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Über dieses Buch:

Man kann einem Menschen alle Rechte nehmen, doch nicht seine Seele … 1765 wird in Virginia ein Junge namens James geboren. Seine Mutter ist eine schwarze Sklavin, sein Vater der Plantagenbesitzer – und somit sein rechtmäßiger Eigentümer. Als Diener seiner weißen Halbschwester geht James schließlich in den Besitz ihres Ehemannes über: Thomas Jefferson, ein ebenso charismatischer wie ehrgeiziger Politiker. Der beschließt, James mit nach Paris zu nehmen. Doch dort erwartet den jungen Mann eine Welt, wie er sie nie für möglich gehalten hätte …

Er hat die letzte Königin Frankreichs gesehen, er hat Reisen unternommen, die sich nur wenige seiner Zeitgenossen vorstellen konnten – und doch hätte ihn in seiner Heimat jeder weiße Mann töten dürfen, ohne eine Strafe befürchten zu müssen: James Hemings. Sein Name mag vergessen sein, doch seine Geschichte lebt weiter!

Über die Autorin:

Tanja Kinkel, geboren 1969 in Bamberg, studierte in München Germanistik, Theater- und Kommunikationswissenschaft und promovierte über Aspekte von Feuchtwangers Auseinandersetzung mit dem Thema Macht. 1992 gründete sie die Kinderhilfsorganisation Brot und Bücher e.V, um sich so aktiv für eine humanere Welt einzusetzen (mehr Informationen finden Sie auf der Website: www.brotundbuecher.de). Tanja Kinkels Romane wurden in mehr als ein Dutzend Sprachen übersetzt und spannen den Bogen von der Gründung Roms bis zum Amerika des 21. Jahrhunderts.

Bei dotbooks veröffentlichte Tanja Kinkel ihre großen Romane »Die Söhne der Wölfin«, »Im Schatten von La Rochelle« und »Unter dem Zwillingsstern«, die Novellen »Der Meister aus Caravaggio«, »Reise für Zwei« und »Feueratem« sowie einen Roman für junge Leser: »Die Prinzen und der Drache«. Weitere Titel sind in Vorbereitung.

Die Autorin im Internet: www.tanja-kinkel.de

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Überarbeitete Originalausgabe Februar 2015, September 2020

Copyright © der Originalausgabe 2015 dotbooks GmbH, München

Copyright © der Originalausgabe mit überarbeitetem Nachwort 2020 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: dotbooks GmbH, München, unter Verwendung eines Bildmotivs von akg-images / André Held

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts)

ISBN 978-3-95520-449-5

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Tanja Kinkel

Ein freier Mann

Novelle

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Kapitel 1

Malven, Nelken, Kapuzinerkresse, Meerkohl und Thymian, all das pflanzte meine Mutter in Monticello, und sie wuchsen und gediehen, denn sie besaß das, was die Franzosen einen »grünen Daumen« nennen. Ceres, nannte Thomas Jefferson sie bisweilen, oder Demeter; zwei Namen für die Göttin der Fruchtbarkeit, einer in Lateinisch und einer in Griechisch. Natürlich wusste meine Mutter das nicht. Sie dachte, er würde ihren Namen ändern wollen, wie das die Weißen hin und wieder mit ihrem Eigentum zu tun pflegen. Das bekümmerte sie sehr. Namen tragen Macht in sich, und ihr Name war das Einzige, das ihr bei drei Eigentümern und vierzehn Kindern geblieben war.

Sie hieß Betty Hemings. Sobald wir alt genug waren, um zu verstehen, was sie meinte, sagte sie uns, dass auch unser Name Hemings lautete. Nicht Eppes, nicht Wayles, nicht Jefferson: Hemings. Unser eigener Name, nur für uns.

Sie nährt noch immer die Pflanzen in Monticello, meine Mutter; das, was von ihr geblieben ist. Sie wurde mehr als siebzig Jahre alt, und starb mit vielen ihrer Kinder an ihrem Sterbebett: Beides war sehr selten für eine Sklavin.

Ich war nicht bei ihr. Ich war bereits Teil der Erde, auf der Sie nun wandern. Man hat mich hier begraben, obwohl ich ein freier Mann war, als ich starb, bereits seit mehreren Jahren. Vielleicht bin ich immer noch hier, weil Monticello mich letztendlich doch eingefangen hat, die samtene Falle.

Es gibt Pflanzen, die meine Mutter nie kannte, schön anzusehen, mit so leuchtenden Farben, dass sie einem die Augen verbrennen, aber süß duftend. Wenn eine Fliege oder eine Biene sich auf sie setzt, dann verschlingen sie die törichten Dinger. Das war Monticello für mich, aber ich steckte immer jemandem im Rachen, sperrig und widrig, und deswegen ist ein Teil von mir noch hier, unverdaut.

Ich bin immer wieder hierher zurückgekehrt, aus eigenem, freiem Willen. Wieder und wieder. Ich kam zurück.

***

»Jimmy ist ein Name für einen Jungen«, sagte ich zu ihm, dem Mann, der mein Leben regierte. Ich war neunzehn Jahre alt und fühlte mich sehr tapfer. Wir befanden uns auf einem Schiff, er und ich, auf dem Weg nach Frankreich, wo er der Botschafter für die junge amerikanische Republik sein würde, und ich von den besten Köchen der Hauptstadt zum Meisterkoch ausgebildet werden sollte, so hatte er es mir erklärt. Um uns war nur Meer, und zum ersten Mal in meinem Leben konnte ich nirgendwo mehr Land erkennen, sondern nichts als Wasser. Trotzdem hatte ich keine Angst.

»Ich möchte nun James sein, Sir.«

Ich will ein Mann sein, war das, was ich sagen wollte. Und eigentlich meinte ich noch mehr.

Er lächelte mich an. Der Wind fuhr durch sein rotes Haar, und er sah jünger aus, als er es getan hatte, seit seine Frau in ihre letzte, tödliche Krankheit verfiel. Seine Frau, die auch meine Halbschwester gewesen war, obwohl sie sich nie so bezeichnet hätte. Wie ich schon sagte: Namen tragen Macht in sich. Derselbe Mann hatte sie und mich gezeugt, aber John Wayles hätte sich auch nie als meinen Vater bezeichnet. Solange er lebte, war er mein Eigentümer, und der meiner Mutter und meiner Geschwister, die nach dem Gesetz des Staates Virginia die Kinder keines Mannes waren; das Gesetz sagt, dass jedes Kind den Stand seiner Mutter erbt und kein Neger je Ansprüche an einen weißen Mann stellen kann.

»Dann soll es von jetzt an James sein«, sagte der Witwer, dem ich inzwischen gehörte, doch der nie mein Schwager gewesen war oder es je sein konnte. Von diesem Tag an nannte er mich wirklich nur noch James, was nicht viele Leute taten; der Name Jimmy klebte an mir wie Pech und Schwefel, wohin ich auch kam. Es ist ein Jungenname, aber »Junge« nannten uns die Weißen ohnehin alle ständig.

Komm her, Junge.

Hol dies, Junge, hol das, Junge.

Was gibt’s da zu sehen, Junge?

Zeig uns deine Papiere, Junge.

Als ich zum letzten Mal in meinem Leben nach Monticello kam, fragten sie mich immer noch nach meinen Papieren und nannten mich Junge. Damals war ich fast vierzig Jahre alt.

Der Mann, den ich Jahre zuvor nach Frankreich begleitete – nein, der mich mit dorthin nahm –, war nun Präsident seines Landes geworden. Nicht unseres Landes, obwohl auch ich dort lebte; Amerika gehörte ihm und seinesgleichen, nicht uns. Ich schaute auf die Männer, die nie aus Albemarle County in Virginia herausgekommen waren, und dachte: Ich bin über das Meer gesegelt. Ich habe die letzte Königin von Frankreich gesehen. Ich habe mir meine Freiheit mit Körper und Seele verdient. Aber wenn ich mich jetzt weigere, euch meine Papiere zu zeigen, dann könntet ihr mich hier auf dieser Straße töten und müsstet noch nicht einmal Bußgeld dafür zahlen, weil ich keines weißen Mannes Eigentum mehr bin und mein Tod daher keines weißen Mannes Schaden wäre.

Wissen Sie, was die Menschen sagten, als ich mich keine Woche später umbrachte? Das, sagten sie, bewiese wieder einmal, dass wir Kinder zweier Rassen die Freiheit nicht vertragen konnten und in Sklaverei viel besser dran wären. Es war die Freiheit, die mich wahnsinnig gemacht hatte, so hieß es, oder vielleicht auch der Alkohol. In einem wie im anderen Fall stellte mein Tod eine Lektion dar.

Kapitel 2

Namen bergen Macht in sich, aber Sprachen noch viel mehr.

Meine Gedanken hatten nie wieder die gleiche Form, nachdem ich einmal angefangen hatte, Französisch zu lernen. Es gab Dinge, die ich vorher nie verstanden hatte, weil sie uns in Virginia die Worte vorenthielten, um sie zu verstehen. Das Englisch, das wir in den Sklavenquartieren sprachen, war ein anderes als das der Leute, die uns dort wohnen ließen.

Gens du couleur, nannten sie uns in Frankreich, Farbige. Oder, wenn man es genau nahm, farbige Menschen. Ich bin in Virginia Männern und Frauen begegnet, die allein darin schon einen Affront gesehen hätten – ein Neger sollte ein Mensch sein wie sie? Natürlich wussten sie, dass es so ist, mussten es wissen tief in ihrem Inneren, aber sie verstanden es gut, dies zu verdrängen.

In Frankreich also sprach man von den gens du couleur, und sie setzten hinter diesen Ausdruck noch ein kleines Wort, das alles änderte: gens du couleur libre. Freie Farbige. Doch es dauerte eine Weile, bis ich das herausfand.