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Clint Hutzulak, Ein wunderschön tödliches Ende

E-Book

ISBN: 978-3-903061-13-2

 

© 2014, Septime Verlag, Wien

Alle Rechte vorbehalten

 

 

Lektorat: Christie Jagenteufel

Umschlag: Jürgen Schütz

Umschlagfoto: © shutterstock-Orhan Cam

 

Printversion: Hardcover, Schutzumschlag, Lesebändchen

ISBN: 978-3-902711-31-1

www.septime-verlag.at

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Clint Hutzulak

 

Geboren 1967 in Ottawa, Kanada. Lebt und arbeitet heute in Victoria. Der ausgebildete Grafikdesigner legte mit Ein wunderschön tödliches Ende 2002 seinen Debütroman vor. Neben seinem erlernten Beruf arbeitete er den Bereichen Musik, Theater und Literatur, und schrieb zahlreiche Theaterstücke. Zu diesem Roman gibt es auch einen Soundtrack, an dem Clint Hutzulak ebenfalls mitwirkte.

 

 

Klappentext

 

Stace ist der geborene Verlierer. Einst spurlos aus seiner Heimatstadt verschwunden, kehrt er zurück, um sich mit seiner Ex auszusprechen. Doch es kommt ganz anders: Gleich am ersten Abend landet er mit ihrer besten Freundin Tanya in einem schäbigen Motel. Nach einer irren Nacht voll Sex und Drogen findet sie ihn am Morgen tot im Badezimmer auf. Für Tanya ist klar. Sie muss die Leiche so schnell wie möglich loswerden. Doch ihr Plan , den Toten in einem Stausee zu versenken, scheitert und plötzlich wimmelt es überall von Polizisten. Während Tanya panisch nach einem neuen Weg sucht, Staces Leiche zu beseitigen, hat er ganz andere Sorgen. Sein hellwacher Geist kommt in einem leblosen Körper zu sich. Noch ehe er das Geschehene verstehen kann, muss er seinen Körper hinter sich lassen und findet sich in einer Zwischenwelt wieder. An diesem bizarren, düsteren Ort, der von verschrobenen Charakteren und gescheiterten Existenzen bevölkert ist, wird Stace mit den dunklen Geheimnissen seiner Vergangenheit konfrontiert. Schnell wird ihm bewusst, dass sein rücksichtsloser Lebensstil ohne jegliche Moral nicht ohne Konsequenzen bleibt.

 

Doch es gibt noch Hoffnung für Stace. Auf einem surrealen, dreitägigen Trip nutzt er die ihm gegebene Chance, seine verlassene Liebe aufzusuchen und so dem Sinn seines Lebens auf die Spur zu kommen.

 

Ein wunderschön tödliches Ende ist ein eingängiger Thriller, der den Leser zu einer existentialistischen Reise auf die »andere Seite« - und beinahe wieder zurück – nimmt. Wunderschön. Verstörend. Unvorhersehbar. Erbarmungslos.

 

 

 

We acknowledge the support of the

Canada Council for the Arts for this translation.

 

Wir bedanken uns für die Unterstützung

dieser Übersetzung durch den Canada Council for the Arts.

 

Zu diesem Buch gibt es einen Originalsoundtrack.

Dieser wurde von u. a. Clint Hutzulak eingespielt und

ist als CD bei Septime Verlag direkt bestellbar.

 

 

Clint Hutzulak

Ein wunderschön tödliches Ende

Roman | Septime Verlag

 

Aus dem kanadischen Englisch von

Elvira Bittner

 

 

 

 

 

 

 

für Mowry,

für die immerwährende Inspiration

 

 

 

 

 

 

 

Wir sind überall, alle Toten der Welt. Unser letzter Trick, wieder sichtbar zu werden in Stein und Wurzel und Blatt. Uns in Worte zu übersetzen. Hingestreckt in unserem dunklen Gewand aus Buchstaben, fein verteilt auf weißem Papier, kannst du uns in jedem Alphabet entdecken. Schau genau hin: Wir atmen in den Räumen zwischen den Worten.

 

1 FREITAG NACHT

 

TEQUILA

 

Draußen merkt er, dass er nicht betrunken genug ist. Er setzt sich auf die Ecke eines Betonpflanzkübels am äußersten Ende des Parkplatzes und dreht sich mit seinem letzten Blättchen eine Zigarette, schnippt das leere Papierpäckchen unter ein Auto. Er raucht die Zigarette bis zum Stummel und sieht zu, wie die Gasfackeln auf der Veranda in der Dunkelheit flackern wie kleine Flammenfähnchen. Jenseits der Rufe und Pfiffe aus der Bar kann er schwach den neuen Highway hören wie einen fernen Fluss. Er zwickt sorgsam die Kippe ab, steckt sie zu dem Tabak in den Beutel, schlägt den Kragen seiner gefütterten Jeansjacke hoch gegen den Wind.

Vorher, im Radio des Lastwagens, haben sie für das Wochenende Schnee gemeldet, und tatsächlich fühlt es sich an, als würde das Wetter sich ändern und von Norden eine Kaltfront herunterziehen, deren Spitze schon da ist. Die Aufhängung des beleuchteten Kneipenschilds ist beidseitig mit Kabeln an großen Zementblöcken festgemacht, damit es nicht herunterfällt. Das ist neu. Hier scheint jemand vorauszudenken. Die Kabel summen und das tote Gras im Graben schlottert und seufzt und er kann sie nicht sehen, aber da ist eine Fahne irgendwo auf der Bar, die in der Dunkelheit immer wieder gegen die Stange knallt.

Das leere Päckchen Zigarettenpapier kommt zu ihm zurück und er stoppt es mit dem Fuß und schaut über den Parkplatz hinüber zu dem roten Lastwagen – seinem Lastwagen, seit gestern Abend. Es ist ein hübscher Laster: Der Eigentümer hat einiges in Extras investiert. Und der Motor. Als er die Kühlerhaube aufgeklappt hat, war er ganz sauber. Der Typ muss das verdammte Ding jedes Wochenende geputzt haben.

Er fährt mit dem Daumen über den salzzerfressenen Deckel der Magnetschlüsselbox und spürt, wie der Schlüssel innen umherrutscht. Er wird den Laster bald abstoßen müssen, was ein Jammer ist, aber der Eigentümer wird froh sein, ihn zurückzubekommen. Er hat ihn gut behandelt; niemand würde sagen können, dass er ihn nicht mit Respekt behandelt hat. Mit Samthandschuhen hat er ihn angefasst, wie es sich gehört für ein so feines Stück Technik, vielleicht das erste so gut wie neue Fahrzeug, das er je gefahren hat. Falls er es einrichten kann, wird er noch volltanken, bevor er den Laster stehen lässt. Als Zeichen der Wertschätzung. Und den Schlüssel in der Magnetbox genau dort stecken lassen, wo der Typ ihn sehen kann. Als kleine Erinnerung, ein bisschen vorsichtiger umzugehen mit Dingen von Wert.

Er zieht seinen Ärmel hoch, um nach der Uhrzeit zu sehen, und erinnert sich dann, dass die Uhr weg ist. Scheiße, murmelt er leise und steht auf. Er knöpft seine Jacke bis zum Kinn zu, was ein wenig zu helfen scheint, aber es ist zu kalt, um draußen zu sitzen, der Beton unter seinem Arsch hat ihn völlig durchgefroren und er muss pissen. Er zieht Handschuhe aus seinen Taschen, legt sie auf den Rand des Betons und setzt sich darauf.

Kurz dringt Musik heraus, als die Frau aus der Bar kommt. Im Schutz der Türöffnung zündet sie sich eine Zigarette an. Er sieht die Flamme und dann den Rauch, der aufsteigt und das Licht des Neonschilds mit der Bierwerbung hinter ihr auffängt. Sie bückt sich, um etwas an ihren Stiefeln zu richten.

Süße! Er steht auf und ruft über die geparkten Autos zu ihr hinüber.

Erst vor einer Stunde hat sie ihm ihren Namen gesagt und er hat ihn schon vergessen. Sie ist eine Freundin seiner Frau – Ex-Frau, ruft er sich ins Gedächtnis. Aber er kann sich nicht an ihren Namen erinnern.

Sie kommt auf ihn zu, ihre Stiefelabsätze knirschen auf dem Kies, ihr Schatten wirft unter dem bronzenen Flutlicht ein Muster um sie.

Ich dachte, du hättest dich endgültig verpisst, sagt sie, als sie vor ihm stehen bleibt.

Ich komm mir hier draußen vor wie ein Eisberg. Er schlingt einen Arm um ihre Taille und zieht sie an sich. Ihre Haare riechen nach Bratenfett und Rauch und Haarspray.

Sie schiebt ihre Hand über seinen Hintern. Armes Baby, sagt sie, indem sie die Lippen zu einem Schmollmund spitzt und ihren Kopf an seine Schulter legt. Brauchst du jemanden zum Aufwärmen? Sie macht an seiner Brust ein Geräusch wie eine schnurrende Katze.

Wie wär’s, wenn wir hinauf in dein Zimmer gehen, sagt er, die Nase auf ihren Scheitel gedrückt. Er mag es, sie zu spüren, ganz nah, das Leder ihres Mantels noch warm von drinnen.

Rufst du Lillis Rae an und sagst ihr, dass du zurück bist und sie sehen willst?, fragt sie. Sie klopft ihre Zigarette mit einem Fingernagel ab, der die Farbe getrockneten Blutes hat. Ich geh davon aus, dass du angerufen hast, um ihr zu sagen, was los ist?

Ich hatte eher an eine Überraschung gedacht, sagt er. Die Kälte schneidet durch den Alkohol und er spürt, wie die Betrunkenheit sich davonschleicht und sein Kopf klar wird.

Sie weicht zurück und sieht zu ihm hoch, drückt ihre Handflächen vorne an ihren Ledermantel und fährt daran hinunter. Arschloch, murmelt sie. Tolle Überraschung. Wie lang ist es her, ein Jahr?

Länger. Vorletzten Sommer.

Lillis Rae hat sicher den Atem angehalten. Gottverdammte Überraschung. Echt ein guter Witz. Sie lacht und nimmt einen langen Zug von der Zigarette, ohne sein Gesicht aus den Augen zu lassen.

Ich ruf sie morgen an, sagt er, mit einer Stimme, die sanft klingen soll. Gleich morgen früh ruf ich sie an und warne sie vor. Er hebt drei Finger zum Pfadfinderehrenwort. Versprochen.

Was ist mit heute Nacht?

Es ist jetzt zu spät, um anzurufen. Schon nach Mitternacht. Sie geht immer früh in die Falle. Halb elf – Licht aus. Wie ein gottverdammter Jesuit. Das hat mich immer ganz verrückt gemacht.

Nein, ich meine, was ist mit heute Nacht? Hast du ein Zimmer oder was? Oder hast du vor, die ganze Nacht hier draußen zu bleiben, bis irgendein Cowboy rauskommt und beschließt, dich in den Arsch zu ficken?

Ach, hör doch auf, sagt er und greift nach ihr. Was hast du da drin so lange gemacht? Hast du was aufgetrieben oder willst du mir eine Predigt halten?

Du solltest sie anrufen, sagt sie. Nur ein Arschloch würde das nicht tun.

Na gut, dann bin ich eben ein Arschloch, sagt er, indem er die Arme ausbreitet. Und was dann, verdammt? Wer ist der Typ in der Nische? Ich hab ihn noch nie gesehen.

Es ist viel Scheiße passiert, seit du verschwunden bist, sagt sie. Viel Scheiße. Neue Leute rein, alte raus. Weggezogen. Tot. Was auch immer. Der Typ ist in Ordnung, aber er ist ein geiler Bock, macht mich immer an, obwohl er weiß, dass ich dafür nicht mehr zu haben bin. Ich zahle jetzt mit Bargeld, danke.

Was hast du denn nun aufgetrieben? Was Anständiges?

Er hat mir zwei Pillen gegeben – na ja, drei –, eine für mich, zwei für dich. Dilaudids. Er sagte, du würdest sie mögen. Hast du die schon mal ausprobiert?

Sie nimmt ein mit Folie umwickeltes Päckchen aus einer Innentasche ihres Mantels und gibt es ihm. Ich hab meine schon rausgenommen, sagt sie.

Er wickelt die Silberfolie auf und untersucht die zwei Tabletten.

Die gelbe ist die große, sagt sie, während sie den Reißverschluss ihres Mantels zuzieht. Vier Mil hat er, glaub ich, gesagt. Die orangefarbene ist zwei Mil.

Die Dilaudids sehen unter dem Licht völlig identisch aus.

Es sind Morphine, sagt Stace. In einer Spritze werden sie sich ganz leicht auflösen.

Er hat mir die orangefarbenen Dillies für zwanzig das Stück verkauft, die gelbe war fünfzig, das sind dann wie viel, fünfzig … neunzig Dollar.

Hast du eine Pumpe?, fragt er, während er die Folie sorgfältig wieder um die zwei Pillen wickelt.

Sie spitzt die Lippen, bläst ihm eine Rauchwolke ins Gesicht. Vielleicht hab ich irgendwo eine versteckt, sagt sie. Sie ist ziemlich betrunken, und plötzlich fängt sie an zu zittern.

Lass uns auf dein Zimmer gehen und feiern, Tanya, sagt er, als er sich endlich an ihren Namen erinnert. Er zieht sie dicht an sich, reibt ihr über den Rücken. Das Dope wird dich auf Touren bringen. Wir kommen zur letzten Bestellung noch mal runter. Ich geb einen aus.

Fick dich, du Großkotz, sagt sie. Vergiss es.

Na komm schon. Als er sie wieder an sich zieht, fährt sie schwankend vor ihm zurück, schiebt seine Hand von ihrer Taille weg. Er packt sie am Ellbogen. Sie versucht seine Finger von ihrem Arm loszureißen.

Lass mich los, verdammt nochmal, sagt sie.

Was soll die Scheiße?, fragt er. Warum bist du so verklemmt?

Nimm deine Hände weg. Ich seh Lillis Rae morgen Abend, mein Gott. Soll ich ihr etwa erzählen, dass ich gerade mit ihrem Mann gevögelt habe? Es ist nicht mehr wie in alten Zeiten. Da sind ein paar Dinge, auf die ich Rücksicht nehmen muss. Und ich habe sowieso meine Verpflichtungen, wenn du verstehst, was ich meine. Ich will die Sache mit Bob nicht versauen. Es ist sein Zimmer.

Jetzt mach aber mal halblang, sagt Stace und lässt sie los. Ich kann mich noch gut an deinen tollen Freund Bob erinnern, und er ist ein schmieriger Drecksack. Du weißt doch genau, wie die Dinge liegen: Er ist oben auf dem Ölfeld und fickt heute Nacht ziemlich sicher eine andere. Zwischen euch geht’s doch sowieso nur ums Geld, stimmt’s? Dann behalt sein Geld, aber erzähl mir hier nichts von Treue, das kauf ich dir nicht ab. Du bist schön und ich will dich heute Nacht vögeln und das versaut einen Scheißdreck zwischen dir und Bob. Außerdem ist Lillis Rae meine Ex, okay? Ich wüsste nicht, dass wir in den letzten eineinhalb Jahren zusammengelebt hätten. Also keine große Sache. Du und ich – zwei Erwachsene.

Die Glut ihrer Zigarette sprüht Funken, als sie mit der Hand gegen die Flanke eines Autos schlägt.

Halt bloß den Rand, sagt sie und mustert ihn, wobei ihr der eingedrehte blonde Pony in die Augen sticht. Er hat Geld, und das ist jedenfalls mehr, als du zu bieten hast.

Okay. Scheiße. Tut mir leid. Was immer du willst. Aber wach doch auf, Tanya. Du siehst ihn ungefähr einmal im Monat, wenn er auf dem Weg zu den Bohrinseln ist, er bringt dich in seinem Motel unter, er fickt dich und so viele deiner Freundinnen, wie er nur kann, und du bleibst genau da, wo du irgendwann mal angefangen hast. Haust du immer noch in dem Loch über der Bäckerei? Mit der braunen Tapete?

Er erinnert sich gut an Tanyas Wohnung: Er und Lillis Rae waren zweimal bei ihr vorbeigefahren, um Kleider oder sowas abzuliefern, Bücher vielleicht. Eine Wohnung aus den Fünfzigern, Parkettböden, Einbauschränke und so weiter, eigentlich ganz okay – bis auf die braune, seidenartige Tapete im Wohnzimmer, die ihn aus irgendeinem Grund deprimiert hatte. Es war ihm vorgekommen, als stünde man in einer Raucherlunge.

Meine Fresse, sagt Tanya. Das sagt ja genau der Richtige. Du beseitigst irgendeinen Drecksack und plötzlich bist du wie Rambo oder so. Ein echter Mistkerl. Na klar. Sie lacht, und das Lachen geht in einen Husten über. Rambo mit einem Ständer. Für dich gilt keine Regel mehr. Der Selfmademan.

Sie schiebt ihre Handtasche um die Hüfte, bis sie sich zwischen ihnen befindet, und balanciert den mit Fransen besetzten Wildlederbeutel dann auf einem gehobenen Knie. Er legt eine Hand unter ihren Schenkel. Sie kramt einen halbvollen Plastikflachmann mit Tequila ganz unten aus der Tasche, schraubt ihn auf und führt ihn mit einer Hand zum Mund, während sie die andere Hand in seinem Kreuz ruhen lässt.

Wenigstens verprügelt mich Bob nicht für sein Geld. Er ist sehr nett zu mir. Sie wischt sich mit dem Handrücken über den Mund.

Er ist sehr nett zu mir, äfft Stace sie nach. Er zieht seine Brieftasche heraus und hält sie schräg, um in das Fach mit den Geldscheinen zu sehen. Dann nimmt er vier Zwanziger und einen Zehner heraus, wickelt sie um einen Finger. Neunzig Mäuse für die Dillies, sagt er. Er holt noch zwei Zehner und einen Fünfer hervor und steckt das Geld in Tanyas Manteltasche. Für dich. Und jetzt blas mir einen.

Du machst Witze, was? Fünfundzwanzig Dollar?

Ich zahle später für mehr.

Darauf kannst du wetten, aber ich geh hier jetzt nicht vor dir auf den Boden. Die Jeans sind nagelneu.

Tanya hält die Flasche in die Hand geklemmt, während sie an der Zigarette zieht und ihn taxiert. Dann fährt sie mit der Zunge über ihre Zähne und stellt die Flasche auf die Motorhaube des Wagens.

Okay, gib mir was von dem Tequila, sagt er. Er nimmt einen Schluck aus der Flasche.

Du hast wohl deinen verdammten Verstand verloren, sagt sie, ihr Atem Alkohol und Rauch.

Nein, bisher noch nicht, sagt Stace, indem er mit einer Hand über ihren Mantel fährt. Er drängt sie zurück auf die Motorhaube, stellt die Flasche hin. Sie stemmt ihre Stiefelabsätze gegen den Betonkübel, nimmt ihn so in die Mitte und legt ihre Zigarettenhand vorne auf seine Jeans.

Nicht hier draußen, du Idiot, sagt sie. Funken kriechen über ihren Handrücken.

Er öffnet ihren Ledermantel, beugt sich hinunter, um das Grübchen in ihrer Kehle zu küssen.

Warte, bis wir drin sind. Bob hat Freunde hier, klar.

Wie ist die Zimmernummer?

Zwei-null-sieben, sagt sie. Die Treppe rauf und links. Gib mir fünf Minuten. Ich muss erst noch telefonieren.

Okay, sagt er. Damit hab ich kein Problem. Die Treppen rauf und links.

Ich will nicht, dass sie dich mit mir reinkommen sehen, sagt sie. Der Nachttyp an der Rezeption ist in Ordnung, aber der Manager ist ein Scheißkerl, und ich will nicht, dass er seine Nase in meine Angelegenheiten steckt. Bob möchte, dass ich mindestens noch eine Woche hierbleibe. Heute ist Freitag, stimmt’s? Das heißt noch acht Tage, bis er mit seinem Auftrag fertig ist.

Klar, sagt er. Fünf Minuten. Mit wem musst du telefonieren? Ein Gutenachtkuss für den alten Bob?

Ach, Scheiße. Sie stößt ihn weg, kommt in dem engen Durchgang zwischen dem Wagen und einem dreckbesudelten Lastwagen wieder auf die Beine, stampft mit den Füßen auf, während sie den Stoff ihrer Jeans von den Schenkeln zieht. Wie spät ist es?

Keine Ahnung, sagt er. Er hat seine Uhr verpfändet, eine gute, die er irgendwo aufgegabelt hatte, und bisher hatte er keine Gelegenheit, an eine neue zu kommen. Auf jeden Fall nach Mitternacht, sagt er.

Tanya sieht ihn durch den Rauch hindurch mit zusammengekniffenen Augen an. Ich muss morgen früh aufstehen, nach Hause fahren, meine Post holen, Wäsche waschen und einkaufen, bevor ich zu Lillis Rae fahre. Verstehst du, was ich meine? Ich würde am liebsten einfach reingehen und schlafen.

Wann ist denn dein Unterricht? Ich fahr dich raus zu Lillis Rae. Das ist überhaupt kein Problem. Wirklich nicht.

Das seh ich nicht so. Sie schlingt die Arme um sich. Nein.

Knie dich auf meine Jacke, sagt er. Er knöpft die Jeansjacke auf und zieht sie aus, hält sie ihr hin.

Arschloch, sagt sie. Sie stellt die Flasche hin, nimmt die Jacke, faltet sie zu einem Polster zusammen. Ich frier mir hier verdammt nochmal den Arsch ab.

Ich hab’s gehört, sogar schon zum zweiten Mal, sagt er und berührt mit der Fingerspitze seitlich ihren Hals. Da ist ein Tattoo oder ein blauer Fleck unter ihrem Schlüsselbein.

Sie nimmt einen letzten Zug von der Zigarette und wirft sie neben den Wagen.

Okay. Sie bläst den Rauch durch den Mundwinkel aus der Lunge und kniet sich vor ihn auf die Jacke. Dann zieht sie den Reißverschluss seiner Jeans auf, schiebt ihre Hand in seine Unterhose und lässt die Finger zwischen seine Beine gleiten, umfasst seine Eier und legt den Daumen an sein Schwanzende. Sie zieht seinen Schwanz heraus und beugt sich vor, um ihn in den Mund zu nehmen. Einen Moment lang sind ihre Lippen kalt auf seiner Haut, und er merkt, dass das sowohl vom Alkohol kommt als auch vom Wind. Er gleitet in ihren warmen Mund, während ihre Zunge sich hinunter zum Schaft seines Schwanzes bohrt und ihn einwickelt, bis er in ihr steif wird.

Er hält sie fest, eine Hand warm in ihrem Haar, die Finger über ihren Hinterkopf gespreizt.

Über der Bar und dem Motel kann er den Mond sehen.

Als er kommt, krümmt er sich über ihren Kopf und hält sie still, während sein Atem zwischen den Zähnen herauszischt, obwohl er kein Geräusch machen wollte. Er kann seinen Saft spüren, ihren Speichel, der aus ihrem Mund und an der Unterseite seines Schwanzes entlangrinnt.

Sie schwingt zurück auf die Absätze, wischt sich mit den Fingern über die Mundwinkel, greift nach der Flasche Tequila. Du hast zu salzig gegessen, Cowboy, sagt sie. Pass auf, dass du keinen Herzinfarkt bekommst. Sie spült sich den Mund, spuckt aus.

Er hilft ihr auf die Beine und packt seine Jacke. Beide blicken sie jetzt auf seinen Penis hinunter, klein und nass, wie ein verschrumpeltes amputiertes Glied, und er schrumpft noch weiter, während sie ihn ansehen, bis der graue Kopf kaum sichtbar ist in seinem Hosenschlitz. Er zieht ihn heraus und pisst gegen das Vorderrad des Wagens, wodurch sich ein feiner Sprühregen Urin gegen seine Schienbeine ergießt und sie beide von dem Reifen zurückweichen, seine Pisse schwarz auf dem Gummi und silbern in dem Bogen zwischen ihm und dem Wagen.

Lass uns jetzt reingehen, sagt Tanya.

Hast du was zu rauchen?, fragt er, und sie zündet eine Zigarette für sich selbst an und dann eine für ihn.

Was sagst du zu meinem Truck?, fragt er, indem er bei dem roten Laster stehen bleibt.

Das ist deiner? Sie versetzt der Stoßstange einen Tritt und taumelt gegen ihn.

Nicht wirklich, sagt er. Nicht wirklich.

 

Schwankend bewegen sie sich zusammen über den Parkplatz, die Arme ineinander verschlungen, ihr Kopf an seiner Schulter. Er kann sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal eine Frau berührt hat.

 

MOTEL

 

Stace öffnet das Fenster zum Hof und schaut auf den Pool in der Halle hinunter. Vielleicht sollte er am Morgen schwimmen gehen. Funken von seiner Zigarette stieben auf und wehen über den Gang mit dem Läufer und hinaus über das Geländer. Das Wasser, von unten beleuchtet, ist von einem seltsamen chemischen Blau. Auf der anderen Seite des Hofs ist noch jemand, der in einem verdunkelten Fenster steht und raucht, und er merkt, dass es sein eigenes Spiegelbild ist.

Er schiebt das Fenster zu und dreht sich um. Das Bett hat gelbe Laken und Kopfkissenbezüge, die nicht dazu passen, eine dünne Decke mit Brandlöchern am Kopfende, wo sie umgeschlagen ist. Er setzt sich auf das Bett und benutzt das Laken, um seinen feuchten Penis abzuwischen. Er zieht sich an, streift langsam die Hose über. Sein Kopf ist elektrostatisch aufgeladen, an den Rändern des Raums bewegt sich etwas in langsamem Tempo. Der graue Fernseher leuchtet.

Tanya bewegt sich nicht, als er ihre Schulter durch das Laken berührt. Er nimmt ihre Handtasche mit ins Badezimmer und schaltet das Licht an. Es ist genug Kleingeld für ein Päckchen Zigarettenpapier darin. Er steckt ihre Zimmerkarte ein und verlässt den Raum. Die Tür fällt ins Schloss. Die Treppen hinunter und am Empfang vorbei, wo der Nachtwächter eingeschlafen ist, auf dem Kopf einen Kopfhörer, der an den Fernseher hinter der Theke angeschlossen ist. Ein Schwarzweißbild mit einer Frau in Haube und langem Kleid, die mit leeren Händen auf einem steinigen Feld steht, hinter ihr weidende Schafe.

Gleich die Zufahrtsstraße hinunter befindet sich eine rund um die Uhr geöffnete Tankstelle, deren großes Schild summt und flimmert wie ein kaputtes Funksignal. Sein Hals fühlt sich heiß und entzündet an. Mit dem Daumen fährt er zwei langen Kratzern nach, die vom unteren Rand seines Ohrs bis zu seinem Schlüsselbein verlaufen. Er knöpft seine Jacke ganz zu, geht dann unter dem fluoreszierenden Vordach hindurch und tritt ein, zahlt für Zig-Zag-Blättchen und eine Postkarte. Der Junge sieht von seiner Zeitschrift auf, als Stace sich nicht vom Kassenfenster wegbewegt.

Hast du einen Stift?, fragt Stace durch das Gitter.

Der Junge zieht einen Stift aus einer Schublade und schiebt ihn im Geldeinschub hinüber.

Stace geht mit dem Stift davon und der Junge ruft etwas hinter der sich schließenden Tür. Er geht zurück zum Motel und tritt wieder in das stille Zimmer.

Sie liegt immer noch unter der Decke, ihre Haare über das Kissen gebreitet.

Er geht ins Bad. Nach vorne gebeugt starrt er in den Spiegel, steht da mit dem Licht über dem Waschbecken, das seinen Scheitel berührt, bis es sich anfühlt, als würde sein Kopf brennen. Er nimmt die Papierverpackung von einem Trinkglas, das Glas trübe von Kratzern, füllt es mit ihrem Tequila. Er lässt den Schnaps nach hinten in seine Kehle fließen, spürt die warmen Dünste in den Nasenlöchern, um ihn herum ruhige Trompeten.

Er hat vergessen, eine Briefmarke zu kaufen. Er leert Tanyas Handtasche über dem Waschtisch aus. Auf einer Stromrechnung klebt eine Briefmarke. Er puhlt sie ab und befeuchtet die Rückseite an der gehobenen Klappe des Umschlags, bis die Briefmarke an der Karte kleben bleibt. Er setzt sich mit dem Gesicht zur Wand rittlings auf die Toilette und legt die Karte auf den Spülkasten.

Ich habe jemandem alles über dich erzählt heute Nacht.

Er wickelt die noch übrige gelbe Dilaudid aus und legt das offene Staniolpäckchen auf den Klodeckel, schiebt das Kuddelmuddel aus der Handtasche zur Seite, um die Spritze zu finden. Sie ist neu. Mit den Zähnen reißt er die Plastikhülle auf. Er lässt die Pille in die Kammer fallen und fügt Wasser hinzu, schüttelt, bis die Tablette sich auflöst. Er nimmt die orange Schutzkappe von der Nadel, klopft die Luft heraus, legt die Spritze auf den Waschbeckenrand. In der Magengrube kann er schon spüren, wie der Rausch sich ausbreitet wie süße Übelkeit. Er macht die Druckknöpfe seines Hemds auf und zieht es sich von den Schultern, kickt einen seiner Stiefel weg, um eine Socke auszuziehen. Er pumpt seinen linken Arm auf und bindet ihn mit der Socke ab, findet eine gute Vene. Die verknüpften Sockenenden mit den Zähnen haltend, stabilisiert er seinen Arm an der Waschtischecke und setzt sich den Schuss.

Im Spiegel kann er sehen, dass er lächelt. Es ist seltsam anzusehen – er lächelt nie. Manchmal fühlt es sich an, als wäre er sein ganzes Leben wegen irgendetwas angepisst gewesen. Aber nicht jetzt. Alles verschwimmt. Alles brennt. Nichts kann ihn jetzt berühren, alles ist anders.

 

Er legt seine Stirn auf den kalten Porzellantank und hört das Rauschen des Wassers, das geheime Kammern in der Rohrleitung füllt.

 

DICKEY

 

Da war ein mundförmiger Ölfleck auf dem Zeitungsstapel unter dem Waffenregal. Dickey musste das Gewehr vor Kurzem gereinigt und mit der Mündung nach unten zum Trocknen an die Wand gestellt haben. Auf der Werkbank hatte jemand einen weichen Lumpen benutzt, um den Gewehrlauf von überschüssigem Öl zu säubern. Der Lumpen war ein alter Damenslip, Baumwolle, gesprenkelt in verwaschenem Rosa und Grün, in einem Design, das früher vielleicht einmal ein Blumenmuster war.

Stace nahm das Gewehr aus dem Regal und schnallte den Schießriemen auf, rollte den Gurt sauber auf und ließ ihn auf die Werkbank fallen. Er hörte, wie der Jeep die Auffahrt heraufknirschte und die Dobermänner im Haus zu kläffen begannen. Er schob den geladenen Ladestreifen ein, klopfte ihn mit der Faust fest, bis er mit einem Klicken einrastete. Zog dann den Verschluss zurück und lud durch.

Er schloss die Garagentür und wich zurück ins Dunkel, bis er die Drückbank seitlich an seinem Bein fühlte und sich mit der 30.06er auf den Knien hinsetzte und wartete. Durch die schmutzigen Seitenfenster fiel genug Licht, um Pappkartons und Werkzeuge der Werkbank entlang gestapelt zu sehen, und den Schimmer von Eisenplatten, die sorgfältig am Fitnessgerät aufgesteckt waren.

Er hoffte, dass die Hunde im Haus blieben. Es würde das, was gleich kommen musste, sehr viel einfacher machen.

Der Jeep kam vor der Garagentür rumpelnd zum Stehen und er hörte, wie mit einem Quietschen die Tür aufging und der Mann den Hunden im Haus etwas zurief und diese sofort verstummten.

Ein Schlüssel glitt schabend ins Schloss und ein Lichtspalt erschien am Boden der Rolltür, Stace sah Dickeys Flipflops und seine nackten Beine und dann glitt die Tür ganz nach oben und der Mann sah ihn direkt an.

Scheiße, sagte Dickey, und Stace sah, wie seine Arme sich anspannten und sein Gesicht ruhig wurde, seine Arme hoch über dem Kopf, die immer noch die Garagentür hielten, als würde er sich ergeben.

Scheiße, sagte Dickey wieder und schluckte, als seine Stimme zurückkam. Was machst du denn hier?

Stace erhob sich und der Mann wich einen Schritt hinter die Garagentür zurück, ließ die Arme fallen und verlagerte das Gewicht, als wollte er weglaufen. Er war klein, trug ein T-Shirt mit dem Emblem einer Schnapsbrennerei darauf, und eine Jogginghose, die zu Shorts abgeschnitten war.

Hey, Dickey, sagte Stace ruhig.

Was soll das hier? Was soll das? Der kleine Mann wich in Richtung Jeep zurück, der noch im Leerlauf war. Sein Blick hüpfte umher, stolperte über Stace und über den Hof.

Staces Hände schwitzten in den hellbraunen Gartenhandschuhen, das Hemd klebte an seinem Rücken.

Was immer du willst, du hast den falschen Kerl erwischt, verstehst du mich? Den falschen Kerl. Dickey blickte umher, aber er konnte nirgendwo hin. Sein Gesicht war wie Glas, aschfahl, seine Hände fest um etwas Unsichtbares geschlossen. Er war etwa eine Armeslänge von der Frontseite des Jeeps entfernt.

Stace entsicherte. Er konnte jetzt hören, wie die Hunde im Haus winselten.

Tu das nicht, sagte Dickey. Das ist es nicht wert. Er spuckte in den Dreck, wischte sich mit dem Handgelenk über die Stirn, schützte die Augen gegen das blendende Licht auf dem Hof, um zu Stace hineinzusehen.

Hat Steve dich hergeschickt?, fragte er. Steve und ich haben einen Deal gemacht. Wir haben einen Deal gemacht und alles klargestellt, kein Problem. Alles ist cool, okay? Ich habe Bargeld unten im Haus.

Stace konnte alles in Zeitlupe sehen, wie in einem Film. Alles langsam und mit Sorgfalt gemacht, sodass er sich auf die letzten paar Momente konzentrieren konnte, die Details, bevor alles schneller und ruckartiger werden und er keine Ahnung hatte, wie es passieren würde.

Komm in die Garage, sagte Stace und trat mit dem Gewehr zurück. Dickey ging in die Hocke, griff unter den Jeep und schleuderte etwas gegen Stace, eine leere Bierflasche. Sie prallte an Staces Schulter ab, knallte auf den Garagenboden, ohne zu zerbrechen.

Die Hunde spielten jetzt verrückt.

Stace trat auf den Eingang der Garage zu und Dickey schlingerte herum und sprang auf, nur wenige Meter entfernt, den Blick auf Stace gerichtet. Stace hob das Gewehr auf Schulterhöhe, bis Dickeys Brust vor ihm schwebte. Er drückte den Abzug und der Schaft des Gewehrs knallte hart gegen ihn zurück, die herausgeschleuderte Patronenhülse ein verschwommener Lichtklecks. Blind, eine flockige Schwärze, die sich auflöste, dann das grüne Nachbild des Mündungsfeuers negativ gedruckt auf seiner Retina. Fünf Minuten lang war er auf dem rechten Ohr taub.

 

* * *

 

Der Hof war leer. Dickey sackte zusammen, als würde er in einem Loch versinken.

Stace senkte das Gewehr und seine Schulter schmerzte vom Rückstoß der Schaftkappe. Er nahm den Ladestreifen heraus und legte das Gewehr auf die Werkbank und fand die Patronenhülse, die unter die Bank gerollt war, und er bemerkte, dass seine Hände zitterten. Geh weg, dachte er, und als das Zittern endlich aufhörte und sich von ihm löste, wusste er nicht, wie viel Zeit vergangen war. Vielleicht nur eine Minute. Er griff nach einem Messer und einer Rolle Plastikfolie, die er bei der Jagdausrüstung in der Garage gefunden hatte, und ging hinaus in den Hof.

Es war später Nachmittag, Juni, der süße grüne Atem der Pappeln über der Garage. Es schneite. Stace sah hoch und erkannte, dass es nur weiße Baumwolle war, die vom Baum herunter ins Licht trieb. Dickey lag mit dem Gesicht nach unten, das Haar auf seinem Hinterkopf kräuselte sich im Wind. Als Stace sich neben ihn kniete, konnte er einen Hauch Blut in der Luft riechen. In diesem Moment tat er nichts anderes als denken. Er wusste nicht, was er dachte. Helles Arterienblut trat stoßweise aus der Austrittswunde in Dickeys Rücken, Fragmente von Knochen und Gewebe an der Öffnung der Wunde, das T-Shirt durchtränkt mit Blut. Er hätte drei Finger in das Loch stecken können. Stace faltete die Kunststoffplane auf, breitete sie wie ein Leintuch aus und rollte Dickey herum und auf die Plane. Da war eine kleine Delle vorne auf seinem T-Shirt, in Dickeys Brust hineingetrieben durch die Kugel. Um die Kräuselung ein kleiner roter Ring, der sich ausweitete. Dickey blickte Stace mit offenem Mund an. Baumwollflaum fiel auf sein feuchtes Gesicht und blieb dort haften.

Dickey sagte: Meine Hunde. Stace legte sein Ohr auf den Mund des Mannes. Was hast du gesagt?, fragte Stace. Ich bin tot, flüsterte Dickey. Da war Blut auf seinen Zähnen, wo er sich die Lippe durchgebissen hatte. Die Adern an seinem Hals waren wie Stricke vor Anstrengung, seine Finger zuckten auf dem Kunststoff. Seine Augen waren starr auf Stace gerichtet und da war etwas, das Stace hätte tun sollen, aber er konnte nicht begreifen, was.

Die Zikaden begannen wieder zu zirpen, ein hoher, elektrischer Ton, der stockte und dann umso stärker wiederkehrte, von überall her. Stace legte seine behandschuhte Hand auf die Stoßstange des Jeeps und drückte sich hoch. Er ging herum zur Fahrertür und griff hinein, um den Motor abzustellen. Da war ein kleines Kind auf der Beifahrerseite, in einen Kindersitz geschnallt, das Gesicht glänzend von Tränen. Er drehte den Schlüssel und der Jeep verstummte. Das Kind blinzelte ihn an, die molligen Finger in den Mund gesteckt.

Im Schatten der Garage lehnte sich Stace gegen die warme Flanke des Jeeps, schloss die Augen und lauschte dem wilden Gebell der Hunde in dem leeren Haus.

 

 

DREI UHR MORGENS

 

Als Stace aufwacht, brennt seine Hand wie Feuer. Blaue Alkoholflammen an seinem Arm.

Er will sich umdrehen und etwas stimmt mit seinem Ellbogen nicht, er kann ihn nicht richtig beugen, und als er sich aufzusetzen versucht, merkt er, dass es nicht geht. Er liegt da, ohne sich zu rühren, und da ist etwas Kaltes hinten an seinem Nacken und er merkt, dass er blind ist.

Über ihm das Rascheln von Kleidern, ein Schatten, der Geruch nach Rasierwasser.

Verdammte Scheiße. Komm sofort her, Tanya, ruft die Stimme eines Mannes über ihm.

Weiß. Seine Augen sind weit aufgerissen und er sieht nur weiß.

Stace versucht den Kopf zu drehen. Er liegt auf dem Boden und schaut hinauf zur Unterseite des Toilettenspülkastens. Ein Anschlussrohr aus Chrom, das mit Kondenswasser beschlagen ist. Das helle Kunststoffoval des Absperrhahns.

Das ist Porzellan in seinem Nacken; er liegt mit dem Kopf gegen die Wand zwischen Toilette und Badewanne. Stace fühlt mit der Zunge einen losen Zahn. Der Kupfergeschmack nach Blut in seinem Mund, bittere Kotze.

Das Licht blendet, er kann seine Augen nicht schließen, es schmerzt überall. Sein Arm brennt, aber er kann sich nicht rühren, kann nichts spüren, außer der Erschöpfung, die ihm tief in den Knochen sitzt.

Wach auf, du Drecksack!

Der Mann schüttelt Stace grob mit einer Hand, hält sich dabei am Waschbecken fest.

Komm schon. Heb deinen Arsch, sagt der Mann.

Stace starrt auf ein Paar Schlangenlederstiefel mit silbernen Zehenkappen, die zerfransten Aufschläge einer Jeans. Er versucht sich zu bewegen, kann nicht.

Du verschwindest verdammt nochmal von hier, du Arschloch, sagt der Mann. Er packt Stace an den Haaren und zieht seinen Kopf vom Boden des Badezimmers hoch. Da ist kein Widerstand.

Er lässt Staces Kopf wieder auf den Boden sinken, kniet sich neben die Toilette, um ihm die Finger seitlich an den Hals zu legen.

Der Mann schwingt zurück auf die Absätze und zerrt Stace auf die Seite. Staces Augen sind blind und trocken in den Höhlen, sein Gesicht eingesunken und hohl.

Komm her, Tanya, sagt der Mann.

Tanya tritt ins Bad und stellt eine Stofftasche auf den Boden, geht neben dem Mann in die Hocke.

Es war nicht meine Schuld, Wes, sagt sie. Um Gottes willen, es war nicht meine Schuld.

Was zum Teufel ist das für eine Scheiße? Der Mann, Wes, hält eine Spritze in die Luft. Was für einen Dreck hat dieses Arschloch heute Nacht hier gedrückt?

Ich hatte ein paar Pillen aufgetrieben, das hab ich dir doch schon erzählt. Dilaudid. Wir haben uns nach dem Vögeln jeder eine reingeknallt, dann bin ich eingeschlafen. Das war gegen eins oder zwei – ich war völlig fertig. Ich dachte, er hebt die große vielleicht für ein anderes Mal auf. Keine Ahnung. Ich wusste nicht, dass er Shake ’n’ Bake machen würde. Er hatte mich vorher gefragt, ob ich eine Spritze habe, aber er hat es dann nicht mehr erwähnt. Ich hab geschlafen.

Sieht so aus, als hätte dieses Arschloch noch mehr gemacht, sagt Wes. Es riecht hier, als hätte er sich einen Liter Tequila hinter die Binde gekippt, bevor er zu den Dillies gekommen ist.

Er wirft die Spritze ins Waschbecken. Mach die Scheiße hier weg, aber wirf sie nicht in den Mülleimer. Nimm eine extra Tüte. Und wisch seine Kotze auf. Mir kommt’s sonst gleich auch noch hoch.

Was ist mit einem Gegengift?, fragt sie. Wir könnten ihm Adrenalin oder sowas verpassen. Sie fummelt in ihrer Tasche herum, und es sieht aus, als weinte sie.

Es ist zwei Stunden zu spät für das verdammte Narcanti. Und ich hab sowieso keins. Wes kippt auf seine Stiefelabsätze zurück, legt die Fingerspitzen zusammen und denkt nach.

Er ist betrunken, sagt Tanya. Nur betrunken und bewusstlos, nicht wahr, Baby? Sie kniet sich hin und berührt mit den Fingern leicht Staces Gesicht. Er schläft tief und fest, sagt sie, indem sie sich die Haare aus den Augen streicht und sich halb aufgerichtet an Wes wendet.

Hör auf damit, sagt Wes und packt ihre Hand. Er schläft nicht, verdammt. Er wird nicht mehr aufwachen.

Das ist nicht wahr, sagt Tanya.

Du musst ihn hier rausschaffen, verdammte Scheiße, sagt Wes. Pack seine Arme, ich nehm die Beine.

Sie zerren ihn unbeholfen von der Badewanne weg, wobei die Schnalle von Staces Gürtel über den Boden schrappt. Sein Körper hängt schlaff zwischen ihnen. Sie hieven ihn hoch und lassen ihn mit dem Gesicht nach unten aufs Bett fallen. Das Weiße in Staces Augen starrt blicklos auf die Brandlöcher in der Bettdecke.

Tanya kauert sich nieder, schließt sein linkes Auge. Mit dem Finger fährt sie Staces nackten Rücken hinab, folgt der Kurve der Wirbelsäule, führt ihren Finger zur Nase. Legt die Fingerspitze auf ihre Zunge. Er ist nass, er ist mit einer Art Gelee bedeckt. Wieder streckt sie ihre Hand aus und berührt Staces Gesicht.

Es ist Honig, sagt sie. Es schmeckt genau wie Honig, Wes. Er ist mit Honig überzogen. Probier mal, sagt sie und hält Wes ihren Finger hin.

Wes lehnt sich vom Bettrand aus nach vorn, schnüffelt an der trüben, zähen Flüssigkeit auf ihrem Finger.

Tanya steckt sich die Haare hinters Ohr, legt ihren Mund auf Staces Haut.

Geh verflucht nochmal weg von ihm. Wes schüttelt sie grob. Ich krieg gleich das Kotzen.

Ich kann ihn spüren, da drinnen, sagt sie, ihr Ohr an Staces Brust. Es ist sehr schwach. Er lebt.

Er hat keinen Puls, sagt Wes.

Es ist süß, sagt sie. Es ist nicht genau wie Honig, eher wie diese Gelee-Royale-Scheiße. Sie fährt mit der Zunge über Staces Rücken, verlagert ihre Beine, bis sie über der ausgestreckten Gestalt kniet, die Haare fallen ihr ums Gesicht. Sie hebt den Blick zu Wes. Probier ihn mal, sagt sie. Komm schon.

Das Bett quietscht. Wes berührt Staces Schulter mit einer Fingerspitze, als hätte er Angst, ihn aufzuwecken. Er leckt seinen Finger. Ich hab das irgendwann schon mal gekostet, sagt er.

Wo?, fragt sie. Sie hebt den Kopf, grinst Wes an. Ihr Gesicht ist nass, glänzend. Haare kleben an ihren Wangen und an ihrem Kiefer.

Du bist echt eine ziemlich kaputte Schlampe, sagt Wes.

Ich will ihn essen, sagt Tanya. Ich will ihn ficken.

Was ist das für eine Scheiße? Ein Aphrodisiakum?

Wenn sein Schweiß wie Honig schmeckt, dann stell dir mal vor, wie sein Saft schmeckt.

Sie steht auf und zieht ihre Jeans aus, streichelt Staces Rücken.

Hast du ernsthaft vor, ihn zu ficken?

Tanya zieht ihr Oberteil aus und lässt es auf das Bett fallen.

Wes fährt mit der Hand über die Rundung ihres Hinterns.

Wieder legt sie ihren Mund auf Staces Haut, fährt mit der Zunge Narben nach.

Wes kniet sich hinter Tanya, bewegt seine Hände über ihre Hüftknochen und die sanfte Rundung ihres Bauchs. Ihre kreideweiß leuchtende Haut. Sie wiegt sich von einer Seite zur anderen, lässt ihre Nippel über die kühle Haut des Toten streichen. Wes steckt von hinten einen Finger in sie hinein.

Du bist nass, sagt er, sein Mund dicht an ihrem Ohr.

Zieh ihm die Hose aus, sagt Tanya.

Wes langt hinunter zwischen ihre Knie, packt Stace rau an den Hüften.

Nimm seine Schultern und dreh ihn mit mir um, sagt Wes. Zusammen rollen sie Stace auf den Rücken. Staces Kopf baumelt zur Seite, sein Mund steht ein wenig offen. Sie beugt sich hinab, küsst Stace auf die Lippen. Da ist Honig in seinem Mund, sagt sie.

Wes schnallt Staces Gürtel auf, zerrt an seinen Jeans.

Tanya lässt sich sinken, bis sie in voller Länge auf Stace liegt.

Seine Haut ist kühl, sagt sie. Vielleicht ist sein Geist in einem anderen Flieger unterwegs. Sie küsst Stace auf den Mund, drückt ihre Zunge zwischen seinen Zähnen hindurch in das honigüberzogene Dunkel unter seiner Zunge.

Wes reibt sein stoppeliges Kinn an Tanyas Hintern, fährt mit einer Hand zwischen ihre Beine, hakt den Zeigefinger in sie ein und bringt die Nässe an ihre Klitoris, während er mit der anderen Hand die Innenseite ihrer Schenkel streichelt. Sie hebt ihr Becken, drückt Wes’ Hand von ihren Schenkeln weg.

Ich brauch dich nicht, sagt sie. Ich brauch dich jetzt nicht. Sie setzt sich auf Staces Hüften, berührt seinen Penis. Sein Schwanz ist hart, sagt sie. Sie zieht Staces Penis auf sich zu, drückt die Eichel sanft hinein. Mit ihrer freien Hand berührt sie Staces Eier, die dicke Ader am Schaft seines Schwanzes.

Wes küsst ihren Nacken, ihre Schultern, fährt mit den Händen über ihren Körper. Ihre Nippel sind hart in dem kühlen Zimmer.

Sie setzt sich auf Stace, führt seinen Penis in sich ein, fängt an, ihn zu ficken unter dem Druck von Wes’ Händen auf ihren Hüften, der sie stabil hält.

Du machst Liebe mit einem Toten, sagt Wes ihr ins Ohr.

Tanyas Augen sind geschlossen: Sie arbeitet auf etwas hin, das Wes nicht sehen kann.

 

STRIP

 

Er liegt nackt auf dem Bett. Hinter sich kann er Wes’ Stimme hören, wütend, dann Tanyas. Im Spiegel stehen sie nebeneinander, sehen auf ihn hinunter, der auf dem Bett zusammengerollt liegt.

Ich weiß es nicht, verdammt, Wes. Ich weiß es nicht. Tanyas Stimme, erschöpft.

Zeig mir seine Brieftasche, sagt Wes.

Sie liegt neben der Kaffeemaschine auf dem Tisch, erwidert Tanya und setzt sich neben Stace auf das Bett. Das Knarzen von Bettfedern. Sie trägt ihren Ledermantel und keine Hose und sie zittert. Sie schaukelt nach vorne, die Ellbogen auf den nackten Knien, begräbt das Gesicht in ihren Händen. Ihr Haar ist mit einem Samtgummi zusammengebunden und sie sieht zehn Jahre älter aus.

Wes durchwühlt Staces Brieftasche.

Kreditkarten? Eine Bankkarte? Da können wir nicht ran. Er wirft die Karten auf den Tisch. Eine Pfandhausquittung für irgendeine beschissene Seiko-Uhr? Leck mich am Arsch. Sein Führerschein – den könnten wir verkaufen. Nein, verdammt, wir können ihn nicht benutzen; wir müssen die ganze Scheiße hier wegwerfen. Eine Leihkarte für Videofilme, oh Mann! Ich glaub es einfach nicht. Fünfundzwanzig Dollar?

Wes knallt die Brieftasche auf den Tisch. Wo ist das Geld, das er für die Drogen rausgerückt hat?

Es ist in meiner Handtasche, murmelt Tanya zwischen ihren Fingern. Aber es sind nur neunzig Dollar. Ich hab dir doch gesagt, dass er nur drei Dilaudids gekauft hat.

Gib sie her.

Fick dich. Das ist mein Geld, verdammt. Ich hab dich hergebeten, damit du mir hilfst, nicht damit du mich plünderst.

Es ist nicht in deiner Handtasche. Hier drin ist ungefähr so viel Geld, dass es reicht, um einen Anruf bei Bob zu machen. Ich bin sicher, er würde liebend gerne hören, was du heute Nacht getrieben hast. Wo ist das Geld von Bob? Wo ist dein verdammter Gehaltsscheck von Bob? Wes schleudert ihre Handtasche durch das Zimmer. Sie knallt gegen die Badezimmertür: Münzen, Lippenstift, Zigaretten, Coupons, Umschläge, ein leerer Plastikflachmann verstreuen sich scheppernd über den Boden.

Schweigen, dann sagt Tanya: Es ist in meinem Versteck. Das ganze Geld ist in meinem Versteck.

Wie viel, Tanya? Willst du nun, dass ich dir helfe oder nicht? Ich kann genauso gut gleich von hier verschwinden und vergessen, dass ich irgendwas von dem Chaos hier gesehen habe. Ich kann in die Stadt zurückfahren und vielleicht noch ein paar Stunden Schlaf abkriegen vor morgen früh, verstehst du mich? Ganz leicht ist das. Einfach losfahren.

Vierhundertdreißig, vier-achtzig vielleicht. Einschließlich des Geldes, das er mir für die Dillies gezahlt hat.

Ich will die Hälfte. Zwei-vierzig und ich schaffe ihn dir vom Hals. Zwei-vierzig. Das sind etwa zwei Stunden der Zeit von irgend so einem Schwachkopf von Anwalt. Rechne mal schön nach. Das wird es kosten, wenn ich die Scheiße für dich beseitigen soll.

Wes!

Hey, hör mir bloß auf mit Wes und so. Du hast hier ein richtig fettes Problem, Tanya. Du hast, na ja, vielleicht sechs Stunden Zeit, bevor der Putzdienst hier reinkommt, um das Bad sauberzumachen, nicht wahr? Wenn dein Freund hier bis zur Auscheckzeit nicht beschließt aufzuwachen, dann wird die Putzfrau Mr. Fucking Glotzauge neben der Badewanne finden, mit seiner beschissenen Zunge, die ihm aus dem Mund hängt. Sie erzählt’s der Security, die erzählt’s der Polizei, und wenn du wartest, bis die Cops eine Leiche aus diesem Zimmer befördern, wird dich das mehr als zweihundertvierzig Dollar für Anwälte kosten, ohne Scheiß. Und dann ist da noch Bob, an den wir zu denken haben. Bob und seine Frau. Du und der dicke Bob hatten es bisher ziemlich ruhig hier oben, richtig hübsch und gemütlich, aber siehst du, worauf ich hinaus will? Dann kannst du dich verabschieden von Bob und seinem fetten Geldbeutel und wieder mit dem Kellnern anfangen. Du bist zu alt, um noch zu strippen. Oder vielleicht willst du ja für die Trucker unten im Café Sitzbezug spielen? Kannst du mir folgen oder bin ich dir zu schnell?

Tanya murmelt etwas, das nicht zu hören ist, lässt den Kopf wieder in ihre Hände sinken.

Wes geht vor ihr in die Hocke, eine Hand auf ihrem Knie.

Ich lege hier deine Optionen offen, Tanya, so klar, wie ich nur kann. Ich werde diese Sache zu meinem Problem machen, aber das wird dich zweihundertvierzig Dollar kosten. Das ist verdammt billig für das, was ich heute Nacht für dich tue. Verdammt billig.

Was ist mit der Brieftasche?, fragt sie, während sie nach ihren Jeans greift.

Nimm die Bankkarten und den Führerschein und die Videokarte und zerschneide sie in kleine Schnipsel. So, dass keine zusammenhängenden Zahlen übrig bleiben. Hast du was zum Schneiden?

Nein.

Wes macht den Druckverschluss des Lederholsters an seinem Gürtel auf und nimmt ein Messer heraus, klappt eine Schere auf, übergibt das Messer Tanya.

Immer schön schnippeln, sagt er.

 

* * *

 

Wes tigert auf dem Teppichstreifen zwischen Bett und Fernseher auf und ab und blickt auf Staces reglosen Körper hinunter.

Wir müssen diesen Pisser hier schnell anziehen und wegschaffen, sagt er, in erster Linie zu sich selbst. Wir tragen ihn raus, als wäre er sturzbetrunken, wir beide zusammen, wir nehmen ihn in unsere Mitte. Entweder so, oder wir brauchen eine verdammt große Tasche, eine Hockeytasche oder so, und einen Strick oder einen Riemen. Hast du was in deinem Wagen? Einen Werkzeugkasten vielleicht?

Nein, sagt Tanya. Eine Decke, glaub ich. Ich hab eine Decke. Sie sitzt vornüber gekrümmt am Tisch und schnipselt Staces Karten in einen Aschenbecher.

Scheiße, wir müssen ihn raustragen, bevor er steif ist wie ein verdammtes Brett. Wes hebt Staces Arm, biegt ihn zweimal. Fühl ihn mal, sagt er. Rigor mortis.

Tanya langt hinüber, fasst Stace an der Hand. Ich hab mal gesehen, wie sie Beine und Arme brechen mussten, um sie zu beugen, weil sie schon so steif waren.

Damit erzählst du mir nichts Neues, sagt Wes, indem er den Arm zurückfallen lässt. Er schiebt seine Baseballkappe zurück, blickt Tanya über die Schulter, um ihr Werk mit den Karten zu überprüfen. Das muss alles sorgfältig überlegt werden, sagt er.

Willst du einen Kaffee?, fragt Tanya. Vielleicht hilft das. Ich bin völlig hinüber. Sie zieht einen folierten Kaffeebeutel auf und leert den Inhalt in den Filter der Kaffeemaschine, steckt sie in der Wand neben dem Fernseher ein. Die Kaffeemaschine zischt, saugt gurgelnd die Luft ein.

Wes klaubt eine brennende Zigarette vom Tischrand auf, nimmt zwei Züge, gibt die Zigarette Tanya zurück. Er geht wieder auf und ab, lässt den Rauch langsam durch die Nasenlöcher entweichen.