Zahlungsdatums im Fall eines Feiertages

Ankündigungstag

Tag, an dem die Emission öffentlich angekündigt wurde

Beginn Zinslauf

Tag, an dem die Berechnung des Stückzinses erstmalig beginnt

Erster Kupon

Tag der ersten Kuponzahlung

Letzer Kupon vor Fälligkeit

Tag der letzten Kuponzahlung vor Fälligkeit

Fälligkeit

Tag der Rückzahlung des Nominals

Tilgung

Preis, zu dem die Anleihe bei Fälligkeit getilgt wird. Par = 100

Sicherungsart

Art der Sicherung, z. B. besichert oder unbesichert

Emissionsvolumen

Volumen der Emission bei Begebung der Anleihe

Instrument

 

Mündelsicher

Mündelsicherheit gemäß § 1807 Abs. 1 Nr. 2 BGB

Deckungsstockfähig

Möglichkeit der Anlage des Sicherungsvermögens von Versicherungsgesellschaften gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 2 VAG

Notenbankfähig

Möglichkeit, das Wertpapier gemäß Artikel 18.1 der ESZB/EZB-Satzung als Sicherheit zu hinterlegen

Zusätzliche Informationen

Weitere Komponenten, z. B. Kündigungsrechte, Garantien

Handel

 

Preisstellung

Stückzinsen sind im Preis nicht inbegriffen (clean) oder inbegriffen (dirty)

Preisnotierung

Stellen nach dem Komma

Kleinste Preisbewegung

z. B. 0,01

Stückelung

Kleinste handelbare Einheit, z. B. 100 € oder 1.000 €, auch 0,01 € z. B. bei Bundesanleihen. Das Gesamtvolumen der Emission wird aufgeteilt, um sie besser handelbar zu machen.

Valuta

Differenz zwischen Handelstag und Valutatag

Holiday Calendar

Ferienkalender

Übertragungsart

Physisch oder Bucheintrag

Clearing House

Abwicklungsstelle

Trennung von Kupon und Tilgung (Stripping)

Möglich, ja / nein?

Wiederzusammenführung von Kupon und Tilgung

Möglich, ja / nein?

Börsenhandel

Ja / Nein

Zinsabschlagsteuer

Höhe der Steuer in Prozent

Abb. 2.2: Stammdaten einer Anleihe

Nicht alle Anleihen haben einen festen Kupon. Ist die Verzinsung variabel, benötigt man noch weitere Informationen, wie z. B. den Referenzzins. Enthält eine Anleihe noch zusätzliche Komponenten, wie z. B. Kündigungsrechte, dann müssen diese mit angegeben werden. Werden Garantien gegeben, wie z. B. von der Muttergesellschaft für die Tochter, dann wären auch das zusätzliche Informationen. Ein wichtiges Dokument ist der Emissionsprospekt, da dort die Ausgestaltung der Anleihe detailliert und verbindlich festgelegt ist.

Voraussetzung für die Handelbarkeit einer Anleihe ist das Vorhandensein einer eindeutigen Identifikationsnummer, wie z. B. Wertpapierkennnummer, ISIN oder CUSIP. Eine eindeutige Kennnummer ist notwendig für die Übertragung, Verbuchung und Identifizierung der Wertpapiere.

Ein Beispiel für die Stammdaten einer Bundesanleihe findet sich in Abb. 2.3.

Emittenten-Informationen

 

Emittent

Bundesrepublik Deutschland

Art

Staat

Sitz des Emittenten

Deutschland

Markt

Euro-Zone

Identifikationsnummern

 

ISIN

DE0001135390

WKN

113539

Sedol

B59K696

Common

46535103

CUSIP

EI0354262

Rating

 

S&P

AAA

Moody's

Aaa

Fitch

AAA

Instrument

 

Land

Deutschland

Währung

Euro für Kupon und Tilgung

Kupon

3,25 %

Kuponfrequenz

Jährlich

Day Count Methode

Actual/Actual ICMA

Day Roll Methode

Following

Ankündigungstag

03. 11. 2009

Beginn Zinslauf

13. 11. 2009

Instrument

 

Erster Kupon

4. 1. 2011 (langer erster Kupon)

Letzer Kupon vor Fälligkeit

4. 1. 2019

Fälligkeit

4. 1. 2020

Tilgung

100

Sicherungsart

Unbesichert

Emissionsvolumen

22 Mrd. €

Mündelsicher

Mündelsicher gemäß § 1807 Abs. 1 Nr. 2 BGB

Deckungsstockfähig

Ja, gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 2 VAG

Notenbankfähig

Ja, gemäß Artikel 18.1 der ESZB/EZB-Satzung

Handel

 

Preisstellung

Clean = ohne Stückzinsen

Preisnotierung

zwei Stellen nach dem Komma

Kleinste Preisbewegung

0,01

Stückelung

0,01 €

Valuta

3 Geschäftstage nach Handelsabschluss

Holiday Kalender

Target

Übertragungsart

Bucheintrag (Eintrag in das Bundesschuldbuch, Wertrechte)

Clearing House

Clearstream Banking AG

Trennung von Kupon und Tilgung (Stripping)

möglich (nach Trennung, Handel als einzelne Zero-Bonds)

Wiederzusammenführung von Kupon und Tilgung

möglich (nicht jedoch für inländische Nichtbanken)

Börsenhandel

ja

Zinsabschlagsteuer

25 %

Abb. 2.3: Stammdaten für die Bundesanleihe 3,25 %, 4. 1. 2020, DE0001135390

Die Angaben in Abb. 2.3 sind relativ umfangreich. Nicht immer wird man alle diese Informationen benötigen. Die absolut notwendigen Basis-Informationen sind: Emittent, Identifier, Währung, Kupon, Tilgung und Fälligkeit.

Der Emittent in dem Beispiel ist die Bundesrepublik Deutschland. Die Währung ist Euro und der Kupon, der gezahlt wird, beträgt in dem Beispiel 3,25 %. Für ein Investment von 100 € erhält man 3,25 € und für ein Investment von 100.000 € erhält man 3.250 € als jährliche Kuponzahlung.

In der Regel werden die Zahlungen normiert auf ein Nominal von 100 angegeben. Der Kupon wird hier jährlich gezahlt, in anderen Ländern, wie z. B. den USA, sind auch halbjährliche Zahlungen üblich.

Da der Zinslauf am 13. 11. 2009 beginnt und am 4. 1. 2011 endet, hat man einen langen ersten Kupon: 3,7130137 % = 3,25 % x 417 Tage / 365. Die anderen Perioden gehen immer über den 4. 1. des jeweiligen Jahres. Ist dieses Datum ein Feiertag, dann erfolgt die Zahlung am nächsten Werktag. Die Zahlungen sind in Abb. 2.4 angegeben.