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Vorwort des Herausgebers

»Nach dem sensationellen Erfolg

von ›12 Years a Slave‹

erlebt nun auch ein weit wirkmächtigeres Buch,

das beinahe zeitgleich entstand,

›Onkel Toms Hütte‹

von Harriet Beecher Stowe,

sein Revival.«

 

ES GIBT kaum ein Buch, das eine ähnliche politische Wirkung entfaltet hat, wie »Onkel Toms Hütte«, das von Harriet Beecher Stowe (1811–1896) geschilderte Leben und Leiden eines schwarzen Sklaven im Amerika des beginnenden 19. Jahrhunderts. Das Buch traf einen Nerv. Die Zeit für die Abschaffung der Sklaverei war reif – so sah es zumindest ein Teil der amerikanischen Bevölkerung. Wenig später entflammte im Land ein Bürgerkrieg, in dem es nicht zuletzt auch um die Sklavenfrage ging.

Der Text erschien erstmals 1851 bis 1852 als Serie in einer Zeitschrift der Abolitionisten (den Gegnern der Sklaverei) mit dem Titel »Uncle Tom’s Cabin; or, Life Among the Lowly«. Die große Resonanz auf den Roman war spürbar, und so erschien das Ganze dann im März 1852 erstmals in Buchform in einer Auflage von 5000 Stück, die innerhalb von 48 Stunden vergriffen war. Noch im selben Jahr erreichten die Verkaufszahlen in den USA 300.000 Stück, es folgten umgehend Übersetzungen in zahlreiche Sprachen.

Harriet Beecher Stowe musste für die Handlung des Buches keine Phantasiestory entwerfen, um Spannung zu erzeugen und Emotionen auszulösen. Es reichte, dass sie das ganz normale Leben eines Sklaven in den Dreissiger und Vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts schilderte. Als Quelle dienten ihr unter anderem die Memoiren von Pfarrer Josiah Hensson, eines früheren Sklaven.

Im Lichte betrachtet, waren die Verhältnisse der Sklaverei zu dieser Zeit bereits längst überholt und eine Schande für eine vermeintlich aufgeklärte Nation. Die Sklaverei wurde aber in den Südstaaten als eine Art Gewohnheitsrecht weiter betrieben – weil man es immer so gemacht hatte. Groß darüber nachzudenken, war nicht erwünscht. Starke Interessengruppen versuchten, die Sklaverei mit den absurdesten Argumenten zu rechtfertigen – gegen jede Logik, und gegen jede Menschlichkeit.

In dieser Situation wirkte »Uncle Tom’s Cabin« wie ein Befreiungsschlag. Über das Thema zu reden war nun plötzlich erlaubt, und heute würde man sagen »in«.

Wenig später räumte der amerikanische Bürgerkrieg, in dem die Südstaaten unterlagen, dann tatsächlich mit der Sklaverei auf. Abraham Lincoln, der Anführer des Nordens, traf Harriet Beecher Stowe noch während des Bürgerkrieges im Jahr 1862. Dabei soll er gesagt haben: »So, this is the little lady who started this big war«, – »Das ist also die kleine Dame, die diesen großen Krieg begonnen hat«). Der Satz ist zwar historisch nicht gesichert, hätte aber durchaus so fallen können.

In der Folge erreichte das Buch regelrecht Kultstatus. Die Auflagen gingen in die Millionen, die Zahl der Neuauflagen und Nachdrucke ist kaum zu übersehen. Die US-Website »Uncle Tom´s Cabin & American Culture« listet zwischen 1852 und 1930 nicht weniger als 20 verschiedene Ausgaben (unterschiedlicher Verlage) auf. Immer wieder wurde das Buch neu bebildert, so dass im Laufe der Zeit Tausende Illustrationen zu Onkel Tons Hütte von Dutzenden von Künstlern entstanden – soviel wie wahrscheinlich zu keinem anderen Werk jemals.

Man muss das Buch als eine Art Katharsis verstehen, mit dem sich die amerikanische Gesellschaft von der auf sich geladenen Schuld freizuwaschen versuchte, zumindest musste es so für alle erscheinen, die das Buch nur oberflächlich oder vom Hörensagen kannten. Nur so kann man sich in der Folgezeit die Einprägung der »Marke« »Onkel Tom« ins kollektive Bewusstsein Amerikas, als Logo, Pizzadeckel-Aufdruck, Baumaschinen-Handel, Kaffee-Untersetzer und Tausender anderer Dinge, erklären.

Später, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, begann sich das Blatt zu wenden. Der Ausdruck »Onkel Tom« wurde nun zunehmend abwertend verwendet, für jemanden, der sich willfährig und unterwürfig in seine Situation fügt – so wie dies Tom und seine Gefährten gezwungenermaßen tun mussten, wenn sie überleben wollten.

Manche Amerikaner gehen dabei allerdings einen Schritt zu weit, wenn sie nur noch die negative Konnotation erkennen, und die große politische Wirkung, die das Buch hatte, übersehen.

So kommt es immer wieder zu kleinen interkulturellen Missverständnissen: Die Berliner taz etwa musste heftige Kritik einstecken, weil sie im amerikanischen Wahlkampf, bei dem erstmals ein Schwarzer, Obama, als Präsident kandidierte, ein Bild des Weißen Hauses auf die Titelseite druckte und fett darüber schrieb: »Onkel Baracks Hütte«. Man kann sowohl über diese Headline, als auch über die immense Aufregung, die daraufhin folgte, schmunzeln.

© Redaktion eClassica, 2014

Über dieses eBook

Unser eBook folgt der Erstauflage von 1852, und enthält unter anderem die sechs Original-Illustrationen von Hammatt Billings. Das Buch erschien damals in zwei Bänden, die in diesem eBook zusammengefasst sind. Der originale Cover-Motiv der amerikanischen Erstausgabe finden Sie im Innentitel.