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Matteo Bandello

Zwei venezianische Edelleute

(Novelle)

 

 

 

Copyright © 2015 Der Drehbuchverlag, Wien 

2. Auflage, 14. Februar 2016 

Alle Rechte vorbehalten 

eBook: Zwei venezianische Edelleute (Novelle) 

ISBN: 978-3-99041-214-5 

Zwei venezianische Edelleute werden von ihren Gattinnen in allen Ehren betrogen

Zwei venezianische Edelleute

 

In meiner Vaterstadt Venedig, die neben ihren Schätzen besonders reich ist an schönen holden Frauen, wie nur irgendeine Stadt in Italien, lebten zu der Zeit, wo der weise Fürst Francesco Foscari die Herrschaft darüber führte, zwei junge Edelleute, deren einer Girolamo Bembo, der andere Anselmo Barbadico genannt wurde. Zwischen beiden bestand, wie dass oft zu geschehen pflegt, die tödlichste Feindschaft und ein so heftiger bitterer Hass, dass sie nicht müde wurden, einander durch geheime Ränke zu schaden und auf alle ihnen mögliche Weise Schmach anzutun. Sie Hessen Hader und Zwietracht so weit unter sich aufkommen, dass es beinahe unmöglich schien, sie jemals wieder zu vereinigen.

   Da geschah es, dass beide zu einer und derselben Zeit Weiber nahmen, und der Zufall wollte, dass ihre beiderseitige Wahl zwei sehr schöne und liebliche Jungfrauen traf, welche von der gleichen Amme ernährt und aufgezogen waren und sich so schwesterlich liebten, als wären sie aus einem Leibe hervorgegangen.

   Die Gattin Anselmos, welche Isotta hieß, war die Tochter des Herrn Marco Gradenigo, eines Mannes von größtem Ansehen in unserer Stadt, der zu den Prokuratoren von Sankt Marcus gehörte, deren Zahl damals noch nicht so groß war, wie heutzutage, weil nur die weisesten und besten Bürger zu einer so edlen und angesehenen Würde gewählt wurden und keiner durch Ehrgeiz oder Geld dazu gelangte. Luzia hieß die andere. Sie hatte zum Gatien den andern der beiden Edelleute genommen, von welchem ich bereits gesprochen habe, mit Namen Girolamo Bembo. Sie war die Tochter des Ritters Gian Francesco Valerio, eines gelehrten Mannes, welcher schon mehrere Gesandtschaften im Auftrag seiner Vaterstadt besorgt hatte und in jenen Tagen von Rom zurückgekehrt war, wo er zur höchlichen Zufriedenheit der ganzen Stadt beim Heiligen Vater das Amt eines Botschafters verwaltet hatte.

   Als nun die beiden jungen Frauen verheiratet waren und die zwischen ihren Gatten obwaltende Feindschaft wahrnahmen, empfanden sie dies mit großer Betrübnis und Verdrossenheit, denn sie erachteten es für einen unerträglichen Zwang, nicht länger ihr freundschaftliches Verhältnis fortsetzen zu dürfen, an das sie seit ihren zartesten Jahren gewöhnt waren. Klug und verständig aber, wie sie waren, beschlossen sie doch, um des Hausfriedens willen auf die gewohnte innige Vertraulichkeit äußerlich zu verzichten und sich nur an gelegenen Orten und zu schicklichen Zeiten den Umgang zu gestatten. Das Glück war ihnen hierin insofern günstig genug, als ihre beiden Paläste dicht nebeneinander lagen und die dazu gehörigen kleinen Gärten dahinter nur durch einen dünnen Zaun voneinander geschieden waren, so dass sie sich täglich sehen und häufig sprechen konnten. Überdies unterhielt die Dienerschaft des einen Hauses hinter den Rücken ihrer Herren ganz freundlichen Verkehr mit der des andern.

   Den beiden Kameradinnen machte dies das größte Vergnügen; denn sobald ihre Männer ausgingen, konnten sie mit bester Müsse im Garten lange sich miteinander unterhalten, und sie taten dies sehr oft. Unter solchen Verhältnissen vergingen etwa drei Jahre, ohne dass eine von ihnen schwanger geworden wäre.

   Mittlerweile hatte der Anblick der reizenden Schönheit Madonna Luzias in Anselmo eine solche Leidenschaft entzündet, dass er sich keinen Tag beruhigen zu können meinte, bevor er nicht eine lange Weile mit ihr geliebäugelt hätte. Ihr Scharfsinn und ihre Schlauheit versahen sich auch dessen alsbald, und da sie ihm weder Liebe, noch auch völlige Unbekümmertheit zeigte, hielt sie ihn in Ungewissheit zwischen Furcht und Hoffen, um besser erspähen zu können, worauf seine verliebten Blicke abzielen. Doch tat sie mehr, als ob sie ihn gern sähe, als umgekehrt.

   Auf der andern Seite hatte das sittsame Wesen, das kluge Betragen und die anmutsvolle Schönheit Madonna Isottas dem Herrn Girolamo so wohl gefallen, wie eine Geliebte nur jemals einem Liebenden. Er wusste nicht ohne ihren holden Anblick zu leben, und es war lsotta, die mit ihrem gescheiten Auge sehr klar sah, sehr leicht, diese unerwartete Liebe zu bemerken. Sie war aber sehr keusch und ehrbar, liebte ihren Gatten im höchsten Grade, machte daher Girolamo ein ebenso freundliches oder nicht freundliches Gesicht, wie im allgemeinen jedem Bürger oder Fremden, der sie ansah, und pflegte sich zu stellen, als kenne sie ihn gar nicht. Seine Leidenschaft entflammte sich aber mehr und mehr, und er verlor ganz die Freiheit, wie einer, dem der Pfeil der Liebe das Herz getroffen hat, und konnte auf nichts anderes seine Gedanken wenden, als auf sie.

   Die zwei Freundinnen waren gewohnt, täglich zur Messe zu gehen, und zwar meist nach der Kirche San Fantino, weil diejenigen, welche später aufstanden, dort bis Mittag immer eine Messe fanden. Sie hielten sich dann jederzeit in einer kleinen Entfernung voneinander, und ihre beiden Liebhaber fanden sich fortwährend auch ein und gingen der eine da, der andere dort umher, so dass sie beide für eifersüchtige Ehemänner verrufen wurden, da man sie so hinter ihren Frauen herkommen sah, während doch beide nur bemüht waren, einander auf die Festung Hornberg zu bringen.

   Es begab sich nun, dass die beiden getreuen Milchschwestern, von denen bis jetzt noch keine das Geheimnis der andern ahnte, sich vornahmen, einander diese ihre Eroberungen mitzuteilen, damit dieselben nicht etwa im Verlaufe der Zeit dem zwischen ihnen bestehenden guten Einvernehmen eine Störung bereiteten. Dieser beiderseitige Beschluss führte sie eines Tages, als ihre Männer beide ausgegangen waren, an der gewohnten Stelle an dem Gartenzaun zusammen. Als sie sich trafen, lachten sie einander zu gleicher Zeit ins Gesicht, und nach den gewohnten freundlichen Begrüßungen nahm Madonna Luzia folgen dermaßen zuerst das Wort: „Meine liebe Schwester Isotta, du weißt noch gar nicht, dass ich dir eine allerliebste Geschichte von deinem Herrn Gemahl zu hinterbringen habe.“ „Und ich“, fiel Madonna Isotta sogleich ein, „habe dir ein Abenteuer von dem deinigen zu erzählen, das dich in nicht geringes Erstaunen, wo nicht gar in gewaltigen Zorn versetzen wird.“

   „Was ist es denn?“