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Gewitter.

Luftelektr. Entladungen (-> Blitz, -> Donner) und i. Allg. kräftigen Niederschlägen sowie heftigen, böigen Winden verbundene Wettererscheinung, die durch Konvektion von Luft relativ hohen Wassergehalts bei hoch reichender (feucht-)labiler Schichtung der Atmosphäre auftritt und gekennzeichnet ist durch die Ausbildung bes. mächtiger, sich lokal aus kleinen Anfängen rasch entwickelnder Quellwolken, in denen starke Vertikalströmungen herrschen.

(Brockhaus, Weltbild Studienausgabe, Leipzig 2001, Bd. 8, Seite 518)

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Foto: Marc Kunze.

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Vorwort.

Thomas Käsbohrer

Einer Crew, die auf einem Segelboot ein Gewitter unausweichlich vor sich hat, stehen vielfältige Herausforderungen und Gefahren vor Augen – egal wie groß das Schiff sein mag. Schon der Anblick eines heraufziehenden Gewitters auf See ist weit beängstigender als an Land. Wo dort Landschaft, Häuser, Hügel, Mittelgebirge große Teile eines Gewitters verbergen, ist der uneingeschränkte Blick auf See auf einen gewitterbedeckten Horizont Respekt gebietend. Wo wir hier mit beiden Beinen auf der Erde stehen, nehmen wir die Dinge dort aus dem Auf und Ab der Wellen heraus wahr. Sind auf größere Distanz Blitze zu erkennen, Donner zu hören: nimmt das Gefühl der Bedrohung durchaus zu. Fragen in der Crew werden laut: „Was passiert im Gewitter?“ – „Was kann passieren?“ – „Was passiert mit einem Boot, wenn der Blitz einschlägt?“

Selbst unter befahrenen Seglern fallen Antworten auf diese Fragen so zahlreich, vielfältig und gegensätzlich aus, wie es die Farben des Meeres an einem stillen Sommertag sind. Das beginnt mit der Einschätzung dessen, wie hoch denn die Wahrscheinlichkeit liegt, auf einer Yacht auf dem offenen Meer vom Blitz getroffen zu werden. Wie sich das anfühlt. Welche Schäden an einer Yacht in einem solchen Fall entstehen. Und wie das richtige Verhalten im Gewitter auf See ist. Die Meinungen hierüber gehen auseinander. Seemeilen weit.

Als wir im Dezember 2014 die Segel-Communities in den Social-Media-Plattformen des Internets zu diesem Projekt aufriefen und uns die ersten Geschichten von Seglern erreichten, stellten wir schnell Erstaunliches fest. Von rund 40 Geschichten, die eingesandt wurden, beschäftigen sich alle mit Gewitter: Mit Böen. Hohen Wellen. Slippenden Ankern. Mann über Bord. Wasserhosen. Und vielem, vielem mehr. Aber keine einzige beschäftigte sich mit einem direkten Blitzeinschlag.

Als wir es genau wissen wollten und für dieses Buch lange Interview-Termine bei Yacht-Versicherern in Hamburg führten, erhärtete sich das Bild:

Das, was uns beim Anblick eines Gewitters zunächst am meisten schreckt, verdeckt den Blick auf Gefahren, die tatsächlich im Gewitter lauern.

Und dies sind Gefahren, die – anders als die gewaltige Entladung elektrischer Energie – „Blitz“ genannt – zunächst vernachlässigbar erscheinen. Gefahren durch Wind und Welle. Durch Böen. Durch schlechte Sicht im Starkregen. Gefahren aufgrund von Seekrankheit und Übermüdung bei Langfahrt-Törns mit kleinen Crews.

Wir haben uns deshalb schon nach der Lektüre der allerersten Berichte von Seglern dazu entschlossen, die Gliederung dieses Buches nicht etwa nach Fahrtgebieten auszurichten, sondern nach eben jenen Herausforderungen und echten Gefahren, die einer Crew im Gewitter begegnen.

Eines will dieses Buch aber nicht sein: Eine Gebrauchsanleitung für Gewitter. Natürlich haben an diesem Buch auch Experten mitgearbeitet. Versicherer und Meteorologen kommen zu Wort. Aber zu unterschiedlich ist, was man gemeinhin an Phänomenen unter dem Begriff „Gewitter“ erlebt. Zu unterschiedlich sind die Erscheinungsformen, zu unterschiedlich ist die richtige Antwort auf das, was jeder draußen anders erlebt.

Was die jeweilige Situation erfordert, ist Sache des Skippers.

„Gewitter kann man nicht üben“, stellt einer der Autoren richtigerweise fest.

Was die jeweilige Situation erfordert, ist Sache des Skippers. Extremsituationen wie Gewitter erfordern vom Handelnden ein hohes Maß an Entscheidungsfähigkeit. Richtiges Verhalten im Gewitter basiert, und so ist es im Leben meist, nicht auf Spezial-Ausbildung, Spezial-Ausrüstung, Spezial-Know-How. Sondern auf altbekannter Anwendung altbekannter Regeln, die jeder Segler kennt. Man nennt es: Seemannschaft.

Deshalb liegen der Reiz und die Qualität, für die wir den Autoren der Geschichten zu danken haben, darin, dass sie uns eine Folie liefern, welchen Weg Menschen in dieser Extremsituation eingeschlagen haben, um sie zu meistern. Spannend sind die Geschichten schon für sich. Aber spannend wird jede Geschichte, wo sich jeder Segler die Frage stellt: „Und was hätte ich gemacht, in dieser Situation?“

Und so bleibt letztlich über die Kunst, ein Gewitter auf See auf einem kleinen Schiff zu meistern, nicht viel mehr zu sagen als das, was Peter Bruce in seinem Nachwort zu Adlard Coles‘ Buch Schwerwettersegeln formulierte:

„Kluge und resolute Entscheidungen werden am besten vor einer Situation getroffen, die einen später zur Verzweiflung treiben kann. Anders ausgedrückt: Die meisten Probleme sollten bereits angegangen werden, wenn sie sich ankündigen.“

THOMAS KÄSBOHRER

http://www.marepiu.blogspot.de

Video eines Blitzeinschlags auf dem Wasser in der Bucht von Kotor, Montenegro, in Zeitlupe:

http://youtu.be/1mtwC4f9z3A

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Foto: Thomas Käsbohrer.

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