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Man schreibt das Jahr 1458 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Seit die Terminale Kolonne TRAITOR aus der Milchstraße abgezogen ist, sind über hundert Jahre vergangen. Doch die heimatliche Galaxis ist nicht mehr dieselbe wie vor dem Angriff der Chaosmächte. Die Machtgefüge haben sich verschoben, neue Sternenreiche sind entstanden.

 

Unter diesen neuen Reichen sticht die Transgenetische Allianz von Gorragan hervor, ein Bündnis zwischen den menschenähnlichen Tefrodern und den Gaatanyj, einem Zweigvolk der Blues. Seit vielen Jahren wird in der Transgenetischen Allianz an einem Geheimprojekt gearbeitet – nun endlich soll das Geheimnis offiziell gelüftet werden.

 

Zu diesem Ereignis wird auch Perry Rhodan eingeladen, der Terranische Resident. Rhodan fliegt nach Gorragan und wird in ein unglaubliches Geschehen verwickelt. Es verschlägt ihn in den Kugelsternhaufen Zomoot, er trifft auf die mysteriösen Vortext-Piraten und das Konsortium der Erleuchteten Kauffahrer.

 

Und er erkennt, dass es zwischen den Sternen der Lokalen Gruppe zahlreiche Geheimnisse gibt, von denen nicht einmal ein Unsterblicher bislang etwas ahnen konnte ...

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Die Tefroder

 

Gesamtausgabe

 

 

Die Tefroder 1

Das genetische Siegel von Christian Montillon

 

Die Tefroder 2

Segler im Sternenwind von Michael Marcus Thurner

 

Die Tefroder 3

Die Stadt der tausend Welten von Wim Vandemaan

 

 

Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt.

Impressum

 

 

EPUB-Version © 2012 Pabel-Moewig Verlag GmbH, PERRY RHODAN digital, Rastatt.

Chefredaktion: Klaus N. Frick.

ISBN: 978-3-8453-3199-7

Internet: www.perry-rhodan.net und E-Mail: mail@perry-rhodan.net

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Die Tefroder Band 1

 

Das genetische Siegel

 

von Christian Montillon

 

Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt.

Prolog

 

Diese schillernde Straße in die Ewigkeit

 

 

Was genau ist es, das Lebewesen in die unendlichen Weiten des Alls treibt?

Schicksal? Vorherbestimmung? Oder liegt es in ihren Genen verankert? Womöglich steht das Leben an sich unter dem Hauch des Verderbens, dass es sich anmaßt, alles zu erforschen. Der Drang, jedes Detail zu verstehen, immer mehr Wissen anzuhäufen, geht eine unheilige Allianz mit der Wissenschaft ein, die uns Menschen so vieles ermöglicht. Zu vieles vielleicht.

Tefroder. Jülziish. Terraner. Wo liegt der Unterschied?

Ich bin Caadil Kulée amya Kertéebal. Mein Leben dient einem höheren Ziel. In mir findet die Transgenetische Allianz ihre Vollkommenheit. Ich bin der Gipfel, und doch bin ich nichts als eine Verbindung von biochemischen Grundsubstanzen. Wie die Tefroder. Wie die Jülziish. Wie die Terraner, auf die ich bald treffen werde. Eine genetische Ansammlung von Fleisch und Knochen, von Muskeln und Sehnen, von Wasser und Blut; ein Gewebeklumpen, den es ins All zieht, weil auch ich dem Lockruf verfallen bin.

Ich höre das Wispern, lausche dem Klang der Lieder, die der Weltraum singt, der Melodie, die zwischen den Sternen schwebt und mich mit sich nimmt. Ich muss sie tanzen, diese Melodie, die ich sehe, mehr noch als dass ich sie höre. Diese schillernde Straße in die Ewigkeit, die sich in meine Augen senkt.

Was also ist es, das Lebewesen ins All treibt, weiter, immer weiter, bis wir auch noch die letzte Grenze durchbrechen?

Die Antwort liegt greifbar nahe vor mir, doch noch bin ich nicht imstande, sie zu erfassen. Was erwartet mich schon dort draußen? Tod und Krieg, Feindschaft und Leid. Dies sind die Noten, die die ewige Melodie bilden, dies ist der Rhythmus, geschlagen von jedem, der im Universum lebt.

Und dennoch gehe ich.

Weil ich es kann.

Ich bin Caadil Kulée, Tochter der Kertéebal, und ich werde Antworten finden.

Kapitel 1

 

Die Transgenetische Allianz

 

 

31. Januar 1458 NGZ

 

»Vielen Dank, dass du dir persönlich Zeit nimmst, Perry Rhodan.« Das gefiederte Gesicht spiegelte sich im Panoramafenster, die kleinen Knopfaugen wirkten wie Löcher im Hochsicherheitsglas. Auf den Schulterflügeln leuchteten Federn in allen Farben des Regenbogens. Automatische Simultanübersetzer übertrugen alles aus der Sprache des Rahsch'kani.

Der terranische Resident zeigte ein feines Lächeln. »Man hat mir versichert, es würde sich lohnen.«

Haneul Bitna gab ein zirpendes Geräusch von sich, das das rhythmische Schnabelklappern melodiös untermalte. Dieser Laut erinnerte Perry sofort an den letzten Aufenthalt des Vogelartigen auf Terra – lag das Treffen im Besprechungsraum der Solaren Residenz tatsächlich schon wieder fast zwei Jahre zurück? Eigenartig, wie Sinneswahrnehmungen manchmal miteinander verknüpft waren und Assoziationen auslösten; an jenem Abend im Jahr 1456 hatte er noch Mondra Diamond getroffen, und exakt an diesem Tag hatte sie zum ersten Mal ihr neues Parfüm getragen. Rhodan glaubte es wieder zu riechen und genoss die Erinnerungen, die sich damit verbanden.

»Trotz dieser Versicherung, wer auch immer sie ausgesprochen haben mag«, sagte sein Gast, »ist es eine große Ehre, deinen privaten Wohnbereich in der Solaren Residenz aufsuchen zu dürfen.«

»Du bist sicherlich nicht überrascht, wenn ich dir sage, dass dir diese Ehre nur deshalb zuteil wird, weil man sich für dich ausgesprochen hat.«

»Erlaube mir erneut die Frage: Wer ist man?«

»Der TLD.«

»Selbstverständlich.« Das Gefieder über Haneul Bitnas Knopfaugen sträubte sich. »Der Terranische Liga-Dienst. Ich hörte von diesem Geheimdienst der Terraner.«

Rhodan verkniff sich ein Lachen. Haneul Bitna wurde ihm von Sekunde zu Sekunde sympathischer. Er erhoffte sich von dem Rahsch'kani wertvolle Informationen; es störte ihn keinesfalls, sie in Form eines spitzfindigen Gesprächs serviert zu bekommen. »Welch feine Ironie.«

»Ironie?«

»Man könnte fast zu der Überzeugung gelangen, du untertreibst.«

Der Vogelartige legte eine Hand auf die dicke Panoramascheibe, die sie von den Wassern des Sees trennte, aus dem die oberen Geschosse von Rhodans Wohnturm in der Solaren Residenz ragten. Ein breitmäuliger Fisch, dessen Glotzaugen an filigranen Tentakelstielen baumelten, schwamm vorüber. »Nun gut, dann lass es mich so sagen: Ich weiß vermutlich mehr über den TLD als jeder andere, der ihm nicht angehört. Und vermutlich auch mehr als die meisten seiner Agenten, das gebe ich gern zu. Ebenso vermutlich verdanke ich den Zuspruch in Agentenkreisen einer gewissen Avryl Sheremdoc?«

»Vermutlich.« Rhodan genoss die Stille dieses Aussichts- und Ruheraumes, dessen Wände einer natürlichen Unterwasserhöhle nachempfunden waren. »Avryl ist geradezu begeistert von dir. Sie lobt dich in höchsten Tönen und ist von deiner Integrität überzeugt.«

»Fragt sich nur, worauf sich diese Integrität bezieht.«

»Da Avryl eine Agentin ist, die unser vollstes Vertrauen genießt und ganz nebenbei dein Leben bis in den letzten Winkel durchleuchtet hat, bedeutet mir ihre Einschätzung deiner Person einiges.«

»Bis in den letzten Winkel?« Bitnas Gefieder am Kopf raschelte, eine Feder löste sich und trudelte zu Boden. Sie landete in einer kleinen nachgeahmten Felsspalte, durch die ein winziges Wasserrinnsal floss. »Verzeih mir, Resident Rhodan, aber das wage ich zu bezweifeln.«

»Warum sagst du nicht gleich, dass ich die Sicherheitskräfte rufen und dich entfernen lassen soll?«

»Weil meine Ehrlichkeit für mich spricht. Ich bin zum Beispiel überzeugt davon, dass dein hochgeschätzter TLD in Gestalt von Agentin Avryl Sheremdoc nichts über meinen wahren Dienstherren weiß. Ich habe meine Spuren perfekt verwischt. So perfekt, dass ich bis in deinen Wohnbereich im Herzen Terranias vordringen konnte, ohne dass du weißt, wer ich wirklich bin. Du glaubst es nur zu wissen. Lüge und Schein sind sozusagen meine Spezialität, und ich wage zu behaupten, dass sie die eigentliche Würze des Agentendaseins ausmachen. Ohne sie wäre mir all die Gefahr nur lästig. Eine gute Intrige jedoch und etwas Täuschung verleihen dem Leben einen Charme, wie er sonst kaum zu finden ist.«

»Eine gewagte These.«

»Welche?«

»Such dir eine aus. Aber selbst wenn ich nicht wissen sollte, wer du wirklich bist – du kannst mir nicht schaden. Du trägst keine Waffe bei dir, und ein Wort meinerseits genügt, dass es hier binnen Sekunden von Sicherheitskräften wimmelt.« Rhodan verschränkte gelassen die Arme vor der Brust, um zu demonstrieren, dass er sich vollkommen sicher fühlte. Ganz zu schweigen von der Giftgasdüse, die dich ständig unterhalb der Decke verfolgt und auf meinen akustischen Befehl reagieren wird, sollte es sich als nötig erweisen. Schachmatt in weniger als zwei Sekunden. Du würdest erst wieder in einer Hochsicherheitszelle aufwachen.

Haneul Bitna ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Es gibt so viele Möglichkeiten, Waffen einzuschmuggeln. Verschobene Existenz- oder Wirklichkeitsebenen, Fiktivtransporte, biologische Symbionten, die all eure Hightech-Abtastungen nicht erkennen ...«

»Zum einen glaube ich nicht, dass du mit höherdimensionaler Supertechnik arbeitest. Auch bist du weder der Abgesandte einer Superintelligenz noch ein Chaotarchenknecht, der auf ein Arsenal an Wunderwaffen zurückgreifen könnte. Und drittens, Haneul Bitna, weiß ich sehr wohl, dass du ein gekaufter Agent des kleinen Tefroder-Reiches Iseul bist, das in der Nachbarschaft der Transgenetischen Allianz liegt. Ein Söldner, der so gut ist, dass eine Menge Geld geflossen ist, um sich deiner Loyalität zu versichern.«

Ein Oktopus klatschte die acht Fangarme gegen die Scheibe; die Saugnäpfe rutschten über das Glas und hinterließen kleine Striemen, die sich im nächsten Augenblick von selbst reinigten.

»Ein gekaufter Agent von Iseul? Das ist alles?«

Wieder lächelte Rhodan. Nein, das war nicht alles, aber das ließ er seinen Gast nicht wissen. »Unterschätze Avryl Sheremdoc nicht. Und wenn es dir nichts ausmacht, lass uns zur Sache kommen. Du hast etwas mit mir zu bereden? Dann los. Meine Zeit ist nicht unbegrenzt.«

»Und das sagt ausgerechnet ein relativ Unsterblicher. In der Tat gibt es einiges, das du wissen solltest, Perry Rhodan. Zunächst sollte ich vielleicht von deiner TLD-Agentin sprechen, auf die du so große Stücke hältst. Wir haben auf ... auf die eine oder andere Art im Feindesland zusammengearbeitet. Wir lernten uns recht gut kennen.«

»Feindesland?«, fragte Perry Rhodan. »So würde ich die Transgenetische Allianz wohl kaum bezeichnen. Weder die Tefroder noch die Gaatanyj oder ein anderes Jülziish-Volk sind unsere Feinde. Auf Gorragan arbeiten sie an einem geheimen Projekt – das kann man ihnen wohl kaum verübeln. Die Zahl der geheimen wissenschaftlichen Forschungen auf Terra, die ich höchstpersönlich abgesegnet habe, wage ich nicht einmal zu schätzen.«

»Die Tefroder mögen halbe Terraner sein, aber ...«

»Sie sind Lemurerabkömmlinge, um genau zu sein, ebenso wie die Terraner und eine Menge anderer Milchstraßenvölker auch. Nimm etwa die Akonen oder Ferronen. Ihr Stammbaum hängt mit den Terranern nicht direkt zusammen – abgesehen davon, dass wir gemeinsame Vorfahren aufweisen. Sie sind ebenso eigenständig wie mein Volk. Alles andere wäre eine Beleidigung für sie.«

Der Vogelartige klackerte rascher als sonst mit dem Schnabel. »Sie sehen aus wie Terraner, sie denken und handeln wie Terraner ... ich kann nichts Falsches an meiner Aussage sehen. Aber darauf wollte ich auch nicht hinaus. Das Volk, das auf Gorragan lebt, nennt sich Gorragani, und sie hören es gar nicht gern, wenn sie anders genannt werden.«

»Dennoch bleiben sie Tefroder.«

»Sie selbst sehen sich als postlemuroides Volk, wie viele andere auch. Das Besondere jedoch ist ihre Allianz mit dem Jülziish-Volk der Gaatanyj. Eine Transgenetische Allianz. Wir haben lange gerätselt, um die wahre Bedeutung dieses Begriffs herauszufinden.«

Schritte näherten sich, leichtfüßig und kaum hörbar. »Und noch immer wissen wir kaum etwas darüber. Vermutungen, nicht mehr.«

Bitna wandte sich um. »Avryl Sheremdoc. Wie schön, dich wieder zu treffen. Wie lange ist es her?«

Die Terranerin trug einen hautengen, metallischblauen Dress, welcher nur um die Hüften von einem roten Rock unterbrochen wurde, der wenige Zentimeter unter der perfekten Rundung ihres Pos endete. Fingerlange tiefschwarze Haare umrahmten das Gesicht, in dem die hellblauen Augen geradezu zu leuchten schienen. »Noch vor drei Monaten waren wir zusammen an dieser Küste auf Gorragan. Schon vergessen? Der abgestürzte Gleiter, die Strahlerschüsse ...«

»Wie könnte ich das vergessen? Ich weiß nicht, wie gut deine Ohren sind, aber gerade vorhin sagte ich zu dem Residenten ...«

»Ich muss mich auf meine Ohren nicht verlassen.« Avryl tippte auf einen winzigen Draht, der aus ihrem Gehörgang ragte. »Akustikfelder und Richtmikrofone sind eine äußerst nützliche Erfindung.«

Perry Rhodan sah zu, wie sich der Oktopus von der Sichtscheibe zum See löste und davontrieb. »Ich muss euch wohl nicht miteinander bekanntmachen, auch wenn Agentin Sheremdoc inzwischen ihr Äußeres etwas verändert hat. Sie ist schon seit einigen Stunden mein Gast. Genauer gesagt, ziemlich exakt fünfzig Minuten länger als du, Haneul.«

»Die roten Haare standen dir besser«, meinte der Rahsch'kani.

»Und dir das dichtere Federkleid.«

»Jedenfalls erwähnte ich vorhin, dass die ständige Gefahr nicht gerade zu dem gehört, was ich am Agentendasein liebe. Eine gute Intrige jedoch, das Offenbarwerden eines Geheimnisses und die Entdeckung einer geschützten Information, das lässt mein Herz rascher schlagen. Viel mehr als Explosionen und Schüsse.«

 

Die gewaltige Stahlorchidee der Solaren Residenz schwebte über dem Park als alles dominierendes Wahrzeichen. Perry Rhodan, Haneul Bitna und Avryl Sheremdoc standen viel zu nah, um das weit über einen Kilometer große gigantische Gebäude komplett sehen zu können.

»Wer ist eigentlich auf die Idee gekommen«, fragte Bitna, »die Residenz als Orchidee zu bezeichnen? Bei allem Respekt für Terras Architekten, es ist ein plumper stählerner Koloss und bei Weitem nicht so anmutig, wie ich mir eine zarte Blume vorstelle. Die gläsernen Flansche mit Blütenblättern zu vergleichen, ist doch sehr gewagt.«

Avryl schüttelte den Kopf, dass die leuchtend blau gefärbten Haare flogen. »Du willst doch nicht ernsthaft über Nichtigkeiten plaudern?«

»Verwechsle Nichtigkeiten nicht mit Höflichkeit!«

Rhodan blickte über den Residenzsee. Wenn eine Landung der Solaren Residenz nötig wurde, konnte das Wasser binnen weniger Sekunden abgepumpt werden, sodass die unteren Bereiche des Regierungssitzes in der Mulde aufsetzen und mit Ankerstreben Halt finden konnten. Es war lange nicht mehr nötig gewesen. Seerosen von Ferrol trieben auf dem Wasser, das von gelbem Plankton durchzogen wurde.

Am gegenüberliegenden Ufer des Sees brannte ein Feuer für die 804 Millionen Terraner, die durch die Teletrans-Weiche ins Stardust-System ausgewandert waren. Eine zweite Menschheit, irgendwo, weit draußen im All; ob Rhodan je wieder von ihnen hören würde?

Der Terranische Resident hatte seine beiden Gäste an jenen kleinen Bereich des Seeufers geführt, der – unsichtbar, aber effektiv – durch Schutzschirme abgeschottet war, um hohen Staatsgästen eine gesicherte Zuflucht in freier Natur zu bieten. Hohen Staatsgästen, dachte Rhodan leicht wehmütig, und mir selbst. Wann genau ist das eigentlich notwendig geworden?

Ein grellbunter Vogel zog seine Kreise über dem See und stieß unvermutet in die Tiefe. Er tauchte ins Wasser ein, und als er wieder zum Vorschein kam, zappelte ein blau gemusterter Aal in seinem Schnabel. Rhodan wusste, was kommen würde. Plötzlich kreischte der Vogel, schüttelte sich und stürzte ab. Der Aal platschte ins Wasser und schlängelte sich davon. Diese spezielle Art war auf Kreit heimisch; ihre Stromstöße konnten sogar für einen Terraner gefährlich werden. Das war einer der vielen Gründe, warum Baden im Residenzpark verboten war. Der Vogel erhob sich sichtlich angeschlagen wieder in die Luft. Von der Spitze seines Schnabels kräuselte schwärzlicher Rauch.

»Ich arbeite nicht nur für das Tefroder-Reich Iseul, das in der Nachbarschaft der Transgenetischen Allianz liegt«, sagte Haneul Bitna unvermittelt. »Sondern auch ...«

»Für die Allianz selbst«, unterbrach Rhodan.

»Hmh.«

Avryl hob einen flachen Stein und schleuderte ihn auf den See. Er tanzte dreimal auf der Oberfläche, ehe er versank. »Du hast deine Sache sehr gut gemacht und es tatsächlich geschafft, sowohl mich als auch den geschätzten Cel'Arbtan vom arkonidischen Tu-Ra-Cel lange zu täuschen. Wir glaubten, du versuchst ebenfalls, hinter das Geheimprojekt der Transgenetischen Allianz zu kommen.«

»Es war eine aufregende Zeit«, meinte Haneul Bitna.

»Um auf deine Frage von vorhin zu antworten«, sagte Rhodan. »Du wärst nicht bis in meinen Privatbereich vorgedrungen, wenn wir nicht tatsächlich alles über dich wüssten.«

»Touché.« Der Rahsch'kani verneigte sich. »So sagte man doch auf Terra, nicht wahr?«

»Vor langer Zeit«, stimmte Perry Rhodan zu. »Die wenigsten dürften das Wort noch kennen.«

»Sieh mich als gut informiert an.« Ein leichtes Schnabelklappern in Richtung der TLD-Agentin folgte. »Indem ich mich mit euch verbündete, konnte ich euch am leichtesten unter Kontrolle halten. Iseul lieferte ich falsche Informationen, und über die Fortschritte der Geheimdienste Terras und Arkons war ich durch den Kontakt mit dir und da Arthamin bestens informiert. Zumindest, falls ihr mir immer die Wahrheit gesagt habt.«

Avryl lächelte unergründlich. »Immer ist ein starkes Wort. Du bist nicht der Einzige, der sich auf Lügen und Intrigieren versteht.«

»So kommt es mir allerdings vor.«

Rhodan sah die Zeit gekommen, die Dinge beim Namen zu nennen. »Ich weiß nicht, inwieweit wir es deinen Bemühungen zu verdanken haben, Haneul, aber trotz all unserer Bemühungen sind uns nur Stichworte bekanntgeworden. Avryl schien auf Gorragan immer wieder gegen eine Mauer des Schweigens anzurennen.«

»Nenn mir einige dieser Stichworte«, bat Haneul.

»Der Vortex. Eine Dämmerzone. Die Ziele der Allianz allerdings liegen immer noch im Dunkeln. Wir wissen nicht einmal, um welche Art von Geheimprojekt es sich handelt. Militärisch? Wissenschaftlich? Es gibt Indizien für beide Ansichten.«

»Tatsächlich? Avryl, auch mit den Forschungen über die Gaatanyj bist du nicht weitergekommen? Nicht einmal heimlich?«

Die TLD-Agentin warf Rhodan einen fragenden Blick zu; dieser nickte. »Mir war schon bald klar, dass ich an den Grundlagen der Transgenetischen Allianz ansetzen musste, wenn ich Erfolg haben wollte. Die Tefroder oder Gorragani haben sich mit einem Jülziish-Zweigvolk zusammengeschlossen: mit den Gaatanyj. So weit, so gut. Stellt sich die Frage: Warum? Tatsächlich nur, weil es sich anbot? Oder steckte mehr dahinter? Es kostete einige Mühe, aber wir wissen inzwischen, dass die Gaatanyj ein B-Hormon produzieren ... und nur sie können das ... ein Hormon, das in irgendeinem Bezug steht zu dem Vortex-Geheimprojekt.«

»Eine Menge Schlagworte«, sagte der Rahsch'kani. »Alles hängt zusammen. Das Hormon. Das Transgenetische in der Allianz. Und vor allem das Genetische Siegel. Ich bin nach Terra gekommen, um dich auf das vorzubereiten, was kommen wird, Perry Rhodan. Morgen, in exakt fünfzehn Stunden, wird dir die Allianz ein Angebot unterbreiten. Eine Einladung nach Gorragan, auf die Hauptwelt der Allianz. Offiziell wirst du vorab nicht mehr erfahren, aber inoffiziell bin ich befugt, dir im Vorfeld einiges mitzuteilen. Die Frage ist nur, ob du die Einladung annehmen wirst?«

»Möglicherweise werden wir das«, sagte Rhodan. »Zumindest, wenn ...«

»Wir?«, unterbrach Haneul.

»Avryl wird mich begleiten. Zumindest, wenn ihr Terminkalender nicht dagegen spricht. Gorragan ist für mich eine fremde Welt. Avryl jedoch ist die einzige Terranerin, die dort längere Zeit verbracht hat. Sie besitzt Ortskenntnis und ist damit die logische Wahl.«

Die TLD-Agentin verbarg ihre Überraschung nur unzulänglich. »Mein Terminkalender sieht nichts Wichtigeres vor, als die diplomatische Begleiterin des Terranischen Residenten höchstpersönlich zu sein.«

»Dann wären ja alle Fragen geklärt«, meinte Rhodan. »Außer denen, die nur du beantworten kannst, Haneul.«

»Das werde ich – zumindest, soweit es mir erlaubt ist. Zuerst darf ich dir aber bitte noch eine Frage stellen, Avryl.« Der Vogelartige bückte sich und hob einen flachen Stein auf. Er warf ihn in den See, wo er mit einem Plumpsen unterging. Konzentrische Kreise bildeten sich und zogen als winzige, kaum wahrnehmbare Wellen ihre Bahn. »Wie in aller Welt hast du das gemacht?«

Kapitel 2

 

Meister-Töchter

 

 

Cha Panggu würde es wieder tun!

Fenji Eichach wusste es genau, denn Panggu zeigte alle Anzeichen dafür, angefangen bei der unruhigen Art, wie er die Beine bewegte, bis hin zum Blinzeln der tief im Schädel liegenden Augen, wenn er sich unbeobachtet fühlte – eine Verhaltensweise, die Fenji schon so oft beobachtet hatte. Seit Jahren bereits fragte er sich, was in jenen Minuten in den geschlossenen Räumen vor sich ging, in die sein Meister die Väter samt ihren Kindern führte.

Sein Meister, Cha Panggu, der Teufel, der Gold bringt. So nannten ihn alle hinter vorgehaltener Hand. Unter dieser Bezeichnung kannte man ihn auf hundert Welten. Sein Name verbreitete Ehrfurcht ebenso wie Angst. Aber niemand kannte Cha Panggu so gut wie Fenji. Niemand wusste, dass da noch mehr war als nur der Teufel. Panggu war ein Meister darin, dieses »Mehr« zu verbergen, und selbst Fenji fragte sich, worin es eigentlich bestand. Er konnte es nicht beim Namen nennen, nicht in Worte fassen. Es war eher ein Gefühl, eine tiefe Überzeugung, die es ihm ermöglichte, über die offensichtliche Bösartigkeit hinwegzusehen und die seiner Meinung nach unnötigen Grausamkeiten zu tolerieren. Was hätte er auch sonst tun sollen? Die bloße Vorstellung, an seinem Meister Kritik zu üben, war geradezu lächerlich.

»Wann ist es so weit?« Cha Panggu stand am Leitstand der CHAJE und generierte aus der Gebildegrube im Brustkorb einen Armtentakel, mit dessen Fingerenden er über die Sensorfelder der Konsole fuhr. Fenji Eichach stand nahe genug, um den penetrant süßen Duft des Zorns riechen zu können. Im Plasmafundus der Gebildegrube stieg sogar eine kleine Blase nach oben und zerplatzte an der Tentakelwurzel. Der Duft verstärkte sich, und rauchige Erregung mischte sich darunter. Die Spitze des Armtentakels tippte an Fenjis Kinn. »Hast du mich nicht gehört? Wann ist es so weit?«

Fenji musterte das Hologramm, das über der Konsole entstand und eine Realaufnahme der umliegenden Sterne zeigte. Ihr Schiff raste auf einen violetten Sternennebel zu, dessen Form ihn an irgendetwas erinnerte ... etwas, das er nicht beim Namen nennen konnte. »Mir liegen exakt dieselben Daten und Berechnungen vor, die du ebenfalls kennst. Ich kann nichts anderes, als ...«

»Schon gut!«

Wie Fenji es hasste, unterbrochen zu werden. Schon als Kind hatte er darunter gelitten, und jedes Mal versetzte es seinem Selbstbewusstsein einen neuen Schlag. Cha Panggu hatte das vom ersten Tag an gespürt und nutzte es immer wieder als Mittel, seinen Schüler zu züchtigen. Es ging einfach, es kostete kaum Mühe, aber es war äußerst effektiv. Fenji schaffte es nicht, sich darüber zu erheben. Wie immer sagte er sich, dass es keine Rolle spiele, dass er sich durch Panggus Machenschaften nicht beeinflussen lassen durfte – es half nichts.

In der Zentrale herrschte völlige Stille, die Besatzung arbeitete schweigend. Jeder Handgriff war tausendfach geübte Routine. Irgendwo knarrte ein Stuhl; Fenji sah im Augenwinkel einen Gui-Col-Offizier, der sich zurücklehnte und mit halboffenem Mund kaute, bis er husten musste und weißlicher Saft aus der flachen Nase rann. Fenji wandte sich angewidert ab. In dem Hologramm blitzten die letzten Sterne vor dem violetten Dunst in der Ewigkeit des Alls.

Fenji ließ sich die neuesten Kursprognosen anzeigen. Ihr Ziel lag direkt hinter dem Nebel, der CHAJE standen nur noch wenige Flugminuten bis zum Planeten Vodyan bevor. Es blieb gerade noch genug Zeit, ein letztes Mal Atem zu schöpfen und die Einsatzbereitschaft der unterschiedlichen Enter- und Kommandoteams erneut zu checken. Gerade gab er entsprechende Befehle weiter, als ein scharfer Zuruf seines Meisters ihn stoppte. »Beim sechsten Mal würde genauso alles bereitstehen wie beim fünften Mal.«

Wenn du wüsstest, dachte Fenji Eichach zufrieden. Den sechsten Test hatte er längst hinter sich; dies wäre der achte gewesen. Dieser kleine, heimliche Triumph machte es merklich erträglicher, soeben erneut in die Schranken gewiesen worden zu sein. »Wie du wünschst.«

»Begleite mich in meinen Palast.«

Diese Forderung verblüffte Fenji maßlos. »Jetzt? Direkt vor der Schlacht?«

In Cha Panggus Augengruben schillerte die Tränenflüssigkeit; die Gruben fokussierten sich. »Wir werden nicht gebraucht. Vor uns liegt ein Standardangriff, wie ihn die Mannschaft schon Dutzende Male durchgeführt hat. Die strategische Analyse ist längst abgeschlossen, und bis auf den unvermeidlichen Zufallsfaktor fällt sie eindeutig aus. Die CHAJE wird ohne erwähnenswerte Gegenwehr landen können, um den Tribut einzutreiben. Alles läuft in den üblichen Bahnen, die Truppen sind instruiert und stehen bereit. Warum sollten du und ich also unsere Zeit verschwenden?« Mit den Fingern des Armtentakels tippte er beiläufig eine Notiz in den Bordrechner, die das Kommando an seinen Stellvertreter übergab. »Der interessante Teil dieser Schlacht, wie du es zu nennen beliebst, wird noch einige Stunden auf sich warten lassen. Ich halte es für sinnvoll, die Zeit zu nutzen. Dies ist der Augenblick, um dir etwas mitzuteilen. Aber nicht hier in der Zentrale, sondern in angemessener Umgebung.«

In seinem Privatpalast. Das wollte Fenji gar nicht gefallen, denn entweder bedeutete dies eine große Auszeichnung, was er sich ausgerechnet in diesem Augenblick nicht vorstellen konnte – oder ihm stand eine Strafe bevor, wie sie nur ein Lehrer seinem ersten Schüler zuteilen konnte, eine harte Lektion. Wenn er sie überhaupt überstand. Cha Panggu konnte ihn während des Angriffs auf Vodyan auch auf eine Selbstmordmission schicken. Ja, das passt ... vielleicht hat er nur deswegen darauf hingewiesen, wie problemlos die Schlacht verlaufen wird. Eine letzte Demütigung, ehe er mich abschiebt: Du wirst bei einem Routineauftrag sterben, mein lieber Fenji ... dies ist das Ende deiner Karriere. Du bist es nicht wert, ein Gui-Col-Pirat zu werden.

Aber noch war es nicht so weit.

Während sich die übrigen 800 Besatzungsmitglieder der CHAJE auf die Attacke vorbereiteten, marschierten der Teufel und sein Schüler in Richtung des Palastes, des großen Separees im Zentrum des Schiffs, das ausschließlich Cha Panggu und seinen Töchtern vorbehalten war. Im Abstand von wenigen Metern strahlten Lichtquellen von der Decke des Korridors; jede Einzelne ließ Panggus Gesicht golden aufblitzen, wenn es die Strahlen reflektierte. Fenji vermutete, dass sein Meister die Gesichtshaut mit einem speziellen Öl präparierte, um das natürliche metallische Aussehen noch zu verstärken. Es ging das Gerücht, die Beute eines Sportkampfes habe einmal geschrien, sie wolle nicht von einem Roboter getötet werden.

Es würde Fenjis vierter Besuch im Palast sein. Er erinnerte sich genau an jedes einzelne Mal. Zuerst, als der Meister ihn zu einem seiner drei neuen Schüler berufen hatte; danach, um ihm den Dolch zu überreichen, mit dem er seinen beiden Konkurrenten das Mal der Schande in die Gebildegrube schlitzte; und schließlich, um ihm die große Ehre zu erweisen, seine beiden Töchter kennenzulernen, sein Stolz und seine Scham zugleich.

Was konnte nun noch folgen? Einen bizarren Augenblick lang stellte sich Fenji vor, wie Cha Panggu ihn mit einer seiner Töchter vermählen wollte. Cha Chiyme und Cha Xeiri waren fast zwanzigjährige Zwillinge, die in ihrer eigenen geistigen Welt lebten, einer Welt, die nur selten die Wirklichkeit berührte. Doch nein, das konnte nicht sein, nicht ehe er den Status als Schüler hinter sich ließ und selbst in den Rang eines Piratenanführers berufen wurde. Bis dahin würden noch viele Jahre vergehen.

Also wartete tatsächlich Degradierung oder gar der Tod auf ihn? Fenji war sich keiner Schuld bewusst, die es wert wäre, dass der Meister ihm in einem solch sensiblen Augenblick so viel Aufmerksamkeit widmete.

Cha Panggu blieb stehen. Direkt vor ihm glitzerte die Goldschicht mit dem Signum des Anführers am Eingang zum Palast. Das von einem konischen Aufsatz durchbrochene Oval schien dicht davor zu stehen, in Flammen aufzugehen – wie immer. Belüftungsschlitze waren in den Boden vor dem Schott eingelassen. Ein angenehm heißer Luftstrom schmeichelte dem Wohlbefinden jedes Besuchers.

Nun war es also so weit. Ein Gutes hatte es – Fenji musste sich die Fragen nicht mehr länger stellen. Er sah es ohnehin als seine größte Schwäche an, unablässig zu analysieren, sodass sein Geist nie die nötigen Ruhephasen durchlebte. Selbst im Schlaf gönnte er sich keine Erholung, sondern beschäftigte sich mit den anstehenden Problemen. Nicht selten fand er direkt nach dem Aufwachen die Lösung, nach der er zuvor lange vergeblich gesucht hatte. Deswegen liebte er den Kampfsport; wenn er ihm nachging, konnte er seinen Verstand auf einfaches Vergnügen konzentrieren, bei dem keine großen geistigen Anstrengungen notwendig waren.

Die Automatik erkannte Cha Panggu und öffnete. Fenji trat ein. Eine Welle leichter Übelkeit durchlief ihn.

»Kommst du wieder, Lebensstern?«, fragte die holografische Nachbildung in der Mitte des Raumes. Chyi Xeyme war Cha Panggus Lebensgefährtin gewesen, aber bei der Geburt der Zwillingsmädchen gestorben – ein Skandal, weil es medizinisch derart unwahrscheinlich war, dass man überall in der CHAJE unkte, sie habe sich selbst entleibt, als die Erst-Scans die geistige Behinderung ihrer Töchter aufdeckten.

Fenji hatte die echte Chyi Xeyme nie zu Gesicht bekommen, doch ihre Familie galt weithin als Trägerin großer Schönheit. Wenn die Holostatue ein realistisches Abbild darstellte – und daran zweifelte Fenji nicht –, war sie zweifellos die attraktivste Gui Col, die er sich nur vorstellen konnte. All seine Phantasie reichte nicht aus, sich größere Anmut auszumalen. Er hörte förmlich das zarte Knistern der goldenen Gesichtshaut; er genoss den Anblick der schwimmenden Grubenaugen, die dem Augenblick, in dem man sie musterte, ätherische Perfektion verliehen; ja selbst die Gebildegrube wallte in schierer Eleganz und verströmte den schwefligen Duft innerer Ruhe und Meditation.

Nein, korrigierte sich der angehende Pirat selbst, der Duft stammt nicht aus der Grube, denn Chyi Xeyme ist längst tot. Ein Atomisator verströmt künstlich hergestellte Duftmoleküle, nicht mehr. Er durfte sich von diesem Monument der Vergangenheit nicht gefangen nehmen lassen! Doch so sehr er sich dies auch vornahm, es blieb dabei – die Holostatue roch nach Schönheit und Herrlichkeit, die tief in jedem Gui Col ein tiefes Verlangen wecken musste. Auch Fenji Eichach konnte sich diesem Zauber nicht entziehen.

Regale, die in die goldglänzenden Wände eingearbeitet waren, säumten den Raum. In den einzelnen Fächern lagen Andenken und Tributstücke zahlreicher Welten, die Cha Panggu in seiner Laufbahn als Raumpirat überfallen hatte. Kostbarer Schmuck; geschliffene Kristalle; Kunstwerke, die zu fremdartig waren, als dass Fenji ihre Bedeutung erfassen könnte. Sein Blick blieb an einem scheinbar wertlosen Stück Holz hängen, das aussah wie ein abgebrochener Ast. Jedes zweite der Fächer war hell erleuchtet, in einigen blitzten facettierte Lichtkugeln.

Hinter der Holostatue entdeckte der Besucher Bewegung: die filigranen Gestalten der Zwillinge.

»Cha Eins, Cha Zwei und Sternenquell«, sagte Chiyme. Fenji erkannte sie an dem silbrigen Mal, das ihren Mundwinkel mit der flachen Nase verband. Ihre Zwillingsschwester beugte den schlanken Leib nach hinten, warf dabei den Kopf zurück, dass sich die Goldhaut am sehnigen Hals spannte. Die kleinen Brüste dehnten den eng anliegenden Stoff ihres Kleides über dem Freiraum der Gebildegrube. Sie kicherte, bis sich unvermittelt der Ausdruck ihres Gesichts verdüsterte und sie im Tonfall eines elegisch-religiösen Opus sang: »Sternenquell, Sternenquell, wachst auf und stirbst.«

Cha Panggu eilte zu ihnen, bildete einen Armtentakel und berührte die Mädchen sanft, ehe er sie in barschem Tonfall wegschickte und sich an seinen Gast wandte. »Beachte sie nicht. Was sie sagen, bleibt unverständlich. Sie reden ohne Sinn und Verstand. Nur gegenseitig scheinen sie sich bestens zu verstehen.«

Wer bin ich, dass ich dem Meister widerspreche? Fenji schwieg und wartete ab.

Die Mädchen wandten sich noch einmal um, ehe sie den Raum verließen. Ihre zarten Gestalten bildeten zitternde Schattenrisse vor der Wand, die rund um die Tür aus Millionen Punkten leuchtete. Jede Lichtquelle stand für einen Stern, wie ihn ihre Heimatgalaxis Zomoot ständig gebar, die landläufig in der Verkehrssprache Lozomoot Sternenquell genannt wurde. Die Zwillinge tasteten mit den Fingerspitzen über die Wand. »Stimm an den Grabgesang, lass leuchten das Gewebe«, trällerten sie, plötzlich in fröhlicher Melodie. »Dies wird der Tag sein, an dem sie sterben!« Sie lachten, drehten sich elegant und zogen sich zurück.

Ein Dienstroboter rollte auf Cha Panggu zu. Die würfelförmige Maschine öffnete eine Klappe auf ihrer Oberseite. Der Raumpirat griff hinein, ohne richtig hinzusehen, entnahm eine farblose Kapsel und rollte sie auf der Handfläche. Dampf wallte auf, in dem kleine blaue Funken blitzten. Panggu schluckte die Kapsel, und für einen Augenblick funkelten seine Augen in demselben Blau. »Du fragst dich, warum du hier bist, Fenji.«

Sein Meister ließ sich auf einen breiten Sessel fallen, der unter der plötzlichen Belastung knackte, als würde er im nächsten Augenblick zusammenbrechen. Eine zweite Sitzmöglichkeit gab es nicht. Cha Panggu war auf Gäste offenbar nicht vorbereitet; oder wenn, legte er keinen Wert auf ihre Bequemlichkeit. »Fenji, du bist mein bester Schüler. Deshalb habe ich dich vor inzwischen fast genau acht Monaten ausgezeichnet, indem ich dich deine beiden Konkurrenten mit dem Schandmal zeichnen ließ. Ich habe sie danach übrigens ...« Ein kurzes Kopfnicken, als wolle er damit Bedauern ausdrücken. »... übrigens getötet. Die Gui Col können Versager nicht gebrauchen.«

»Warum ...«

»Warum du sie vor ihrem Tod noch die Prozedur hast durchlaufen lassen?« Cha Panggu zog das rituelle Messer aus einem Fach, das seitlich in den Armlehnen des Sessels angebracht war. Er tat, als sei das selbstverständlich, doch dieses Detail zeigte Fenji einmal mehr, dass sein Meister nichts dem Zufall überließ und auch diesen Auftritt bis ins letzte Detail durchgeplant hatte. Noch immer klebte das verkrustete Blut der beiden anderen Schüler an der Klinge. »Es war wichtig für dich, und für sie ebenso. Sie einfach nur zu töten, wäre nicht angemessen gewesen. Warum sollte man sie sterben lassen, ohne ihnen Erkenntnis zu gönnen? Du jedoch hast damals mehr gelernt, als dir selbst bewusst ist.«

Unvermittelt schleuderte Panggu das Messer. Es überschlug sich flirrend in der Luft und raste auf Fenji zu.

Diesem blieb keine Zeit nachzudenken. Er handelte instinktiv, warf sich zur Seite und ließ gleichzeitig einen Arm aus der Gebildegrube hervor schießen; so rasch, dass es bis in den letzten Winkel seines Körpers schmerzte und seinen Brustkorb zu zerreißen schien. Er hörte es in sich knacken, von der Grube aus gluckerte es bis in sein Gedärm.

Obwohl ihm schwindelte, fing er das Messer im Flug. Dass er sich dabei minimal verschätzte und der Ansatz der Klinge noch in sein Fleisch drang, spielte keine Rolle. Der Schmerz würde vergehen. Ein wenig Blut pulste zwischen den Greiffingern hervor und verschmierte den Griff der rituellen Waffe. Er formte den Tentakelarm um, die klaffenden Wundränder schlossen sich.

Cha Panggus Lächeln brachte die goldene Gesichtshaut zum Knistern. »Seit damals hast du dich kontinuierlich gesteigert. Deine Leistungen sind zufriedenstellend. Deshalb habe ich dich in meinen Palast geladen. Dieser Augenblick soll dir immer in Erinnerung bleiben. Du wirst nicht so lange mein Schüler bleiben, wie es üblich ist. Vielleicht werde ich dich schon bald zu meinem Nachfolger berufen und dir alles übergeben, einschließlich meiner Villa. Ich werde all das hier nicht mehr brauchen, wenn mir gelingt, was ich vorhabe. Nicht heute und nicht morgen, aber wer weiß, was die Beobachtungen der Transgenetischen Allianz ans Licht bringen werden. Es scheint ganz so, als ...«

Er brach ab, und während Fenji noch völlig sprachlos war, stand sein Meister wieder auf, passierte die Holostatue – »Ach, Panggu«, sagte sie – und marschierte auf den Ausgang zu.

Kapitel 3

 

Erinnerungen an Gorragan

 

 

Spannend.

Dieses Wort kam Rhodan in den Sinn. In der Melodie, die seine Kabine erfüllte, lag eine derart impulsive Spannung, dass er sie sich unwillkürlich als Untermalung für einen Trivid-Superseller vorstellen konnte, eine dieser Geschichten, die Milliarden auf einer Hundertschaft von Planeten in ihren Bann zogen. Direkt vor seinem Aufbruch hatte er wieder einmal das Angebot einer Trivid-Firma, sein Leben in einer Holodoku ausführlich zu porträtieren, auf seinem Schreibtisch vorgefunden. Wir fragen uns nun, ob du bereit wärst, einen kleinen Gastauftritt zu absolvieren? Rhodan hatte kurz nachgeschaut, was ihm dafür angeboten wurde – beeindruckend. Aber es gab anderes zu tun. Wichtigeres.

Das hoffte er zumindest. Schließlich wusste er nicht, was ihn auf Gorragan, der Hauptwelt der Transgenetischen Allianz, erwartete. Haneul Bitna hielt sich weitgehend bedeckt, tat dies allerdings auf eine derart sympathische Art, dass Rhodan es ihm nicht übelnehmen konnte. Geheimniskrämerei war er ohnehin seit vielen Jahrhunderten gewohnt; auf manche Antworten hatte er Jahrzehnte oder Jahrhunderte warten müssen, andere hatte er nie erhalten. Zumindest noch nicht.

Je tiefer er in die Geheimnisse des Kosmos eindrang, umso mehr verblüfften ihn die Verbindungen zwischen scheinbar völlig isolierten Völkern und Ereignissen. Nun stand ein Zusammentreffen mit den Tefrodern bevor, von denen er lange nichts gehört hatte. Erinnerungen stiegen in ihm auf. Andromeda, die erste fremde Galaxis, in die gelangt war. Die Meister der Insel, die dort mit eiserner Hand geherrscht hatten.

Er lag auf dem Bett seiner Kabine in der MAURENZI CURTIS, verschränkte die Arme hinter dem Kopf, schloss die Augen und lauschte der Melodie. Dennoch gelang ihm nicht, die einzelnen Instrumente zuzuordnen. Waren es Streicher, wie er sie von Terra kannte, gemischt mit diversen Trommelklängen? Auf jeden Fall konnte er sich der Faszination der Geräuschkulisse nicht entziehen. Avryl Sheremdoc hatte ihm einen Speicherkristall mit dieser Komposition überreicht, einem Werk, das während ihres Aufenthalts auf Gorragan von einem berühmten tefrodischen Komponisten uraufgeführt worden war. Die Musik trieb ihn hinweg, änderte schließlich ihre Stimmung zu einem ruhigen, harmonischen Meer aus Tönen und geleitete Perry Rhodan in den Schlaf.

Als er aufschreckte, kam es ihm zunächst so vor, als wären nur Sekunden vergangen. Ein Blick auf die projizierte Bordzeit über seinem Bett belehrte ihn eines Besseren. Er hatte fast drei Stunden geschlafen. Vermutlich war die CURTIS längst aufgebrochen, in den Überlichtflug gewechselt und hatte das Solsystem hinter sich gelassen.

Rhodan schlug die Decke zurück, faltete sie ordentlich auf der unteren Seite der Matratze zusammen und suchte die Hygienezelle auf. Ein wenig vermisste er das luxuriöse Badezimmer in seinen privaten Räumlichkeiten der Solaren Residenz, doch er hatte schon wesentlich Schlimmeres als eine Kabine in einem modernen terranischen Raumschiff erlebt. Vor dem Spiegel wusch er sich gerade den Schlaf aus den Augen, als das Bordkommunikationssystem signalisierte, dass ihn jemand zu sprechen wünschte.

Er wandte sich um. Ein Wassertropfen fiel auf seine nackten Füße, als er in die Kleidung schlüpfte, die er sich bereit gelegt hatte. Wenige Sekunden später sah er, wer ihn zu erreichen versuchte: Haneul Bitna, der vogelartige Doppelagent, der zugleich als inoffizieller Sprecher und Abgesandter der Transgenetischen Allianz fungierte.

Rhodan nahm das Gespräch an und blickte auf die kleinen Knopfaugen, die in der Wiedergabe inmitten des Gesichtsgefieders schimmerten. Das Gefieder rundum wirkte dunkler als zuvor; und rieselte nicht rötlicher Staub daraus hervor? »Du wolltest mich sprechen?«

»Nun, da wir aufgebrochen sind und du der Einladung der Transgenetischen Allianz dankenswerter Weise gefolgt bist, würde ich gerne noch das eine oder andere mit dir besprechen. Homer G. Adams steht ebenfalls bereit, genau wie – das ist wohl unvermeidlich – meine geschätzte Kollegin Avryl.«

Ein letzter Wassertropfen rann über Rhodans Nasenflügel und kitzelte ihn. Dass sein alter Freund Adams ebenfalls eine Einladung der Allianz erhalten hatte, war einer der vielen ungeklärten Punkte ... aber sicher nicht derjenige, der auf der Prioritätenliste ganz oben stand. »Nun, dann danke ich dir dafür, dass du das kleine Treffen offensichtlich schon arrangiert hast.«

»Ich wollte dich nicht auch noch mit logistischen Problemen behelligen.«

»Da nimmst du es lieber persönlich in die Hand?«

»Wenn ich schon Gast auf einem terranischen Schiff bin und man so freundlich ist, mir eine unnötig luxuriöse Kabine zur Verfügung zu stellen ...«

»Komm zur Sache.«

»Welcher Zeitpunkt wäre dir für ein Treffen recht?«

»Am besten sofort«, meinte Rhodan. »Ich nehme an, du hast auch schon einen geeigneten Ort gewählt?«

 

»Name?«, fragte die Terranerin. Ihr Haar leuchtete so rot, dass es Haneul Bitnas Einschätzung nach nicht die natürliche Farbgebung sein konnte. Das Spektrum war bei Terranern genetisch stark eingeschränkt. Allerdings harmonierte es perfekt mit dem blauen Feuer, in dem Gorragans Kunstmond durch die Panoramascheibe des zweitklassigen Lokals am Firmament loderte.

Bitna verneigte sich affektiert, richtete dabei die Schulterflügel auf und setzte sich auf den freien Stuhl. »Nenn mir deinen, schönes Kind.«

Sie streckte die rechte Hand aus, bog sie zurück. Eine Messerspitze klackte aus einem Holster, das um ihr Gelenk geschnallt war und bislang wie ein modischer Armreif gewirkt hatte. Die terranische Frau hauchte auf die geschliffene Klinge, die unter ihrem Atem beschlug. »Nera Kyris, aber du kannst mich ...«

»... Avryl nennen?«, beendete er den Satz. »Dein Deckname ist so leicht durchschaubar. Du beleidigst meine Intelligenz.«

Avryl Sheremdoc, ihres Zeichens TLD-Agentin und seit über zwei Jahren im verdeckten Einsatz auf Gorragan tätig, der Hauptwelt der Transgenetischen Allianz zwischen Tefrodern und Blues, hob die rechte Hand und kappte mit der Klinge ein feuerrotes Haar, das einsam auf ihrer Wange wuchs. »Es störte mich schon lange. Ich kam heute Morgen jedoch leider nicht dazu, mich perfekt herzurichten.«

»Du siehst auch so wundervoll aus. Wäre ich ein Terraner, würde ich dir sofort verfallen. Keinen Augenblick würde ich zögern, meine Heimatwelt zu verraten.«

»Nur leider bist du das nicht, Haneul Bitna. Rahsch'kani finden wohl aufgrund ihrer Andersartigkeit nicht viel an Terranerinnen.«

»Ich sehe, du kennst mich ebenso gut, wie ich dich kenne. Und in der Tat sind die genetischen Unterschiede zwischen unseren Völkern zu groß, als dass ich dich attraktiv finden könnte. Ich beurteile dein Äußeres lediglich aus einer intellektuellen Warte heraus.«

»Das vereinfacht die Sache, nicht wahr?«

Bitna musterte das eng anliegende Kleid, das jede Kurve ihres Körpers überdeutlich betonte. »Ebenso wie es nur von Vorteil ist, dass wir die rein körperliche und sexuelle Ebene in unserer Geschäftsbeziehung vernachlässigen können. Es ist eine allzu große Schwäche der Agenten deines Volkes, sich immer wieder auf amouröse ...«

»Wie kommst du darauf?«

»Selbstverständlich kenne ich die Biographie etwa des legendären Lordadmiral Atlan in- und auswendig, sodass ...«

»Da ist dir allerdings etwas entgangen«, unterbrach Avryl. »Atlan ist kein Terraner, und der TLD ...«

»Da wir gerade dabei sind, uns gegenseitig nicht ausreden zu lassen: Ich weiß, welchem Volk Atlan angehört und ich weiß, dass die USO nicht der TLD ist, aber sei ehrlich ... sind die Unterschiede nicht marginal?«

»Das sehe ich ganz anders.«

»Es wäre sicher reizend, den gesamten Abend und auch noch die Nacht mit dir zu diskutieren, aber ich denke, es gibt wichtigere Themen als galaktische Feuerwehren, Arkoniden und Terraner. Ach, es ist viel zu kompliziert und geradezu philosophisch, vor allem, wenn man das Leben eben jenes Atlan betrachtet. Ist er nicht fast mehr Terraner als Arkonide?«

»Das bezweifle ich.« Mit einer ruckartigen Handbewegung ließ die TLD-Agentin das Messer wieder zurückschnappen. Über ihrer Schulter verrutschte das Kleid und gab noch mehr von ihren Brüsten frei. Im Gegensatz zu den Rahsch'kani waren die Tefroder oder Gorragani Avryls Volk sehr ähnlich, sodass ihr Dress zweifellos für einige Vorteile sorgte.

Die TLD-Agentin tippte auf das Sensorfeld inmitten der Tischplatte.

»Wie viele Gegner hast du mit dieser martialischen Waffe bereits getötet?«, fragte Haneul Bitna.

»Ich halte den Dolch für elegant und nicht etwa für martialisch! Vor allem rechnen die meisten nicht damit. Du glaubst gar nicht, wie nützlich er im Zeitalter der Dämpfungsfelder und ähnlicher energetischer Spielereien sein kann. Mit einem Ruck eine Klinge am Kehlkopf deines Gegenübers – es lockert manche Zunge.«

»Hoffentlich nicht im wörtlichen Sinne.«

Avryl lehnte sich im Stuhl zurück. Die Lehne knarrte.

Ein Servorobot surrte herbei; die Maschine gehörte wie das gesamte Tefrodias Stolz und Ehre nicht gerade zu den Aushängeschildern der gorraganischen Tourismuswirtschaft. »Womit kann ich dienen?« Die Stimme schmerzte im Ohr mit unreinem Akzent, der bewies, wie schlecht das Interkosmo-Sprachprogramm des Roboters ausgearbeitet war.

»Bring den besten Wein des Hauses«, verlangte Avryl.

»Mir etwas klares Wasser«, ergänzte Haneul. »Ohne Beimengung irgendwelcher Geschmacksstoffe oder Spurenelemente. Und bitte filtere jegliches Jod heraus.«

Der Roboter zog sich zurück, und auf einen fragenden Blick der Agentin hin fügte der Rahsch'kani als Erklärung das Wort »Allergie« an.

»Du bist also bereit, dich mit mir zu verbünden?«, fragte Haneul Bitna.

»Für wen arbeitest du?«

»Auf eigene Rechnung. Ich habe viel investiert, seit meine Quellen ans Licht brachten, dass die oberste Spitze der Transgenetischen Allianz an einem Geheimprojekt arbeitet. Zeit und Geld habe ich in großem Maß eingebracht. Dennoch habe ich nur Schlagworte ans Licht bringen können. Meine ... Forschungen haben ergeben, dass es dir nicht anders ergeht.«

»Lass uns diese Schlagworte zusammentragen.« Sie lächelte. »Es ist ähnlich wie eine Poker-Runde. Sind dir die Regeln dieses alten terranischen Spiels bekannt?«

»Wer verliert, legt ein Kleidungsstück ab? Ich muss dich enttäuschen. Es gibt wohl Agenten ... hm, Agentenkollegen, die du damit beeindrucken könntest, aber über unsere anatomischen Unterschiede haben wir bereits gesprochen. Allerdings sehe ich mein Vorurteil von vorhin leider bestätigt.«

»Da muss ich dich enttäuschen. Poker in seiner eigentlichen Form hat rein gar nichts mit Sexualität zu tun.«

»Bist du dir sicher?«, fragte plötzlich eine fremde Stimme.

Beide wandten den Kopf und starrten die weißhaarige Gestalt an, die unvermutet neben ihrem Tisch aufgetaucht war und offenbar den letzten Satz trotz des Akustikdämpfungsfeldes gehört hatte. Rote Augen dominierten das edel geschnittene Gesicht mit den aristokratischen Zügen.

»Ich darf mich doch zu euch setzen?«, fragte der Fremde.

Die TLD-Agentin machte eine einladende Handbewegung und wies auf den letzten unbesetzten Stuhl. »Wenn du bereit bist, mitzupokern.«

Der Weißhaarige folgte der Aufforderung und zog einen gefalteten Zettel aus einer Tasche seines Mantels. »Das genügt wohl als Eröffnungsangebot.«

Haneul Bitna packte den Zettel, faltete ihn auseinander und las in großen Buchstaben nur ein Wort: VORTEX. Er reichte ihn an Avryl weiter. »Kaum spricht man von diversen Kollegen, tauchen sie aus ihren Löchern auf. Oder hat dich die Erwähnung deines Artgenossen Atlan herbeigerufen?«

Der Roboter kehrte zurück, servierte Wein und Wasser und fragte nach den Wünschen des arkonidischen Neuankömmlings.

»Keine«, sagte dieser, lehnte sich in dem altersschwachen Stuhl zurück und griff vom Nachbartisch ein leeres, unbenutztes Glas. Der dortige Gast protestierte zwar, verstummte aber nach einem Blick aus sich verengenden roten Augen; was er weiterhin zu sagen hatte, wäre ohnehin in dem akustischen Sperrfeld untergegangen, das wieder perfekt schloss, sobald der Arkonide den Arm zurückzog.

»Fasoul da Arthamin ist mein Name, ich bekleide den Rang eines Cel'Arbtan.« Ungeniert griff er nach der Weinkaraffe und schenkte sich das Glas voll, noch ehe sich Avryl Sheremdoc selbst bedienen konnte.

»Hoher Besuch vom arkonidischen Geheimdienst«, meinte Haneul. »Der Tu-Ra-Cel ist uns stets willkommen. Zumindest wenn es darum geht, der Transgenetischen Allianz ihr Geheimnis zu entreißen.«

»Beginnen wir mit dem Pokerspiel.« Fasoul da Arthamin hob das Weinglas, nahm einen Schluck und spuckte ihn angewidert zurück. »Dieses Gesöff beleidigt meinen Gaumen. Aber zur Sache. Was wisst ihr über das Genetische Siegel?«

 

»Ich habe ihm das alles längst berichtet«, unterbrach Avryl Sheremdoc den Bericht des Vogelartigen.