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Psychoanalyse im 21. Jahrhundert

Klinische Erfahrung, Theorie, Forschung, Anwendungen

Herausgegeben von Cord Benecke, Lilli Gast,

Marianne Leuzinger-Bohleber und Wolfgang Mertens

Berater der Herausgeber

Ulrich Moser

Henri Parens

Christa Rohde-Dachser

Anne-Marie Sandler

Daniel Widlöcher

Marianne Leuzinger-Bohleber

Heinz Weiß

Psychoanalyse – Die Lehre vom Unbewussten

Geschichte, Klinik und Praxis

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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1. Auflage 2014

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-022322-6

E-Book-Formate:

pdf:       ISBN 978-3-17-023814-5

epub:    ISBN 978-3-17-025958-4

mobi:    ISBN 978-3-17-025959-1

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Geleitwort zur Reihe

 

 

Die Psychoanalyse hat auch im 21. Jahrhundert nichts von ihrer Bedeutung und Faszination verloren. Sie hat sich im Laufe ihres nun mehr als einhundertjährigen Bestehens zu einer vielfältigen und durchaus auch heterogenen Wissenschaft entwickelt, mit einem reichhaltigen theoretischen Fundus sowie einer breiten Ausrichtung ihrer Anwendungen.

In dieser Buchreihe werden die grundlegenden Konzepte, Methoden und Anwendungen der modernen Psychoanalyse allgemeinverständlich dargestellt. Worin besteht die genuin psychoanalytische Sichtweise auf Forschungsgegenstände wie z. B. unbewusste Prozesse, Wahrnehmen, Denken, Affekt, Trieb/Motiv/Instinkt, Kindheit, Entwicklung, Persönlichkeit, Konflikt, Trauma, Behandlung, Interaktion, Gruppe, Kultur, Gesellschaft u. a. m.? Anders als bei psychologischen Theorien und deren Überprüfung mittels empirischer Methoden ist der Ausgangspunkt der psychoanalytischen Theoriebildung und Konzeptforschung in der Regel zunächst die analytische Situation, in der dichte Erkenntnisse gewonnen werden. In weiteren Schritten können diese methodisch trianguliert werden: durch Konzeptforschung, Grundlagenforschung, experimentelle Überprüfung, Heranziehung von Befunden aus den Nachbarwissenschaften sowie Psychotherapieforschung.

Seit ihren Anfängen hat sich die Psychoanalyse nicht nur als eine psychologische Betrachtungsweise verstanden, sondern auch kulturwissenschaftliche, sozialwissenschaftliche sowie geisteswissenschaftliche Perspektiven hinzugezogen. Bereits Freud machte ja nicht nur Anleihen bei den Metaphern der Naturwissenschaft des 19. Jahrhunderts, sondern entwickelte die Psychoanalyse im engen Austausch mit geistes- und kulturwissenschaftlichen Erkenntnissen. In den letzten Jahren sind vor allem neurowissenschaftliche und kognitionspsychologische Konzepte und Befunde hinzugekommen. Dennoch war und ist die klinische Situation mit ihren spezifischen Methoden der Ursprung psychoanalytischer Erkenntnisse. Der Blick auf die Nachbarwissenschaften kann je nach Fragestellung und Untersuchungsgegenstand bereichernd sein, ohne dabei allerdings das psychoanalytische Anliegen, mit spezifischer Methodik Aufschlüsse über unbewusste Prozesse zu gewinnen, aus den Augen zu verlieren.

Auch wenn psychoanalytische Erkenntnisse zunächst einmal in der genuin psychoanalytischen Diskursebene verbleiben, bilden implizite Konstrukte aus einschlägigen Nachbarwissenschaften einen stillschweigenden Hintergrund wie z. B. die derzeitige Unterscheidung von zwei grundlegenden Gedächtnissystemen. Eine Betrachtung über die unterschiedlichen Perspektiven kann den spezifisch psychoanalytischen Zugang jedoch noch einmal verdeutlichen.

Der interdisziplinäre Austausch wird auf verschiedene Weise erfolgen: Zum einen bei der Fragestellung, inwieweit z. B. Klinische Psychologie, Entwicklungspsychologie, Entwicklungs-psychopathologie, Neurobiologie, Medizinische Anthropologie zur teilweisen Klärung von psychoanalytischen Kontroversen beitragen können, zum anderen inwieweit die psychoanalytische Perspektive bei der Beschäftigung mit den obigen Fächern, aber auch z. B. bei politischen, sozial-, kultur-, sprach-, literatur- und kunstwissenschaftlichen Themen eine wesentliche Bereicherung bringen kann.

In der Psychoanalyse fehlen derzeit gut verständliche Einführungen in die verschiedenen Themenbereiche, die den gegenwärtigen Kenntnisstand nicht nur klassisch freudianisch oder auf eine bestimmte Richtung bezogen, sondern nach Möglichkeit auch richtungsübergreifend und Gemeinsamkeiten aufzeigend darstellen. Deshalb wird in dieser Reihe auch auf einen allgemein verständlichen Stil besonderer Wert gelegt.

Wir haben die Hoffnung, dass die einzelnen Bände für den psychotherapeutischen Praktiker in gleichem Maße gewinnbringend sein können wie auch für sozial- und kulturwissenschaftlich interessierte Leser, die sich einen Überblick über Konzepte, Methoden und Anwendungen der modernen Psychoanalyse verschaffen wollen.

 

Die Herausgeberinnen und Herausgeber

Cord Benecke, Lilli Gast,

Marianne Leuzinger-Bohleber und Wolfgang Mertens

Inhalt

  1. Geleitwort zur Reihe
  2. Vorwort
  3. 1     Einleitung
  4. Marianne Leuzinger-Bohleber
  5. 1.1 Ist das Unbewusste immer noch das »Alleinstellungsmerkmal« der Psychoanalyse?
  6. 1.2 Das Unbewusste in Zeiten einer pluralen Psychoanalyse
  7. 1.3 Anmerkungen zum Wissenschaftsverständnis der Psychoanalyse als spezifische »Wissenschaft des Unbewussten«
  8. 1.4 Das Unbewusste als Gegenstand interdisziplinärer Forschung
  9. 1.5 Übersicht über die Struktur des Bandes
  10. Literatur zur vertiefenden Lektüre
  11. Teil I – Konzepte und Kontroversen zum Unbewussten in der pluralen, internationalen Psychoanalyse
  12. 2     Das Unbewusste im Kaleidoskop des Theorienpluralismus der heutigen Psychoanalyse
  13. Marianne Leuzinger-Bohleber
  14. 2.1 Das Unbewusste in der klinischen Praxis – Ein Fallbeispiel
  15. 2.2 Das Unbewusste in Zeiten des theoretischen Pluralismus der Psychoanalyse: Eine Übersicht
  16. 2.2.1 Das Unbewusste in der »klassischen Ichpsychologie«
  17. 2.2.2 Konzeptionen des Unbewussten in verschiedenen Objektbeziehungstheorien
  18. 2.2.3 Psychoanalytische Selbstpsychologie und ihre Konzeptualisierung des Unbewussten
  19. 2.2.4 Zwischenbilanz
  20. 2.2.5 Säuglings-, Bindungs-, Mentalisierungs- und Genderforschung und ihr Beitrag zu einem intersubjektiven Verständnis des Unbewussten
  21. 2.3 Zusammenfassung: Das Unbewusste im Kaleidoskop pluraler Theorieansätze in der heutigen Psychoanalyse – Reichtum und Gefahr?
  22. Literatur zur vertiefenden Lektüre
  23. 3     Zu theoretischen Weiterentwicklungen bzw. Neuintegrationen (puraler) Modelle zum Unbewussten in der heutigen Psychoanalyse am Beispiel der experimentellen Schlaf-Traum-Forschung
  24. Marianne Leuzinger-Bohleber
  25. Literatur zur vertiefenden Lektüre
  26. Teil II – Konzeptualisierungen des Unbewussten in der Weiterentwicklung der Theorien Freuds: Vertiefende Überlegungen
  27. 4     Die Rezeption des Unbewussten in den Sozial- und Geisteswissenschaften: phänomenologische, hermeneutische und sprachtheoretische Ansätze
  28. Heinz Weiß
  29. Literatur zur vertiefenden Lektüre
  30. 5     Vertiefende Konzeptualisierungen des Unbewussten
  31. Heinz Weiß
  32. 5.1 »Das Unbewusste ist wie eine Sprache gebaut« – Jacques Lacans Versuch einer Rückkehr zu Freud
  33. 5.2 Klinische Herausforderungen als Ausgangspunkt für theoretische Weiterentwicklungen
  34. 5.3 Melanie Kleins Modell des Psychischen: paranoid-schizoide und depressive Position als Organisationsformen unbewusster Phantasien
  35. 5.4 Unbewusstes, depressive Position und primitive Stadien der Symbolbildung: das Werk von Hanna Segal
  36. 5.5 Übergangsphänomene und intermediärer Raum bei D.W. Winnicott
  37. 5.6 Rezeption und Transformation: Zur Neubestimmung des Unbewussten in W.R. Bions Theorie des Denkens
  38. 5.7 Weiterentwicklungen von Bions Theorie bei seinen Zeitgenossen und Nachfolgern (R. Money-Kyrle, D. Meltzer, R. Britton, J. Grotstein, I. Matte-Blanco, A. Ferro)
  39. 5.8 Verbindungen zwischen Objektbeziehungstheorie und Freuds Auffassung des Unbewussten im Werk von A. Green und W. Loch
  40. Literatur zur vertiefenden Lektüre
  41. 6     Überlegungen zur psychoanalytischen Behandlungstechnik
  42. Heinz Weiß
  43. 6.1 Klinische Auswirkungen: Das erweiterte Verständnis der Gegenübertragung als Wahrnehmungsorgan für unbewusste Prozesse
  44. 6.2 Vergangenheitsunbewusstes und Gegenwartsunbewusstes: Die Theorie der Enactments als In-Szene-Setzen der unbewussten Phantasie
  45. 6.3 Klinisches Beispiel – die Deutung eines Traums
  46. 6.4 Behandlungstechnische Konsequenzen und neuere Ansätze: Die Theorie der pathologischen Organisationen bei H.A. Rosenfeld und J. Steiner
  47. 6.5 Klinisches Beispiel – Einblick in die behandlungstechnischen Schwierigkeiten einer Psychoanalyse
  48. Literatur zur vertiefenden Lektüre
  49. 7     Zusammenfassung und Schluss
  50. Literatur
  51. Sachregister

Vorwort

Das »Unbewusste« als Forschungsgegenstand der Psychoanalyse steht im Fokus dieses Bandes in der Reihe »Psychoanalyse im 21. Jahrhundert«. Wir möchten damit Studierenden, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, Psychoanalytikerinnen und Psychoanalytikern, aber auch einer interessierten fachfremden Leserschaft, Einblicke in aktuelle Kontroversen um dieses zentrale Konzept der Psychoanalyse vermitteln. Wir konzentrieren uns dabei auf Diskurse, wie sie zurzeit in der vom Theorienpluralismus gekennzeichneten Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung geführt werden und müssen auf Übersichten, die auch Entwicklungen in anderen psychoanalytischen Fachgesellschaften (wie z. B. der Jungianischen oder Adlerianischen Psychoanalyse) berücksichtigen (vgl. Buchholz & Gödde, 2006), verzichten.

Im ersten Teil des Bandes verweisen wir ausgehend von einem ausführlichen Fallbeispiel, auf die Chancen des aktuellen Pluralismus, der heutigen Theorienvielfalt der Psychoanalyse: Wie beim Blick durch ein Kaleidoskop nehmen wir in komplexen klinisch-psychoanalytischen Situationen jeweils unterschiedliche Sinnzusammenhänge wahr, je nachdem welche theoretische Linse wir gewählt haben. Der Bezug zu dem Fallbeispiel mag dem Leser die Relevanz solcher theoretischer Annäherungen an das Unbewusste in psychoanalytischen Behandlungen näher bringen. Wenigstens kurz streifen wir die anspruchsvollen methodischen und wissenschaftstheoretischen Fragen, die mit der heutigen klinischen und extraklinischen Forschung und der damit initiierten Theorieentwicklung verbunden sind (Images Kap. 1).

Nachdem verschiedene Aspekte des Theorienpluralismus illustriert wurden (Images Kap. 2), wird ein exemplarisches Beispiel aufgeführt, um zu zeigen, wie wichtig sich gleichzeitig eine engagierte und innovative Weiterentwicklung der verschiedenen theoretischen Modelle und der Versuch konzeptueller Integration erweist (Images Kap. 3), einerseits um den Erklärungsgehalt der einzelnen Theorien immer wieder mit neuem Leben zu füllen und vor einer Entleerung ihres Sinngehalts zu schützen, andererseits um einer drohenden Fragmentierung der Psychoanalyse als wissenschaftliche Disziplin entgegenzuwirken. Als Beispiel dient eine Integration des trieb- und objektbeziehungstheoretischen Verständnisses des Unbewussten aufgrund von Ergebnissen der experimentellen Schlaf- und Traumforschung.

So gibt Teil I eine »horizontale Übersicht« über den Stand der Diskussionen verschiedener Konzeptualisierungen zum Unbewussten.

Im Teil II des Buches wird diese Übersicht durch eine »vertikale Perspektive« ergänzt, indem einige wissenschaftshistorische Gründe erläutert werden, die zum Theorienpluralismus der Psychoanalyse führten. So ermöglichte bspw. die Weiterentwicklung objektbeziehungstheoretischer Konzepte des Unbewussten die Behandlung neuer Gruppen von Patienten wie z. B. Patienten mit Borderlinestörungen. Zudem vertieft er einige der Ausführungen des ersten Teils durch einige der aktuellen Konzeptualisierungen des Unbewussten, indem er zuerst die psychoanalytische Theorieentwicklung kurz historisch in den Geistes- und Sozialwissenschaften und der Philosophie verortet (Images Kap. 4). Schwerpunkte bei diesen Vertiefungen liegen auf dem spezifischen Verständnis des Unbewussten bei J. Lacan, M. Klein, H. Segal, D.W. Winnicott, W.R. Bion, A. Green, W. Loch und anderen Autoren (Images Kap. 5). Dabei wird auf die Frage nach den klinischen Implikationen dieser neueren Theorierichtungen fokussiert (Images Kap. 6). Mit zwei Fallbeispielen wird veranschaulicht, welche Rolle das Verstehen unbewusster Prozesse in heutigen psychoanalytischen Behandlungen bei Borderlineerkrankungen bzw. bei schwer traumatisierten Patienten einnimmt.

In einer kurzen Zusammenfassung werden einige abschließende Überlegungen formuliert (Images Kap. 7).

Von unterschiedlichen Traditionen der Psychoanalyse und ihrer Praxis herkommend, überarbeiten wir in diesem Band teilweise frühere Arbeiten im Sinne einer Neuintegration im Hinblick auf den zentralen Forschungsgegenstand der Psychoanalyse, das Verständnis des Unbewussten. Hierzu hat unsere klinische Zusammenarbeit im Rahmen verschiedener Forschungsprojekte im Direktorium des Sigmund-Freud-Instituts, Frankfurt a.M., wesentlich beigetragen.

Wir danken Constanze Rickmeyer und Annika Elsässer für die kritische Durchsicht des Manuskripts: Herbert Bareuther half uns beim Erstellen des umfangreichen Literaturverzeichnisses, auch dafür herzlichen Dank!

Vor allem danken wir auch den Analysandinnen und Analysanden für ihre vertrauensvolle Zusammenarbeit, ohne die viele der hier entwickelten Überlegungen nicht entstanden wären.

 

Frankfurt am Main, im Januar 20141

Marianne Leuzinger-Bohleber und Heinz Weiß

1     Da das Manuskript schon 2013 abgegeben werden musste, konnten die Autoren die Ergebnisse der Joseph Sandler Conference 2014 nicht mehr berücksichtigen, die dem Thema »Das Unbewusste – eine Brücke zwischen Psychoanalyse und Cognitive Science« gewidmet war. Die Hauptvorträge der Tagung sind auf der Website des Sigmund-Freud-Instituts (www.sigmundfreud-institut.de) einzusehen und werden in englischer und deutscher Sprache 2014/15 publiziert.

1        Einleitung

Leuzinger-Bohleber Marianne

Lernziele

•  Einen Überblick über die anregende, manchmal aber auch verwirrende Vielfalt des gegenwärtigen psychoanalytischen Theorienpluralismus bekommen

•  Anhand eines Beispiels kennenlernen, welche Rolle unbewusste Phantasien und Konflikte bei der Entstehung psychischer Erkrankungen spielen

•  Welches Wissenschaftsverständnis hat die gegenwärtige Psychoanalyse entwickelt?

•  Welche Rolle spielt hierbei die extraklinische Forschung, insbesondere die psychoanalytische Psychotherapieforschung?

•  Worin besteht die Zielsetzung einer interdisziplinären Erforschung des Unbewussten?

1.1       Ist das Unbewusste immer noch das »Alleinstellungsmerkmal« der Psychoanalyse?

Die Psychoanalyse wird immer noch als die »Wissenschaft des Unbewussten« definiert. Doch was bezeichnen wir heute als »das Unbewusste?« Berücksichtigen andere heutige Therapieverfahren nicht ebenfalls nicht bewusste, pathogene Informationsverarbeitungsprozesse? Ist die Erforschung des Unbewussten wirklich ein Alleinstellungsmerkmal der Psychoanalyse?

In der zurzeit laufenden großen LAC-Depressionsstudie2 erhielten Patienten, die sich für die Studie interessierten, folgende »neutrale« Beschreibungen der beiden wichtigsten, vom Wissenschaftlichen Beirat »Psychotherapie« akzeptierten Psychotherapieverfahren:

Psychoanalytische Therapie untersucht den Einfluss, den unbewusste Wünsche und Ängste auf das bewusste Erleben und Handeln im Hier und Jetzt ausüben. Die psychoanalytische Therapie bleibt nicht, wie oft angenommen wird, bei der Aufarbeitung unbewältigter Kindheitserlebnisse stehen, sondern deckt deren unbewusste wie bewusste Wirkung im Zusammenhang mit lebensgeschichtlichen Erfahrungen auch im Hinblick auf die Zukunftsgestaltung auf. Durch die Möglichkeit in der Beziehung zum Analytiker unbewusste Beziehungsgestaltungen zu wiederholen, versucht die psychoanalytische Psychotherapie der Bedeutung wiederkehrender depressiver Verarbeitung von Lebenserfahrungen auf die Spur zu kommen. Die »Nachhaltigkeit« psychoanalytischer Psychotherapie kann in einer »Nachentwicklung« des eigenen Selbstwertgefühls und in der Beziehung zu nahe stehenden Menschen gesehen werden. Eine Veränderung der Symptomatik ergibt sich infolge des analytischen Prozesses, indem die bislang unzugänglichen Krankheitsursachen aufgedeckt, bearbeitet und integriert werden. Die Therapie kann mit einer Frequenz von ein- bis maximal dreimal 50 Minuten in der Woche stattfinden.

Kognitive Verhaltenstherapie zielt auf eine Veränderung des gegenwärtigen Denkens und Verhaltens ab. Die kognitive Verhaltenstherapie ist ein Anwendungsbereich der Verhaltensforschung und Lerntheorien. Im Mittelpunkt der Behandlung steht dabei die Veränderung des Verhaltens, Erlebens und Denkens durch Prozesse wie Neulernen, Umlernen und Verlernen. Therapeut und Betroffener führen zusammen eine genaue Analyse der Probleme durch, die als Lerngeschichte aus der Vergangenheit gesehen werden kann. In der Therapie werden systematisch ungünstige Verhaltensweisen und Denkmuster identifiziert und der Patient wird dazu angeleitet, hilfreiche Strategien zu entwickeln und diese schrittweise selbstständig einzusetzen, um so zu lernen, die nicht optimalen Verhaltensweisen zu verändern. Die Verhaltenstherapie verfügt zur Erreichung von Veränderungen und anvisierten Lösungen neben dem Gespräch über eine Vielzahl von bewährten Verfahren, die zum Teil auch außerhalb der Therapiesitzung oder als Hausaufgabe im Anschluss an die Therapiesitzungen durchgeführt werden. Die Therapie findet meist mit einer Frequenz von einmal 50 Minuten in der Woche statt, kann aber je nach Behandlungsphase auch häufiger (z. B. zweimal pro Woche) oder intensiver (z. B. längere Sitzungen bis zu zwei Stunden) durchgeführt werden.

In der Tat werden daher auch heute noch psychoanalytische Therapien von verhaltenstherapeutischen dadurch abgegrenzt, »als sie den Einfluss (untersuchen), den unbewusste Wünsche und Ängste auf das bewusste Erleben und Handeln im Hier und Jetzt ausüben.« (vgl. Definition oben) In diesem Sinne kann die Erforschung des Unbewussten in seinem Einfluss auf psychische Symptombildung mit dem Ziel, dauerhaft dem Patienten zu ermöglichen, unbewusste Konflikte und Phantasien zu erkennen und ihre determinierende Wirkung auf sein Fühlen, Denken und Handeln zu verändern, auch weiterhin als das Alleinstellungsmerkmal der Psychoanalyse gelten. Oder wie Ricardo Steiner (2003) in seiner Einleitung zu seinem Buch »Unconscious phantasy« abschließend feststellt: »Um dies zusammenzufassen: Wie der Leser sieht, war Freuds bahnbrechende Arbeit von 1911 über Jahre hinweg und in verschiedenen psychoanalytischen Schulen und kulturellen Traditionen Ausgangspunkt für viele verschiedene Auffassungen und Entwicklungen. Dennoch kann eines mit großer Sicherheit festgestellt werden: Welche Auffassung auch immer bezüglich von unbewussten Phantasien geäußert werden, gilt eine Aussage, die wir am Ende der Arbeit von Joseph und Anne-Marie Sandlers 1994 finden können […], dass Psychoanalyse ohne dieses Konzept nicht auskommt (›psychoanalysis cannot do without it.‹)« (Steiner, 2003, S. 54; Übersetzung MLB).

Bekanntlich hat Freud mit seiner Entdeckung des »dynamischen Unbewussten« zur dritten großen Kränkung der Menschen beigetragen: Nachdem sie sich mit dem kopernikanischen Weltbild von der narzisstischen Omnipotenz verabschieden mussten, die Welt stünde im Zentrum des Weltalls und nach den Entdeckungen von Darwin, sich nicht mehr als die »Krönung der Schöpfung« zu begreifen, sondern sich in die evolutionäre Folge der Lebewesen einordnen zu müssen, schockierte sie nun Freud mit der Einsicht, dass wir alle »nicht Herr im eigenen Hause sind«, sondern weitgehend und unerkannt durch unbewusste libidinöse und aggressive Triebimpulse und Phantasien gesteuert werden. Ins Fremde in uns, ins Unbewusste, werden jene Teile der Persönlichkeit verbannt, die in der jeweiligen Kultur verboten und tabuisiert sind. Im Wien anfangs des 20. Jahrhunderts waren dies vor allem sexuelle Impulse und Phantasien, die, wie Freud dies entdeckte, die ersten Lebensjahre prägten und sich an notwendige, biologische Bedürfnisse, wie das Saugen, die Sphinkterkontrolle und die Einordnung in das familiäre Beziehungsnetz anlehnte. Aus diesen lebensnotwenigen Impulsen entwickelten sich – nach Freud – Triebbedürfnisse, die im Unbewussten als mächtige Motivationssysteme wirken und – trotz kultureller Ächtung – nach Befriedigung drängen. In all seinen Werken warnte er davor, diese unbewussten Kräfte zu verleugnen. Nur die Einsicht in ihre Wirksamkeit könne einen weisen Umgang mit ihnen garantieren: ein Wegschauen und Negieren des Unbewussten führe nicht nur in die seelische Krankheit, sondern vergrößere die Gefahr von ungesteuerten Triebdurchbrüchen und bedrohe das menschliche Zusammenleben und unsere Kultur.

Freud beschrieb unterschiedliche antagonistische Triebkonstellationen. In seiner ersten Triebtheorie unterschied er zwischen Ich- und Selbsterhaltungstrieben, später zwischen Ich- oder Selbsterhaltungstrieben einerseits und Objektlibido andererseits. In der dritten und umstrittensten Triebtheorie beschrieb er einen Lebens- und einen Todestrieb und verstand diese als philosophisches Gegensatzpaar. In dieser definierte er einen Sexual- und einen Aggressionstrieb, die er als Manifestationen von Eros und Thanatos erklärte.

Die Triebtheorie hat sich während der letzten 100 Jahre weiterentwickelt und zu einer Vielfalt von einzelnen psychoanalytischen Schulen geführt, die sich besonders bezüglich ihrer Definition des »dynamischen Unbewussten«, d. h. ihrer Auffassung vom Inhalt und der Funktionsweisen unbewusster Impulse und Motivationen, unterscheiden, worauf wir in diesem Band näher eingehen (vgl. dazu auch Mertens, 2010).

1.2       Das Unbewusste in Zeiten einer pluralen Psychoanalyse

So hat sich die Psychoanalyse als klinische und konzeptuelle Wissenschaft mit weltweit 12 000 Mitgliedern der International Psychoanalytical Association inzwischen derart ausdifferenziert, dass wir von einem Zustand der »Pluralität der Theorien« sprechen und sich die Frage stellt: Gibt es sie wirklich »die Psychoanalyse«? Existieren nicht vielmehr »viele Psychoanalysen« nebeneinander? Sprechen moderne ichpsychologisch orientierte Psychoanalytiker, wie z. B. Fred Pine (2011) aus New York, auch heute noch vom »dynamischen Unbewussten« als das von der Psychoanalyse untersuchte Produkt abgewehrter Impulse und Triebwünsche, definieren andere, z. B. Giuseppe Civitarese (2011) aus Pavia, bezugnehmend auf Bion, von einem Kontinuum von Bewusstem und Unbewusstem. Das Unbewusste breche nicht z. B. durch Versprecher, Symptome und Inszenierungen ins Bewusstsein ein, sondern jeder bewusste Vorgang sei immer auch von unbewussten Prozessen begleitet. Auch Werner Bohleber (2011) aus Frankfurt a. M. geht angesichts von Befunden der Neurowissenschaften und der experimentellen psychologischen Forschung zu unbewussten Formen der Informationsverarbeitung von einem nicht-verdrängten Unbewussten aus und betont die Vielfalt unterschiedlicher Konzeptionen des »Unbewussten« in der heutigen Psychoanalyse. Jorge Luis Maldonaldo (2011) aus Buenos Aires, hält hingegen nach wie vor am Konzept des dynamischen Unbewussten und der psychoanalytischen Konflikttheorie fest, das den Gegenstand der Psychoanalyse von jenen anderer Disziplinen unterscheide, die latente, nicht bewusste Informationsverarbeitungsprozesse erforschen. Miguel Kolteniuk Krauze (2011, S. 2) aus Mexico City, schließlich plädiert, ausgehend von Jacques Lacan, für zwei Dimensionen des Unbewussten als ein System »der Urverdrängung, die durch ihre Beharrungskraft und mangelnde Symbolisierbarkeit charakterisiert ist, und der durch den Primärvorgang und seine Schicksale gekennzeichneten sekundären Verdrängung: daher auch André Greens Ansatz, dem es um die Erhaltung der Triebdimension geht.«

Alle diese Autoren waren Hauptreferenten des IPA-Kongresses 2011 in Mexico City mit dem Thema Exploring Core Concepts: Sexuality, Dreams and the Unconscious (vgl. unten). Die kurze Zusammenfassung ihrer unterschiedlichen Auffassungen mag auf Anhieb illustrieren, dass die Pluralität von Theorien einerseits zum Reichtum der heutigen, internationalen Psychoanalyse als einer Disziplin gehört, die sich immer schon mit hoch komplexen klinischen Phänomenen beschäftigt hat und versucht, bewusstes, vorbewusstes und unbewusstes seelische Geschehen zusammen mit ihren Patienten zu entschlüsseln. Die Vielfalt von Theorien ermöglicht, wie beim Blick durch ein Kaleidoskop, immer wieder neue Muster in den komplexen klinischen Phänomenen zu erkennen, immer wieder neue Aspekte psychischer Wirklichkeiten in psychoanalytischen Behandlungen zu thematisieren und in einem sensiblen, kritischen Dialog zusammen mit dem Analysanden auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Wie anhand von konkreten Beispielen aus der psychoanalytischen Praxis in diesem Band gezeigt werden soll, erleichtert die Pluralität heutiger Konzeptionen des Unbewussten daher das tastende Annähern an idiosynkratische unbewusste Wahrheiten und den meist vielschichtigen Sinn von Symptomen und psychischen Einschränkungen aufgrund unbewusst gewordener Phantasien und Konflikte zu verstehen. Sie bereichert den zirkulären Erkenntnisprozess, die klinisch-psychoanalytische Forschung (vgl. 1.4).

Bezogen auf die Psychoanalyse als wissenschaftliche Disziplin, die ihre Erkenntnisse, wie jede andere Wissenschaft in der nichtpsychoanalytischen Community kritisch zur Diskussion stellen und ihre Identität in Abgrenzung zu anderen Therapieverfahren immer wieder neu definieren und kommunizieren muss, hat die Pluralität heutiger psychoanalytischer Theorien allerdings auch Schattenseiten. Wenn gegen innen und außen nicht mehr klar ist, ob es »one psychoanalysis or many« (Wallerstein) gibt und ob Grundkonzepte wie »das Unbewusste« nach wie vor den spezifischen Forschungsgegenstand der Psychoanalyse charakterisieren, besteht die Gefahr einer Fragmentierung, einer Beliebigkeit theoretischen Verstehens sowie eines Auseinanderfallens dieser wissenschaftlichen Disziplin. Daher sind immer wieder intellektuelle und konzeptuelle Anstrengungen notwendig, die pluralen Ansätze zu zentralen Konzepten wie »dem Unbewussten« kritisch miteinander in Beziehung setzen, um neue theoretische Integrationen zu gewinnen (vgl. dazu u. a. Ellmann, 2010).

Einem solchen Anliegen diente der 47. Internationale Kongress der International Psychoanalytical Association im Juli 2011 in Mexico City. Drei zentrale Konzepte der Psychoanalyse, die Sexualität, der Traum und das Unbewusste, wurden von führenden Theoretikern der unterschiedlichen Regionen und Theorieauffassungen in Plenumveranstaltungen einander gegenüber gestellt und in anschließenden Arbeitsgruppen intensiv diskutiert. In einem Schlusspanel wurde der Erkenntnisstand festgehalten und erste Integrationsansätze eruiert. Um die Metapher nochmals aufzugreifen: ein Blick durch ein Kaleidoskop dank unterschiedlicher theoretischer Konzeptualisierungen des Unbewussten kann sehr wohl einen Eindruck von der Vielfalt und Komplexität klinischer Beobachtungen vermitteln, doch die Frage bleibt, ob zwischen den unterschiedlichen Theorieansätzen unüberbrückbare Widersprüche existieren, die in wissenschaftlichen Kontroversen geklärt werden müssen, um die Theorieentwicklung in der modernen Psychoanalyse voranzubringen. Nur wenn die Linse des Kaleidoskops immer wieder neu geschärft wird, können Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede in den einzelnen Konzeptualisierungen von Unbewussten erkannt und fruchtbar diskutiert werden, eine Voraussetzung für innovative Weiterentwick-lungen in der Psychoanalyse als international verankerte Wissenschaft.

Welche Ansätze zu theoretischen Integrationen zu den verschiedenen Konzepten des Unbewussten eröffneten sich im Rahmen des erwähnten Kongresses? Als erste Übereinstimmung wurde deutlich, dass für alle Theoretiker der unterschiedlichsten Provenienz die klinisch-psychoanalytische Praxis, d. h. die intensiven Beobachtungen mit einzelnen Patienten in Psychoanalysen und psychoanalytischen Therapien nach wie vor Ausgangs- und Orientierungspunkt für ihre theoretischen Überlegungen waren. In diesem Sinne identifizierten sich alle Sprecher nach wie vor mit der »Junktimforschung«, der unvermeidlichen Verbindung von Forschung und Praxis, mit der Freud die spezifische Feldforschung der Psychoanalyse charakterisierte Daher bildete die sog. »klinische Forschung der Psychoanalyse« das Verbindungsglied trotz aller theoretischen Unterschiede.

Bekanntlich charakterisierte Freud 1927 im »Nachwort zur Frage der Laienanalyse« (S. 386) die Psychoanalyse als »Junktimforschung«: »In der Psychoanalyse bestand von Anfang an ein Junktim zwischen Heilen und Forschen, die Erkenntnis brachte den Erfolg, man konnte nicht behandeln, ohne etwas Neues zu erfahren, man gewann keine Aufklärung, ohne ihre wohltätige Wirkung zu erleben. Unser analytisches Verfahren ist das einzige, bei dem dies kostbare Zusammentreffen gewahrt bleibt. Nur wenn wir analytische Seelsorge betreiben, vertiefen wir unsere eben aufdämmernde Einsicht in das menschliche Seelenleben. Diese Aussicht auf wissenschaftlichen Gewinn war der vornehmste, erfreulichste Zug der analytischen Arbeit.« (vgl. 1.4)

Allerdings war gleichzeitig deutlich zu beobachten, dass die These des Medizinhistorikers George Makari (2008) auch heute noch gilt, der in seinen detaillierten, präzisen Analysen beschreibt, dass die Psychoanalyse als wissenschaftliche Disziplin von Anfang an in einem spezifischen Spannungsfeld stand. Makari beschreibt den unausweichlichen Konflikt von Psychoanalytikern zwischen dem Wunsch einerseits, sich seine Identität als Psychoanalytiker immer wieder dadurch zu versichern, dass man sich als zugehörig zu der psychoanalytischen Community fühlt, mit Kolleginnen und Kollegen die komplexen klinischen Beobachtungen und darauf basierende Konzepte und theoretische Überlegungen teilen und diskutieren kann: nur durch diesen internen Dialog, der zu der einzigartigen Kultur von Supervision und Intervision unter Psychoanalytikern geführt hat, ist es möglich, den ständigen, verunsichernden Dialog mit Analysanden in der psychoanalytischen Situation und die unvermeidliche ständige Labilisierung durch die Beobachtung von Unbewusstem kreativ zu gestalten. Andererseits erfordert ein Verständnis von »Psychoanalyse als Wissenschaft« eine »forschende Grundhaltung« mit einer radikal kritischen Einstellung sich selbst und den Mitgliedern der analytischen Gruppe gegenüber – eine denkerische und konzeptuelle Unabhängigkeit und eine Offenheit gegenüber der nichtpsychoanalytischen wissenschaftlichen Fachwelt (vgl. auch Leuzinger-Bohleber, 2007). In diesem Spannungsfeld bewegt sich auch heute noch psychoanalytische Klinik und Forschung (vgl. 1.4).

Ein kurzes Beispiel mag dies veranschaulichen. Z.Zt. führen wir, wie schon erwähnt, am Sigmund-Freud-Institut eine große multizentrische Therapievergleichsstudie zu psychoanalytischen und kognitiv-behavioralen Langzeittherapien bei chronisch Depressiven durch. Diese Patienten haben meist schon mehrere schlecht verlaufende Therapieversuche hinter sich und leiden seit Jahrzehnten an schweren Depressionen, oft verbunden mit akuter oder latenter Suizidalität. Als eines der ersten Ergebnisse der klinisch-psychoanalytischen Forschung stellte sich heraus, dass die allermeisten dieser chronisch Depressiven eine Geschichte kumulativer Traumatisierungen erlebt haben (Leuzinger-Bohleber, 2011). Bekanntlich erweist es sich in psychoanalytischen Behandlungen als unausweichlich, dass der Schrecken und das Unerträgliche der erlittenen Traumatisierung in der analytischen Übertragungsbeziehung reaktiviert, erkannt, verstanden und schließlich gemeinsam durchgearbeitet werden kann. Dieser therapeutisch notwendige Prozess erweist sich als äußerst schwierig, da die Traumageschichte zuerst einmal unbewusst ist und in der Beziehung zum Analytiker wiederbelebt und szenisch dargestellt wird. Dies führt zu den bekannten Gegenübertragungsreaktionen: Der Analytiker fühlt sich von (unbewussten) unerträglichen Affekten und diffusen Wahrnehmungen überflutet – und (unbewusst) der traumatischen Situation ausgesetzt, was definitionsgemäß bedeutet, dass er – wie es dem Trauma entspricht – nicht klar denken, fühlen und wahrnehmen kann, seine Mentalisierungsfähigkeit bricht zusammen. Er fühlt sich ähnlich hilflos und ohnmächtig wie sein traumatisierter, schwer depressiver Patient.

Um diese unerträgliche Reaktivierung des Traumas in der analytischen Situation zu entschlüsseln und einer produktiven analytischen Arbeit zugänglich zu machen, ist der Analytiker unbedingt auf den Dialog mit analytischen Kollegen angewiesen: er braucht die analytische Supervisionsgruppe, die wöchentlichen klinischen Konferenzen. Allein, isoliert in seiner psychoanalytischen Praxis, ist er nicht in der Lage, in den analytischen Sitzungen den Raum für die notwendige Reaktivierung der Affekte der ursprünglichen traumatischen Situation zur Verfügung zu stellen. Um dies zugespitzt zu formulieren: Der Anschluss an eine professionelle Gruppe ist für die Sicherung der Professionalität als Psychoanalytiker absolut notwendig.

Der Rahmen einer extraklinisch-empirischen Studie verhindert hermetisch sich abschließende Gruppenprozesse (vgl. unten) und ermöglicht immer wieder, die idiosynkratischen Beobachtungen mit einzelnen Patienten in einen generelleren Kontext zu stellen und aus einer triangulierenden, alternativen theoretischen oder »wissenschaftlichen« Perspektive zu beleuchten – eine einzigartige Chance für die Stärkung einer forschenden Grundhaltung des einzelnen Klinikers (vgl. unten)

Auf der anderen Seite kann jeder kreative Psychoanalytiker nicht auf eine »forschende Grundhaltung« (Leuzinger-Bohleber, 2007) verzichten, d. h. eine Haltung, die ihn immer auch skeptisch und »ungläubig« gegenüber von Wahrnehmungen, Überzeugungen und Konzeptualisierungen in seiner Supervisionsgruppe sowie in der psychoanalytischen Community ganz allgemein macht. Ansonsten bekommt die Zugehörigkeit zu der psychoanalytischen Gemeinschaft Züge einer religiösen Glaubensgemeinschaft, eine Gefahr, die immer wieder in der Geschichte der Psychoanalyse (und von anderen Psychotherapierichtungen) zu beobachten war. Eine weitere Gefahr entsteht dadurch, dass sich einzelne Subgruppen bzw. Subkulturen der Psychoanalyse vom Diskurs mit anderen Gruppen zu sehr abschließen.

Schon aus diesen Gründen sind Neugier und Offenheit gegenüber anderen Theorierichtungen innerhalb der internationalen Psychoanalyse und gegenüber der nichtpsychoanalytischen Wissenschaftswelt und der interdisziplinäre Dialog mit Vertretern anderer Disziplinen unverzichtbar, wie wir dies z. B. in der LAC-Depressionsstudie praktizieren (vgl. Leuzinger-Bohleber, Bahrke, Negele, 2013).

Schon Freud rang sein Leben lang um ein wissenschaftliches Verständnis der Psychoanalyse in Abgrenzung zu hermetisch abgeschlossenen, quasi religiösen Glaubenssystemen. Wir werden in diesem Band die komplexen wissenschaftstheoretischen und methodischen Probleme immer wieder streifen, die sich auch daraus ergeben, dass der eigentliche Forschungsgegenstand der Psychoanalyse, unbewusste Phantasien und Konflikte, sich der direkten Beobachtung entziehen und nur indirekt evaluiert werden können, was nach wie vor eine große Herausforderung an ein forschendes Grundverständnis von Psychoanalytikern darstellt (vgl. dazu u. a. Ahumada und Doria di Medina, 2009, sowie den Band »Psychoanalytische Forschung« von Leuzinger-Bohleber, Hau und Benecke in dieser Reihe). Wie auch Cronberg in seinem Film »Die dunkle Begierde« in plastischer Weise schildert, unterschied eine radikal skeptisch-beobachtende Grundhaltung Freud am deutlichsten von C.G. Jung und determinierte wesentlich den Bruch zwischen beiden, bedingt durch die Grundorientierung der Freudschen Psychoanalyse als einer »empirischen Wissenschaft«, worauf wenigstens kurz einleitend eingegangen werden soll (vgl. 1.5). Zudem charakterisiert das Verständnis von klinischer Forschung als einem »bottom-up-Erkenntnisprozess« neben unterschiedlichen Erklärungsweisen der Genese und Behandlung psychischer Störungen die Psychoanalyse etwa im Gegensatz zur Verhaltenstherapie (vgl. Leuzinger-Bohleber, 2011).

Doch zunächst ein kurzes klinisches Beispiel aus der LAC-Depressionsstudie, um einen ersten Eindruck davon zu vermitteln, wie – trotz aller Unterschiede – alle heutigen psychoanalytischen Theorien unbewussten Phantasien und Konflikten eine entscheidende Rolle bei der Entstehung psychopathologischer Symptome, wie z. B. einer Depression, zuschreiben.

Ein klinisches Beispiel: Unbewusste Phantasien und Konflikte aus entscheidende Determinanten psychopathologischer Symptome

Eine 24-jährige Patientin wird durch eine Neurologin an die Ambulanz des Freud Instituts bzw. die LAC-Depressionsstudie verwiesen. Sie leidet seit einem völligen psychischen Zusammenbruch vor drei Jahren unter schweren Depressionen. Sie hat das Studium abgebrochen, kehrte zurück zu ihrer Mutter und verbringt die Tage meist zurückgezogen, oft im Bett im verdunkelten Zimmer. Sie ist häufig krank, hat Magen-Darm-Probleme und Rückenschmerzen. Sie ist stark übergewichtig und leidet unter schweren Schlafstörungen, Versagensängsten, Suizidgedanken und dem Gefühl, sie habe den Grund in sich verloren.

Als Achtjährige fand Frau B. ihren Vater nach einem Herzinfarkt tot im Keller. Die Mutter reagierte mit einer psychotischen Erkrankung auf diese Tragödie – so wurde die Leiche des Vaters schlichtweg »im Leichenhaus vergessen« und erst auf Intervention der Behörde begraben. Die Kinder waren nicht beim Begräbnis. Die Mutter weigert sich bis heute, den Tod ihres Mannes anzuerkennen und erzählt, er sei auf Dienstreise.

In schwer vorstellbarer Weise sorgten die Patientin, die im ersten Jahr nach dem Tod des Vaters 40 Kilogramm zunahm, und ihre acht Jahre ältere Schwester für ihre schwer kranke Mutter und besuchten die Schule, »wie wenn nichts passiert wäre.« Niemand entdeckte, wie die häusliche Situation wirklich war, da die Kinder offenbar die Sorge der Mutter teilten, sie würden sonst in ein Kinderheim gesteckt. In der psychoanalytischen Behandlung wurde deutlich, welch enorme Leistung die Bewältigung des Alltags mit der psychotischen Mutter für beide war, aber auch, dass sie jahrelang in einem dissoziativen Zustand lebten, ohne ein Gefühl für das eigene Selbst, für ihr eigenes Leben, für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Patientin hatte ihren Vater nie betrauern können. Erst in ihrem 20. Lebensjahr besuchte sie erstmals sein Grab und wurde von Schmerz und Verzweiflung überwältigt.

Nach dem Abitur folgte Frau B. dem Vorbild ihrer Schwester und zog in eine Wohngemeinschaft mit einem Studenten, zu dem sie eine äußerst enge, nicht sexuelle Beziehung aufnahm. Als sich dieser plötzlich von ihr abwandte und sie zudem finanziell übervorteilte, führte dies zu dem erwähnten depressiven Zusammenbruch. In der Behandlung stellte sich heraus, dass sie – unbewusst – in der Beziehung zu dem Studenten den verlorenen Vater, eine zärtlich zugewandte, männlich-familiäre Bezugsperson gesucht hatte und daher eine existentielle Nähe zu diesem Kommilitonen herzustellen versuchte, eine Nähe, die diesem offenbar zu viel wurde – ein Grund für seinen plötzlichen Rückzug. Ebenfalls unbewusst erlebte Frau B. diesen Rückzug als einen Verlust einer lebenswichtigen Bezugsperson: der traumatische Verlust des Vaters war unerkannt reaktiviert worden und führte zu dem psychischen Zusammenbruch.

Zudem hatte die spätadoleszente Suche nach der eigenen Identität den Zusammenbruch mitdeterminiert, der unbewusste Wunsch, ein eigenes Leben, unabhängig von der traumatisierten und traumatisierenden Mutter zu leben, eine Liebesbeziehung zu finden, eigene Kinder zu bekommen. Die massiven Verleugnungen der Patientin brachen zusammen: sie versank in eine tiefe Depression.

Frau B. wählte eine psychoanalytische Behandlung, weil sie offenbar eine Ahnung davon hatte, dass ihre jahrelangen Überlebensstrategien, mit Techniken ihren extrem belastenden Alltag zu bewältigen, nun nicht mehr ausreichten. Sie ahnte, dass sie sich in einer tragenden therapeutischen Beziehung den erlittenen Traumatisierungen annähern musste, um deren Auswirkungen auf ihr Gefühl »Ich lebe nicht mein eigenes Leben…« zu verstehen und unbewusste Wahrheiten zu erkennen, wie z. B. dass sich jederzeit weitere Katastrophen ereignen können, denen sie hilflos und ohnmächtig ausgesetzt sein wird und dann, wie ihre Mutter, psychotisch erkrankt. Die traumatische Erfahrung des plötzlichen Verlusts einer zentralen Bezugsperson hatte sich im Unbewussten niedergeschlagen und in dieser Katastrophenerwartung generalisiert. Sie war verbunden mit einer extremen Angst vor Abhängigkeit, eine Angst, die – wiederum unbewusst – ihre bisherige soziale Isolation und ihre Vermeidung naher Liebesbeziehungen wesentlich determiniert hatte. Erst das sukzessive Erkennen dieser »unbewussten Verwechslungen« sowie die Reaktivierung des Traumas in der Übertragung zum Analytiker befreiten Frau B. schließlich aus einem Handeln und Fühlen in der Gegenwart, das – unbewusst – durch unverarbeiten traumatischen Objektverlust, die »Schatten der Vergangenheit«, bestimmt war.

1.3       Anmerkungen zum Wissenschaftsverständnis der Psychoanalyse als spezifische »Wissenschaft des Unbewussten«3

Doch wie können wir solche sehr individuellen, einzigartigen biographischen Determinanten mit ihren spezifischen Traumatisierungen und ihrer unbewussten Kontamination des aktuellen Denkens, Fühlens und Handelns »wissenschaftlich« untersuchen? Was für eine Art der Wissenschaft ist die Psychoanalyse eigentlich? Was meinte Freud wirklich, als er sie als eine spezifische »Wissenschaft des Unbewussten« definierte? Als junger Mann interessierte sich Freud sehr für Philosophie und die Geisteswissenschaften, bevor er sich mit einer auffallend heftigen emotionalen Reaktion den Naturwissenschaften zuwandte. Im Labor am Physiologischen Institut von Ernst Brücke lernte er ein streng positivistisches Verständnis von Wissenschaft kennen, das ihn Zeit seines Lebens anzog. Dennoch wandte sich Freud später von der Neurologie seiner Zeit ab, da er die Grenzen ihrer methodischen Möglichkeiten zur Erforschung des Seelischen erkannte. Mit der »Traumdeutung«, dem Geburtsdokument der Psychoanalyse, definierte er diese als »reine Psychologie«. Allerdings verstand sich Freud auch weiterhin als naturwissenschaftlich genau beobachtender Mediziner. Sein Wunsch nach einer präzisen »empirischen« Überprüfung von Hypothesen und Theorien schützte Freud, so Joel Whitebook (2010), vor seiner eigenen Neigung zur wilden Spekulation. Dadurch konnte er als »philosophischer Arzt« eine neue, »spezifische Wissenschaft des Unbewussten«, die Psychoanalyse, begründen.

Freud gelang es dabei, zwei verschiedene Strömungen der europäischen Kulturgeschichte zu integrieren: Einmal war dies die Naturwissenschaft mit ihrem damals wichtigsten Bezugspunkt, dem Darwinismus, und ihrer Vorstellung des Menschen als einem Organismus, der von Bedürfnissen getrieben ist, die er unter spezifischen Umweltbedingungen zu befriedigen sucht. Freud konzeptualisierte daher die »Triebe« auf der Grenze zwischen Soma und Psyche und gestaltete dadurch die Dialektik zwischen Biologie und Psychologie, zwischen Körper und Seele in einer neuen Weise. Die zweite Strömung war die conditio humana und deren Gestaltung in Literatur und Kunst. Die hebräische Bibel, die griechischen Tragödien, Shakespeare, Goethe, Dostojewski und andere Schriftsteller dienten ihm als Quellen der Darstellung der inneren Kämpfe des Menschen, die sich aus den frühkindlichen Phantasien und Konflikten und den ersten Objektbeziehungen speisen und ihn ein Leben lang unbewusst determinieren.

Nachträglich gesehen war es eine der großen Leistungen Freuds, dass er an diesem Spannungsfeld psychoanalytischer Forschung festhielt und der Gefahr widerstand, die Psychoanalyse entweder in der Welt der Medizin oder als eine »reine Kultur- und Geisteswissenschaft« zu verorten. Die beiden Gefahren, die Vereinnahmung durch eine akademische Disziplin einerseits und die Marginalisierung als sektiererische »Geheimwissenschaft« andererseits, ziehen sich wie ein roter Faden durch die spannungsreiche hundertjährige Geschichte der Psychoanalyse.

Am Ringen um ein adäquates Wissenschaftsverständnis der Psychoanalyse lassen sich diese Gefahren besonders deutlich beobachten (Images Kap. 4). Es bedurfte der schmerzlichen Entidealisierung der exklusiven Besonderheit der Psychoanalyse als »Wissenschaft zwischen den Wissenschaften« (Lorenzer) nach ihrer Blütezeit in den 1960er- und 1970er-Jahren, um die Psychoanalyse als »normale«, aber spezifische Wissenschaft des Unbewussten in der heutigen pluralen Welt der Wissenschaften zu verorten. Die von Dilthey anfangs des 20. Jahrhunderts getroffene Unterscheidung zwischen Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften, nomothetischen und hermeneutischen Zugangsweisen, hat sich durch die enorme Ausdifferenzierung wissenschaftlicher Disziplinen als zu einfach erwiesen. Wie Hermann von Helmholtz schon vor 100 Jahren feststellte, ist jeder einzelne Forscher zunehmend dazu gezwungen, sich mit immer spezifischeren Methoden immer engeren Fragestellungen zu widmen. Heutige Wissenschaftler – auch Psychoanalytiker – sind meist hochspezialisierte Experten mit einem sehr beschränkten Wissen über angrenzende Gebiete. Sie sind daher bei der Untersuchung komplexer Problemstellungen davon abhängig, sich international, intergenerationell und interdisziplinär zu verständigen.

Verbunden mit diesem Ausdifferenzierungsprozess haben sich auch die Kriterien von »Wissenschaft« und »wissenschaftlicher Wahrheit« in den jeweiligen wissenschaftlichen Disziplinen, und zwar sowohl in den Natur- als auch Geisteswissenschaften, gewandelt und spezifiziert: Die Vorstellung einer Einheitswissenschaft, von »science« angelehnt an das Experimentaldesign der klassischen Physik, erwies sich als Mythos: wir leben in einer Zeit der »Pluralität der Wissenschaften«.

Durch diese Entwicklungen hat die Psychoanalyse ihren Anspruch, als aufklärerische Wissenschaft des Unbewussten kulturelle Phänomene von einer Metaebene aus unangefochten interpretieren zu können, eingebüßt und dadurch auch einen Teil ihres Charismas verloren. Leistet sie aber den damit verbundenen Trauerprozess, kann sie gleichzeitig eine zwar bescheidenere, aber neue Anerkennung in der heutigen Welt der Wissenschaften gewinnen. Wie alle anderen Disziplinen hat auch sie eine spezifische Forschungsmethode zur Untersuchung ihres spezifischen Forschungsgegenstandes, von unbewussten Phantasien und Konflikten, mit spezifischen Güte- und Wahrheitskriterien entwickelt, die sie selbstkritisch und transparent im Diskurs heutiger Wissenschaften vertreten muss. Die Qualität ihrer wissenschaftlichen Erkenntnisse, die Spezifität und Unverzichtbarkeit ihrer Forschungsmethode als Zugangsweise zu »wahren« Einsichten in unbewusste Determinanten individuellen und kollektiven Handelns, muss sie öffentlich kommunizieren.

Dabei steht sie, weit mehr als in früheren Zeiten, in einem globalen und beschleunigten Wettbewerb um die politische, finanzielle und mediale Anerkennung sowohl als wirksame Behandlungsmethode als auch als Erkenntnisquelle für unbewusste Aspekte drängender gesellschaftlicher Probleme wie Gewalt, Antisemitismus, Rechtsradikalismus, religiöser Fanatismus, Terrorismus etc. Gelingt es der Psychoanalyse nicht, innovative Forschungsergebnisse in diesen verschiedenen Bereichen zu erzielen und öffentlich präsent zu machen, wird sie einer gesellschaftlichen Marginalisierung anheimfallen.

Ein wichtiger Aspekt dabei ist, dass in der heutigen medialen Wissensgesellschaft auch um die Authentizität wissenschaftlicher Experten konkurriert wird. Daher erweist sich eine Überanpassung der Psychoanalyse an ein ihr fremdes Wissenschaftsverständnis als Bumerang: Sie könnte dadurch u. a. ihre unbequeme, aber einzigartige Stimme als Verfechterin einer Ethik der Selbsterforschung verlieren. Die Psychoanalyse hält daran fest, dass auch heutige Individuen den Sinn ihres ganz persönlichen Lebens nur dadurch gewinnen, dass sie sich um Einsicht in ihre konflikthaft aufgebaute, spezifische innere Welt bemühen. Das tragische Menschenbild der Psychoanalyse, das sich einem modernen Machbarkeitswahn und endlos sich beschleunigenden Verwertungen menschlicher Ressourcen entgegenstellt, kann auch heute noch einen kritischen kulturtheoretischen Blick auf aktuelle gesellschaftliche Realitäten werfen.