Serdar Somuncu

Der Antitürke

 

Die Ausführungen zur deutsch-türkischen Geschichte beruhen auf einem Aufsatz von Dr. E. Keskinkilic.

VORBEMERKUNG

Also gut. Ich werde versuchen, ein Buch über Deutsche und Türken zu schreiben. Obwohl mich dieses Thema langweilt – denn eigentlich ist dazu, so scheint es jedenfalls, schon alles gesagt und geschrieben worden. Ich bin weder Wissenschaftler oder Psychologe, noch bin ich Historiker oder Soziologe. Es gibt vieles, was andere besser wissen als ich, und ich bin sicher nicht der Einzige, der etwas dazu zu sagen hat. Aber ich bin Türke, und ich lebe in Deutschland. Deshalb bleibt mir vielleicht nur, schonungslos ehrlich zu sein, sowohl meinen deutschen Gastgebern als auch meinen türkischen Landsleuten gegenüber, und dabei das auszusprechen, was andere sich nicht zu denken trauen. Denn es gibt Dinge, die wir nicht voneinander wissen. Warum denken wir seit Jahrzehnten von uns, so wie wir es tun? War das deutsch-türkische Verhältnis immer schon so wie heute? Wie haben sich diese Vorurteile entwickelt, und warum sind sie geblieben? Ist alles richtig, was man voneinander hört und denkt? Und was kann es bringen, diese Missverständnisse aufzuklären? Wer weiß, vielleicht findet sich dabei der ein oder andere Aspekt, der beiden Seiten bisher verborgen geblieben war. Auf jeden Fall aber sind wir Deutsche und Türken uns sehr ähnlich. Wir leiden vor allem unter denselben Komplexen.

Zwischen Minderwertigkeitsgefühl und Größenwahn versuchen wir ständig aufs Neue, einen Mittelweg zu finden, der sich Identität nennt. Ob und wie uns das zwischen Deutschen und Türken gelingen kann – vielleicht sogar gemeinsam –, weiß ich nicht. Aber ich weiß ganz sicher, dass ein Blick in den Spiegel manchmal Klarheit über die Umrisse des eigenen Wesens schaffen kann. Und dennoch gibt es auf viele Fragen keine universelle Antwort. Die Kunst liegt darin, die richtigen Fragen zu stellen, ohne eine Antwort zu erwarten.