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Martin Schneider, M. A.

Jahrgang 1973, studierte an der Universität Regensburg Allgemeine Wissenschaftsgeschichte, Geschichte und Politikwissenschaft. 2004–2009 arbeitete er für das Technische Museum Wien. Mitarbeit am Jubiläumsband »100 Jahre Technisches Museum Wien« (2009). 2009–2014 war er Programm-Manager für die Volkshochschule Traunreut. Er arbeitet als freier Autor sowie als Dozent in der Erwachsenenbildung.

Zum Buch

»Kein Mensch kann seinem Mitmenschen eine Kette um den Fuß schlagen, ohne das andere Ende der Fessel schließlich um den eigenen Hals gewunden zu finden.« FREDERICK DOUGLASS

Sklaverei gab es als gesellschaftliche und rechtliche Institution seit der Antike, zu Beginn des 21. Jahrhunderts gilt sie als eine der schwersten Menschenrechtsverletzungen. Doch wie Recherchen mutiger Journalisten und von Menschenrechtsorganisationen zeigen, gibt es Sklaverei noch heute. Schätzungen gehen weltweit noch immer von bis zu 30 Millionen modernen Sklaven aus!

Das vorliegende Buch bietet eine historische Einführung und Darstellung der Problematik und begibt sich auf Spurensuche. Es beschreibt die Entwicklung der Sklaverei für verschiedene Kulturen – von der Antike bis in die Neuzeit. In übergreifenden Artikeln skizziert es den Umgang mit der Sklaverei in den Bereichen Religion, Philosophie und Wirtschaft. Ebenso macht es deutlich, welche Unterschiede es zwischen alter und moderner Sklaverei gibt.

Martin Schneider
Geschichte der Sklaverei

Martin Schneider

Geschichte der
Sklaverei

Von den Anfängen bis
zur Gegenwart

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
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Alle Rechte vorbehalten

© by marixverlag in der Verlagshaus Römerweg GmbH, Wiesbaden 2015
Der Text basiert auf der Ausgabe marixverlag, Wiesbaden 2015
Covergestaltung: Network! Werbeagentur, München
Bildnachweis: »Feitors corrigeant des nègres« Lithographie, koloriert, nach Jean-Baptiste Debret (1768–1848) © akg-images GmbH
eBook-Bearbeitung: Bookwire GmbH, Frankfurt am Main

ISBN: 978-3-8438-0489-9

www.verlagshaus-roemerweg.de

»Die Armut ist nicht nur ein
fruchtbarer Boden für die Sklaverei,
sondern sie ist die Saatmaschine,
die Sklaven und Sklavinnen in aller
Welt hervorbringt.«

Lydia Cacho

INHALT

WAS IST SKLAVEREI?

Bestandsaufnahmen

Formen der Unfreiheit

HISTORISCHE ENTWICKLUNG

Sklaverei in alten Kulturen Asiens

Ägypten und der Orient

Griechenland und Rom

Das christliche Mittelalter

Der islamische Kulturraum

Sklavenhandel zwischen Afrika und der Neuen Welt

Widerstand und Rebellion

Die Abschaffung der Sklaverei

Sklaverei im Nationalsozialismus

Sklaverei und moderne Menschenrechte

Moderne Sklaverei im 20. und 21. Jahrhundert

THEMATISCHE ASPEKTE

Sklaverei als Thema in der Philosophie

Sklaverei als Thema in der Religion

Sklaverei als wirtschaftspolitischer Faktor

Sklaverei und Rassismus

SKLAVEREI – EIN DEUTUNGSVERSUCH

WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN IM INTERNET

ANMERKUNGEN

QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

Rechtsquellen

Literatur

WAS IST SKLAVEREI?

BESTANDSAUFNAHMEN

Artikel 4 der 1948 von den Vereinten Nationen verabschiedeten Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte besagt: »Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden; Sklaverei und Sklavenhandel in allen ihren Formen sind verboten.«1 Doch die Realität erscheint zu Beginn des 21. Jahrhunderts weit davon entfernt.

So berichtete die in Australien ansässige Walk Free Foundation in Ihrem Global Slavery Index 2014 von weltweit 35,8 Mio. Menschen, die im Jahr 2013 noch immer als Sklaven lebten.2 61 % dieser Menschen ließen sich dem Bericht zufolge fünf Ländern zuordnen: Indien, China, Pakistan, Usbekistan und Russland. Ferner zählen Nigeria, die Demokratische Republik Kongo, Indonesien, Bangladesch und Thailand zu den zehn Ländern, in denen weltweit die meisten Sklaven leben würden.

Vergleicht man diese Angaben mit dem Global Slavery Index 2013 (für das Jahr 2012), so scheint die Zahl der versklavten Menschen sogar noch angestiegen zu sein, da sie im Vorjahr »nur« mit 29,8 Mio. angegeben wurde.3 Walk Free führt dies allerdings nicht auf einen tatsächlichen Anstieg zurück, sondern auf die Verbesserung der dieser Statistik zugrundeliegenden Messverfahren.4 Die Liste der zehn Staaten denen auch im Index 2013 die höchsten Sklavenzahlen zugeordnet wurden, ist fast mit der Auflistung von 2014 identisch: Indien, China, Pakistan, Nigeria, Äthiopien, Russland, Thailand, Demokratische Republik Kongo, Myanmar und Bangladesch.

Diesen Studien zufolge gibt es kein Land auf der Erde, in dem keine Sklaven leben. Das würde somit sogar auf europäische Staaten zutreffen. In einem internationalen Vergleich, der die Einwohnerzahl eines Landes mit der geschätzten Anzahl der in ihm lebenden Sklaven in Beziehung setzt, belegte die Bundesrepublik Deutschland im Global Slavery Index 2013 den 136. Platz. In ihr lebten laut dieser Studie zwischen 10.000 und 11.000 Sklaven. In Frankreich seien es zwischen 8.000 und 9.000 Sklaven gewesen (Platz 139). Großbritannien lag mit geschätzten 4.200 bis 4.600 Sklaven auf dem 160. Platz.5 Im Bericht von 2014 belegte Deutschland mit 10.500 Sklaven den 147. Platz, Frankreich mit 8.600 Sklaven Platz 148 und Großbritannien findet sich mit 8.300 Sklaven auf Platz 149.6

Die International Labour Organisation (ILO) kam in ihrem 2014 veröffentlichten Bericht Profits and Poverty. The Economics of Forced Labour für 2012 zu dem Schluss, dass weltweit 20,9 Mio. Menschen Zwangsarbeit leisten mussten oder unter sklavereiähnlichen Bedingungen lebten: 4,5 Mio. (= 22 %) von ihnen seien Opfer sexueller Ausbeutung und in weiteren 2,2 Mio. Fällen (= 10 %) sei die Zwangsarbeit sogar staatlich angeordnet.7 Unter Verweis auf die ILO wird diese Zahl auch von der Menschenrechtsorganisation Anti-Slavery International genannt.8

Der Sonderausschuss gegen organisiertes Verbrechen, Korruption und Geldwäsche des Europäischen Parlaments berichtete im September 2013, dass allein in Europa 880.000 Menschen Zwangsarbeit leisten müssten. Von ihnen seien 270.000 Menschen Opfer sexueller Ausbeutung.9

Sklaverei und Zwangsarbeit in unserer modernen Welt sind ein verstörender Befund! Die im kalifornischen Oakland (USA) ansässige Organisation Slavery Footprint publizierte 2011 sogar die Website How many slaves work for you? Sie bietet dem Besucher einen Test, der zunächst in elf Abschnitten seine Lebensweise sowie sein Konsumverhalten abfragt und anschließend errechnet, wieviele Sklaven zur Aufrechterhaltung dieses Lebensstils notwendig sind – wieviele moderne Sklaven somit für sie oder ihn arbeiten.10

Auch wenn die den angeführten Studien zugrunde liegenden Methoden der Berechnung hinterfragt, kritisiert und verbessert werden können:11 Es ist nicht zuletzt die mutige Arbeit von Menschenrechtsorganisationen, einzelner Menschenrechtler und Journalisten, die immer wieder Fälle von Sklaverei aufdecken, Zeugenaussagen sammeln, Opfer befreien und den oft traumatisierten Menschen helfen. Sie belegen, dass dieses Thema auch in der heutigen Welt nach wie vor aktuell ist.

FORMEN DER UNFREIHEIT

Wie der zitierte Artikel 4 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die Studie der International Labour Organisation und der Bericht des Sonderausschusses zeigen, sind mit der Sklaverei auch Begriffe wie »Leibeigenschaft« und »Zwangsarbeit« eng verbunden. Zwar beschreiben diese durchaus verschiedene Zustände. Sie weisen aber so große Überschneidungen mit der Sklaverei auf, dass sie umgangssprachlich häufig synonym verwendet werden. Daher soll zunächst der Frage nachgegangen werden, was denn eigentlich unter Sklaverei zu verstehen ist und wer als Sklave bezeichnet werden kann.

Sklaverei bezeichnet die völlige persönliche, rechtliche und wirtschaftliche Abhängigkeit eines Menschen von einem anderen. Dieser abhängige Mensch – der Sklave – ist das Eigentum seines Herrn – des Sklavenhalters. Letzterer kann im Extremfall über körperliche Bestrafung, Verkauf, Vererbung und Tötung, aber auch über die Freilassung seines Sklaven entscheiden.

Die erste völkerrechtlich verbindliche Definition findet sich in der Antisklavereikonvention des Völkerbundes von 1926. Artikel 1, Abs. 1 beschreibt Sklaverei als den »Zustand oder die Stellung einer Person, an der die mit dem Eigentumsrechte verbundenen Befugnisse oder einzelne davon ausgeübt werden«. Das 1956 von den Vereinten Nationen verabschiedete Zusatzabkommen über Abschaffung der Sklaverei bezog dann auch Schuldknechtschaft, Leibeigenschaft, Kinderarbeit und Zwangsehen mit ein.

Da Sklaverei vielfältige Aspekte aufweist, ist sie Untersuchungsgegenstand unterschiedlicher Fachdisziplinen. Somit finden sich Definitionsansätze von Historikern, Wirtschaftswissenschaftlern, Anthropologen, Soziologen, Juristen und Menschenrechtlern. Jedoch lässt sich eine Schnittmenge an Kriterien bilden, die erfüllt sein müssen, um in einem bestimmten Fall von historischer Sklaverei sprechen zu können, wie sie von der Antike bis in die Neuzeit existierte: Es handelte sich bei ihr um eine Institution, die sich auf rechtliche Grundlagen stützte und gesellschaftlich akzeptiert war. Sklaven galten als das Eigentum ihrer Besitzer. Sie besaßen keine persönliche Freiheit und ihre Bewegungsmöglichkeit wurde durch die Kontrolle ihres Herrn eingeschränkt. Ebenso wurden Ehe und Fortpflanzung von diesem kontrolliert: Sie konnten gestattet, verboten oder zwangsweise arrangiert werden. Sklaven waren Rechtsobjekte, keine -subjekte. Ihre Rechte waren drastisch begrenzt, gesetzlich vorgesehene Strafen waren in der Regel härter als für Freie. Allerdings finden sich kaum Gesellschaften, in denen Sklaven gar keine Rechte besaßen. Zwar galt die Züchtigung eines Sklaven durch seinen Herrn als legitim und legal, aber Misshandlungen und Tötungen waren – zumindest juristisch – häufig Grenzen gezogen. Der Sklave war immer Außenseiter in der Gesellschaft, in der er lebte. Das gilt paradoxerweise auch für diejenigen Sklaven, die hohe Positionen inne haben konnten. Sklaven waren grundsätzlich nicht vermögens- und geschäftsfähig. Sofern sie – scheinbar – selbstständig wirtschafteten, taten sie es doch immer in Abhängigkeit von ihrem Herrn sowie für dessen Nutzen.12

Der international renommierte Sklavereiforscher Orlando Patterson (geb. 1940) bezeichnete Sklaverei in seinem 1982 erschienenen Buch Slavery and Social Death als »Sozialen Tod«.13 Der französische Ethnologe Claude Meillasoux (1925–2005) hatte in seiner Anthropologie der Sklaverei von »Nichtgeborenen und Toten auf Bewährung« gesprochen. Um diesen Zustand herbeizuführen, verlaufe die Versklavung über die Stufen der Entsozialisierung, der Entpersönlichung, der Entsexualisierung sowie der Entzivilisierung.14

Wie noch gezeigt werden soll, hat sich die moderne Sklaverei in Grundzügen gewandelt. Der amerikanische Soziologe Kevin Bales hat neben weiteren Unterschieden v.a. darauf hingewiesen, dass es sich bei der modernen Sklaverei – wie sie im 21. Jahrhundert auftritt – nicht mehr um eine akzeptierte juristische und gesellschaftliche Institution handelt, da sie inzwischen durch eine Vielzahl von Menschenrechtsabkommen und nationalen Gesetzen bekämpft wird.15 Nichtsdestotrotz bleiben auch bei dieser Form die persönliche Unfreiheit, Gewalt und Ausbeutung bestehen.

Andere Formen von Unfreiheit unterscheiden sich von der Sklaverei in der Regel durch das Recht auf die eigene Person, Heirat und Fortpflanzung. Das ab dem 1. Jahrhundert n. Chr. entstehende Kolonat – auf das noch eingegangen werden soll – bezeichnete ein bäuerliches Pachtverhältnis. Zwar waren Kolonen zu Kopfsteuer, Kriegs- und Frondiensten verpflichtet, doch waren sie persönlich frei.

Das Rechtsverhältnis der Leibeigenschaft wird besonders mit dem mittelalterlichen und neuzeitlichen Europa verbunden, in dem v.a. Bauern oft in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit von ihrem Gutsherrn lebten. Sie waren ihm zu Abgaben sowie zu Frondiensten verpflichtet und besaßen ohne Erlaubnis ihres Herrn keine Freizügigkeit. Im Unterschied zur Sklaverei waren sie allerdings nicht sein Eigentum. Sie besaßen auch Rechte. Dennoch konnten Abgaben- und Dienstpflichten so drückend ausgeprägt sein, dass die Betroffenen und ihre Familien in bitterer Armut lebten und die Grenzen zur Sklaverei nur noch theoretisch existierten. Die harten Formen der Leibeigenschaft in osteuropäischen und russischen Gebieten des 18. und 19. Jahrhunderts liefern dazu viele Beispiele. So ließ die russische Zarin Katharina die Große (reg. 1762–1796) zwar öffentliche Versteigerungen von Leibeigenen verbieten.16 Dies hielt sie jedoch nicht davon ab, selbst mehrere tausend leibeigene Bauern wie eine Ware an ihre Günstlinge zu verschenken.17 Auch in Mittel- und Westeuropa existierte die Leibeigenschaft, war oft jedoch nicht so ausgeprägt wie im Osten. Erst die im 18. und 19. Jahrhundert in vielen Staaten durchgeführten Bauernbefreiungen veränderten diesen Zustand.

Unter Zwangsarbeit versteht man jede Arbeit und Dienstleistung, die von einem Menschen unter Androhung von Strafe verlangt wird und für die er sich nicht freiwillig zur Verfügung gestellt hat.

Doch auch Zwangsarbeit unterscheidet sich von der Sklaverei im personenrechtlichen Status: Während in der Sklaverei sowohl die Arbeit als auch die arbeitende Person unfrei sind, kann Zwangsarbeit auch von personenrechtlich Freien geleistet werden.18

Es liegt in der Natur der Sache, dass eine Einrichtung wie die Sklaverei, in der ein Mensch zum Eigentum eines anderen bestimmt wird, der notfalls auch über Bestrafung und Tötung entscheiden darf, unter Zwang verrichteter Arbeit Tür und Tor öffnet: Aus Angst vor Strafe wird der Sklave die Arbeit ausführen, von Freiwilligkeit kann dabei keine Rede sein. Sklaverei führt damit zur bedingungslosen Ausbeutung der Arbeitskraft eines Menschen zum wirtschaftlichen Nutzen seines Besitzers. Ein besonders grausames Beispiel liefert die deutsche Geschichte: Die angeblich rassisch minderwertige, während des Zweiten Weltkriegs versklavte Bevölkerung osteuropäischer Länder musste während des Nationalsozialismus Zwangsarbeit in Konzentrations- und Vernichtungslagern sowie in kriegswichtigen Betrieben leisten. Ziele waren die wirtschaftliche Ausbeutung ihrer Arbeitskraft für einen deutschen »Endsieg« sowie ihre ethnische Vernichtung durch harte Arbeit unter unmenschlichen Bedingungen.

Sklavenhandel ist immer Menschenhandel. Er lässt sich beschreiben als die Bewegung von Menschen, um sie zu Ausbeutungszwecken zu verkaufen.19 Seitens des Händlers wird die menschliche Ware kontrolliert. Das Zusatzprotokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels (2005) der Vereinten Nationen definiert diesen in Artikel 3a als

die Anwerbung, Beförderung, Verbringung, Beherbergung oder Aufnahme von Personen durch die Androhung oder Anwendung von Gewalt oder anderen Formen der Nötigung, durch Entführung, Betrug, Täuschung, Missbrauch von Macht oder Ausnutzung besonderer Hilflosigkeit oder durch Gewährung oder Entgegennahme von Zahlungen oder Vorteilen zur Erlangung des Einverständnisses einer Person, die Gewalt über eine andere Person hat, zum Zweck der Ausbeutung. Ausbeutung umfasst mindestens die Ausnutzung der Prostitution anderer oder andere Formen sexueller Ausbeutung, Zwangsarbeit oder Zwangsdienstbarkeit, Sklaverei oder sklavereiähnliche Praktiken, Leibeigenschaft oder die Entnahme von Organen.20

Schon diese kurzen und sicher nicht erschöpfenden Ausführungen zeigen, dass eine eindeutige Abgrenzung der Sklaverei zu anderen Formen und Prozessen der Unfreiheit nicht immer einfach zu ziehen ist. Viele Themenkomplexe sind miteinander verbunden und die Grenzen verschwimmen. Auch müssen große Unterschiede in der Ausprägung sowie im gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Umgang mit dieser Institution berücksichtigt werden. Zudem wäre es historisch verfehlt, die heutigen internationalen Bestimmungen der Menschenrechte gegen Sklaverei und Menschenhandel als ethischen Maßstab zur Beurteilung vergangener Kulturen heranzuziehen. Die Menschenrechte, die Versuche ihrer Umsetzung aber auch der derzeitige Zustand moderner Sklaverei stellen vielmehr den Status Quo einer Entwicklung dar, die vielfältige Wurzeln aufweist. Sie liegen in der Geschichte, in der Politik, in der Philosophie, in der Theologie sowie in der Rechtswissenschaft. Diesen Wurzeln soll im Folgenden nachgegangen werden.

Dazu gliedert sich das vorliegende Buch in zwei große Abschnitte. Zunächst wird ein historischer Überblick zur Sklaverei von der Antike bis ins 21. Jahrhundert im jeweiligen gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Kontext gegeben. Anschließend werden verschiedene ideengeschichtliche Aspekte aus Religion, Philosophie, Wirtschaft und Menschenrechten betrachtet. Das Schlusskapitel unternimmt den Versuch, die vielen dabei skizzierten Entwicklungen in einem Deutungsversuch zusammenzuführen.

Der verbesserten Lesbarkeit halber wird im Text dieses Buches in der Regel die maskuline Form »Sklave« verwendet. Damit sind sowohl Sklaven als auch Sklavinnen gleichermaßen gemeint, sofern nicht ausdrücklich auf geschlechtsspezifische Unterschiede hingewiesen wird.

HISTORISCHE ENTWICKLUNG

SKLAVEREI IN ALTEN KULTUREN ASIENS

CHINA

Politik und Gesellschaft

Die chinesische Geschichte beginnt mit den fünf legendären Urkaisern des 3. Jahrtausends v. Chr. Sie gliedert sich bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts n. Chr. in eine Vielzahl von Dynastien, die zum Teil regionale, teilweise überregionale Bedeutung besaßen. Sie können hier nur ansatzweise erwähnt werden. Erstmals ist ein auf Mittelchina begrenztes Reich unter der Shang-Dynastie (ca. 1600–1100 v. Chr.) belegt. Unter der nachfolgenden Zhou-Dynastie (ca. 1100–256 v. Chr.) bildete sich ein Lehnssystem heraus. Allerdings zerfiel das Reich bereits ab dem 5. Jahrhundert v. Chr.

In dieser Zeit des Umbruchs lebten die großen Philosophen Konfuzius (551–479 v. Chr.) und Lao-tse (4./3. Jahrhundert v. Chr.). Konfuzius richtete sich gegen den Verfall und strebte eine ethisch basierte Neuerrichtung des bisherigen Reiches an. Auf Lao-tse geht die Begründung des philosophischen Taoismus zurück.

Für den Feudalstaat Zheng kann 536 v. Chr. bereits eine Rechtskodifizierung nachgewiesen werden. Die im 5. Jahrhundert v. Chr. einsetzende Zeit der Streitenden Reiche sowie das sich anschließende Interregnum wurde 221 v. Chr. unter der kurzlebigen Qin-Dynastie durch Einigung des Landes beendet. Es folgte die Han-Zeit (206 v. Chr.–220 n. Chr.). Unter Kaiser Wudi (reg. 141–87 v. Chr.) begann das Reich außenpolitisch zu expandieren. In der Rechtsprechung gewannen die Konfuzianer an Einfluss. Um das gesellschaftliche Zusammenleben zu sichern, sollte – bei der Familie angefangen – eine strenge soziale und rechtliche Hierarchie bestehen. Damit wandten sie sich gegen legalistische Ansätze, die zuvor für eine Gleichheit aller Untertanen vor dem Gesetz eingetreten waren. Am Ende der Han-Zeit zerbrach das Reich erneut, konnte in der westlichen Jin-Zeit (265–317 n. Chr.) jedoch nochmals kurzzeitig geeint werden. Bis in das 10. Jahrhundert n. Chr. folgten eine Vielzahl von Dynastien im Norden und im Süden. Das kodifizierte Recht bestand in großen Teilen aus Strafrechtsbestimmungen. Zu diesen gehörten nicht nur Todes- sondern auch Prügelstrafen, Deportationen, Verbannungen und Zwangsarbeit.

Sklaverei

Anders als im griechisch-römischen Altertum scheint der Sklaverei im alten China keine große Bedeutung zugekommen zu sein. Dennoch war sie bekannt. Versklavt werden konnten Kriegsgefangene, ebenso verurteilte Straftäter.21 Aus der Jin-Dynastie werden in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts n. Chr. auch gezielte Überfälle berichtet.22 Ebenso kannte man den Verkauf von Familienangehörigen. So veräußerten manche Bauern in der 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts n. Chr. ihre Kinder und vermieteten ihre Frauen als Arbeitskräfte, um ihre Steuern zahlen zu können.23

Grundsätzlich kannte man in China mehrere Arten, um mit den im Krieg besiegten Staaten und Völkern zu verfahren: Zum einen konnte der besiegte Staat zwar seine Selbstständigkeit verlieren, während man dem besiegten Volk aber die eigene Identität beließ. Zum anderen konnte es auch im Reich des Siegers angesiedelt oder versklavt werden. Der Fall der Versklavung eines ehemaligen Lehnsfürsten wird aus dem Jahre 655 v. Chr. berichtet, als der Herrscher von Jin seiner Tochter den versklavten Fürsten von Yu sowie seine Minister als Aussteuer übergab.24

Sklaven waren ihren Besitzern ausgeliefert, vor Gericht wurden sie härter bestraft als Freie. Allerdings konnten sie durch Amnestien (bei verurteilten Straftätern) und persönliche Entscheidungen ihres Herrn auch freigelassen werden.25 Doch erst nach einigen Generationen wurden die Freigelassenen vollwertige Mitglieder der Gesellschaft.26 Sklavenfluchten wurden hart bestraft: Den Ergriffenen drohten Straftätowierungen oder der Totschlag. Während der Zhou-Dynastie arbeiteten sie häufig in Haushalten, z.T. auch in der Landwirtschaft.27 Aus der kurzen Qin-Zeit ist bekannt, dass sie für öffentliche Arbeiten im Straßenbau eingesetzt wurden.28 In der Jin-Dynastie ist neben Arbeitsbereichen in Haushalt und Landwirtschaft auch ihre Verwendung als Handwerker sowie als Musikanten und Prostituierte bekannt.29 Sklaven konnten ebenso in gehobenen Verwaltungspositionen eingesetzt werden, zudem als Kaufleute, die für ihren Herrn wirtschafteten. Für Frauen ist ferner das Konkubinat bekannt.30 Ihren Besitzern galten Sklaven bis über den Tod hinaus als verfügbar. Dies belegen Sklavenbestattungen, wie sie seit der Shang-Dynastie bis ins erste 1. Jahrtausend n. Chr. vorkamen: Starb ihr Herr, so wurden auch seine Sklaven getötet und mitbestattet.31

Während der Han-Dynastie reformierte Kaiser Wudi (reg. 140–87 v. Chr.) die Steuer und Finanzpolitik, um die Staatsfinanzen zu stärken. Wer hier jedoch als Abgabenpflichtiger falsche Angaben machte, musste mit harten Strafen rechnen. Besonders Enteignungen scheinen in größerem Ausmaß vorgekommen zu sein, durch die nicht nur große Vermögenswerte und Immobilienbesitz, sondern auch viele Sklaven in den Besitz des Staates übergingen.32 Ob diese Strafmaßnahmen jedoch immer gerechtfertigt waren, muss dahingestellt bleiben. Gemessen an der Gesamtbevölkerung war die Zahl der Sklaven auch während der Han-Dynastie sehr gering: Sie betrug zwischen 1 und 5 % des Volkes.33 Doch angesichts der insgesamt großen Bevölkerungszahl muss auch die Anzahl der Sklaven hoch gewesen sein. So wurden etwa bei der Enteignung und Zerstörung vieler Klöster im Zuge der Buddhistenverfolgungen unter Kaiser Wuzong (reg. 841–846 n. Chr.) 150.000 Sklaven der Klöster in die Steuerregister aufgenommen.34

INDIEN

Politik und Gesellschaft

Um 1500 v. Chr. drangen indoarische Stämme über den Hindukusch nach Nordindien ein. Seit dieser Zeit bis etwa 600 v. Chr. entstanden die Veden, die zu den Heiligen Schriften des Hinduismus zählen. Ab etwa 1000 v. Chr. wird das gesellschaftlich-religiöse Kastensystem erwähnt. Es unterteilt die Bevölkerung hierarchisch in die Kasten der Brahmanen, Kshatriyas (Krieger), Vaishyas (Händler und Kaufleute 3. B.) sowie der Shudras (3. B. Handwerker und Bauern). Parias stehen als »Unberührbare« am untersten Ende der Gesellschaft. Sie sind Außenseiter und es gilt als verunreinigend, von ihnen berührt zu werden.

Das Auftreten des Buddhas Siddhartha Gautama (ca. 560–480 v. Chr.) markiert das Ende der vedischen Zeit. Um 360 v. Chr. entstand die Dynastie der Nandas, um 322 v. Chr. das Maurya-Reich. Am Hof seines ersten Königs Candragupta Maurya (reg. 322–300 v. Chr.) befand sich auch der griechische Ethnograph Megasthenes in seiner Funktion als Gesandter Seleukos’ I. Nikator (reg. 305/304–281 v. Chr.). Sein fragmentarisch erhaltener Indienbericht ist eine wichtige Quelle dieser Zeit. Das straff organisierte Reich umfasste große Teile des indischen Kontinents und erlangte unter König Ashoka (reg. 268–232 v. Chr.) seine größte Ausdehnung. Weitere Reiche entstanden unter den Dynastien der Kusanas (50–3./4. Jahrhundert n. Chr.) und der Guptas (320–570 n. Chr.). Ab dem 13. Jahrhundert konnte sich der Islam in Indien erfolgreich behaupten.

Sklaverei

Der Indienbericht des griechischen Ethnographen Megasthenes beschreibt die politischen, geographischen und sozialen Verhältnisse des Landes. Darin findet sich auch seine Behauptung, dass es dort keine Sklaverei gebe.35 Dennoch geht man davon aus, dass diese Institution seit der vedischen Zeit auch im indischen Kulturraum existiert hat.36 Sie traf Kriegsgefangene, verurteilte Verbrecher und Schuldner. Auch in den dem mythischen Gesetzgeber Manu zugeschriebenen Rechtsbestimmungen des 1. Jahrhunderts v. Chr. (Manavadharmaśastra) werden sie erwähnt.

Eventuell wurden Sklaven v.a. als Haussklaven eingesetzt und aus Prestigegründen gehalten.37 Sowohl ihre niederen Tätigkeiten also auch ihre Rechtsstellung unterschieden sich nicht von der Shudra-Kaste.38 Ihr gehörten die Knechte an, sie standen am unteren Ende der Gesellschaft. Sie durften nur als unrein geltende Berufe ausüben und die Veden nicht studieren. Vor Gericht wurden sie schlechter behandelt, da das indische Recht aufgrund der Kasteneinteilung keine Gleichheit vor dem Gesetz vorsah. Die im »Dharma«-Begriff enthaltene Vorstellung von einer Weltordnung – die auch in das Rechtssystem einfloss – sah vielmehr die Ungleichheit der Menschen vor.

JAPAN

Politik und Gesellschaft

Die japanischen Teilstaaten wurden bis 400 n. Chr. zum Staat Yamoto vereinigt. Ihm vorausgegangen war die Yayoi-Kultur (300 v. Chr. – 300 n. Chr.), die bereits den Reisanbau kannte und von chinesischen Einwanderern zur Zeit der Han-Dynastie beeinflusst gewesen sein könnte. Die Menschen lebten in Dorfgemeinschaften, die sich zu Sippenverbänden zusammenschlossen. Ebenso machten sich ab dem 4. Jahrhundert konfuzianische Einflüsse bemerkbar. Über Korea kam im 6. Jahrhundert der Buddhismus nach Japan, den Kaiser Shotoku (reg. 593–622) zur Staatsreligion erhob. Schwere Auseinandersetzungen mit der einheimischen Shinto-Religion waren die Folge. Im 7. Jahrhundert entwickelte sich Japan dann zu einem straff organisierten Beamtenstaat.

Sklaverei

Auch in Japan gab es Sklaven. Sie rekrutierten sich aus Kriegsgefangenen sowie aus verurteilten Verbrechern.39 In der Neuzeit kamen Tributsklaven aus Korea hinzu. Zwischen 300 v. Chr. und 300 n. Chr. wurden Sklaven sowohl in der Haus- als auch in der Landwirtschaft eingesetzt. Durch das Pachten eines Landgutes konnten sie ab dem 8. Jahrhundert den Status von Halbsklaven erlangen. Sklaven gehörten der Regierung, dem Adel sowie den Tempeln. Durch das Lehnswesen ging ihre Bedeutung jedoch im 11. Jahrhundert zurück. Ihre Anzahl wird schon für das 8. Jahrhundert auf weniger als ein Zehntel der Bevölkerung geschätzt.40

ÄGYPTEN UND DER ORIENT

ÄGYPTEN

Politik und Gesellschaft

Ägypten ist seit dem 6. Jahrtausend v. Chr. besiedelt.41 Erste politische Einheiten wurden um 3100 v. Chr. unter dem legendären König Menes zu einem Reich vereint. Hauptstadt des Landes war Memphis. In der Frühzeit der Pharaonenherrschaft (ca. 3100–2686 v. Chr.; 1. und 2. Dynastie) entstanden eine staatliche Verwaltung sowie ein sakrales Königtum. Zwar galt der Pharao als Mensch, doch hatte er Anteil am göttlichen Geist. Weltliche und göttliche Macht erscheinen im Pharao stets vereint. Während der gesamten ägyptischen Geschichte teilte sich die Gesellschaft in eine kleine, herrschende Schicht sowie in die große Masse des Volkes. Zur herrschenden Schicht zählte neben dem Königshaus auch die Beamtenschaft. Das einfache Volk war ihnen zur Arbeitsleistung verpflichtet. Kern der ägyptischen Gesellschaft waren Kleinfamilien, bestehend aus Mann, Frau und Kindern. Im Unterschied zu vielen anderen Kulturen konnten Frauen eigenes Vermögen besitzen und Rechtsgeschäfte abschließen. Die Familien lebten monogam. Dagegen gab es am Königshof Polygamie und Geschwisterehen. Sklaverei ist für das antike Ägypten seit dem Alten Reich bekannt.42

Das Alte Reich (2686–2181 v. Chr.; 3.–6. Dynastie) war eine Phase kultureller Blüte. Pharao Djoser (ca. 2620–2600 v. Chr.) ließ die Stufenpyramide von Sakkara errichten. Unter seinen Nachfolgern der 4. Dynastie – Cheops (2545–520 v. Chr.), Cephren (2510–2485 v. Chr.) und Mykerinos (um 2470 v. Chr.) – entstanden die Pyramiden von Gizeh. Nahm man früher an, dass diese beeindruckenden Bauwerke durch Sklaven errichtet wurden, so geht man heute davon aus, dass sie durch den Arbeitsdienst freier Bauern entstanden. In der Ersten Zwischenzeit (2181–2055 v. Chr.; 7./8.–11. Dynastie) zerfiel die politische Zentralmacht. Stattdessen entstand die Herrschaft der Gaufürsten von Herakleopolis sowie der Fürsten von Theben.

Das Mittlere Reich (2055–1650 v. Chr.; 11.–14. Dynastie) knüpfte an die Blüte des Alten Reiches an. Es erlebte einen Aufschwung von Wissenschaft, Architektur, Kunst und Literatur. Auch kleinere Pyramiden wurden errichtet. Bedeutende Kultstätten waren der Amun-Tempel von Karnak sowie das Osiris-Heiligtum von Abydos. Ab der 13. Dynastie kündigte sich jedoch der erneute Niedergang der Zentralmacht an. Die gegen Ende des Mittleren Reiches ins Nildelta eingewanderten Hyksos regierten in der Zweiten Zwischenzeit (1650–1550 v. Chr.; 14.–17. Dynastie) zunächst parallel zu regionalen Königtümern.

Nach Vertreibung der Hyksos und erneuter Einigung des Landes erlebte Ägypten im Neuen Reich (1550–1069 v. Chr.; 18.–20. Dynastie) eine weitere Blütezeit. Durch Eroberung Syriens unter Pharao Thutmosis III. (reg. 1479–1425 v. Chr.) erreichte es seine größte territoriale Ausdehnung. In bewusster Abkehr von der traditionellen ägyptischen Götterwelt und gegen den Widerstand der Priesterschaft erhob Pharao Amenophis IV./Echnathon (reg. 1351/1350–1334 v. Chr.) den Sonnengott Aton zum einzigen Gott im Sinne eines Monotheismus. Den Königssitz verlegte er nach Amarna. Doch sein Nachfolger Tutanchamun (reg. 1347–1339 v. Chr.) stellte die traditionelle ägyptische Religion wieder her und verlegte die Residenz erneut nach Memphis. Während des Neuen Reiches ging man dazu über, nicht nur die Beamten sondern auch die Soldaten durch die Vergabe von Ländereien zu bezahlen. Deren Bewohner waren dem Gutsbesitzer ebenfalls zu Arbeitsleistungen verpflichtet. Auf Ramses II. (reg. 1279–1213 v. Chr.), der 1275 v. Chr. den Hethitern bei Kadesch unterlag, geht eine große Bautätigkeit zurück. Wirtschaftliche Schwierigkeiten und Unruhen leiteten die Dritte Zwischenzeit (1069–747 v. Chr.; 21.–24. Dynastie) ein, in der das Land in ein Nord- sowie ein Südreich gespalten war und konkurrierende Dynastien erlebte.

In der Spätzeit (747–332 v. Chr.; 25.–31. Dynastie) stand Ägypten unter Fremdherrschaft – zunächst unter den Kuschiten, dann unter Assyrern und Persern, bevor es 332 v. Chr. durch Alexander den Großen (356–323 v. Chr.) erobert wurde. Er gründete die Stadt Alexandria und ließ sie zur neuen Hauptstadt ausbauen. Nach seinem Tod im Jahre 323 v. Chr. wurde das von ihm eroberte Großreich unter den Generälen seines Heeres aufgeteilt. Es entstanden verschiedene Diadochenreiche. In Ägypten begründete sein General Ptolemaios die makedonische Dynastie der Ptolemäer, deren letzte Herrscherin Kleopatra VII. (69–30 v. Chr.) war. Caesars Großneffe und Adoptivsohn Octavian (63 v. Chr. – 14 n. Chr.) machte Ägypten 30 v. Chr. zu einem Teil des Römischen Reiches. Die griechisch-römische Zeit endete 641 n. Chr. mit der arabischen Eroberung des Landes.

Sklaverei

Im Bezug auf die Sklaverei zeigen sich terminologische Unklarheiten der Quellentexte, da für Diener, Abhängige und Sklaven nicht immer eindeutige Begriffe Verwendung fanden. Daher kann nicht in jedem Einzelfall entschieden werden, ob tatsächlich von Sklaven berichtet wird. Werden Personen jedoch direkt als Sachen bezeichnet und verkauft, ist der Bezug eindeutig.43

Eine wichtige Ressource für Sklaven war der Krieg. Kriegsgefangene und deportierte Völker galten als Staatssklaven. Sie wurden gebrandmarkt und gehörten dem Pharao, der sie an Tempel oder an verdiente Persönlichkeiten weitergeben konnte. Tempelsklaven wurden v.a. zur Bewirtschaftung der zum Tempel gehörenden Ländereien eingesetzt. Sklaven, die über den Sklavenhandel erworben wurden, befanden sich in privatem Besitz. Sie arbeiteten im Haushalt, im Handwerk oder in der Landwirtschaft.44 Auch sind die Schuldsklaverei sowie die Versklavung verurteilter Verbrecher bekannt. Versklavten Frauen drohte das Schicksal des Konkubinats, wie es auch in der Zeit des Hellenismus nachzuweisen ist. In diesem Zusammenhang ist etwa die Syrerin Elaphion bekannt, die offenbar eine Art Vermittlungsbüro für Konkubinen unterhielt.45

Vor dem Hintergrund der mehrtausendjährigen ägyptischen Geschichte zeigen sich Veränderungen im Umgang mit Sklaven, die auf die Einflüsse anderer Kulturen wie die hellenistische oder die römische zurückzuführen sind. In ptolemaischer Zeit überwachte der Staat die Ein- und Ausfuhr von Sklaven, vermutlich wurde auch eine Sklavensteuer erhoben. In römischer Zeit war der Sklavenbesitz zwar nicht besteuert, jedoch der Verkauf sowie die testamentarische Freilassung. Kinder, die von einer Sklavin geboren wurden, erbten den Status der Mutter und wurden aufgrund ihrer unfreien Geburt ebenfalls Sklaven.46

Zwar ging man früher davon aus, dass die ägyptischen Pyramiden v.a. durch Sklavenarbeit errichtet worden seien, doch gilt diese Meinung heute als überholt. Wahrscheinlicher ist, dass die Bauarbeiten von Bauern zur Zeit der Nilschwemme durchgeführt wurden, wenn diese nicht auf ihren Feldern arbeiten konnten.47 Dass es beim Pyramidenbau jedoch immer freiwillig zugegangen sei, hat bereits der griechische Geschichtsschreiber Herodot (um 490/480–ca. 424 v. Chr.) bezweifelt. In seinen Neun Büchern zur Geschichte berichtet er, dass Cheops das Volk für den Bau der nach ihm benannten Pyramide ausgebeutet habe:

Cheops aber […] stürzte das Land in eine ganz schlimme Lage; er verschloss nämlich alle Tempel und hielt die Leute von den Opfern ab; dann mussten alle Ägypter für ihn selbst arbeiten. Die einen waren angewiesen, aus den Steinbrüchen an dem arabischen Gebirge Steine bis an den Nil zu schleppen; waren die Steine über den Fluss auf Fahrzeugen gebracht, so mussten andere sie aufnehmen und nach dem sogenannten libyschen Gebirge ziehen. Es waren aber ja an hunderttausend Menschen immer auf drei Monate mit dieser Arbeit beschäftigt. So war das Volk eine geraume Zeit gedrückt: Zehn Jahre brauchten sie zur Anlage des Weges, auf welchem sie die Steine fortzogen […] Über dem Bau der Pyramide verstrich aber eine Zeit von zwanzig Jahren. […]48

Man muss jedoch beachten, dass Herodots Bericht ganze zwei Jahrtausende nach der Errichtung der Pyramiden entstand. Angesichts der gewaltigen Bauwerke stand er vor der Aufgabe, zu erklären, wie die Arbeiten organisatorisch und technisch bewältigt worden sein könnten. Auch gelten seine Angaben von 100.000 eingesetzten Arbeitern heute als übertrieben. Doch zu seiner eigenen Zeit war es in Griechenland üblich, Sklaven für Bauarbeiten einzusetzen.

Die Bedeutung der Sklaverei in Ägypten scheint im Vergleich mit anderen Kulturen eher gering gewesen zu sein. Der Sklavenanteil an der Gesamtbevölkerung wird auf etwa 10 % geschätzt, wobei für Städte v.a. unter hellenistischem Einfluss höhere Werte angenommen werden dürfen.49

ISRAEL

Politik und Gesellschaft

Eng mit Ägypten verbunden ist die alttestamentarische Überlieferung vom Auszug des Volkes Israel. Wie 2. Mose 1 berichtet, habe die Zahl seiner Angehörigen in Ägypten so stark zugenommen, dass der Pharao befürchtet habe, sie könnten sich im Kriegsfall mit dem Feind verbünden und eine Bedrohung darstellen. Daher habe er die Israeliten zur Zwangsarbeit in der Bau- und Landwirtschaft bestimmt. Durch sie sollen die Städte Piton und Ramses im östlichen Nildelta errichtet worden sein. Später sei die Zwangsarbeit nochmals verschärft worden,50 bevor Gott die Israeliten aus der drückenden Knechtschaft befreit habe.51 Die tatsächlichen Hintergründe dieser Erzählung können heute nicht mehr erfasst werden. Zwar wurden im 13. Jahrhundert v. Chr. nichtägyptische Völker im östlichen Nildelta zu Bauarbeiten herangezogen. Israel wird aber noch nicht erwähnt. Vielmehr könnte es sich beim alttestamentlichen Auszug um die Flucht einer kleinen Gruppe semitischer Nomaden gehandelt haben.52