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Inhaltsverzeichnis

1. Der große und starke Bauernsohn Bären-Öra
2. Die Prinzessin in der Erdhöhle
3. Der weiße Bär
4. Lasse mein Knecht oder Herzog Meves von Sevelin
5. Der Goldköniginberg
6. Die tüchtige Katze
7. Der Schütze Bryte
8. Prinz Vilius
9. Eine lustige Historie vom starken Knees
10. Hundsracker
11. Das Mädchen, das den Riesen anführte
12. Die Geschichte von dem Bischof, der zum Papst reiste
13. Die Salzmühle
14. Die beiden Schreine
15. Von einigen, die eine große Erbschaft holten
16. Der schlaue Diebsschlingel und der Riese
17. Der Gockel, die Mühle und die Knüppel
18. Rumpeldipumpel
19. Das böse Mädchen
20. Das Mädchen und die Schlange
21. Das Glück
22. Der Bauer und der Böse
23. Die Pfarrersfrau ohne Schatten
24. Der Mann mit dem grünen Bart
25. Die Pfarrersfrau in Sproge
26. Der Koch, der im Türkenland war
27. Der Böse und der Soldat
28. Der Hoberg-Alte
29. Jäppa in Norrland
30. Die Prinzessin mit dem goldenen Haar
31. Der Junge und der Riese
32. Der Spanklauber
33. Stoppelpelz
34. Königssohn Weiße Schlange
35. Der Wacholderbusch
36. Pelle Koch
37. Der Zaubertopf
38. Der geizige Pfarrer und die drei Kupferlinge
39. Der König und der Soldat
40. Der Junge, der die Königstochter zum Lachen brachte
41. Die Prinzessin, die niemals heiraten wollte
42. Der Hahn
43. Die Tiere, die die Trolle verscheuchten
44. Wie der Bär zu seinem kurzen Schwanz kam
45. Der hungrige Fuchs
46. Wie der Fuchs aus dem Brunnen heraufkam
47. Wie der Kranich und der Fuchs einander bewirteten
48. Warum der Hase kein Haus hat
49. Der Hahn, der Kuckuck und das Eichhörnchen
50. Hahn und Henne
51. Der Riese, der sieben Fuder Grütze und sieben Fuder Milch gegessen hatte
52. Da ging ich zu meinem Bruder
53. Der Bauer, der Hausierer und der Böse
54. Der Teufel und Kitta Grau
55. Der Alte Erik in der Mühle
56. Der Pfarrer und der Mesner
57. Der Pfarrer und der Teufel
58. Jerusalem und Pilatus
59. Der geizige Pfarrer und der Knecht
60. Die lebenden Statuen
61. Der Pfarrer und die kluge Frau
62. Der Bauer, der Pfarrer wurde
63.Der ungeladene Hochzeitsgast
64. Der Junge und der Bischof
65. Der Bauer und die Ohrfeige
66. Mann und Frau sind sich einig
67. Die alte Frau, die die Kuh verkaufte
68. Wie der Mann ein Pulver aus der Apotheke holte
69. Das verhexte Kalb
70. Der Junge aus Göinge
71. Zwei aus Västergötland treffen sich
72. Die beiden Västergöten, die nichts erschrecken konnte
73. Die Dalekarlier
74. Die Dalekarlier auf Bärenjagd
75. Der Grasfresser auf Öland
76. Wie die Öländer Holz holen wollten
77. Der Finne in Seenot
78. Der taube Bauer
79. Das sage ich das nächste Mal
80. Mann und Frau tauschen ihre Arbeit
81. Salomos Katze
82. Bellman-Geschichten
a) Bellman und Eulenspiegel
b) Bellmans Abschied
c) Wer wirft den ersten Stein?
d) Wie Bellman in einer Pferdehaut lag
e) Bellman und die Smittin
f) Bellmans Hinrichtung
83. Wie Hante zum Schneider mit einem Mantelstoff ging
84. Jetzt lügst du!
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1. Der große und starke Bauernsohn Bären-Öra

Da war einmal ein Bauer, der hatte einen Sohn von sechzehn Jahren, der doch noch niemals in der Stadt gewesen war. Als nun der Sohn verlangte, mit dem Vater dorthin zu gehen, bekam er die Erlaubnis, und so gingen sie zusammen zur Stadt. Als sie nahe der Stadt waren, sahen sie Kanonen auf den Mauern der Festung, und der Sohn fragte, was für Dinge das denn wären.

»Das sind Kanonen«, sagte der Vater, »damit schießt man im Krieg.«

Da bat der Sohn den Vater, er solle ihm ein solches Ding zum Spielen kaufen.

»Du bist närrisch«, antwortete der Bauer, »zehn Mann könnten kaum das eine Ende heben, und du willst damit spielen.«

Aber der Sohn ging hin, hob das eine Ende mit einem Finger, und sogleich warf er sich die Kanone über die Schulter und trug sie so leicht wie einen Strohhalm. Da bekam der Bauer Angst vor der Stärke seines Sohnes; dann ging er mit ihm in die Stadt. Aber alles, was der Sohn da Großes und Schweres sah, das sollte ihm der Vater als Spielzeug kaufen. Endlich gingen sie wieder nach Hause. – Aber als der Sohn zwanzig Jahre alt war, wollte er hinaus und sein Glück in der Welt versuchen; deshalb bat er den Vater, ihm sein Erbe zu geben, und als der Vater fragte, worin das bestehen sollte, antwortete der Sohn:

»Ja, zwölf Ochsen sollen geschlachtet werden, aus der Haut von allen zusammen soll man einen Rucksack für mich machen, und das ganze Fleisch mit Brot soll man da hineingeben; und dann soll mir der Vater einen Stab aus zwanzig Liespfund 1 Eisen und zwanzig Liespfund Stahl machen!«

Aus Furcht gab ihm der Vater alles, und er fragte ihn nur, welchen Namen er jetzt führen wolle.

»Ja, mein Vater, ich nenne mich Bären-Öra, weil ich so stark bin«, antwortete der Sohn; dann nahm er Abschied und machte sich auf die Wanderschaft, mit seinem Sack auf dem Rücken und seinem Eisenstab in der Hand.

Er ging nun durch große Wälder einen langen, langen Weg, bis er zu einem breiten Strom kam, wo ein alter Mann stand und das Wasser mit seinem Bart aufstaute.

»Weshalb machst du das so, Bruder?« sagte Bären-Öra zu dem Alten.

»Ja«, sagte der, »damit die da unten nicht einen Tropfen Wasser für ihre Mühlen bekommen.«

»Na«, sagte Bären-Öra, »da wirst du wohl schön stark sein, und da habe ich Lust, dich ein wenig zu prüfen.«

Und so rang Bären-Öra mit dem Bartmann, daß der auf beide Knie fiel.

»Du bist nicht übel!« sagte Bären-Öra. »Komm, wir wollen miteinander gehen«; und so machten sie’s.

Nachdem sie einige Tage zusammen gewandert waren, erblickten sie im Wald einen Mann, der riß große Eichen mit der Wurzel aus.

»Guten Tag«, sagte Bären-Öra, »du scheinst tüchtig stark zu sein, und drum möchte ich’s einmal mit dir versuchen.«

Da griffen sie einander an, aber dieser Mann war stärker als der mit dem Bart; dennoch zwang ihn Bären-Öra schließlich auf ein Knie.

»Du bist nicht übel!« sagte Bären-Öra. »Komm, so wollen wir alle drei gemeinsam gehen« – und so machten sie’s.

So wanderten die drei starken Männer eine lange Zeit zusammen, bis sie zu einer Hütte mit einem flachen Dach kamen, und da gingen sie hinein, fanden jedoch niemanden drinnen; aber auf dem Feuer stand ein Topf und kochte.

»Hier lassen wir uns nieder und bleiben«, sagte Bären-Öra; und so geschah es.

Am ersten Tag sollte der mit dem Bart zu Hause bleiben und nach dem Essen sehen, und die beiden anderen wollten in den Wald hinausgehen und sich Wildbret verschaffen, und Bären-Öra sagte:

»Schau nun nach dem Kochtopf und laß dir von keinem das Essen wegnehmen!«, und so gingen sie in den Wald.

Aber als der Mann, der zu Hause geblieben war, den Topf vom Feuer genommen hatte, kam da ein Bergtroll herein und verlangte Essen. Der Mann mit dem Bart verweigerte es ihm wohl, aber der Bergtroll nahm ganz einfach den Topf und setzte ihn an den Mund und schüttete das ganze Essen in sich hinein und ging seines Weges. Jetzt kommt Bären-Öra mit dem anderen Kameraden nach Hause und fragt, ob das Essen fertig sei; aber der Mann mit dem Bart wagte nicht zu sagen, wie es zugegangen war.

Am anderen Tag sollte der, der Eichen mit der Wurzel herausgerissen hatte, zu Hause bleiben und nach dem Essen schauen; aber wieder kam der Bergtroll und schlang alles in sich hinein. Aber am dritten Tag sollte Bären-Öra selbst zu Hause bleiben und kochen: wieder kam der Bergtroll und wollte das Essen wegnehmen. Aber Bären-Öra sagte:

»Nun sehe ich, wie es mit den anderen gegangen ist – jetzt wirst du’s gewahr werden«, und dabei erhob er seinen Eisenstab, daß das Dach davonflog; und damit mußte der Bergtroll weichen, ohne etwas zu essen zu bekommen. Er wurde aber so zornig, daß er eine große Eiche mit den Wurzeln herausriß und verschwand.

Als die anderen aus dem Wald nach Hause kamen, sagte Bären-Öra:

»Hier habt ihr jetzt Essen, denn ich hab’s dem Bergriesen auch gegeben, aber mit Schwung durch die Tür.«

Als sie alle drei gegessen hatten, sagte Bären-Öra, sie müßten jetzt los und den Bergtroll im Wald suchen. Alle Bäume waren niedergebrochen, wo der Bergtroll mit der Eiche gegangen war, und so konnten sie seiner Spur leicht auf einen hohen Berg folgen, in dem sie ein bodenloses Loch sahen, und da war der Troll hinuntergegangen.

Nun lag der Berg dicht am Meeresufer, und draußen auf dem Wasser lag ein großes Schiff. Da nahmen sie ein Boot und ruderten dort hinaus und nahmen von den erschreckten Seeleuten das ganze Tauwerk des Schiffes. Sie schleppten alles hinauf zu dem Loch im Berg, banden alles zu einem Tau zusammen, und Bären-Öra läßt sich in den Berg hinein abfieren. Als Bären-Öra hinunterkam, erblickte er ein Schloß mit einem Burghof dabei, und dort lag eine ausgerissene Eiche. Aber er sah nirgends einen Eingang in das Schloß, nur einen kleinen Spalt; da nahm er einen so großen Stein, wie er ihn gerade heben konnte, und schlug so daran, daß es drinnen im Schloß dröhnte. Da kam eine Prinzessin heraus und sagte:

»Ihr riecht nach Christenblut! Seine Majestät ist heimgekommen und ist sehr böse, denn irgendeiner scheint ihn erzürnt zu haben; aber wenn Ihr mir nur vertrauen wollt, so werde ich versuchen, Euch zu helfen.

Wenn nun der Bergkönig Euch zu sehen bekommt, so sagt er zu mir: ›Geh hinunter und zapfe Starkenflut für mich und Müdenflut für Euch‹ – die eine gibt Stärke und Mut, die andere nimmt Stärke und Mut; und dann reiche ich Euch Starkenflut, und da werdet Ihr doppelt so stark.«

Das merkte auch der Bergkönig sofort: er läuft zur Wand und nimmt sein Trollschwert; aber Bären-Öra rief: »Wart’ ein wenig!«, und sogleich schlug er mit seiner Eisenstange den Bergtroll zu Tode. Im gleichen Augenblick kam ein altes, hinkendes Weib herzugelaufen und fragt, was denn hier los sei.

»Das sollst du gleich sehen!« antwortete Bären-Öra, zog das Schwert, das der Troll besessen hatte, und schlug der Alten den Kopf ab.

»Jetzt sind wir befreit!« rief die Prinzessin und erzählte Bären-Öra dann, daß sie eine Prinzessin von Reich-Arabien sei und daß sie vor zehn Jahren von dem Bergkönig in einer Wolke aus dem Schloßgarten geraubt wurde; und nun bat sie Bären-Öra, er solle sie heim nach Reich-Arabien bringen.

Das versprach Bären-Öra, ging mit der Prinzessin aus dem Schloß, band einen Korb an das Tau und ließ seine Kameraden die Prinzessin aus dem Berg hinaufziehen, und sogleich kam der Korb für Bären-Öra wieder herunter. Der aber ahnte eine Spitzbüberei und legte deshalb zur Probe in den Korb einen Stein, der ebenso schwer war wie er selbst. Und als der Stein ungefähr den halben Weg hinaufgezogen war, schnitten die Schurken das Tau ab, und der Stein fiel wieder herunter.

Jetzt glaubten die beiden anderen Kameraden, die die Prinzessin in ihrer Gewalt hatten, daß Bären-Öra tot oder für alle Zeit im Berge eingeschlossen sei. Deshalb zwangen sie die Prinzessin zu sagen, daß sie sie gerettet hätten, sonst drohe ihr der Tod, und das mußte sie auch versprechen. Aber die Hochzeit mit einem von den beiden sollte ein Jahr aufgeschoben werden.

So machten sie sich mit der Prinzessin auf die Wanderung und kamen nach einer Zeit nach Reich-Arabien, und dort wurde der König unendlich froh, als er seine schöne, weggeraubte Tochter wiederbekam; die erzählte jetzt von ihrem Schicksal und wie sie am Ende von diesen beiden starken Männern gerettet worden war und daß sie einem von ihnen übers Jahr ihre Hand, versprochen hatte. Damit war der König sehr zufrieden, und die beiden waren am Königshof wie Prinzen angesehen und fühlten sich so.

Inzwischen geht Bären-Öra im Berg umher und ist traurig über seine Not und seine falschen Kameraden. Er geht jetzt ganz allein durch das Bergschloß und grübelt, aus einem Saal in den anderen, aus einer Kammer in die andere. Endlich findet er da eine kunstvoll gemachte Pfeife, und als er in die hineinbläst, kommt sogleich ein Diener hervor, der ihn fragt, was Seine Majestät befiehlt. Bären-Öra wurde stumm vor Verwunderung, aber, so dachte er bei sich, du mußt doch wohl etwas antworten, und da sagte er:

»Ich befehle etwas zu essen hierher!«, und im Augenblick stand da ein königlicher Tisch mit allerhand Speisen und Getränken.

Da dachte Bären-Öra: ›Hier hast du keine Not!‹, und als er sich sattgegessen hatte, befahl er ein Bett zu bekommen, und das geschah auch im Augenblick. Am anderen Morgen blies Bären-Öra in die Pfeife, und wieder kam derselbe Diener und fragte, was Seine Majestät befehle:

»Ich will was zu essen haben«, sagte Bären-Öra.

Während er aß, fragte der Diener, ob Seine Majestät nicht geruhen wolle, die Regimenter zu sehen.

»Was, gibt es hier so etwas!« sagte Bären-Öra.

»Ja, und sie sind auch tüchtig.«

Aber als Bären-Öra kam und ein Regiment sehen wollte, da bestand es aus Schlangen und Fröschen. Bären-Öra wunderte sich über ein solches Regiment, aber der Diener behauptete, das seien im Krieg die Zuverlässigsten. Darauf fragte Bären-Öra, ob es hier auch Pferde gebe.»Ja«, antwortete der Diener, »drei Paar, eines, das läuft hundert Meilen in der Stunde, das andre Paar läuft zweihundert und das dritte dreihundert Meilen in der Stunde.«

Danach fragte er:

»Gibt es hier irgendwelche königliche Kleider?«

»Ja«, antwortete der Diener, »drei von dem vorigen König.« Aber die waren so groß, daß Bären-Öra gerade durch jeden Ärmel hindurchgehen konnte. Da fragte Bären-Öra nach einem Schneider, den ihm der Diener sogleich verschaffte, und der änderte das prächtige goldgestickte Kleid nur dadurch, daß er es ein paar Mal schüttelte.

»Hier gibt’s nette Leute«, sagte Bären-Öra.

Aber nun begann er an die Prinzessin zu denken, befahl die besten Pferde vorzuführen und sagte, der Diener solle ihn nach Reich-Arabien fahren.

»Ja«, sagte der Diener, »die Prinzessin hat auch schon viel an Eure Majestät gedacht; morgen aber soll sie mit dem, der Eichen mit der Wurzel herausgezogen hat, getraut werden.«

Nun hatte es Bären-Öra eilig; und es ging über Berge, Seen und Wälder, und am nächsten Tag stand die Kutsche auf dem königlichen Schloßhof in Reich-Arabien.

Die Prinzessin, die eben am Fenster stand, kannte Bären-Öra sogleich an seinem großen Stab wieder, und sie rief laut ihrem Vater, dem König, zu:

»Jetzt kommt der, der mich von dem Bergtroll gerettet hat!« Als Bären-Öras zwei falsche Kameraden das sahen und hörten, flohen sie Hals über Kopf vom Schloß. Und so bekam Bären-Öra die Prinzessin als Gemahlin. Zu seinem treuen Diener sagte er:

»Reise nun zurück in das Bergschloß und sei dort König an meiner Stelle.«

Danach wurde der große und starke Bauernsohn Bären-Öra König über ein großes Reich.

2. Die Prinzessin in der Erdhöhle

Es war ein König, der hatte eine Tochter. Und als sie einen Freier hatte, der dem König nicht zusagte, da ließ er im Wald eine Erdhöhle bauen und gab ihr sieben Mägde und für sieben Jahre Essen und für sieben Jahre Licht und für sieben Jahre Holz und auch einen kleinen Hund mit in die Höhle. Und dann ließ er die Höhle zumachen, und nun war die Prinzessin ganz abgeschlossen von der Welt und vom Licht und von allem.

Als nun die sieben Jahre zu Ende waren, da starb eine Magd nach der anderen, bis alle sieben tot waren. Und jetzt hatte sie nichts mehr, weder Essen noch Licht oder Holz.

So fing sie an, an der Decke der Höhle zu schürfen, und sie schürfte, daß ihre Nägel ganz abgewetzt wurden. Endlich hatte sie da ein kleines Loch, so eng, daß sie gerade den kleinen Hund hindurchstecken konnte. Und da half er ihr, an der Erddecke von außen her zu graben, so daß sie selbst heraufkommen konnte. Aber da fand sie sich nicht zurecht und wußte auch keinen Weg zu anderen Menschen, und da wanderte sie nur den ganzen Tag dahin.

Da kam ein großer Bär, der hatte Hunger, und er sagte zu ihr, wenn er den kleinen Hund bekäme, sagte er, da dürfe sie auf ihm reiten, und er werde sie zu Menschen bringen.

Wenn sie auch das kleine Tier ungern entbehren wollte, so mußte sie doch dem Bären seinen Willen lassen, um wieder zu Menschen zu kommen. Und der Bär verschlang den Hund auf einen Sitz. Danach durfte sie sich auf seinen Rücken setzen, und er trottete mit ihr weiter bis in die Nähe eines Köhlers, der an seinem Meiler Kohlen brannte. Und da hieß er sie absteigen und sagte, er wage es nicht, bis zu dem Köhler zu gehen, nun müsse sie selbst zu ihm gehen.

Da ging sie zu dem Köhler und bat ihn um ein wenig Essen, und er gab es ihr mit der Bedingung, daß sie ihm helfen sollte, die Kohlen zu löschen.

Später begleitete er sie zu einem Königshof in der Nähe, und da fand sie einen Dienst als Hühnermagd.

Der König dort sollte gegen seinen Willen ein Frauenzimmer heiraten; die war schwanger, aber er wußte nichts davon. Weil sie nun am gleichen Tag ihr Kind zur Welt bringen sollte, an dem sie heiraten sollte, überredete sie die Hühnermagd, an ihrer Stelle als Braut zu gehen. Währenddessen lag sie im Stall und bekam ihr Kind.

Als sie nun zur Kirche ritten, trat das Pferd der Hühnermagd auf einen Stein. Da sagte sie:

»Huf am Steine, klinge laut!
Zu Haus im Stalle gebiert ein Kind die junge Braut.«

Darauf wandte sich der König zu ihr und fragte:

»Was ist es, was du da sprichst, mein Lieb?«

Sie aber sagte nur:

»Ich spreche mit meiner Magd.«

Dann kamen sie zu einem großen Schiff, das ihrem Vater, dem König, gehört hatte, aber niemand konnte es von der Stelle bringen, wenn er nicht seinen Namen wußte. Als sie es zu sehen bekam, rief sie:

»Bomarusa, große, liegst du da,
wie oft ich einst von meines Vaters Land
dich ausfahren sah!«

Darauf setzte sich das Schiff in Bewegung, daß das Wasser Wellen schlug.

Da fragte der König:

»Was ist es, was du da sprichst, mein Lieb?«

Da antwortete sie:

»Ich spreche mit meiner Magd.«

Dann war da eine Brücke, die wollte unter einem Brautzug nicht stille liegen, wenn einer aus königlichem Geschlecht war, der andere aber nicht. Dabei sagte der König:

»Nun weiß ich nicht, wie es mit dir steht, da du kein Königskind bist, denn diese Brücke liegt nicht stille, wenn wir nicht beide aus Königsgeschlecht sind.«

Darauf sagte sie:

»Brücke, Brücke, bleib stille lieg’n,
zwei Königskinder nun über dich ziehn!«

Da fragte der König:

»Was ist es, was du da sprichst, mein Lieb?«

Da antwortete sie:

»Ich spreche mit meiner Magd.«

Als sie nun bei der Kirche anlangten, waren sie zu früh gekommen, ehe noch der Pfarrer da war. Da wandte sich der König zu der Braut und fragte, ob sie nicht etwas Neues zu erzählen hätte, während sie warteten, und sie sagte darauf:

»Sieben Jahr in der Höhle ich saß,
Lieder und Märchen ich alle vergaß.
Viel ist mir bekannt,
Kohlen hab ich gebrannt,
viel hab ich gelitten,
auf dem Bären bin ich geritten,
jetzt reite ich als Braut,
für eine schöne Jungfrau werd’ ich getraut.«

Der König fand sie überaus schön und nahm eine Goldkette und legte sie ihr um den Hals, aber den Schlüssel dazu behielt er selbst.

Als nun die Hochzeit in der Kirche zu Ende war, ritten sie nach Hause und sollten da zu Mittag essen, und da kam die, die zu Hause geblieben war und die richtige Braut sein sollte, auch mit zur Mittagstafel.

Da war der König ungehalten darüber, daß sie so bleich war, und er glaubte, er sei betrogen, und darum fragte er sie, was sie gesagt hätte, als ihr Pferd auf einen Stein getreten war.

Da antwortete sie – sie habe es vergessen, aber sie werde ihre Magd fragen.

Dann ging sie zu der Hühnermagd und fragte sie. Doch die sagte, sie habe es ganz vergessen, aber sie wollte nur vor der richtigen Braut nicht darüber sprechen. Die ging damit zum König und sagte, sogar die Magd habe es vergessen.

Da fragte sie der König, was sie sagte, als sie das Schiff erblickt hatte.

Das habe sie auch vergessen, sagte sie, aber sie wolle ihre Magd fragen. Und als sie das von der Hühnermagd erfahren hatte, berichtete sie es dem König.

Da fragte der König:

»Wo ist die Goldkette, die ich dir um den Hals gelegt habe?« Da sagte sie:

»Die hat meine Magd.«

Da antwortete der König:

»Das war eine Lüge. Hier muß Betrug im Spiel sein, denn die Kette kann kein anderer lösen als ich«, und darauf befahl er, daß alle Frauen und Mädchen, die es im Schloß gab, vor ihn gebracht werden sollten.

Und alle kamen herein, nur die Hühnermagd nicht.

Aber der König sagte:

»Hier unter diesen ist die rechte nicht, da müssen noch ein paar andere zu finden sein.«

Da sagte die Braut, da sei niemand mehr zu finden, nur noch eine elende Hühnermagd.

Aber der König antwortete:

»Wie elend sie auch sein mag, sie soll hereinkommen.«

Als sie hereingekommen war, da sah der König an ihrem Gesicht, daß es die war, die er geheiratet hatte, und sie trug auch die Goldkette am Hals, und da sagte er:

»Hier ist die, die ich heute geheiratet habe, und sie soll nun auch die richtige Braut sein.«

Und darauf erzählte sie, daß auch sie eine Königstochter sei und gerade die, die des Königs erste Liebe gewesen war.

Da wurde die andere bleiche Braut aus dem Wege geschafft. Und der König mit seiner rechten Braut – die lebten sehr gut zusammen.

3. Der weiße Bär

Es war ein König, der hatte zwei Söhne. Eines Tages waren sie draußen auf der Jagd, und da kamen sie an einem kleinen Haus vorbei. Da wohnten drei Mädchen.

»Heute sind die Prinzen unterwegs«, sagte das eine Mädchen. »Es ist so traurig mit den Prinzen da«, sagte das zweite. »Wenn der ältere Hochzeit hat, wird er wahnsinnig, steht auf und geht mit dem Messer auf seinen Vater los. Da steht der jüngere auf und nimmt ein Messer und umfährt damit den Arm seines Bruders, und dann setzt er sich, und es ist alles wieder gut und in Ordnung. Aber mit dem jüngeren geht es schlimmer. Wenn er seine Hochzeit hat, kommt der weiße Bär und holt ihn.« Das hörten die Prinzen.

Nun, als der ältere seine Hochzeit hatte und man sich des Abends zu Tisch setzte und speisen wollte, da wurde er wahnsinnig und sprang auf und nahm ein Messer und wollte es seinem Vater in die Brust stoßen. Da sprang der jüngere auf und nahm ein Messer und fuhr damit um seines Bruders Arm, und dann setzte er sich, und alles war wieder ruhig.

Als der jüngere seine Hochzeit halten wollte, da ließ ihn der König von dreihundert Mann bewachen. Spät am Abend kam der weiße Bär, und er tötete alle bis auf einen. Das dauerte, bis es gegen Morgen heller wurde. Da machte sich der weiße Bär davon. Und da sagte er: »In der nächsten Nacht komme ich wieder, und da bin ich noch einmal so stark.«

Da ließ der König sechshundert Mann antreten, und sie kämpften die ganze Nacht mit dem weißen Bären, bis es Tag wurde. Da waren nur noch zwei übrig. »In der nächsten Nacht komme ich wieder«, sagte der Bär. »Da bin ich noch einmal so stark.«

Da ließ der König neunhundert Mann antreten. Die kämpften die ganze Nacht mit ihm, und am Morgen waren nur noch drei übrig. Als er dann ging, sagte er: »Jetzt ist er ein Jahr frei von mir, aber dann komme ich und hole ihn.«

Nun sagt der Prinz zu seinem Vater: »Es wird gut sein, wenn ich mich davonmache, denn der Vater kann nicht so viele Leute meinetwegen umkommen lassen. Ich gehe auf Wanderschaft.«

Die drei Mädchen waren aus dem Häuschen ausgezogen, und jedes wohnte jetzt an einem anderen Ort für sich. Nun war die Zeit da, zu der der weiße Bär kommen und den Prinzen holen wollte. Der war gar nicht wenig gewandert. Da kam er in eine kleine Hütte und fragte, ob er hier nicht Nachtlogis bekommen könnte, und dann erzählte er auch, daß der weiße Bär bald soweit sein würde, ihn zu holen. Da sagte sie, die da in der Hütte wohnte, zu ihrer Magd: »Mach dich jetzt auf und gib dem Hundschön einen großen Eimer voll, damit er sich gut sattessen kann. Er muß heute nacht mit dem weißen Bären kämpfen.« Sie kämpften die ganze Nacht, bis es Tag wurde. – »Ja, in der nächsten Nacht komme ich wieder, und da bin ich noch einmal so stark«, sagte der Bär.

Am Morgen – nun war er den ganzen Tag von dem Bären befreit – bekam der Prinz diesen Hund von dem Mädchen. Und dann bekam er auch noch eine Rute von ihr. Wenn er irgendwohin zu einem Wasser käme, über das er nicht hinüberkommen konnte, so sollte er dreimal mit der Rute in das Wasser schlagen, und dann könnte er trockenen Fußes hinübergelangen. Und dann bekam er noch ein Garnknäuel. Wenn er das Garn am Ende hielt, so rollte das Knäuel vor ihm dahin. Das war sein Wegweiser. Kurz vor dem Abend kam er zu der zweiten Schwester und fragte, ob er hier nicht über die Nacht Logis haben könnte. Da sagt sie zu ihrer Magd: »Jetzt sollst du Hundschön und Hundstark so viel Essen geben, wie sie haben wollen, denn sie müssen heute nacht mit dem weißen Bären kämpfen.« Am Morgen sagt der weiße Bär zu ihnen: »In der nächsten Nacht komme ich wieder, und da bin ich noch einmal so stark.«

Dann bekam der Prinz diesen Hund auch noch, und jetzt hatte er zwei solche Hunde. Und dann bekam er ein Knäuel, und wenn er das Garn am Ende hielt, rollte das Knäuel vor ihm her. Kurz vor dem Abend war er bei der dritten Schwester. Als er bei ihr ankam, klagte er darüber, daß ihn der weiße Bär holen würde. Da sagt sie ihrer Magd, sie solle ordentlich Essen bereiten für Hundschön und Hundstark und Hundschlund – so hieß ihr Hund. So kämpften sie dann die ganze Nacht mit dem Bären. Zuletzt sagt er: »Jetzt seid Ihr ein Jahr von mir frei.«

Als der Prinz von der dritten Schwester Abschied nahm, bekam er von ihr eine Pfeife, und wenn er dreimal darauf blies, dann wußten die Hunde, daß er in Lebensgefahr war. So machte er sich wieder auf seine Wanderschaft und hatte alle drei Hunde bei sich. Nun ging er fort in ein anderes Land und zu einem anderen König, und dort verheiratete er sich mit dessen Tochter. Aus der ersten Hochzeit wurde nichts.

Einmal, früh am Morgen, war seine Frau draußen und ging spazieren. Es war noch dunkel. Da konnte sie hören, daß auf der anderen Seite des Sees jemand war, und der sang ganz schrecklich schön. – »Hör du, der da singt«, rief sie, »kannst du mich nicht singen lehren?« – »Ja, geh nur zu deinem Herrn und nimm die Rute, die über seinem Bett hängt, und schlage damit dreimal ins Wasser. Dann kann ich von hier fortkommen und dich singen lehren.« – Ja, sie geht hinein, und da liegt der Prinz und schläft. Sie nimmt die Rute und schlägt dreimal ins Wasser. So kam der weiße Bär herüber und zu ihr. Er war es, der gesungen hatte, aber jetzt kümmerte er sich nicht ums Singen, denn er wollte jetzt drauflos und den Prinzen holen, aber da paßten die Hunde auf und töteten den Bären.

An einem anderen Morgen war sie wieder draußen und ging spazieren – jetzt war es eine Freude, weil nun der Bär fort war. Sie ging unten am Strand des Sees entlang, und da fand sie einen Bärenzahn. Man sagt, der soll glänzen wie Gold. Sie steckt ihn an ihre Brust, und dann geht sie zum Prinzen und wollte ihm zeigen, was für einen Fund sie gemacht hatte. Er lag in seinem Bett. Die Frau beugte sich weit über ihn, und sogleich verlor sie den Zahn, und er fiel nieder auf den Prinzen. Da starb er, so daß er nun doch von dem Bären getötet wurde. Die Hunde wurden ganz toll vor Zorn auf die Prinzessin.

Dann sollte er begraben werden, aber man häufte nicht gleich Erde über ihn, sondern er wurde erst nur so beigesetzt. Da sagen die Hunde: »Das wenigste, was wir für unseren Herrn tun können, ist, daß wir jeder eine Nacht bei ihm wachen.« Hundschön sollte die erste Nacht Wache halten. Als er am Morgen zurückkam, berichtete er den anderen, daß er nicht habe wachbleiben können – er habe in der Nacht geschlafen. Da sagte Hundstark zu ihm: »Heute nacht werde ich wachen, aber ich werde nicht schlafen.« Als er aber am nächsten Morgen nach Hause kam, klagte er über sich, denn er hatte auch geschlafen.

Da sagt Hundschlund: »Heute nacht werde ich wachen, aber ich werde nicht schlafen.« Als in der Nacht die Uhr zwölf schlug, kamen zwei kleine alte Männlein auf den Friedhof. Der eine hatte eine Laterne in der Hand, der andere eine Flasche und eine Feder. Dann tauchte er die Feder in die Flasche und ließ ein paar Tropfen auf einen Sarg herniederfallen, und der, der im Sarg lag, der wurde lebendig. Es war einer von den Leuten des Alten. Da sagt Hundschlund: »Mein lieber Herr, streicht mit der Feder über meines Herren Sarg!« – »Nein, das tue ich nicht, denn du gehörst nicht zu meinen Leuten.« – »Ach, mein lieber Herr, laßt doch nur einen Tropfen darauffallen!« – Ja, und da ging der Alte weg und ließ ein paar Tropfen auf den Sarg fallen, und da erhob sich der Prinz. Dann kamen Hundschlund und der Prinz nach Hause, und die anderen Hunde wurden so froh, als sie ihren Herrn wiederbekamen.

Da sagten die Hunde zu ihm: »Wir sollten von hier weggehen, denn wie sich deine Frau anstellt, bringt sie dich zuletzt doch noch ums Leben!« Dem Prinzen deuchte, die Hunde hätten ihm schon so viel Gutes getan, daß er es nicht ablehnen wollte, ihnen zu folgen. Sie schlugen vor, er solle in seine Heimat zu seiner ersten Frau gehen. Und so machten sie sich wieder auf die Wanderschaft.

Als sie schon lange gegangen waren, kamen sie zu einem großen hohen Berg, und der Bergriese hatte da seine Tür offenstehen. Und der Bergriese hat Angst vor den Hunden. Er sagt zum Prinzen: »Ach, du wirst mich doch an Brei satt essen lassen, bevor ich sterbe!« – »Ja«, sagte der Prinz. – »Ich habe kein Wasser hier drinnen. Du könntest einen von deinen Hunden hinunter zur Quelle nach Wasser gehen lassen.« –»Ja, geh du, Hundschön!« befahl der Prinz. Als Hundschön hinunter zur Quelle gegangen war, nahm der Riese eine Eisenkette und warf sie ihm nach, und er mußte dort gefesselt stehenbleiben. »Er kommt nicht zurück«, sagte der Bergriese. »Du solltest den anderen gehen lassen.« – »Geh du, Hundstark!« sagt der Prinz. Der Riese warf wieder eine Eisenkette, und auch Hundstark wurde an der Quelle festgehalten. »Nein, der kommt nicht wieder zurück«, sagte der Riese. »Ich kann mich doch nicht mehr an Brei sattessen! Du solltest den dritten gehen lassen.« –»Ja, da mußt du gehen, Hundschlund!« Und der Riese schleuderte wieder eine Kette. »Jetzt bringe ich dich um«, sagte er. »Alle drei Hunde stehen gefesselt an der Quelle.« – »Ich bin freundlich zu dir gewesen«, antwortete der Prinz, »und so sollst du auch freundlich zu mir sein. Erlaubst du mir, dreimal diese Pfeife zu blasen, bevor ich sterbe?« Ja, dafür bekam er die Erlaubnis. Als er das erstemal blies, zerrten die Hunde an ihren Eisenketten und klagten: »Nun ist unser Herr in Lebensgefahr!« Beim zweiten Mal geschah das gleiche. Als er das dritte Mal blies, rissen sie sich los – und runter mit den Ketten und die Hunde davon, und sie töteten den Bergriesen. Danach nahmen sie Gold und Silber – denn da gab es große Schätze –, so viel sie tragen konnten. Dann machten sie sich wieder auf die Wanderschaft.

Als sie nun so weit gegangen waren, daß sie schon nahe der Heimat des Prinzen waren, setzten sie sich auf einer kleinen grünen Wiese nieder, um auszuruhen. Da war mitten in der Wiese eine Quelle. Da sagen die Hunde zu dem Prinzen: »Nun soll der Prinz uns ergreifen und jeden von uns in drei Stücke zerhauen, die Stücke gut waschen und sie dicht nebeneinanderlegen.« – »Das kann ich nicht. Ihr habt mir soviel Gutes getan – daß ich euch dann so etwas antue, das kann ich nicht!« – »Ja, dann werden wir’s eben so mit dir machen!« sagen die Hunde.

Da dachte er, es seien ja doch nur Hunde, da könnte es ja nicht gar so arg sein, auch wenn sie ihm soviel Gutes getan hatten. Und so hieb er jeden von ihnen in drei Stücke und wusch die Stücke und legte sie dicht nebeneinander.

Dann ging er weiter. Er war schrecklich traurig. Als er ein Stück gegangen war, da mußte er doch zurückblicken, und da kamen drei Prinzen hinter ihm her. Das waren die Hunde gewesen.