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Intro

Als ich im Jahr 2003 Stirb, Susi!, den Vorläufer dieses Buches, schrieb, hat niemand mit dem gerechnet, was das Buch damals auslöste. Ich hatte nur aufgeschrieben, worauf wir Frauen bei Männern stehen und was wir nicht wollen, weil es uns abturnt. Basiert haben meine damaligen Erkenntnisse auf meinen eigenen Erfahrungen seit der Pubertät und meinen Beobachtungen. Den No-go-Typen, das Weichei, den Softie ohne Eier, den nannte ich, nur der Abgrenzung halber: Susi. Stirb, Susi! wurde zum Schlachtruf, und die Anti-Susi, also der echte Mann, wurde als Macho deklariert. Schon war ich die Macho-Freundin und die Männerversteherin.

Jetzt sind wir zehn Jahre weiter, und plötzlich ist alles ganz anders. Wir Frauen sind älter geworden, so wie die Susis und Machos auch. Wir sind das, was man »erwachsen« nennt. Und kommen damit nicht gut zurecht. Was ist los mit den Männern? Und was ist los mit uns Frauen? Wir sind genervt von den Männern, die wir nicht mehr brauchen, um zu überleben, aber das Leben ohne Mann finden wir auch entsetzlich leer und langweilig. Und warum können wir plötzlich mit den Männern in unserem Alter nichts mehr anfangen und die nichts mit uns?

Was ist der Stand der Dinge?

Dieses Buch liefert keine Lösungen. Aber es beantwortet einige Fragen, die wir uns alle im Wandel der Zeit stellen, und es ist ein stabiler Helfer durch die Krise.

Danken möchte ich allen Männern, die mich in den letzten zehn Jahren begleitet und zu diesem Buch inspiriert haben. Ich liebe euch alle!

Wäis Kiani, Ibiza, im Juni 2015

#männer_brauchen

Seit den Siebzigerjahren ist es bei uns in Mitteleuropa modern, als Frau unabhängig zu sein. Die moderne Frau braucht keinen Mann, um ihr Leben zu meistern. »Was für eine unabhängige Frau«, wurde anerkennend geraunt, sobald es eine schaffte, ohne die Hilfe eines Mannes die Straße zu überqueren und dabei nicht überfahren zu werden. Unabhängig sein ist cool, abhängig sein das Gegenteil. Offiziell jedenfalls. Frauen sollen und wollen keine Männer mehr brauchen. Denn wer etwas braucht, ist abhängig und nicht frei.

So wurden die Kinder schon im frühen Alter möglichst gleich erzogen. Kleine Mädchen wurden in dieselben Latzhosen und Gummistiefel gesteckt wie kleine Jungen, auch wenn sie lieber Kleidchen mit weiten Röcken (in denen sie sich ganz lange drehen und dann auf den Boden werfen konnten, und dann breitete sich der Rock wie ein Fächer bei Cinderella um sie aus) und alles in Rosa wollten. In den Schulen hatten die Jungen Handarbeitsunterricht und die Mädchen Handwerken. Und was dabei passierte, war erstaunlich: Die Topflappen der Jungen waren genauso schön wie die der Mädchen, und die Jungs hatten großen Spaß am Häkeln und konnten gar nicht genug davon kriegen. Die Mädchen wünschten sich statt rosa Feenkleider mit Flügeln lieber einen soliden Handwerkskasten, den sie überallhin mitnahmen.

Nein, Spaß beiseite, so war es natürlich nicht. Die Jungs konnten die Häkelnadel kaum halten, ihre Topflappen waren wie verknotete Würste, die man nur noch dem Hund zum Zerkauen geben konnte, während sich die Mädchen bis zur letzten Stunde vor den Ferien beim Installieren einer Leuchtdiode zu Tode langweilten und verächtlich zusahen, wie die Jungs mit heraushängender Zunge an den kleinen Lampen und Drähten herummachten und am Ende laut triumphierten, wenn sie den winzigen Schalter betätigten und es blinkte.

An dieser Stelle höre ich förmlich das empörte Geschrei von Millionen Feministinnen in diesen Schuhen, die vorne breiter sind als hinten. Moment, liebe Bequemschuhträgerinnen, beruhigt euch! Es ist nicht so, dass kein Mädchen das Prinzip der Halbleiterdiode versteht, aber die meisten tun es nun einmal nicht, daran kann weder die Emanzipation noch Gott noch ein Gesetz etwas ändern. Oder sagen wir so: Die meisten tun es nicht, weil sie nicht wollen und weil sie sich für andere Dinge interessieren. Aber sie könnten, wenn sie wirklich wollten. Und die Jungen, deren Topflappen wunderschön gleichmäßig gehäkelt sind … nun, was aus denen wird, wissen wir ja. Sie werden sich vermutlich bald an eine Nähmaschine setzen und erst Kleider für ihre Muttis nähen und später Modedesigner werden. Oder sie werden zumindest ihr ganzes Leben davon träumen.

Aber Mädchen brauchen keinen Jungen, die schöne Topflappen häkeln, das können sie selbst, ihre Mutter, ihre Freundin, ihre Schwester oder die Oma besser. Sie brauchen den Typen mit dem totalen Leuchtdioden-Durchblick, der wird gebraucht. Denn in dem Moment, wo er sich über ihre Diodenplatte beugt und an dem fragilen Silberdrahtzeug herumlötet, während das heiße weiche Silber in einem dicken Tropfen vom Lötstab abfällt und sofort fest wird, sieht sie ihn an und denkt: Er hat so schöne lange braune Wimpern, so lange, dass man sie zwischen die Lippen nehmen und küssen möchte  Wenn der Junge ihr dann die Platte hinschiebt und kurz sagt: »Hier, funktioniert!«, wird sie traurig, weil er sich jetzt auf sein Bike schwingen und wegfahren wird, weg von ihr, in sein eigenes aufregendes Jungsleben. Sie geht mit ihm zu den Fahrrädern, er schließt sein schweres Abus-Stahlrohr-Bügelschloss auf, und wenn er dann endlich sagt: »Wollen wir noch irgendwo ein Eis essen?«, ist sie das glücklichste Mädchen der Welt.

Das ist auch genau der Moment, in dem der ganze Handwerksunterricht seiner wahren Bestimmung zugeführt wird: nämlich dem Zusammenführen der Geschlechter im frühen Alter.

#doppeltes_uebel

Frauen sind komisch. Erst mühen sie sich jahrzehntelang ab, kämpfen um ihre Rechte und um Gleichberechtigung und wollen unabhängig sein und bitte keinen Mann mehr zum Leben brauchen. Und wenn es nach vierzig Jahren Geschlechterkampf endlich so ist und sie frei und unabhängig ihr Leben genießen dürfen, ohne dass ihnen die Gesellschaft einen Mann zur Existenzsicherung abverlangt, wünschen sie sich nichts sehnlicher als … einen Mann.

Es ist natürlich so, dass sie nun nicht mehr einen Mann wollen, weil sie einen wollen müssen, sondern weil sie einfach wollen. Es ist sozusagen genetisch in ihnen verankert. Es geht um #liebe, #aufmerksamkeitssucht und #vaginalsucht. Frauen wollen einen Mann, um sich vollkommen oder wenigstens nicht komplett unvollkommen zu fühlen, um sich neben der männlichen Energie besser als Frau zu spüren und durch den Mann zu einer besseren Frau heranreifen zu können. Oder auch, weil sie nur jemanden brauchen, den sie ärgern können.

Männer dagegen brauchen keine Frau, um sich vollkommen zu fühlen. Sie erlangen das Gefühl der Vollkommenheit durch ihre Arbeit, durch #geld und durch die Macht, die sie durch ihren Status erhalten. Frauen brauchen Männer nicht mehr, weil sie deren Status oder #geld brauchen (Ausnahme: die Hochschläferin), sie sind in dieser Hinsicht unabhängig geworden. Aber durch die neue Unabhängigkeit sind auch die Ansprüche entsprechend hoch. Merke: Je unabhängiger, desto schwerer vermittelbar ist die Frau. Denn Männer träumen zwar von einer Beziehung auf #augenhöhe, können diese aber meistens nicht ertragen. Und je unabhängiger die Frau wird, desto unangenehm schlechter drauf wird sie sein, weil sie keinen finden wird, der ihren Ansprüchen gerecht wird. Dann kommt es zu dem, was man im Volksmund »verbitterte Zitronenmöse« nennt. Also ein doppeltes Übel, das alle Männer noch weiter wegtreibt: kein Mann und schlechte Laune.

Zitronenmösen sagen sich die ganze Zeit, dass sie keinen Mann brauchen. Aber sie wollen in Wahrheit nur eins: in die starken, fleischigen Arme eines Mannes sinken und sich dadurch geliebt und weiblich und unabhängig und gleichwertig fühlen. Aber das zu schaffen ist schwieriger, als einer Katze das Apportieren beizubringen. Denn starke Frauen sind sehr viel stärker als starke Männer. Schwache Frauen sind ja schon stärker als starke Männer – wie viel stärker, belastbarer, selbstbewusster ist erst die starke, unabhängige Frau?

Die Frau, die es geschafft hat, sich durchzubeißen, um in eine Position zu gelangen, in der sie ihr Leben selbst bestimmen und finanzieren kann, ist unglaublich stark geworden durch die vielen Kämpfe, die sie ausfechten und gewinnen musste, bevor sie an diesen Punkt gelangen konnte, der für jeden Mann von Geburt an ganz selbstverständlich ist.

Sobald Frauen in Entscheiderpositionen kommen, stellen sie fest, dass das auch ganz schön lästig und nervig sein kann. Entscheidungen zu treffen ist anstrengend, man muss unangenehme Dinge tun wie Leute motivieren oder ihnen mehr oder weniger schonend beibringen, dass sie die Anforderungen nicht erfüllen. Man muss sich permanent neu beweisen und wird ständig von der Angst begleitet, das Level nicht mehr halten zu können und dann zu fallen. Und tatsächlich fällt man oft, und dann muss man damit fertigwerden. Oder da ist diese Angst, von einer Besseren/Jüngeren/Hübscheren ausgestochen zu werden. Die Angst, bloßgestellt zu werden. Vielleicht sogar von einem Mann. Hinzu kommt, dass Frauen grundsätzlich immer mehr können und auch in ihrem Job besser sein müssen als Männer, um fast genauso erfolgreich zu sein. Sie müssen sich mehr einsetzen als Männer, um fast genauso weit zu kommen, und sie müssen mehr vorweisen können, um halb so viel Respekt zu erlangen wie ein Mann in derselben Position. Von #geld gar nicht zu reden, da in höheren Positionen kaum noch jemand über sein Einkommen spricht. Fest steht: Es ist vollkommen normal, dass Männer höher dotiert werden als Frauen, sie dürfen einen größeren Geschäftswagen fahren – und sollen das bitte schön auch (er einen A4; sie einen A1, mehr verlangt sie auch nicht) –, und sie bekommen ein höheres Spesenkonto. Natürlich ist das gesetzlich nicht so festgelegt, und alle Personalchefs und alle Männer werden das abstreiten, aber in der Praxis sieht es hierzulande so aus. Dass es allein eine ernsthafte Debatte gibt, die »Lohndebatte« heißt, sagt schon alles.

Diese Angst und die Ungerechtigkeiten hauen schon im Vorfeld viele Frauen um und entmutigen sie, überhaupt den kämpferischen Weg zu gehen. Was zur Folge hat, dass in den oberen Chefetagen branchendeckend so gut wie keine Frauen zu finden sind. Hinzu kommt, dass man sich als Frau in vielen anderen Bereichen außerhalb des Jobs eben noch stärker behaupten und zusätzlich andere Kämpfe kämpfen muss, zum Beispiel:

 ... den Kampf mit Kollegen oder Vorgesetzten, die eine Frau sexuell attraktiv finden und sich die Frechheit herausnehmen, das ganz offen kundzutun. Ist die Frau so dumm, sich darauf einzulassen, wird sie bald ihren Job verlieren. Lässt sie sich nicht auf die lästigen Avancen ein und erteilt ihm eine Abfuhr, hat sie einen gefährlichen Feind in ihrer Nähe, der dafür sorgen wird, dass sie nicht weiterkommt.

 ... den Kampf der neidischen Kolleginnen, die sich selbst nichts zutrauen und es nicht ertragen, dass ihnen eine andere durch ihren Mut die fetten Früchte wegschnappt.

 ... den Kampf mit der Susi zu Hause. Die erwachsene Susi verdient immer noch nicht genug #geld, hat keinen Waschbrettbauch, fährt kein besonderes Auto und hat natürlich keine echten Eier, sondern nur vorgetäuschte. Das perfekte Opfer für machthungrige Frauen, die sich mehr als eine Susi auf einem klapprigen Fahrrad auf dem Weg zu Lidl nicht zutrauen. Entweder, weil sie sich als Frau in der realen Welt keine Machtposition zutrauen, oder weil sie es gewöhnt sind, die Hosen anzuhaben. Oder weil sie den Kampf um die Rolle desjenigen, der dominieren darf, lieben und das ständige Armdrück-Spiel mit ihrer Susi brauchen, um sich zu spüren. Wobei er dabei natürlich immer verliert, weil sie zur Not zu unlauteren Mitteln greifen. Denn a) ist er ja eine Susi und b) erträgt er nichts. Schon gar keine Kälte, Geschrei und Gezicke. Und weil er natürlich auch, wie alle Männer, eine versteckte #sexist-susi ist, wird er sich aus dem Hinterhalt mies rächen und sich einen jüngeren, anspruchsloseren und unkomplizierteren Ersatz suchen. Am Ende bleiben die Frauen wieder als Verliererinnen und allein auf der Strecke.

 ... den Kampf mit den Männern. Dieser findet nicht statt. Erwachsene Männer kämpfen nicht mit Frauen. Und schon gar nicht mit kampflustigen Frauen. Vielleicht um Frauen mit anderen Männern, aber nie mit Frauen. Und schon gar nicht darum, wer das Sagen hat, denn diese Frage stellt sich bei echten Männern gar nicht. Da gibt es keine Diskussionen, Frau ist entweder Frau, oder Frau geht und andere Frau, die das besser verstanden hat, besetzt ihre Stelle. Das ist sehr bitter, aber leider Fakt. Wenn die Frau sich am Anfang einer Bekanntschaft mit einem Mann klug verstellt, damit der Mann nicht merkt, dass sie in Wahrheit ein machthungriger Drachen ist und ihn nur bezwingen will, wird er sie, kurz nachdem sie sich selbst aus Versehen die liebliche Maske heruntergerissen und ihn Feuer speiend in eine Wolke gehüllt hat, einfach wortlos verlassen. Echte Männer haben keine Nerven und keine Energie für sinnlose Grabenkämpfe mit Frauen. Und sie sehen Frauen zudem auch nicht als bekämpfbare Gegner, weil sie meistens offene #sexist-susis sind. Frauen sind für sie eben Frauen, nicht mehr und nicht weniger. Deswegen bleibt der Traum von einer Beziehung auf #augenhöhe ab vierzig eben nur ein Traum.

 ... den Kampf zu Hause, wenn der Partner weniger erfolgreich ist als sie. Der Mann, der sich neben seiner erfolgreicheren, strahlenderen Frau klein fühlt, greift gern zu unlauteren Methoden, um sich besser zu fühlen. Er quält sie. Und womit kann er sie am besten quälen? Indem er ihre #aufmerksamkeitssucht ausnutzt und sie ignoriert oder zusätzlich eine andere liebt. Quälen und entwürdigen. Das hat Prince Charles mit Lady Diana so gemacht und Ethan Hawke mit Uma Thurman. Und es wird auch jeder andere Mann so tun.

 ... den Kampf mit den Kindern, sofern vorhanden. Karrieremütter müssen sich ständig von Lehrern, Schulleitern und BILD-Kolumnisten vorhalten lassen, dass sie ihre Kinder nicht ausreichend bemuttern.

 ... den Kampf, als Frau gut auszusehen und einen Mann zu finden, der sich das ansieht, da dies allein ihren Wert ausmacht.

 ... den Kampf, sich ständig dafür rechtfertigen zu müssen, keine Kinder zu wollen und keine Ehe zu führen. Eine Frau die keine Familie gründen möchte, sich für Kinder und Ehe nicht interessiert, aber ansonsten vollkommen in Ordnung ist – attraktiv, gesund und glücklich –, ist verdächtig und nicht normal. So modern ist unsere Gesellschaft.

Ja, viele Kämpfe sind das, im täglichen Leben sind es sogar noch viel mehr. It’s a long way to go!

#awas

Die Menschen altern heutzutage ganz anders als noch vor etwa zwanzig Jahren. Dreißigjährige sind heute noch Jugendliche, und Vierzigjährige bereiten sich auf das Erwachsenwerden vor. Und mit fünfzig wird uns bewusst: Es bleibt nicht mehr viel Zeit, um sich zusammenzureißen. In der Praxis sieht es so aus, dass sich der Schwerpunkt des Glücklichseins in den ersten dreißig bis vierzig Jahren tageszeitlich auf den Abend konzentriert, wohingegen es sich nach der Wende zum Erwachsenwerden eher auf den Tag verschiebt.

Diese spezifische Verschiebung hin zum Erwachsensein kannten unsere Eltern nicht. Sie waren schon mit fünfundzwanzig alt. Aber wir, die nachfolgende Generation, werden auch alt und befinden uns zwar schon lange im Erwachsenenalter, sind aber im Geiste und im Herzen sehr jung, fast noch jugendlich, und fühlen uns in unseren Interessen, unserem Lebensstil, unserer Ausdrucksweise und unseren Bedürfnissen in keiner Weise alt. Wenn wir das Leben des Jugendlichen nicht mehr zelebrieren können und wollen, aber das Erwachsensein langweilig finden, dann sind wir: Awas. Was so viel bedeutet wie: adults with attitude.

Deutschland ist ein Awa-feindliches Land, bei uns wird den armen Awas nicht viel geboten. Simples Sich-Vergnügen hört ab etwa Mitte dreißig auf. Wenn ein Awa gerne Dinge tun möchte, wie laute, schöne Musik hören und/oder sogar vielleicht tanzen, steht er als einsamer Greis zwischen Kindern. Für den Awa gibt es die normalen Erwachsenen-Beschäftigungen, die bis Achtzigplus passen: Theater, klassische Konzerte, Musicals, Museen, Ausstellungen, Lesungen, Golf, Oper, Tennis, Kunst, Zeug sammeln und bei langweiligen Dinnertafeln über all diese Dinge schwafeln. Dinge eben, die man als Erwachsener so macht, die aber den anspruchsvollen und verwöhnten Awa nicht erfüllen.

Der Awa will sich amüsieren, kann es jedoch nicht, also langweilt er sich die ganze Zeit (#langeweile). In seinem bisherigen Leben war der arme Awa schon überall, er hat schon viel gesehen und erlebt. Wirklich viel. Doch Awas sind zwar übersättigt und schwer zu beeindrucken, aber sie sind noch nicht fertig. Sie kennen viel, aber nicht alles. Sie suchen immer noch, und sie wissen nicht genau, wie es weitergehen soll. Das macht den Awas Angst, denn sie wussten es vierzig Jahre ganz genau, und ihr Leben lief wie an einer schönen Schnur, an der eine glitzernde Diskokugel nach der anderen aufgereiht war: Partys, Exzesse, Spaß bis zum Umfallen, #sex, Dates, Leidenschaft, Romantik und Herzblut.

Und dann hört das fast schlagartig auf. Der Awa könnte zwar einfach weitermachen, aber der Spaß ist vorbei. Stattdessen sitzt der Awa mit sechs anderen gelangweilten Awas vor seiner Sashimi-Platte in einem Sushi-Restaurant ohne sexy Stimmung, wie es zum Beispiel in jedem Nobu-Restaurant dieser Welt zu überprüfen ist (in der Besenkammer der Londoner Filiale wurde Boris Becker seinerzeit Opfer von Samenraub). Danach gibt es noch ein paar langweilige Drinks in einer trendy Bar und dann schnell nach Hause und ins Bett. Das kann doch nicht alles gewesen sein, denkt der Awa noch unglücklich, bevor er einschläft, denn am nächsten Morgen kommt der Fitnesstrainer, um den schlappen Awa-Körper zu trainieren.

In Deutschland gibt es noch nicht einmal ein Nobu, und es sind auch keine Fälle von Samenraub in Szene-Restaurants bekannt. Kein Wunder, dass sich die Awas langweilen.

Awas waren zu lange und zu intensiv jung und sind an Thrills, Kicks, große Auftritte und ständigen Input gewöhnt. Sie sind auf der ewigen Suche nach dem, worum es als Nächstes geht, und die Suche selbst ist ihr Lebenselixier. Diese Rastlosigkeit lässt ab Ende dreißig nach, da machen sich Job, #karriere, Geldverdienen, Familie, Kinder, Disziplin, Scheidung, Alleinerziehung und andere Dinge im Leben breit. Während der fünfundzwanzigjährige männliche Awa nur die richtigen Turnschuhe, einen angemessenen Musikgeschmack und Kenntnis der Clubszene brauchte, muss sich der vierzigjährige Awa, egal ob männlich oder weiblich, durch Erfolg und Verantwortungsbewusstsein Respekt verschaffen.

Die weibliche Awa hat sich in ihrer Jugend für nichts anderes interessiert als für sich, ihre Verehrer, den aktuellen Boyfriend und vielleicht noch für die fünf besten Freundinnen, mit denen sie sich wiederum über Klamotten, Jungs und Partys ausgetauscht hat. Doch irgendwann entwischt der süße Vogel Jugend unbemerkt, und nichts fühlt sich noch so intensiv an, dass sie ständig das Gefühl hat, auf Messers Schneide zu stehen. Der Sommer ist kein »Summer of Love« mehr, sondern nur noch ein viel zu kurzer Sommer mit zwei Wochen Urlaub. Sie verbringt diesen nicht knutschend an Flüssen und Seen oder Stränden und nicht kiffend in Parks, sondern sie macht Ferien in einem Finca-Hotel, spielt tagsüber Golf, trägt am Strand statt Wildleder-Hotpants bequeme Tunikas mit Zebramuster und geht pünktlich zur reservierten Zeit ins Restaurant und sitzt danach noch auf ein paar Longdrinks in einer Strandbar, anstatt mit einer Handvoll sommersprossigen Iren auf den Strandliegen unter dem Sternenhimmel mit ein paar Flaschen Vino aus dem Supermarkt die Nacht durchzumachen.

Es ist nicht so, dass die Awas diese Zeit ihrer Jugend zurücksehnen, aber sie langweilen sich in der realen Erwachsenenwelt und können sich nur kurzzeitig mit richtigen Erwachsenen, vorzugsweise aus beruflichen oder familiären Gründen, zusammensetzen. Die Business-Partner, Auftraggeber, Nachbarn und anderen Eltern reden auch nur von dem besten Biomarkt, von ihren Food-Intoleranzen (#food-intolerance-sucht) oder von ihrem Fitnesstrainer und tauschen sich darüber aus, wie sie ihr #geld in Kunst und Immobilien anlegen wollen. Und welche Finca-Hotels mit angrenzenden Golfplätzen auf Mallorca wirklich zu empfehlen sind.

Bei den Awas handelt es sich um ein internationales Metropolen-Phänomen. In der Provinz, auf dem Land oder in Städten wie Hameln, Wiesbaden oder Fulda gibt es das Awa-Problem wenig bis gar nicht. In Deutschland ist Berlin die Hochburg der Awas, zumal in Berlin Erwachsenwerden generell verpönt ist. Sechzigjährige Punks, die mit Bierdose schnorren, gehören zum Stadtbild. International lieben Awas folgende Städte: New York, London, Dubai, Tokio, Los Angeles, Paris, Hongkong, Tel Aviv und neuerdings Istanbul.

In der Dritten Welt gibt es keine Awas, da wird man mit fünfundzwanzig schon erwachsen, heiratet bei der ersten Gelegenheit und bekommt Kinder. Und dann hat man genug Probleme. Genauso in Ländern wie Indien oder Saudi-Arabien: Auch da hat man zu viele andere Sorgen.

Dafür versammeln sich in England so gut wie alle vierzig- bis sechzigjährigen Awas. London ist wie ein Vergnügungspark für Ü-Vierziger. Alles ist darauf ausgerichtet, dass sich wirklich jeder in jedem Alter stilvoll amüsieren kann, egal in welcher geistigen oder materiellen Verfassung er sich befindet. London ist ein gigantisches Awa-Nest, wer nicht ein Kid ist, ist ein Awa, und jeder weiß, dass Awas leicht depressiv werden oder das Gefühl bekommen könnten, das Leben sei vorbei. So gibt es alles überall, was die Awas aufmuntert. Es gibt die richtige Lektüre an jedem Kiosk, Männer-Lifestylemagazine wie GQ oder Loaded werden nicht von Schwulen, sondern von Awas gemacht und gelesen, weil alles drinsteht, was zum Coolsein als Awa gehört. Es gibt fancy Restaurants wie das Peyote, das Zuma oder das Hakkassan, wo es fantastische Mexican-Japanese-Fusion-Food-Kreationen gibt, von denen wir in Deutschland noch nicht mal träumen dürfen. Alles vom Menü bis zum Ambiente ist ganz auf die hohen Ansprüche der Awas abgestimmt. So auch die vielen Members Only Clubs, die schon allein deshalb Spaß machen, weil nicht jeder rein darf, wie das uberhippe Chiltern Firehouse, der etwas langweilige Arts Club in Mayfair oder das legendäre Annabels. Oder für die Normaleren das Soho House in Soho, in das im Gegensatz zu Berlin, wo sich Hinz und Kunz herumtreiben und man noch nicht mal im Notfall etwas essen möchte, wirklich nur Members reindürfen und man ausgezeichnet speisen kann. Tanzwütige Awas können in den neuen Crescent Club oder in den Kinky Box Club gehen, oder sie können sich unter die Clubber ins Fabric mischen.

Wer sich komplett zurichten will, als wäre es 1994, kann dies auch mit fünfzig tun, ohne sich beim Raven wie ein Päderast zu fühlen. Die Engländer haben sogar einen Fachterminus dafür: Greyver – Raver with grey hair. Auch sonntags, oder gerade sonntags wird für den sensiblen Awa differenziertes Entertainment geboten. Neben allen Museen, Ausstellungen und anderen Kulturveranstaltungen, die viel weniger bedeutungslos sind als bei uns, gibt es in allen Pubs bis vier Uhr nachmittags ein ordentliches Sunday Roast, einen Sonntagsbraten mit beeindruckenden Beilagen, dazu alle, wirklich alle Sonntagszeitungen und eine Bombenstimmung. In London kommt der Awa also nach einem erfüllten Wochenende nach Hause geschlendert, um sich montags gestärkt seiner #karriere zu widmen.

Nicht ganz so perfekt, aber immer noch gut genug, ist der Lifestyle der Awas in Paris. Dort sind Baron André, Macher des legendären Le Baron Clubs Paris und anderer wichtiger Adressen wie der neue Club Castel, und Purple-Magazine-Macher Olivier Zahm die beiden Szene-Könige des Pariser Nachtlebens, und sie sind selbst schon beide fast fünfzigjährige Familienväter. Bei den Franzosen ist es sogar für sechzigjährige Herren selbstverständlich, auf ihren Sex-Appeal zu achten, genauso wie für die reifsten Ladies. Sich nachts in Abendgarderobe zu lauter Musik rauchend und trinkend in dunklen puffähnlichen Räumlichkeiten zu amüsieren, ist ein Must, auf den der erwachsene Pariser auf keinen Fall verzichten möchte.

Nicht so bei uns. Bei uns bleibt dem Awa keine andere Wahl, als sich auf dem Sofa liegend mit ein paar Fernbedienungen in der Hand in die #midlife-crisis zu stürzen.

#susi_krise

Ein bekannter TV-Star, dessen Namen wir leider nicht verraten dürfen, sagte nach seinem einundvierzigsten Geburtstag zu einer guten Freundin:

»Ich habe keinen Bock.«

»Worauf?«

(Eine berechtigte Frage, denn er sah, im Gegensatz zu seinen Artgenossen, noch einwandfrei und wenig abgenutzt aus und war sowohl auf dem Kopf als auch im Gesicht ausreichend behaart.)

»Ich bin nicht der Mann geworden, der ich mit vierzig sein wollte«, sagte er betrübt. »Und ich habe auch keinen Bock, es zu werden.«

»Wieso nicht?«

»Zu anstrengend alles. Ich habe keinen Bock, jeden Tag ins Gym zu rennen, keinen Bock auf wenig saufen und nach 15 Uhr keine Carbs essen. Keinen Bock auf richtig viel #geld verdienen. Und auf Frauen habe ich auch keinen Bock mehr. Gehen mir nur noch auf die Nerven, kosten #geld und finden mich unreif.«

Wahre Worte! Früher oder später nach dem vierzigsten Geburtstag wird auch der smarteste, charmanteste und boyishste Mann sein Spiegelbild ansehen und feststellen: Der Haaransatz ist nicht dichter, der Bauch nicht waschbrettiger geworden, und mit den drei Eigenschaften, die laut Andy Warhol die Attraktivität eines Mannes ausmachen – #geld, Status, Macht –, ist es auch nicht so weit gekommen wie geplant. Stattdessen sind die gleichaltrigen Frauen, mit denen man sich bis jetzt herumschlug, nicht mehr zu genießen. Das Problem? Er kann es ihnen als Mann nicht mehr recht machen, denn sie wissen selbst nicht genau, was sie wollen. Zu Hause darf er kein Fleisch essen, keine Kuhmilch und nur wenig Alkohol trinken, und am Wochenende darf er nicht in sein MacBook oder iPad starren, geschweige denn Playstation spielen. Er kann mit ihr nicht mehr TV schauen wie früher, und auch nicht ins Kino, weil sie Django Unchained unerträglich findet. Dafür ist sie süchtig nach Serien wie Dr. House, Carnivàle und West Wing. Geht er mit ihr aus, nörgelt sie über das Essen, den Service oder über die anderen Frauen.

Überhaupt, das Essen. Mit den gleichaltrigen Frauen kann man nicht mehr essen, weil sie alle nichts mehr essen oder glauben, nichts zu vertragen (siehe #detoxsucht, #food-intolerance-sucht). Geht er ohne sie aus, erwarten ihn danach Ärger und die Frage, warum er sich mit seinen langweiligen Loser-Freunden besser amüsiert als mit ihr. Gibt es dazu noch eins oder mehrere Kinder, wird nur noch darum gestritten, wer sich zu viel oder zu wenig um den Nachwuchs kümmert, und bei all dem Stress kommt der #sex auch viel zu kurz, vor allem mit anderen Frauen.

Das alles ist dem Mann zu viel, haben sich doch bei ihm neben einer handfesten #midlife-crisis, Bauchansatz und Geheimratsecken auch ein paar neue Marotten wie Rückenschmerzen, Laktose-Unverträglichkeit und diverse #ängste eingeschlichen. Die Panik vor Potenzverlust und die Angst, nicht mehr begehrenswert zu sein, haben sich hinterlistig aus dem Nichts herangeschlichen. Genau wie die Furcht vor dem Tod, die den Alltag auch nicht gerade leichter macht. Der Mann ist vom Leben und vom Sein komplett überfordert und will eigentlich auch gar nicht älter oder erwachsen, wie sie das nennt, werden. Und die Frauen sind auch nicht mehr zu gebrauchen.

Ein anspruchsvoller Mann von Welt klagt: »Frauen haben generell keine Interessen. Nicht in dem Sinne, wie Männer Interessen haben und entwickeln. Ich kann über kanadische Schneidbretter für die Küche promovieren! Und wenn ein Mann mehr Dessous-Marken kennt als sie, am Wochenende zu einem Autorennen geht, einen Tag später eine Story über Landschaftsmalerei des frühen neunzehnten Jahrhunderts aus dem Ärmel schüttelt und danach vier Brioni-Hosen kauft, weil eine Farbe einfach zu wenig wäre, überfordert sie das. Frauen essen nichts, sie erkennen kein Filmzitat, sie denken, mit einem Paar Louboutins geht alles voran, sie kennen keine Musik außer Paolo Nutini, und sie wollen einen Trinity-Ring. Kann nicht gehen. Not for the good men.«

Und dann fügt er hinzu: »Ich will vögeln und dann endlos über Anderson diskutieren und dann vögeln und dann ein wissendes Lächeln ernten, wenn ich die Szene erwähne aus Newsroom, in der Will Mackenzie erklärt, warum Willie Nelsons Version von ›Always on my mind‹ noch besser ist als die von Elvis. Und dann könnte man theoretisch wieder vögeln.«

Nun, die Lösung all dieser Probleme liegt auf der Hand: die Twentysomething-Bitch. Plötzlich sind drei Bier am Abend nicht zu viel, sondern zu wenig, Fleisch sogar in Form von Burgern mit Weißbrot willkommen, und Restaurantbesuche aller Art werden stets mit freudiger Dankbarkeit honoriert. Im Urlaub macht ein Drei-Sterne-Hotelbett mit der jungen Begleitung mehr Spaß als sonst vier Sterne, der Hotel-Pool ist groß genug, es gibt genug Schatten, er muss in keine einzige Ausstellung, die gerade wichtig ist, darf aber dafür seine Lieblingsserien gucken, er darf sich vor dem Mittagessen schon eine Flasche Wein bestellen und abends eine Flasche Wodka in einem Nachtclub, wo die anderen Männer neidisch dabei zusehen, wie sie auf seinem Schoß sitzt und ihn verliebt umarmt. Alles ist plötzlich nicht gut, aber viel besser.

Wenn man die Susi fragt, warum er schon wieder eine sehr viel jüngere Freundin habe, die nichts außer Stress bringen würde, und ob ihm dieser Stress nicht langsam an die Substanz gehe, antwortet er:

»Ich kann nicht alleine sein.«

»Aber warum nicht? Warte doch lieber.«

»Weil ich sonst noch mehr trinke. Ich bin dann jeden Abend unterwegs und besoffen.«

Die Beziehung als Schutz vor Selbstzerstörung also. Das ist unreif und kindisch. Keine erwachsene Frau möchte diese Rolle spielen: ihn hüten, damit er existieren kann. Und sich nicht selber zerstört. Da ist er, der Grund, warum Männer ab vierzig Susis sind, die keine gleichaltrigen Frauen vertragen.

Was die Susi in der Krise braucht: Bestätigung und #sex sowie jemanden, dem er alles erzählen kann. Was er in der Krise nicht mehr braucht: Machtkämpfe und die Aufforderung, endlich erwachsen zu werden.

Die Susi in der Krise 

 ... liebt es, unangestrengt zu beeindrucken und sich reicher und mächtiger zu fühlen, als er ist.

 ... hasst es, sich unterlegen zu fühlen.

 ... isst im Restaurant Austern, Seafood, Steak; zu Hause: TK-Pizza.

 ... trägt Designeranzüge oder Jeans und Hemd (aus der Hose getragen) und Jackett; dazu Schuhe: Nike Air, Adidas Stan Smith, Desert Boots, Chelsea Boots.

 ... ist sportlich: Golfen auf Malle; Kieser-Training gegen Rückenschmerzen; im Sommer mit dem Cinelli-Bike und Helm auf Tour.

 ... sagt gerne: »Akzeptier mich bitte mit Bauch, Schatz.«

 ... schaut Top Gear im TV.

 ... verehrt Angelina Jolie.

 ... nutzt gerne eine Ausrede für alles: »Ich war den ganzen Tag im Meeting.«

 ... fährt einen Land Rover Defender.

 ... datet grundsätzlich nur digital; SMS und Facebook-Chat; verschickt Selfies.

 ... trifft man im Sommer auf Ibiza; im Winter in Kitzbühel.

 ... hütet ein Geheimnis: Liquid Viagra; und hat Angst, dass es nicht mehr wirkt.

 ... kann man gewinnen, indem man zugibt, noch nie japanisch gegessen zu haben.

 ... kann man verlieren, indem man beim Japaner die Karte auswendig kann und auf Japanisch bestellt.

#susi-frau

Der Vormarsch der männlichen Susi-Identitäten in den letzten zwanzig Jahren blieb natürlich nicht ohne Auswirkung auf den weiblichen Teil der Menschheit, sprich die zwischen 1960 und 1980 geborenen Frauen unserer Generation.

Die jungen Susis hatten mit ihrer Weichheit, Passivität und Unmännlichkeit eine verheerende Wirkung auf die Entwicklung in unserer Gesellschaft. Durch das rebellische Verweigern der vom Feminismus platt gewalzten Susi-Männer, Frauen nicht wie Frauen zu behandeln, sondern sich stattdessen mit ihnen um die weibliche Rolle zu streiten, haben sich auf der weiblichen Seite zwei vollkommen neue Spezies Frauen heranentwickelt: die Susi-Frau und der #susi-schreck.

Die Susi-Frau ist die Frau, die sich durch die Verweigerungshaltung der Susi-Männer an ihrer Seite, sich wie Männer zu benehmen, neben der Susi nicht weiblich fühlen konnte und durfte und als logische Konsequenz ihre störende Weiblichkeit zurückschrauben musste, anstatt sich von den weichen Susis zu distanzieren und ihre Kräfte mit echten Männern zu messen. Meistens hatte die Susi-Frau bereits einen Vater, der sich entweder einen Jungen gewünscht hätte und diesen nicht bekommen hat oder der einfach seine Tochter nicht wie ein richtiges Mädchen behandelt hat. Die Susi-Frau hatte es also meist als Kind schon nicht gelernt, von männlicher Seite in ihrer Weiblichkeit empfangen und belohnt zu werden. Unter Umständen war der Vater auch nur eine Susi und wusste nicht mit Frauen umzugehen. Es gibt viele Gründe, die eine erwachsene Frau in die Arme einer oder vieler Susis treiben können.

Frauen, die früh an Susis gerieten, sind vom Susitum gezeichnete Frauen. Sie durften sich nie wie ihre Geschlechtsgenossinnen Allüren erlauben, denn Allüren erträgt keine Susi. Weibliche Allüren sind der sofortige Killer für jede Susi. Um ihn, die Susi, nicht zu strapazieren, verachtet sie bis ins Alter Zickereien, geht stets auf Männer ein, verzeiht ihnen alles, was es zu verzeihen gibt, und bemerkt Verletzungen und Demütigungen zur Sicherheit erst gar nicht. Und stellt immer eine Entschuldigung für sein Missverhalten bereit. Sie kennt es ja weder, verwöhnt oder auf Händen getragen zu werden, noch, dass man ihr den Hof macht. Sie wird nicht auf Reisen eingeladen, geschweige denn angebettelt mitzufahren, sondern sie muss es vorschlagen – »Ich kann doch mitfahren!« – oder sich aufdrängen: »Ich fahre aber auf jeden Fall mit!« Ihre Kosten trägt sie selbstverständlich immer selbst, vielleicht sogar einen Teil von seinen. Ihr wird in einer gemeinsamen Wohnung kein eigenes Bad eingerichtet und kein Ankleidezimmer, in dem sie stundenlang am Telefon hängen kann, um mit ihren Freundinnen über andere Freundinnen zu reden. Sie hat sich abgewöhnt, Filme und Bücher zu lieben, von denen er nichts versteht, oder sich für Dinge zu interessieren, für die er keinen Sinn aufbringt. Sie tut nichts, wofür sie ein Kompliment ernten könnte, denn die bleiben ohnehin aus. Sie bekommt grundsätzlich keinen Schmuck geschenkt, darum sagt sie gerne vorschnell: »Ich mache mir nichts aus Schmuck.« Mittlerweile ist sie sogar selbst überzeugt davon.

Ihr lädt niemand alle wirklich wichtigen Apps auf ihr iPhone, sie weiß nicht, was »einen Standort schicken« heißt, und niemand schreibt unter eines ihrer Fotos auf Facebook: geiler Arsch. Sie wird auch nicht gezwungen, Instagram kennenzulernen. Niemand erklärt ihr, wieso ein Peugeot ein uncooles Auto ist und welches Bike ihr gut stünde. Niemand hat sie gebeten, die neuen Nietenpumps im Bett anzubehalten. Sie interessiert sich natürlich für Kunst, geht ständig in Ausstellungen, kennt aber Banksy nicht. Sie geht gerne ins Theater, liebt die Oper und trinkt gerne Wein – Weißwein, aber als Schorle. Sie kann nicht kochen, und wenn sie behauptet, es zu können, kann sie es trotzdem nicht. Aber meistens ruft sie schnippisch: »Ich kann nicht kochen!« Weil sie sich doch für keinen Mann in die Küche stellt. Das ist ihre Definition von Emanzipation. Sie versteht keinen Spaß und keine Ironie und keine rauen Witze. Dafür ist sie süchtig nach Quizshows. Die Susi-Frau hasst Serien wie Mad Men, weil sie ästhetisch zu anspruchsvoll sind, sagt aber: »Das ist total sexistisch!« und »Die rauchen alle die ganze Zeit!« Sie versteht keine Slang-Ausdrücke und weiß nicht, dass es einen Unterschied zwischen Fuck you und Fick dich gibt, und sie weiß noch nicht einmal, was es bedeutet, wenn jemand sagt: »Ich hol mir mal nen Cheese.« Sie fragt dreimal nach, und beim vierten Mal hat sie es immer noch nicht verstanden, bis sie angebrüllt wird: »EINEN CHEESEBURGER, VERDAMMT

Die Susi-Frau hat durch ihr jahrelanges Susi-Leid eine Transformation durchgemacht und sich von den Dingen, die eine erfüllte Frau ausmachen, abgewendet. Den Kampf mit der Männerwelt hat sie schon längst aufgegeben, denn die Susi ist bekanntlich kein kampftauglicher Gegner, und an andere Männer traut sich die Susi-Frau nicht heran, ergo lernt sie auch keinen kennen. Sie geht kampftauglichen Männern bewusst aus dem Weg, da sie diese als frauenfeindliche #sexist-susis abstempelt. Im Gegenzug interessieren sich die immer rarer werdenden, kampftauglichen Männer überhaupt nicht für Susi-Frauen, da diese ihre Interessen nicht wahrnehmen kann, was die Susi-Frauen wiederum noch bitterer und anspruchsloser werden lässt.

Natürlich hält sich gerade die Susi-Frau für die größte Feministin aller Zeiten. Dabei ist sie abhängiger von männlicher Aufmerksamkeit und Feedback und dem Gefühl, einen Mann zu beherrschen, als jede Twentysomething-Barbie. Sie könnte das nicht zugeben, das wäre ja ein Eingeständnis, und anschließend müsste sie etwas an sich und ihrer Einstellung ändern. Das ist anstrengend. Und wer weiß, ob dann überhaupt Resultate erzielt werden? Lieber macht sie anderen Frauen, neben denen sie sich besonders stark als Susi-Frau geoutet fühlt, das Leben schwer. Susi-Frauen sind darum auch die allergrößten Hater überhaupt, aber sie fallen nicht so schnell auf, da sie im Gegensatz zu einer bitchenden Twentysomething-Barbie harmlos wirken. Aber sie können erstaunlich gefährlich werden, weil sie sehr verletzlich sind und vor nichts mehr Angst haben, als diese Schwäche zu zeigen.

Charakterlich ist die Susi-Frau der versteckten #sexist-susi nicht unähnlich. Sie gibt vor, frei zu sein und sich für oberflächliche Inhalte nicht weiter zu interessieren, denn sie habe andere, bessere und tiefere Werte. Die Susi-Frau trägt beispielsweise kein Make-up, das findet sie lächerlich. Überhaupt ist sie meistens schlecht, nachlässig oder gar unpassend angezogen. Sie will damit demonstrieren, dass sie frei von allen Diktaten ist. Fragt man die Susi-Frau auf einem eleganten Cocktailempfang, warum sie eine zerknitterte Jacke und einen Baumwollschal trage (alle Susi-Frauen lieben Baumwollschals, locker um den Hals gewunden wie eine alte Windel), statt sich etwas chic zu machen, wenn die Herren schon dunkle Anzüge tragen, antwortet sie von oben herab, sie habe andere Dinge im Kopf, als immer nur darüber nachzudenken, was sie anziehe. Was natürlich eine Beleidigung sein soll, aber nicht ist. Denn die meisten Menschen haben ab einem gewissen Alter, spätestens ab dreißig, noch andere Dinge im Kopf als ihre Klamotten. Jedoch gibt es erwachsene Menschen, für die Styling, Haare und Körperpflege so selbstverständlich sind, dass es vollkommen zufällig und mühelos wirkt. Und nun steht die arme Susi-Frau zwischen den Champagner trinkenden Damen in figurbetonten Cocktailkleidern, unter denen die seidig-nackten Beine in nagelneuen High Heels enden, und muss zusehen, wie die Herren in den gut sitzenden Anzügen zwischen den Damen lustwandeln, Gläser reichen, perfekt manikürte Hände wie zufällig Schultern streicheln und es anscheinend sehr lustig haben, denn was sonst bedeutet dieses kindische Gelächter? Bar jeglicher männlichen Aufmerksamkeit redet die Susi-Frau mit zwei anderen Susi-Frauen und wird bald nach Hause gehen, während sie zu sich selbst sagt, dass sie solche Veranstaltungen hasst und demnächst nicht mehr hingehen wird.

Oder sie hat sich lange mit einem Mann unterhalten, mit dem sie beruflich zu tun hat, und ist jetzt heimlich verliebt. Sie wird ihn auf Facebook adden und seine Bilder liken. Dann wird sie ihn mehrmals anchatten, in der Hoffnung auf #digital-dating, aber er wird nur höflich das Nötigste zurückchatten. Irgendwann wird sie – todesmutig, denn wer nicht wagt, der nichts gewinnt, denkt sie – ein neues Treffen vorschlagen. Der Mann wird überrascht sein: »Ich habe im Moment wirklich den Kopf voll Arbeit, aber natürlich können wir bald mal auf einen Drink gehen.« Er wird sich nicht melden, aber die Susi-Frau bleibt hartnäckig, jedoch … er hat keine Zeit. Die Susi-Frau redet mit anderen Susi-Frauen nur noch über ihn. Bis sie ihn eines Tages in einer Bar zufällig trifft. Neben ihm: eine Sonia, wie sie erfährt! Eine hübsche Brünette mit langen Rapunzellocken und Rehaugen. Die Susi-Frau hört und sieht nichts mehr, rennt hinaus und denkt nur noch daran, Bambi zu töten.

Dabei ist die Susi-Frau nicht unbedingt alt oder unattraktiv. Sie war lediglich entweder nicht lange genug oder noch gar nicht jung, oder sie hat das Jungsein einfach aufgegeben. Susi-Frau sein ist reine Kopfsache, es geht schon mit zwanzig. Die Poetry-Slammerin Julia Engelmann aus Bielefeld ist beispielsweise eine sehr junge Susi-Frau, und ihre Fanschar besteht ebenfalls aus Susi-Frauen.

Die Susi-Frau lebt so wenig spürbar, dass dieses banale Lied »One day« von Asaf Avidan mit den noch banaleren Worten »Eines Tages, Baby, werden wir alt sein, oh Baby, werden wir alt sein, und an all die Geschichten denken, die wir hätten erzählen können« zu einer Art Anti-Lethargie-Hymne avanciert und sie aus ihrer Trägheit reißt.

Diese Grundangst vor dem Leben, die in allen menschlichen Wesen steckt und die die Susi-Frau dazu bringt, sich einzureden, an den Dingen, denen sie sich nicht gewachsen fühlt, nicht interessiert zu sein, ist wie die alte Geschichte von den sauren Trauben: Für den Fuchs ist die Welt ohne Trauben völlig in Ordnung, solange kein anderer Fuchs kommt, nach ihnen schnappt und schmatzend davon nascht. Erst dann fällt dem Fuchs ein, dass er auch gerne Trauben hätte. Doch aus Angst, sich zu blamieren – denn nach den Trauben zu schnappen ist anstrengend und gar nicht so einfach –, bringt er die Die-sind-mir-zu-sauer-Ausrede.

Genau so läuft es auch bei der Susi-Frau. Um sich nicht wegen ihrer Angst und Faulheit zu blamieren, sagt sie: »Das ist mir zu oberflächlich.« Oder sie verschanzt sich hinter der nicht allzu schützenden Fassade des Feminismus und sagt: »Ich lasse mich nicht zu Opfern des Systems machen!« Denn was wäre, so denkt die Susi-Frau angsterfüllt, wenn ich mir ein schönes Kleid anziehe, und ich bin immer noch nicht schön genug?

Ihr Motto heißt: Ich will so geliebt werden, wie ich bin. Ihr Aufschrei lautet: Ich bin kein sexuelles Wesen, und andere sollen es auch nicht sein, gefälligst, sonst komme ich ganz schlecht drauf. Und: Wir müssen den Feind besiegen, der uns mithilfe von immer härteren Schönheitsidealen dazu zwingt, uns in ein Korsett zu zwängen! Dabei sitzt der einzige Feind weit und breit nur in ihr selbst.

#susi-schreck

Der Susi-Schreck ist die Sorte Frau, die sich als Lebensmotto ein Ziel gesetzt hat, nämlich in allem so gut wie möglich zu sein.

Schon in jungen Jahren, meist im Teenageralter, hat der Susi-Schreck die Erfahrung gemacht, dass es unangenehm ist, abhängig von Männern zu sein, besonders gravierend: abhängig von einer Susi zu sein, in welcher Form auch immer. Darauf zu warten, dass die Susi etwas organisiert, sei es Karten fürs Kino, eine Reise oder ihr eigenes Leben. Denn die Susi ist stets überfordert. Der werdende Susi-Schreck springt ein und erledigt alles mühelos und professionell, was für ihn nicht zu bewältigen ist. So wird der Susi-Schreck immer besser in allem, und die Susi bleibt so jämmerlich, wie er war, kann aber als erwachsene Susi mit unterentwickeltem Ego keinen Susi-Schreck vertragen und wendet sich darum an sehr junge und ahnungslose weibliche Wesen, die ihn allerdings, sofern sie schlau und talentiert sind, auch in kürzester Zeit überholen und zu neuen Susi-Schrecks werden.

Der junge Susi-Schreck lernt bereits auf dem Schulhof, dass Flennen in der Öffentlichkeit überhaupt nicht geht. Das haben ihr die Jungs, auf welchem Weg auch immer, beigebracht. Mädchen, die bei jedem platten Reifen sofort den Wasserhahn aufdrehen, verdienen sich keinen Respekt. Doch Respekt bedeutet auf dem Schulhof Aufmerksamkeit. Der Susi-Schreck lernt auch, wann sie zu schweigen hat (wenn die Jungs über Fußball sprechen oder sie eigentlich gar nicht dabei sein sollte) und wann es ihre Aufgabe ist, etwas zu sagen, weil die Jungs von hochemotionalen Themen überfordert sind (zum Beispiel wenn der Hund eines Kumpels überfahren wurde und der Kumpel todtraurig dabeisitzt), wann es richtig ist, Fragen zu stellen, und wann sie keine Fragen stellen sollte (also meistens). Und sie weiß, dass es Jungs durchaus süß finden, wenn sie beim Anblick eines Welpen säuselnd vor dem Hund auf die Knie fällt.

Waren die Männer im Laufe des Lebens des Susi-Schrecks keine Susis, sondern echte junge Männer, war sie deren Launen und Stimmungen ausgeliefert. Wir alle wissen, dass erwachsene Männer launenhafter sind als ein Bus gefüllt mit PMS