Cover

Jörg & Corinna Kastner

Die Steinprinzessin

Roman

hockebooks

27

Pierre erschrak, als seine Mutter wieder vor ihm auftauchte. Sie sah schrecklich aus, war bleich und zitterte. Doch sie erhob sich ohne Hilfe, schüttelte Caillous Hand ab.

»Schon gut. Ich muss mich nur kurz ausruhen. Es ist längst nicht so schlimm wie nach meinem … Tod.«

Während Pierre, Caillou und Galène auf die Rückkehr der Steinprinzessin gewartet hatten, waren sie noch einmal ihren Plan durchgegangen. Was sie vorhatten, war riskant. Außerdem gab es keinerlei Garantie, aber den Versuch war es wert.

Pierre und Caillou sollten zu Diamant zurückkehren und vom angeblichen Scheitern ihrer Mission berichten. Zur selben Zeit würde Galène Kontakt zu der kleinen Gruppe von Widerständlern aufnehmen, die es im Reich der Steinmenschen gab und die von Männern wie ihm und Mica in der Vergangenheit unterstützt worden war.

Caillou hatte von ihrer Existenz nur gerüchteweise gehört. Dass immer wieder Menschen spurlos verschwanden, deutete allerdings sehr darauf hin, dass Diamant mehr darüber wusste und nicht tatenlos zusah. Es war schwierig für die Steinmenschen, die im Untergrund gegen den Fürsten und seinen Rat der Steinweisen arbeiteten, ihre Treffen geheim zu halten. Sie durften sich offiziell nicht einmal kennen, denn Diamants Arm reichte weit, und sich seiner Überwachung zu entziehen, war beinah unmöglich.

Das vordringliche Ziel dieser Gruppe bestand darin, behutsam diejenigen Steinmenschen ausfindig zu machen, die nicht blind gegenüber den Zuständen im Reich und mit den Verhältnissen alles andere als einverstanden waren. Es gab einige von ihnen, doch die weitaus meisten schwiegen aus Angst und wohl auch in dem Bewusstsein, dass sie nicht nur sich, sondern ebenfalls ihre Familien in Gefahr brachten, wenn sie laut aussprachen, was sie dachten.

Hin und wieder gelang es den Widerständlern, einen Mann oder eine Frau zu rekrutieren, doch immer noch waren sie viel zu wenige, als dass sie sich wirklich formieren hätten können, um Diamant und seine Regierung zu stürzen. Es ging nur langsam voran, viel zu langsam. Doch mit Emeraude bekam der Widerstand nun eine unschätzbare Waffe in die Hand.

Wie Silex richtig bemerkt hatte, war die Steinprinzessin geliebt worden wie kaum ein Herrscher oder angehender Herrscher vor ihr. Das lag durchaus in Saphirs Absicht. Ursprünglich hatte er – wie es seit jeher üblich war – seinen Sohn zum Nachfolger auserkoren, doch dann wurde Béryl bei einem der seltenen Kämpfe mit den Steinbrechern getötet. So musste Saphir seine noch sehr junge Tochter zu einer Prinzessin aufbauen, der das Volk später genauso frag- und klaglos folgen würde wie ihm, damit die Dynastie weiterbestand. Es wurde ein Bild von Emeraude gezeichnet, das sie als pflichtbewusstes Mädchen darstellte, dessen oberste Aufgabe es sein würde, das System zu schützen und dafür zu sorgen, dass es den Steinmenschen an nichts fehlte. Fast nichts würde sich ändern im alltäglichen Leben der Steinmenschen, wenn Saphir seiner Tochter die Herrschaft übertrug – und keine Veränderung bedeutete Sicherheit. Das Einzige, was anders sein würde, war, dass es mit Emeraude erstmals einer Frau bestimmt war, über die Steinmenschen zu herrschen. Doch zu Saphirs Erstaunen war es gerade diese Tatsache, die dem Volk gefiel. Er nutzte das nach Leibeskräften aus und zeigte sich mit Emeraude, wo immer es ging.

Seiner Tochter schienen dieses Leben und die bevorzugte Behandlung zu gefallen, er machte sich ihretwegen keine Sorgen. Caillou war der Erste, der die drohende Gefahr erkannte. Emeraude zur Fürstin zu erziehen hieß auch, dass man ihr beibringen musste, eigene Entscheidungen zu treffen. Die Entscheidungen, die sie schließlich traf, waren in letzter Konsequenz nicht vereinbar mit dem, was für sie vorgesehen war. Ihr Vater konnte sie nicht zurückhalten, nicht einmal Caillou gelang das. Er war machtlos und er wusste aus eigener Erfahrung, dass keine Macht der Welt Emeraudes Entschluss ändern konnte. Sie war noch nicht lange fort, als Saphir starb und Diamant, der Mann, den sie hätte heiraten sollen, an ihrer Stelle Fürst der Steinmenschen wurde. Er regierte, als wäre er es gewesen, den man sein Leben lang darauf vorbereitet hatte.

Dem Volk erzählte man, Spione der Steinbrecher hätten der Prinzessin aufgelauert und sie schließlich ermordet. Damit war Emeraudes Verschwinden wenigstens dazu gut, die Angst vor den Feinden noch mehr zu schüren.

Jetzt jedoch kehrte die Steinprinzessin zurück und würde all das, was man das Volk glauben gemacht hatte und immer noch glauben machte, endgültig als Lügen entlarven. Sie würde mit den Menschen sprechen, würde ihnen die Wahrheit über die Steinbrecher erzählen und die Wahrheit über die Oberwelt, von deren Existenz die überwältigende Mehrzahl der Steinmenschen nicht einmal wusste.

Natürlich würde es in der Kürze der Zeit unmöglich sein, wirklich die Massen auf ihre Seite zu ziehen. Zu viele Generationen der Gewohnheit, allein für das System zu existieren und nichts infrage zu stellen, arbeiteten gegen sie. Eigenständiges Denken war den meisten fremd, sie nahmen hin, was ihnen erzählt wurde, glaubten es, weil sie nichts anderes kannten und weil sie längst vergessen hatten, dass sie Individuen waren.

Keine Massen an Revolutionären also – aber vielleicht schafften sie es mit Emeraudes Hilfe, genügend Steinmenschen zu mobilisieren, um Diamant zu stürzen.

*

Als Emeraude sich erholt hatte und wieder zu Atem gekommen war, setzten die vier ihren Weg fort. Die Route war nicht dieselbe, die Pierre von der Reise in die umgekehrte Richtung kannte, und so lernte er einen weiteren Teil der Steinwelt kennen. Außerdem hatte er das Tor gesehen. Es war nur eine Zeichnung im Fels, die ihn entfernt an ein Pentagramm erinnerte, kaum sichtbar in den Stein geritzt, verborgen in einer Höhle, die zwar direkt vor dem Tor vielen Menschen Raum bot, deren Eingang jedoch so winzig war, dass er von außen jederzeit übersehen werden konnte.

Jetzt ging er neben Emeraude und hörte zu, was sie von Christophe berichtete. Er war froh, dass noch eine Menge vor ihm lag und er nicht jetzt sofort entscheiden musste, welches Leben er wählte. Von der Verzweiflung seines Vaters zu erfahren, war schwer für ihn. Aber er dachte auch an Opale, die bei Silex auf ihn wartete. Der Fürst der Steinbrecher konnte an der Mission selbst nicht teilnehmen. Wenn es tatsächlich entgegen aller Hoffnung zum Krieg kam, musste er bei seinem Volk sein.

Galène drängte zur Eile und schließlich gelangten sie an den Rand eines Wäldchens, der sie von einem reißenden Fluss trennte. Bei diesem Anblick blieb Caillou kurz stehen und holte tief Luft.

»Ist das die Stelle, an der Sie mit Sophie den Fleuve de la Malachite überquert haben?«, erkundigte sich Pierre.

Caillou nickte. Er dachte nicht nur an damals, sondern auch daran, dass er sofort nach seinem ersten Bericht an Diamant zu Sophie musste.

Emeraude schaute indes zweifelnd auf die wilden Wassermassen. »Gibt es keinen sichereren Übergang?«, fragte sie an Galène gerichtet.

»Doch, für uns beide schon. Pierre und Caillou allerdings werden hier rübergehen. Kann nicht schaden, wenn sie möglichst abgerissen drüben ankommen, dann klingt die wilde Flucht ein bisschen glaubwürdiger.«

»Wir werden uns schon hier trennen?«, fragte Pierre.

»Ist besser. Wenn irgendjemand uns alle zusammen sieht und Diamant davon erfährt, könnt ihr eure Geschichte von der gescheiterten Mission vergessen.« Galène kramte in seiner Tasche und holte die silberne Dose hervor. Wieder sah Pierre die beiden ineinander verschlungenen Buchstaben auf dem Deckel und fragte sich, was mit Agate und Améthyste wirklich geschehen sein mochte.

»Ist eine lange Geschichte«, sagte Galène leise, der Pierres Blick bemerkt hatte. »Und nicht sehr erfreulich. Ich ziehe es vor, so wenig wie möglich daran zu denken. Wir haben mit dem Mann, der dafür verantwortlich war, kurzen Prozess gemacht. Er wird sich aus mehreren Gründen verflucht haben, dass er sich ausgerechnet an Améthyste vergriffen hatte: Letztlich hat er nicht mal bekommen, was er wollte, sondern musste stattdessen zwei Morde begehen, weil er dachte, dadurch unentdeckt zu bleiben.«

»Zwei?«, warf Pierre ein, obwohl er die Antwort ahnte.

Galène nickte. »Meine Frau kam dazwischen. Dass er sie ebenfalls umbrachte, hat ihm nicht geholfen. Weil ich dazwischenkam. Zu spät, aber ich habe den verdammten Dreckskerl wenigstens noch erwischt.«

All das lag bereits lange Zeit zurück, doch es machte Galène trotzdem schwer zu schaffen, darüber zu reden. Pierre versuchte, ihn mit seiner nächsten Frage von seinen Gedanken an Agate abzulenken. »Sie sprachen von mehreren Gründen.«

Das munterte Galène tatsächlich auf. »Tja, stell dir vor, er war der letzte von Saphirs Spionen, den wir noch nicht enttarnt hatten. Es dauerte eine Weile, bis die Steinmenschen hier wieder ein kleines, nettes Spionagenetz aufbauen konnten – angeblich mit meiner Hilfe.« Galène grinste. »Meine Stolpersteine und Verzögerungstaktiken waren gar nicht übel. Am besten hat mir Topaze gefallen, er war ziemlich gut, was, Caillou? Diamant hielt ihn tatsächlich für seinen besten Mann! Und soweit ich informiert bin, hat sich Silex was wirklich Besonderes ausgedacht mit Topazes angeblichem Finger!«

Pierre verstand die Andeutung nicht, doch Caillou erinnerte sich sehr gut an den abgetrennten Finger mit dem Siegelring, den jemand an Diamant geschickt hatte zum Zeichen, dass sein Meisteragent entlarvt worden war.

»Hat es denn überhaupt keine echten Spione gegeben?«, fragte Pierre ungläubig.

»Doch, ein paar schon, natürlich. Ich konnte schlecht das ganze Spionagenetz Diamants abdecken. Aber durch Mica wussten wir immer genau, wer geschickt oder umgedreht wurde. Wir haben die Leute machen lassen und dann die Nachrichten abgefangen und durch falsche ersetzt. Ganz einfach.«

Galène ließ die Vergangenheit ruhen und hielt Pierre die Dose mit den kleinen weißen Kügelchen unter die Nase. »Bedien dich. Ist nur die eine Sorte …«

Ohne Zögern nahm Pierre eine von den Kugeln und schluckte sie. Caillou tat es ihm nach.

»Viel Glück«, sagte Galène.

Emeraude umarmte Pierre, sie sahen einander in die Augen, doch niemand sagte ein Wort. Dann drehte Emeraude sich um und folgte Galène.

28

»Wie lange wirken die Dinger?«, fragte Caillou.

»Keine Ahnung, nicht allzu lange, glaub ich. Als Galène noch mal zurück über den Fluss musste, um Sie zu holen, hatte er schon eine zweite Tablette nötig. Wir sollten es so schnell wie möglich hinter uns bringen.« Pierre wollte losgehen, doch Caillou hielt ihn davon ab.

»Warte. Ich denke zwar nicht, dass da drüben Grenzposten stehen, aber bei der gegenwärtigen Lage kann man nie sicher sein, was Diamant alles in Bewegung gesetzt hat. Falls uns jemand beobachtet, ist es besser, wenn es so aussieht, als liefen wir vor jemandem davon, klar?« Caillou ließ sich auf den Boden fallen, damit seine Hose schmutzig wurde, außerdem zerriss er den linken Ärmel seines Hemdes. Pierre richtete sich ähnlich her. Dann blinzelten sie sich zu, rannten aus dem Schutz des kleinen Wäldchens hinaus zum Fluss und stürzten sich in die Fluten.

Eiskaltes Wasser ließ Pierre nach Luft ringen. Hier war es noch viel kälter als im anderen Abschnitt des Fleuve de la Malachite. Er schwamm Caillou hinterher, der sich ein paarmal umsah, nach ihm und wahrscheinlich auch nach eingebildeten Verfolgern. Das Schwimmen war schwierig, sie mussten sich mit aller Kraft gegen den Strom stemmen, sonst wären sie weggetrieben worden. Wie Caillou das mit einer bewusstlosen Sophie bewerkstelligt hatte, konnte man wohl nur mit einem übermenschlichen Willen erklären. Nach einem aufreibenden Kampf gegen das Wasser erreichten sie endlich das andere Ufer. Erschöpft ließen sie sich auf den Sand fallen und kamen mühevoll zu Atem.

»Wie lange brauchen wir noch von hier bis nach La Ville

»Es ist nicht mehr weit. Wir werden früh genug vor Diamant stehen und ihm von unserem Versagen berichten müssen.«

Sie verfielen in Schweigen, schonten ihre Kräfte für den anstrengenden Weg, der durch zwei Schluchten führte, die etwas Kletterei erforderten. Caillou hatte Recht behalten, sie trafen auf keinerlei Grenzposten.

»Wahrscheinlich hat Diamant seine Leute um sich geschart, um sie auf den möglichen Krieg vorzubereiten und die Stadt und vor allem den Palast zu sichern. Immerhin geht er nicht davon aus, dass Silex als Erster zuschlägt, und ganz besonders nicht, bevor er seine Drohung öffentlich wiederholt hat«, meinte Caillou.

»Das ist für uns im Moment auch ganz gut so«, fiel Pierre nachträglich ein. »Wenn Grenzposten dagewesen wären, hätten die sich mit Sicherheit gefragt, wie wir es geschafft haben, das Energienetz zu durchdringen.«

Als sie sich La Ville näherten, begegneten ihnen die ersten Steinmenschen, die zu Diamants Palast gehörten. Sie waren bewaffnet und trugen ihre Dolche offen an der Seite, was sonst nicht den Gepflogenheiten entsprach.

Niemand außer Diamant und dem Rat der Steinweisen war in Caillous Mission eingeweiht und so wurden sie mehrfach verwundert angestarrt. Sie sahen wirklich wie zwei abgerissene Flüchtlinge aus, die sich mit letzter Kraft zum Fürsten der Steinmenschen schleppten. Die Wache vor den Palasttoren verweigerte ihnen sogar zunächst den Zutritt, doch dann kam ihnen ein Mann entgegen, der ahnte, was der Zustand bedeuten musste, in dem Pierre und Caillou zurückgekehrt waren. Pierre hatte ihn noch nie zuvor gesehen, doch Caillou begrüßte ihn: »Onyx, wir müssen zu Diamant. Sofort. Es ist eilig.«

Alarmiert nickte der Mann mit den weißen Strähnen im braunen Haar. Seine buschigen Augenbrauen zogen sich zusammen, als er wider besseren Wissens fragte: »Wo ist die Steinprinzessin? Konntest du sie in Sicherheit bringen?«

Caillou musste sich nicht extra bemühen, nach Atem zu ringen. »Nein, ich fürchte, das konnte ich nicht.«

Onyx’ Stirn umwölkte sich. »Du hast also versagt?«

»Wenn Ihr gestattet, werde ich nur einmal berichten, was passiert ist. Das spart Zeit. Ruft den Rat der Steinweisen bei Diamant zusammen, damit alle anwesend sind.«

Es widerstrebte Onyx ganz offensichtlich, von Caillou irgendwelche Befehle entgegenzunehmen, da es sonst er war, der sie erteilte. Doch er sah ein, dass Caillou Recht hatte, und eilte davon.

Die Wache vor Diamants Gemächern verneigte sich nicht ganz so respektvoll vor Caillou wie gewöhnlich, was ihn nicht überraschte. Er stupste Pierre ermutigend an, dann stieß er die Tür auf. Diamant, der jetzt nicht mehr ihr Fürst, sondern ihr Feind war, stand mit einem jüngeren Mann über einen Tisch gebeugt, auf dem Landkarten ausgebreitet lagen. Es sah ganz danach aus, als würde hier schon der Krieg geplant.

»Caillou!« Diamant kam sofort auf sie zu, doch dann ließ ihn etwas plötzlich innehalten und mitten im Raum stehen bleiben.

Einen Herzschlag lang fragte sich Caillou, ob der Fürst ihn durchschaute. Doch die nächsten Worte Diamants beruhigten ihn wieder.

»Du bist sicher zurück.« Diamant blickte flüchtig zu Pierre. »Und der Junge auch. Aber ihr seid ohne die Steinprinzessin gekommen.«

Demütig neigte Caillou den Kopf. »Es tut mir leid, Seigneur. Ich fürchte, wir haben es nicht geschafft.«

»Warum?« Diamants Stimme klang neutral, doch Pierre sah, dass seine rechte Hand leicht zitterte. Dann brach es aus dem Fürsten heraus: »Du hast gewusst, was auf dem Spiel steht! Immer wenn es darauf ankommt, versagst du, Caillou! Verdammt noch mal!« Diamant packte Caillou bei den Schultern und schüttelte ihn, als wolle er ihn mit Gewalt dazu bringen, seine Schuld endlich einzugestehen. »Hätte Saphir damals nicht dich zum Lehrer Emeraudes gemacht, sähe heute alles ganz anders aus! Sie wäre niemals auf die verrückte Idee verfallen, die Oberwelt sehen zu wollen – ganz abzusehen davon, dort auch noch zu bleiben. Wieso hast du sie nicht zurückgehalten? Dir haben wir die ganze Situation zu verdanken!«

Caillou stand noch immer mit gesenktem Kopf da, doch jetzt hob er den Blick. Pierre las einen Anflug von Rebellion darin und befürchtete, dass jetzt alles gleich zunichte gemacht werden würde.

»Ich widerspreche Euch nur ungern, Seigneur«, sagte Caillou ruhig. »Aber Ihr wisst, dass niemand Emeraude aufhalten konnte. Ich habe getan, was mir möglich war, und auch bei dem Unterfangen, die Steinprinzessin zu retten, haben wir und besonders Pierre nichts unversucht gelassen.«

Erleichtert verstand Pierre, dass Caillou nur das tat, was er auch getan hätte, wenn die Mission tatsächlich gescheitert wäre. Er mochte nicht zum Rat der Steinweisen gehören, trotzdem war er einer von Diamants Beratern. Nicht irgendeiner, sondern jemand, der die Oberwelt betreten konnte, und als solcher durfte er verlangen, mit gebührendem Respekt behandelt zu werden. Diese Grenze hatte Diamant gerade überschritten, und wenn Caillou glaubwürdig bleiben wollte, musste er sich dagegen verwahren.

Diamant beruhigte sich wieder und holte tief Luft. »Natürlich. Ich hätte das nicht sagen sollen und ich weiß auch, dass es nicht stimmt, aber meine Nerven liegen angesichts der drohenden Katastrophe blank.«

In diesem Augenblick betrat etwa ein Dutzend Männer, einer von ihnen Onyx, den Raum. Das also war der Rat der Steinweisen. Pierre hätte mehr Mitglieder vermutet, aber je weniger es waren, desto mehr Macht war ihnen beschieden, also war die geringe Anzahl verständlich.

Diamant deutete auf den großen Tisch, auf dem noch immer die Karten lagen, die der jüngere Mann jetzt gerade zusammenfaltete. »Setzt euch, wir werden uns anhören, was Caillou von der Reise zu den Steinbrechern zu berichten hat. Danach werden wir entscheiden, was zu tun ist.« Mit einer Handbewegung schickte er den jungen Mann hinaus, der sich widerspruchslos zurückzog. »Wo ist Mica?«, fragte er dann nach einem suchenden Blick in die Runde.

Onyx zuckte mit den Schultern. »Leider habe ich ihn nicht auftreiben können, Seigneur. Sieht aus, als wäre er schon seit einiger Zeit verschwunden. Oder hat jemand von euch ihn gesehen?«

Alle Anwesenden schüttelten die Köpfe, bis auf Caillou. »Wir sind ihm begegnet. Es scheint, Seigneur, als hättet Ihr in Eurer Mitte einen Verräter beherbergt.«

Fassungslos starrte Diamant von Caillou zu Onyx. »Das ist nicht dein Ernst!«

»Leider doch.« Was Caillou jetzt berichtete, entsprach zumindest zur Hälfte der Wahrheit. Bis zu ihrer Ankunft am Fleuve de la Malachite hatte sich alles so zugetragen, wie er sagte. Er ließ nur die kleine unbedeutende Tatsache aus, dass der Dritte in ihrem Bunde, Galène, auf der anderen Seite stand. Als Diamant sich nach ihm erkundigte, setzte Caillou eine bedauernde Miene auf. »Er hat es nicht geschafft. Silex hat wohl besonderen Wert auf Galène gelegt, mehr jedenfalls als auf Pierre oder mich.«

Verstehend nickte Diamant, dann schaute er irritiert auf. »Wieso überhaupt du? Wie bist du da rübergekommen? Dir hätte es unmöglich sein sollen, das Energienetz zu durchdringen.«

Das war in der Tat eine gute Frage, aber auch dafür hatte sich Caillou eine Erklärung zurechtgelegt. »So war es geplant, aber Mica muss die Steinbrecher irgendwie rechtzeitig gewarnt haben. Als Pierre drüben ankam, wurde er bereits von Opale und ein paar Steinbrechern in Empfang genommen. Galène und ich saßen in unserem Versteck und konnten alles beobachten und sie ahnten wohl, dass wir uns noch irgendwo herumtrieben. Opale schickte Männer, um uns aufzuspüren und zu ihnen zu bringen. Sie überwältigten uns und gaben uns irgendeine merkwürdige Tablette, die bewirkte, dass wir ohne Schaden zu nehmen durch das Netz kamen.«

»Eine Tablette?«, wiederholte Diamant. Seine Augen fixierten Caillou, und Pierre ahnte, was für Gedanken sich in seinem Kopf formten. »Meinst du, wir könnten dieses Mittel auch erzeugen?«

»Ich weiß es nicht.« Irgendetwas schien Caillou unangenehm zu sein, Diamant merkte es sofort und forderte ihn auf weiterzusprechen. »Ich wehrte mich zuerst gegen die Einnahme dieser Tablette, weil ich dachte, sie wollten uns vergiften. Dabei fielen ein paar von den Dingern auf den Boden. Es gelang mir, eine einzustecken, aber ich fürchte, ich musste sie schlucken, um zurückzugelangen.«

Diamant bemühte sich, sich weder seinen Ärger noch seine Enttäuschung anmerken zu lassen. »Habt ihr Emeraude gesehen?«, fragte er stattdessen.

Pierre schüttelte den Kopf. »Nein. Wir sind davon ausgegangen, dass man meine Mutter in dem Höhlengefängnis festhält, in dem damals auch Caillou saß, aber dahin haben sie uns nicht gebracht.«

»Wahrscheinlich war ihnen das zu gefährlich. Wo wart ihr also?«

So dicht wie möglich an den tatsächlichen Geschehnissen bleibend, schilderte Pierre die Flucht aus Silex’ Haus, nur dass er dabei noch ein paar Wachen erfand und vorgab, Caillou und er hätten sie auf äußerst geschickte Weise ausgetrickst. »Wir liefen zurück zum Fleuve de la Malachite und hatten enormes Glück, dass wir nicht entdeckt wurden«, fuhr er fort. »Wir wollten uns eine Weile verbergen und dann den Weg zum Höhlengefängnis suchen. Aber als wir uns endlich aus unserem Versteck rauswagten, stellten wir fest, dass uns die Steinbrecher inzwischen aufgespürt hatten. Also blieb uns nur der Rückzug durch den Fluss. Wenigstens Caillou und mir gelang die Flucht.«

Diamant runzelte die Stirn. Er dachte darüber nach, ob eine zweite Gefangennahme nicht wenigstens die Chance auf ein Zusammentreffen mit Emeraude erhöht hätte. Allerdings musste selbst er einsehen, dass dann wohlmöglich in einem weiteren Paket von Silex nicht nur ein Finger, sondern gleich zwei komplette Leichen bei ihm angekommen wären.

»Das bedeutet also Krieg«, stellte Diamant schließlich fest. »Nun, wir sind vorbereitet.«

»Wollt Ihr wirklich …«, fing Pierre an. Er war noch nicht bereit, jede Hoffnung auf eine friedliche Lösung zu begraben, die sogar ein Einschreiten Emeraudes unnötig gemacht hätte.

»Ich will nicht«, sagte Diamant und starrte Pierre an. »Aber ich muss. Silex zwingt mich dazu. Ich werde dieses Land nicht diesem Despoten überlassen, der mein Volk grausam misshandeln würde. Wenn Silex Fürst über die gesamte Steinwelt werden will, dann werde ich ihm das nicht einfach schenken. Er wird schon kämpfen müssen. Mit mir. Wir werden sehen, wer der Stärkere ist.«

»Und was passiert mit meiner Mutter?«, fragte Pierre leise.

»Deine Mutter?« Einen Augenblick lang kam es Pierre so vor, als müsse sich Diamant erst daran erinnern, dass es immerhin auch um Emeraudes Leben ging. Die Steinprinzessin befand sich in der Gewalt des Feindes, eines Feindes, der sie ohne Zögern umbringen würde, wenn sie ihren Zweck entweder erfüllt oder – in diesem Fall – nicht erfüllt hatte.

»Deine Mutter«, wiederholte Diamant. »Sie hat gewusst, was sie tat, als sie sich für ein Leben auf der Oberwelt entschied. Ich kann jetzt nichts mehr für sie tun. Ich muss an mein Reich denken. An mein Volk«, verbesserte er sich gerade noch rechtzeitig.

Pierre wandte sich ab, um seine Wut und seinen aufkeimenden Hass zu verbergen. Wenn dieser Mann Emeraude tatsächlich einmal geliebt hatte, war davon nichts mehr zu erkennen.

29

Die Steinprinzessin und Galène gelangten auf Umwegen nach La Ville, auf Pfaden, die Emeraude gänzlich unbekannt waren, obwohl sie als Kind oft die Gegend erkundet und geglaubt hatte, sich gut auszukennen. Sie kamen nicht über das Hochplateau, sondern durch ein kleines Höhlensystem, das am Rande der Stadt endete. Die Wohntürme wieder zu sehen war ein seltsames Gefühl für Emeraude. Sie war nicht einmal zwanzig Oberweltjahre fort gewesen, aber nach ihrer Zeit auf der Erde und vor allem auch nach den Erlebnissen bei Silex schien ihr La Ville mit einem Mal unwirklich. Sie fragte sich, wie sie ihr ganzes Leben lang die Lügen hatte glauben können, obwohl sie die Wahrheit direkt vor ihren Augen gehabt hatte. Aber Selbstvorwürfe brachten nichts. Jetzt zählte nur, zu handeln.

»Hier, zieh das an«, sagte Galène und reichte Emeraude einen von zwei Umhängen, die er aus seiner Tasche zog. Den anderen streifte er selbst über. »Vor allem dich sollte möglichst keiner erkennen, dazu ist es noch zu früh. Außerdem könnte es sein, dass uns jemand über den Weg läuft, der lieber nicht wissen sollte, dass wir hier sind.«

Emeraude nickte, legte sich den Umhang über die Schultern und zog die Kapuze tief ins Gesicht. »Wohin gehen wir?«

»Zu Zircon. Er ist so was wie der Anführer der Widerständler. Schon sehr lange dabei.«

»Wie haben sie sich treffen können? Die Wohntürme sind doch ständig offen, es gibt nicht mal Türen.«

»Nicht in den Türmen. Aber es gibt ein paar stillgelegte Minen, die kaum bewacht werden. Die Treffen finden allerdings selten statt und sind sehr gefährlich. Es fällt zu leicht auf, wenn jemand nicht da ist, wo er zu sein hat.«

»Und wo ist Zircon jetzt?«

»In seiner Werkstatt, hoffe ich.« Mehr sagte Galène nicht, sondern ging voran durch die engen und schlechten Straßen, vorbei an Leuten, die ihn kaum beachteten. Einmal in seinem Leben war er dankbar für die Teilnahmslosigkeit der Steinmenschen. Es hätte Emeraude und ihm nur schaden können, allzu viel Aufmerksamkeit zu erregen.

Ein vorstehender Felsbrocken, der an der Front behauen und geglättet war, diente als Geschäft eines Juweliers. Sie traten durch die Tür, eine kleine Glocke kündigte ihren Besuch an. Es war recht dunkel im Laden, doch aus einem hinteren Raum kam sofort eine müde aussehende Frau mit einer Lampe in der Hand. »Was kann ich Ihnen zeigen?«, fragte sie tonlos und ohne jeglichen Enthusiasmus.

»Ist Zircon da?«, fragte Galène.

Die Frau schien kurz zusammenzuschrecken, doch dann erkannte sie Galène, nickte und deutete nach hinten. Sie sah ängstlich aus und warf einen besonders finsteren Blick auf die verhüllte Gestalt Emeraudes. Galène ignorierte sie und winkte Emeraude, ihm zu folgen. Die Frau blieb vorn im Laden.

»Ihr wäre es lieber, wenn ihr Mann sich nicht ständig so großer Gefahr aussetzte«, flüsterte Galène. »Kann man verstehen, aber ohne Zircon würde der Widerstand zerplatzen wie eine Seifenblase.«

Inzwischen hatten sie das Hinterzimmer durchquert, in dem Zircons Frau sich aufgehalten haben musste. Ein kleiner Durchgang entließ sie in eine Werkstatt, die von mehreren Fackeln hell erleuchtet war. An einem großen mächtigen Tisch saß ein zierlicher, schon älterer Mann mit schütterem Haar über ein paar glitzernden Steinen, die er nacheinander fein säuberlich mit einer Pinzette in die dafür vorgesehenen Mulden eines silbernen Reifs einsetzte. Als er fremde Schritte hörte, sah er hoch und blinzelte. Es war unmöglich, an seinen Augen abzulesen, ob er seinen Besucher erkannte, obwohl es zweifellos so sein musste. Aber er sagte nichts, sondern wartete schweigend ab.

»Keine Angst, sie gehört zu mir«, interpretierte Galène Zircons Vorsicht richtig.

Zircon schnalzte mit der Zunge. »Wo bist du gewesen, Galène?« Seine Stimme klang leicht heiser. »Wir haben dich vermisst und schon das Schlimmste befürchtet.«

»Das Schlimmste steht uns möglicherweise noch bevor, wenn wir nicht sehr schnell handeln. Wie bald kannst du deine Leute zusammenrufen?«

Alarmiert stand Zircon auf und ging ein paar Schritte auf und ab, als könne er dadurch besser denken. »Was ist das Schlimmste?«, fragte er.

»Dass in der Steinwelt alles so bleibt, wie’s ist oder …«

»Das ist das Schlimmste? Ich dachte, uns droht ein Krieg«, unterbrach ihn Zircon.

»Ich finde, die Aussicht auf weitere Generationen unter der Herrschaft Diamants und seinesgleichen ist schlimm genug. Aber du hast mich nicht ausreden lassen. Die andere Möglichkeit ist tatsächlich Krieg.«

»Du hast gesagt, Silex hätte …«

»Ja«, schnitt ihm diesmal Galène das Wort ab. »Und du weißt so gut wie ich, dass er diesen Krieg nicht will. Wir versuchen alles, um ihn zu vermeiden.«

»Er ließe sich ganz einfach vermeiden. Silex müsste nur darauf verzichten, seine Drohung wahr zu machen. Wenn er verschweigt, dass Emeraude noch lebt, und vor allem, wenn er nicht damit droht, sie zu töten, wird es nicht zum Krieg kommen.«

»Silex hat nicht vor, mit irgendwas zu drohen. Weil nicht alles so lief, wie es sollte, mussten wir unsere Pläne ändern. Trotzdem können wir mit Silex’ Waffe noch eine Menge tun.«

»Silex’ Waffe? Meine Güte, Galène, was nützt uns die Steinprinzessin, wenn Diamant sich nicht mit ihr erpressen lässt?«

»Sie kann uns helfen, Diamant zu stürzen. Allerdings müssen wir schnell handeln, noch vor Ablauf des Ultimatums. Sonst könnte Diamant Verdacht schöpfen, dass irgendwas nicht stimmt, wenn Silex nicht sofort reagiert. Falls wir also nur ein bisschen zu spät kommen, ist der Überraschungsmoment vorbei und er wird sich darüber im Klaren sein, dass wir uns mit den Feinden verbündet haben. Dann wird er nicht nur Krieg gegen die Steinbrecher führen, sondern vor allem gegen uns.«

Das brachte Zircon zum Schweigen. Die Dimensionen, die der angedeutete Plan Galènes eröffnete, musste er erst mal verarbeiten. »Das ist verrückt!«, rief er schließlich. »Wieso sollte die Steinprinzessin uns helfen, gegen den Mann zu kämpfen, dessen Frau sie einmal …« Zircon ließ den Satz unbeendet in der Luft hängen, weil ihm plötzlich bewusst wurde, dass außer ihm und Galène noch jemand im Raum war. Eine Frau. Die Diskussion mit seinem Mitkämpfer hatte ihn ihre Gegenwart völlig vergessen lassen. Jetzt schaute er unsicher zu der verhüllten Gestalt hinüber. »Wer ist das?«

»Silex’ Waffe«, sagte Galène.

Emeraude hob die Hände und zog sich die Kapuze vom Kopf.

Zircon starrte sie verblüfft an, bevor er hastig einen Schritt zurückwich und den Kopf senkte. »Prinzessin!«

»Bitte«, sagte Emeraude. »Ich bin nichts Besseres als du, im Gegenteil. Es gibt wirklich keinen Grund, sich vor mir zu verneigen.«

Es bereitete Zircon sichtlich Schwierigkeiten, mit der unerwarteten Situation fertig zu werden. »Verzeiht, Prinzessin, aber obwohl ich wusste, dass Ihr noch lebt, ist es ein merkwürdiges Gefühl, Euch plötzlich gegenüberzustehen.«

Emeraude lächelte. »Ich fühle mich selbst ziemlich eigenartig, wenn dich das beruhigt. Und würdest du bitte mit dieser albernen Anrede aufhören? Ich bin einfach nur Emeraude.«

»Das ehrt dich, teuerste Prinzessin«, schaltete sich Galène ein, »aber vielleicht solltest du außerhalb dieses Hauses mit solchen Anwandlungen noch etwas warten. Wir müssen viele Steinmenschen auf unsere Seite bringen und die lassen sich seit Generationen von Fürsten, Prinzessinnen und sonstigen hochwohlgeborenen Personen beeindrucken. Um zu den Leuten zu sprechen, könnte es nicht schaden, wenn du ein kleines bisschen prinzessinnenhaft bleibst.«

Zweifelnd schaute Emeraude von Galène zu Zircon. »Ich finde, wir sollten von Anfang an sagen, was wir denken. Wir«, sie stockte und korrigierte sich dann, »ich habe lange genug den Fehler gemacht, mich von falschem Glanz blenden zu lassen.«

Nachdenklich wägte Galène das Für und Wider ab, dann sah er Zircon an. »Was meinst du?«

»Sie hat Recht.« Seine Stimme klang jetzt fester, als er sich an Emeraude wandte: »Wir können nicht früh genug damit anfangen zu erklären, worauf es uns ankommt. Die Menschen werden dich auch so erkennen, und wenn sie gleich merken, dass du eine von uns bist, werden sie vielleicht besser zuhören.«

»Ja, vielleicht«, sagte Emeraude. »Ich denke, ich sollte einfach abwarten, wie die ersten Reaktionen auf meine Anwesenheit ausfallen, und dann entscheiden, ob ich – wie sagtest du so schön? – prinzessinnenhaft bleibe oder nicht.« Das schien sowohl Zircon als auch Galène zufrieden zu stellen.

»Es kann eine Weile dauern, bis ich unsere Gruppe zusammengetrommelt habe. Was werdet ihr inzwischen tun?«, fragte Zircon.

»Hier bleiben«, stellte Galène trocken fest. »Wär nicht gut, wenn uns jemand zu Gesicht bekäme.«

Zircon nickte. »Ich beeile mich.« Er ließ seine Arbeit unerledigt liegen und machte sich auf den Weg zu seinem Kontaktmann.

Eine Weile standen Emeraude und Galène schweigend in Zircons Werkstatt, bis Emeraude eine Bewegung an der Tür wahrnahm. Die Frau Zircons stand da und sah sie regungslos an. Wahrscheinlich hatte Zircon ihr gesagt, wer die Gäste waren, und offensichtlich war ihr etwas unwohl bei dem Gedanken, wen sie da beherbergte. Sicher dachte sie an mögliche Gefahren, was Emeraude ihr nicht übel nehmen konnte. Sie bemühte sich um ein aufmunterndes Lächeln. »Es ist sehr nett, dass wir hier bleiben dürfen. Ich weiß, was das möglicherweise für euch bedeutet.«

Wortlos kam die Frau ein Stück näher, bis sie direkt vor Emeraude stand. Sie musterte sie noch immer eingehend. »Zircon sagt, du seist hier, um uns zu helfen?« Augenscheinlich bereitete es ihr keinerlei Schwierigkeiten, auf die respektvolle Anrede zu verzichten. In ihrer Stimme lag außerdem eine Spur von Sarkasmus.

»Ich hoffe, dass ich das kann«, sagte Emeraude.

»Du kannst es am besten, wenn du dorthin zurückkehrst, wo du hergekommen bist.« Jetzt klang sie beinah feindselig.

»Turquoise«, schritt Galène ein, »ich weiß, du bist immer skeptisch gewesen, was unsere Arbeit angeht. Aber du kannst nicht im Ernst wollen, dass alles so bleibt, wie es ist.«

»Dann geh doch wieder zurück zu deinem Fürsten. Wenn bei Silex alles besser ist, verschwende dein Leben nicht hier und lass uns in Ruhe.«

»Ob ich hier bin oder nicht, spielt keine Rolle. Zircon würde ohne mich weitermachen. Er war schon im Widerstand, als es mich noch nicht mal gab, das weißt du besser als ich.«

Turquoise schwieg. Emeraude betrachtete sie von der Seite. Sie musste früher einmal eine hübsche Frau gewesen sein. Jetzt jedoch wirkte ihr Gesicht eingefallen, kraftlos, vollkommen ausdruckslos, als hätte sie sich einfach mit allem abgefunden. Sogar ihr Aufbegehren gegen Galène und die Tätigkeiten ihres Mannes war nur von kurzer Dauer gewesen. Ihre Schultern sackten nach vorn, sie drehte sich schweigend um und verließ die Werkstatt.

»Sie hat Angst«, sagte Emeraude leise.

»Ja. Aber es ist nicht nur die Angst vor Diamant. Es ist vor allem die Angst vor Veränderung. Sie kennt die Freiheit nicht, nicht das Gefühl, dass man morgens aufsteht und sein Leben gestalten kann, wie man will. Sie fürchtet sich vor den Konsequenzen, die ihr und Zircon drohen, wenn Diamant dahinter kommt, wer der Anführer des Widerstands ist. Noch mehr fürchtet sie allerdings die Verantwortung, die sie für ein eigenes Leben in Freiheit tragen müsste.«

Irritiert sah Emeraude zu Galène hinüber, der an Zircons Werktisch stand und abwesend ein paar kleine Rubine durch seine Finger gleiten ließ. »Glaubst du das wirklich?«

Galène seufzte und legte einen größeren Rubin, den Zircon offensichtlich gerade in den Reif hatte einfügen wollen, in die Mitte zu den kleineren Steinen. »Natürlich. Allerdings mache ich ihr daraus keinen Vorwurf. Sie kennt es nicht anders. Niemand vom einfachen Volk hier kennt es anders. Die meisten Menschen haben nun mal Angst vor Veränderungen, selbst wenn sie Gutes versprechen. Veränderungen bedeuten einen Abschied vom Altbekannten, von der Routine. Was man hat, weiß man. Was man bekommt, kann man nie vorher wissen.« Galène machte eine Pause. »Es wird nicht leicht sein, sie zu überzeugen. Das ist deine Aufgabe.«

Hilflos breitete Emeraude die Arme aus. »Aber wie kann ich sie dazu bringen, für etwas einzutreten, das sie fürchten? Ich habe das nie so betrachtet, ich dachte immer, die größte Angst gälte dem Fürsten.«

Endlich sah Galène von den Rubinen auf. Ein Lächeln glitt über seine Züge. »Du bist die Steinprinzessin«, erinnerte er sie. »Du hast gelernt, wie man mit dem Volk umgeht, wie man es manipuliert. Das kann man auch im positiven Sinn anwenden.«

»Ich denke nicht, dass ich irgendjemanden manipulieren sollte!«, empörte sich Emeraude, Blitze schossen aus ihren Augen.

Galène lachte und kam auf sie zu. Er nahm ihre Hand, hielt sie fest und fixierte sie lange mit einem undurchdringlichen Blick. Emeraude war immer noch wütend, sie starrte schweigend zurück. Dann zog er sie mit einer plötzlichen Bewegung zu sich heran, umfasste ihre Arme mit einem harten Griff und küsste sie.

Im ersten Moment war sie zu erschrocken, um sich zu wehren, doch selbst als sie es endlich tun wollte, merkte sie, dass sie es nicht konnte. Galène war zu stark für sie. Er schob sie ein Stück von sich weg und sie sah ein belustigtes Funkeln in seinen Augen.

»Du bist schön«, sagte er. »Du kannst einen Mann mit einem einzigen Blick dazu bringen, etwas zu tun, das er schon sehr lange nicht mehr getan hat. Und das Beste daran ist, du bist dir dieser Macht nicht mal bewusst.« Er ließ sie ganz los und trat einen Schritt zurück. »Du wirst es schaffen, Emeraude!«

30

Zircon schritt eilig aus. Er musste schnell zu den Minen kommen, um einen seiner Mitstreiter zu benachrichtigen, der dann den nächsten kontaktieren, der wiederum den nächsten verständigen würde. So dauerte es länger, aber es war sicherer. Sie wussten voneinander nicht allzu viel, nicht einmal ihre richtigen Namen, und das war auch besser so. Sollte einer von ihnen enttarnt werden, war über die Gruppe kaum etwas zu erfahren.

Zircons Anwesenheit bei der Mine fiel nicht weiter auf, er kam öfter, um Material für seine Werkstatt zu holen. Daher achtete niemand darauf, als er sich mit Rubis, dem Aufseher über die Arbeiter, in dessen Unterstand zurückzog. Rubis dagegen wunderte sich umso mehr, als er hörte, was sein Freund zu berichten hatte.

»Die Steinprinzessin?«, fragte er fassungslos. »Sie ist hier? Und sie will uns allen Ernstes helfen?«

»Das ist eine einmalige Chance, Rubis! Wir müssen jetzt zuschlagen, jetzt oder nie. Mit Emeraude auf unserer Seite geht vielleicht alles unblutig aus.«

»Unblutig? Das glaube ich kaum. Es wird Blut fließen, das haben wir immer gewusst.« Rubis rieb sich das unrasierte Kinn und schaute hinaus auf den Mineneingang. »Ein Aufstand kostet nun mal Opfer«, murmelte er.

»Dann sollten wir dafür sorgen, dass es so wenig wie möglich sind. Die Steinprinzessin wird zu den Menschen sprechen, und wenn sie ihr erst mal zuhören, haben wir eine reelle Chance. Aber dazu müssten wir sie mobilisieren.«

»Hm«, machte Rubis. »Ich hätte da ein paar Minenarbeiter, die ich nicht großartig mobilisieren müsste. Sie wären sofort dabei.«

Jetzt war es Zircon, der fassungslos dreinschaute. »Wie bitte? Deine Arbeiter hier? Du willst sie einbinden?«

»Hast du vergessen, dass viele Steinbrecher unter ihnen sind? Sie werden die Ersten sein, die bereit sind, unsere kleine Gruppe im Kampf gegen Diamant zu unterstützen. Minen wie diese hier gibt es noch ein paar im Reich, nicht übermäßig viele, aber ein paar. Die meisten Arbeiter sind zwangsrekrutiert.« Rubis schien sich mit dem Gedanken immer mehr anzufreunden. »Ich werde sehen, was sich in der kurzen Zeit machen lässt. Zuerst schicke ich jemanden los, der meinen Mittelsmann informiert, dann organisiere ich hier, was ich kann. Ziemliches Glück, dass meine Schicht erst zur Hälfte um ist.«

»Wen willst du schicken? Wenn derjenige nicht vertrauenswürdig ist, kann alles schief gehen.«

»Mach dir darüber keine Gedanken. Ich weiß schon, wen ich aussuche. Treffpunkt wie üblich und zur selben Zeit?«

Zircon nickte. »Wird knapp, aber es muss gehen. Alles Weitere besprechen wir dann.«

Zusammen traten sie ins Freie, Zircon wandte sich schon zum Gehen, doch Rubis rief ihm hinterher. »Hey!« Dabei hielt er ihm einen kleinen Beutel entgegen. »Vergiss nicht deine Steine!«

Als Zircon gegangen war, machte sich Rubis im Inneren der finsteren Mine zunächst auf die Suche nach seinem Untergebenen, den er mit einer verschlüsselten Nachricht losschickte. Dann fand er Chrysolithe, den Anführer der Arbeiter. Es gab viel zu besprechen.

Die Gruppe der Widerständler war klein und sie wuchs nur langsam, weil alle Mitglieder größtmögliche Vorsicht walten ließen, wenn es darum ging, jemanden einzuweihen. Aber jetzt war der Moment der Entscheidung gekommen. Deshalb musste nun jedes kalkulierbare Risiko eingegangen werden, was auch bedeutete, alle zu informieren, die zumindest ansatzweise mit den Widerständlern sympathisierten. Das Risiko, das Rubis einging, war im Gegensatz zu den möglichen Gefahren, denen sich seine Mitkämpfer gerade aussetzten, nicht besonders groß. Er hatte seine Arbeiter nie schlecht behandelt, und als Chrysolithe hörte, was von ihm verlangt wurde und weshalb, brauchte Rubis nicht mehr viel Überredungskunst.

»Hast du mal daran gedacht, dass ich dir auch eine Falle stellen könnte?«, gab er dennoch zu bedenken.

Chrysolithe grinste nur und zuckte mit den Schultern. »Was hab ich zu verlieren?«

»Dein Leben.«

»Mein Leben hat aufgehört, als ich unvorsichtig genug war, mich von Saphirs Leuten schnappen zu lassen.« Damit war die Angelegenheit für Chrysolithe erledigt. Er würde mit seinen Männern reden, die ununterbrochen in der Mine für Diamant schufteten. Und wenn es so weit war, würden sie bereitstehen. Er hoffte, dass es die Arbeiteranführer in den anderen Minen ebenso sahen.

*

Emeraude und Galène warteten unterdessen unruhig auf Zircons Rückkehr. Zwischendurch brachte Turquoise ihnen etwas zu essen, eher widerstrebend, wie es schien. Auf einen weiteren Wortwechsel ließ sie sich nicht ein. Sie stellte das Tablett ab und verschwand so schnell, wie sie gekommen war.

Es war lange her, dass sie das letzte Mal gegessen hatten. Emeraude war hungrig, sie setzte sich und verschlang die Fladen mit dem Gemüseaufstrich. Dass er nach fast nichts schmeckte, merkte sie kaum. Nervös trommelte sie dann mit den Fingern auf der Tischplatte, bis sie aus Versehen ein paar Steine auf den Boden fegte.

»Beruhig dich«, sagte Galène. »Wir können im Augenblick nichts weiter tun als warten, auch wenn es nervenaufreibend ist. Aber wenn es erst mal anfängt, treten wir eine Lawine los, die nicht mehr aufzuhalten sein wird. Dann brauchen wir alle Kraft und Besonnenheit, die wir haben.«

»Ich weiß.« Emeraude schwieg, doch dann sah sie auf und in Galènes ruhiges Gesicht. »Trotzdem kann ich die Gedanken nicht einfach abstellen. Ich mache mir Sorgen um Pierre.«

Galène lächelte. »Dein Sohn kommt ganz gut zurecht. Außerdem ist er nicht allein, Caillou ist bei ihm. Wenn ich überhaupt aus eurem Reich jemandem zutraue, was Vernünftiges auf die Beine zu stellen, dann Caillou.«

»Aber Caillou muss auch an Sophie denken. Er kann sich nicht um alles gleichzeitig kümmern.«

»Du aber auch nicht. Dein Platz ist jetzt hier. Vertrau Pierre einfach, er weiß schon, was er tut.«

Lange Zeit herrschte Stille in der Werkstatt. Dann flüsterte Emeraude etwas, das Galène zuerst nicht verstand. Er musste sie bitten, es zu wiederholen. »Würdest du mich noch mal küssen?«

»Was?« Obwohl Galène die Worte diesmal genau verstanden hatte, glaubte er, sich verhört zu haben.

»Natürlich, wenn es dir zuwider ist, musst du nicht … Ich meine …«

Noch immer verblüfft hockte sich Galène vor Emeraude auf den Boden und sah zu ihr auf. »Zuwider?« Er streckte die Hand aus und berührte mit dem Zeigefinger sanft ihre Wange. »Wie könnte es das? Ich verstehe nur nicht …«

»Ich versteh es selbst nicht«, seufzte Emeraude. »Ich vermisse Christophe so sehr. Wenn ich Angst hatte, hat er mich in den Arm genommen und geküsst. Vielleicht will ich nur für einen Moment glauben, dass alles wieder so ist wie früher. Obwohl ich weiß, dass es nie mehr so sein wird.«

»Hattest du oft Angst?«

»Manchmal. Besonders am Anfang. Christophe begriff nicht, was mit mir los war, weil er sich dem, was ich ihm über mich erzählte, völlig verweigerte. Was auch immer er glaubte, er hat mich fest gehalten, und das half.«

Galène erhob sich und zog auch Emeraude vom Stuhl hoch. Er nahm sie in die Arme. Er küsste sie nicht, er war sicher, dass es nicht das war, was sie wollte, aber er hielt sie. Dabei dachte er an Agate, die er geliebt hatte und die schon so lange tot war. Er dachte an seinen Schwur, dass er niemals wieder eine Frau so lieben würde. Und jetzt umarmte er Emeraude und wusste nicht mehr, ob er diesen Schwur halten konnte.

Nach einer Weile fing er an zu sprechen. Er erzählte ihr von seiner ersten Begegnung mit Pierre, der gemeinsamen Durchquerung der Steinwelt und davon, dass er ihrem Sohn vermutlich das Leben verdankte. »Er ist kein Junge mehr, Emeraude«, schloss er. »Mag sein, dass er da oben bei euch noch eine kleine Weile gebraucht hätte, erwachsen zu werden. Aber nach allem, was er hier gesehen und erlebt hat, ist er ein Mann geworden. Mach dir keine Sorgen um Pierre. Er weiß, was er will, und er weiß, was zu tun ist.«

Langsam löste sich Emeraude von Galène. Sie sah ihn nicht an, als sie sprach, aber sie fühlte sich ihm sehr nahe. »Danke.«

Galène fand keine Zeit mehr, zu antworten. Von der Tür her näherten sich Schritte und kurz darauf betrat Zircon die Werkstatt. »Ich habe in die Wege geleitet, was ich konnte, jetzt müssen wir abwarten. Wenn wir uns alle nachher treffen, kommt es auf euch an. Lasst uns gleich aufbrechen.«

Sie spürten Turquoises ängstliche Blicke, als sie zu dritt den Laden verließen. Kurz fragte sich Galène, ob es nicht zu riskant war, sie zurückzulassen. Andererseits hatte sie in der Vergangenheit Zircons Tun zwar nicht zugestimmt, aber auch nie etwas unternommen, das ihm hätte schaden können. Also würde sie wohl auch diesmal den Mund halten.

Die beiden Männer liefen mit Emeraude durch die Straßen, wobei sie die Köpfe möglichst gesenkt hielten. Bald waren sie aus der Stadt heraus und kamen zu einer Höhle, die der stillgelegten Mine ähnelte, in der Mica seinen Taubenschlag gehabt hatte. Die Gänge waren weit verzweigt und Emeraude wusste, dass sie allein nie wieder herausfinden würde, auch wenn sie sich einzuprägen versuchte, welche Abbiegung sie jeweils nahmen. Am Ende gelangten sie in einen großen, hohen Raum, in dem Zircon acht Fackeln an den Wänden entzündete. Auf dem Boden lagen ein paar Decken, ansonsten gab es keinerlei Anzeichen dafür, dass hier regelmäßige Treffen stattfanden.

Galène nahm wie selbstverständlich auf einer der Decken Platz und lehnte sich gegen die Felswand. Zircon setzte sich ihm gegenüber, nur Emeraude blieb stehen. Sie wollte sich nicht irgendwo alleine hinsetzen, doch Galène so nah zu sein, wie sie es gewesen wäre, wenn sie sich eine der Decken geteilt hätten, wollte sie ebenso wenig. Stattdessen schlang sie die Arme um sich und dachte an Silex, den Mann, den sie ihr Leben lang als Feind betrachtet hatte. Sie seufzte. Hätte sie nur damals schon die Wahrheit gekannt!

Dann hörte sie leise Stimmen im Gang. Gleich darauf betraten zwei Männer den Raum, die Zircon und Galène begrüßten und dann halb neugierig, halb ungläubig zu ihr herübersahen. Zweifellos hatten sie gehört, wer sie hier erwartete. Leicht trotzig erwiderte Emeraude ihre Blicke. Nach und nach füllte sich die Höhle, das Stimmengemurmel wurde lauter, aber niemand wagte, Emeraude anzusprechen. Irgendwann schienen alle Mitglieder der Gruppe anwesend zu sein. Zircon erhob sich und stellte sich neben Emeraude, die insgesamt vierzehn Männer und acht Frauen gezählt hatte.

»Meine Freunde, ich danke euch, dass ihr gekommen seid. Ich hätte dieses Treffen nicht so hastig einberufen, wenn es dafür keinen guten Grund gäbe. Einen Grund, den ihr mittlerweile alle kennt. Wir können für unsere Pläne auf die Unterstützung der Steinprinzessin zählen und wir müssen diese Chance nutzen, die sich uns vielleicht später nie mehr bieten wird. Wir alle wissen, wie es um unser Land bestellt ist. Niemand muss uns mehr davon überzeugen. Die Massen da draußen können wir auf die Schnelle nicht gewinnen. Aber jeder von euch kennt Zweifler, die hin- und hergerissen sind zwischen dem Wunsch, für ein besseres Leben zu kämpfen, und der Angst vor den Konsequenzen. Genau diese Menschen sind heute für uns wichtig.« Zircon machte eine bedeutungsvolle Pause.

»Prinzessin«, nutzte eine Frau aus der Gruppe die kleine Unterbrechung, »seid Ihr Euch darüber im Klaren, was es bedeutet, wenn Ihr uns unterstützt und wir den Kampf verlieren? Was werdet Ihr dann tun? Diamant wird Euch dann kaum mit offenen Armen empfangen.«

»Nein, ich weiß.« Emeraudes Stimme klang ruhig und fest. »Aber der Kampf, den ihr führt, ist es wert, gekämpft zu werden. Freiheit ist ein großes Wort und manch einer in der Oberwelt, auf der ich einen Generationsbruchteil gelebt habe, schickt dafür Menschen in Kriege. Die Kriege der Oberwelt sind grausam, sie haben Waffen, die weit über unsere Vorstellungskraft hinausgehen. Sie drücken auf Knöpfe und Millionen von Menschen werden getötet oder verstümmelt. Der Krieg, den Diamant gegen Silex zu führen bereit ist, würde anders aussehen. Aber es würde trotzdem Blut fließen und er würde viele Opfer kosten.«

»Ihr habt meine Frage nicht beantwortet«, sagte die Frau mit vorgestrecktem Kinn. »Ihr seid die Steinprinzessin. Warum wechselt Ihr jetzt die Seite?«