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Copyright © 2012 by Kein & Aber AG Zürich – Berlin
Autorenfoto: Christoph A. Hellhake
eBook ISBN 978-3-0369-9218-1

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ÜBER DEN AUTOR

Gerhard Polt, geboren am 7. Mai 1942 in München, studierte in Göteborg und München Skandinavistik. Seit 1975 brilliert er als Kabarettist, Schauspieler, Poet und Philosoph auf deutschen und internationalen Bühnen. 2001 wurde er mit dem Bayerischen Staatspreis für Literatur (»Jean-Paul-Preis«) ausgezeichnet. Sein gesamtes Werk erscheint bei Kein & Aber.

ÜBER DAS BUCH

Bibliothek Gerhard Polt Werke in zehn Bänden und ein Begleitbuch

I Von Heimat und Geschichte

II Vom Geben und Nehmen

III Vom Auf- und Absteigen

IV Von den Fremden hier und dort

V Von Brot und Spielen

VI Von den letzten Dingen

VII Von Banden und Bindungen

VIII Von Haus und Hof

IX Von Festen und Feiern

X Vom Kindsein

Begleitbuch: Paralipomena

Die Werkausgabe versammelt Gerhard Polts wichtigste Texte, das heißt alle Geschichten, Stücke, Monologe und Dialoge, aus der Anfangszeit in Zusammenarbeit mit Hanns Christian Müller bis heute. Das Begleitbuch bietet Überraschendes zu Gerhard Polt sowie ein komplettes Register seiner Werke.

»In zehn Bänden die ganze Welt.«

Elke Heidenreich

»Aber die Garage selbst ist schon ein Bauwerk, was sich sehen lassen kann. Ich bin so begeistert von dieser Architektur – wenn ich Luft schnappen will, dann geh ich gar nicht mehr spazieren, sondern stell mich vor meine Garage und schau sie mir an. Das ist halt Architektur!«

Gerhard Polt

INHALTSVERZEICHNIS

Die Bunkerführung

Herbstgespräche

Die Idylle

Der Ensemble-Schutz

Der Bohemien

Ein Geschäftsbrief

Die Hobby-Hausbauer

Die Garage

Weg vom Fenster

Der neue Mieter

Das Beton-Lied

Die Verteidigung der Gummibären

Hoagascht urban

Großbrand

Ein Wertobjekt

Vor und am Ort

Katastrophenalarm

Ein Energiesparer

Das Terrarium

Prozente

Ein Umweltschützer

Vollkasko

Ein Protestanruf

Der Grünwald-Spaziergang

Die Auskunft

Spritztour

Ein Lebenskünstler

Wohnseminar

Stronzo-Stronzata

Ein Sanierer

Sarniererlied

Die Okkupanten

Diese unsere Welt

Hausmeistersorgen

DIE BUNKERFÜHRUNG

Ferdinand Weitel steht vor seinem fast fertigen Einfamilienhaus und erklärt:

Also, wenn’s heuer noch zum Atomkrieg kommen sollte, dann bin ich gefeit. Weil in drei Wochen is er fertig, mei Bunker. Ich mein, eigentlich hätt er ja scho im Mai oder Anfang Juni fertig sein sollen, aber des hat sich dann doch a bissl hinzogn wega dene Zuschüsse und wega de Extras. Der Bunker is auf siebzehn Jahre konzipiert für vier Erwachsene und zwei Kinder, des heißt, die Kinder san ja dann am Schluss aa scho erwachsen. Weil normalerweise planens es ja nur auf acht bis zwölf Jahre. Und mir ham des dann auch optimal kombiniert, Sicherheit und doch a bissl an Komfort. Schaugn Se sich’s an! Winkt und geht voran in die Kellerräume. Mir ham a Sauna drin, Gesellschaftsspiele, Brettspiele, so Mikado, Monopoly, is ja klar, weil in dieser langen Phase der Enthaltsamkeit, da muaßma ja was für die Psyche tun, sonst werst ja trübsinnig. Dann hamma so Musikkassetten, Stereo, an Heino hamma, d’ Vicky Leandros, für festliche Stunden, an Weihnachten sagn mir amal, an Mozart oder an Beethoven, für die Kinder dann an Frank Zappa. Ganz wichtig, die Lebensmittel. Mir ham vier Parzellen randvoll gestaffelt mit Grundnahrungsmitteln, Mehl, Trockenei, Milchpulver, gell, in meiner Familie sans alles leidenschaftliche Mehlspeisenesser, und ich mein, wichtig ist auch dieses Wasserumwälzgerät. Aber ein echter Kostenfaktor ist dieser Luftfilter. Der is hundert Prozent seuchensicher, ich mein, des muss er auch sein, weil sonst kann ich ja gleich draußn bleiben. Zeigt auf einen Umgebungsplan von München. Der Bunker is in Taufkirchen, also genau 18,3 Kilometer von meinem Arbeitsplatz entfernt. Und, ich hab auch an Schleichweg, mussma ja auch. Weil wenn der Ernstfall kimmt, irgendeine Panik, und na zerstrahlt’s es alle. Da kimmt zerscht amal diese Druckwelle, die haut se alle amal umanand, weil d’ Leut san ja so unvernünftig, und den Rest zerstrahlt ja dann der Pilz selber. Also, ich bin ein regelmäßiger Bayern-drei-Hörer. Bevor da überhaupt a Sirene pfeift, bin ich schon drunten. Des heißt, ich und meine Familie. Und zwar ausschließlich, es sei denn, es is jemand ganz stark blutsverwandt. Also, wenn da irgenda Bsuch kamad, na müaßtma sich grad verabschieden, gell? Wenn jetzt der Atomkrieg an am Wochenend stattfinden sollte, dann entfalladn natürlich diese Anfahrtswege, na gangad i glei abi in’n Bunker. Wie gsagt, mir allein, weil sie müssen nämlich bedenken, allein eine einzige Person, die haut uns ja gleich drei bis vier Jahre zruck, proviantmäßig, und na samma am Schluss alle mitanand hin. Zeigt eine Statistik. Nach diesen expertenstrategischen Sicherheitsüberlegungen platzt die Bombe im Münchner Norden, genauer: zwischen München-Nord und München-Mitte. Der Vernichtungskoeffizient hängt jetzt natürlich von der Großwetterlage ab. Ich mein, bei Föhn, da machad’s mir weniger aus, weil dass s’ nach Tirol eine neischmeißen, des halt ich für unwahrscheinlich, des waar ja direkt nausgschmissn. Nein, die Bombe kommt zwischen dem Raum Garching bis Ismaning zur Zündung, und zwar in einer Höhe von 800 bis 1200 Meter Höhe, weil das is ja der optimale Vernichtungsradius einer Wasserstoffbombe heute. Bei einer Steuerfunktionsstörung, kann sein, dass s’ nach Ottobrunn oder Landshut treffen, weil die wolln ja den Raum Ingolstadt aa no mitnehmen. Wenn s’ ins Erdinger Moos neitreffen, na müaßns glei no oane nachschickn. As einzige, wos, sagma mal, schlecht ausschaugad, is, wenn die Bombe direkt, also direkt über Taufkirchen, detoniert. Aber des halt i für sehr unwahrscheinlich, des is äußerst unwahrscheinlich. Also, davon geh ich net aus. Davon kann ich gar nicht ausgehn.

HERBSTGESPRÄCHE

Heinz Gschwerl, Makler, Bauunternehmer und Finanzier, sitzt, in seinem 911 Turbo geparkt, an einem landschaftlich reizvollen Platz, herrliche Aussicht, umgeben von Natur. Er kippt den Rest eines Magenbitters, wirft die leere Flasche ins Gebüsch. Aus dem Wageninneren eine Discowolke, dazu Vogelgezwitscher. Ein Goldmetallic-Sportcoupé rauscht an. Gschwerl benutzt ein Mundspray, macht die Musik aus, strafft sich und öffnet galant die Tür. Constanze Schäles und ein warm angezogener Rehpinscher steigen aus.

 

FRAU SCHÄLES Tach, Herr Jeschwerl, hoffentlich ham Se nit allzulang jewartet. Aber Se wissen ja selbst, wie dat is mit de Verkehr, man kommt nit dursch. Kreti und Pleti hat heutzutach ’n Auto.

HERR GSCHWERL Des macht nix, Frau Schäles, i wart scho a bissl, aber da heraußt kann ma’s doch sehr gut aushalten. Es is scho a einmaligs Platzerl.

FRAU SCHÄLES Da ham Sie rescht. Dat findet man heutzutage kaum mehr. Überall nur Industrie und diese Abjase. Entsetzlisch.

HERR GSCHWERL Ja, Abgase ham S’ hier keine, nur den blanken Ozon. Riechen S’ amal.
Gschwerl und Schäles atmen tief durch.

FRAU SCHÄLES Ah, das tut jut für de Lungen.

HERR GSCHWERL Und schaun S’ amal, dieses Panorama …

FRAU SCHÄLES Tja, man möschte rischtisch besinnlisch werden.

HERR GSCHWERL Und alles unverbaubar. Schauen Se sich amal diese Buchn an. Des dauert dreihundert Jahr mindestens, bis so a Baum amal aso herwachst.

FRAU SCHÄLES Tschja, wat is der Mensch im Anjesischt der Natur …

HERR GSCHWERL Da ham jetz Sie wieder recht, und Sie müssen bedenken, des is ois Naturschutzgebiet. Landschaftlich eine Rosine. Also, es war nicht einfach.

FRAU SCHÄLES Ham Se jut jemacht!

HERR GSCHWERL Wenn der Bürgermeister net so flexibel gwesen waar, na wär da gar nix gangen.

FRAU SCHÄLES Hatten Se große Unkosten?

HERR GSCHWERL Nanaa, er hat selber a Bauunternehmen, er is da einsichtig. Und de Verschalungen und des Fundament, des macht ja praktisch er dann.

FRAU SCHÄLES Dat is jut. Aber sachen Se mal, de Terrasse, die soll doch hier hin. Da sitz isch ja dann den janzen Nachmittag im Schatten.

HERR GSCHWERL Nanaa, gnä’ Frau, da brauchen Sie nichts zu befürchten, de ganze Baumgruppen da, des kimmt ois weg.

FRAU SCHÄLES Und an de Doppeljarasche ham Se schon jedacht?

HERR GSCHWERL Selbstverständlich. Da werd da der Froschweiher zugschütt und trockenglegt, na kimmt a anständigs Sechziger-Fundament nei, da könnan S’ nachert an Panzer drauf parken. Und wo wollten Sie jetz nachert den Swimmingpool ham?

FRAU SCHÄLES Ja, isch dachte, mehr da unten, wo et jeschützt is. Die Stahldachkonstruktion, dat jeht in Ordnung?

HERR GSCHWERL Selbstverständlich. Wenn’s fertig is, moana S’, Sie san am Mittelmeer.

FRAU SCHÄLES Nää, da hab isch bereits zwei Häuser, isch hätte mehr jedacht, friesisch mit ’n Schuss rustikal.

HERR GSCHWERL Geht genauso. Machma Eahna auch. De Landschaft passt eh bsonders guat zu dem Friesischen.

FRAU SCHÄLES Sachen Se, Herr Jeschwerl, wo kommt der Tennisplatz hin?

HERR GSCHWERL Da ham mir a sehr elegante Lösung: A bissl sprengen müaßma, und da, de Fichtn, de hauma naus, und umfrieden deanma des Ganze mit einer Mauer.

FRAU SCHÄLES Dat klingt vernünftisch. Auch jejen de Spazierjänger.

HERR GSCHWERL Eben. Sie san ja eh bloß amal am Wochenende da, aber zwoa Meter fuchzig sollten S’ scho machen, da müaßadn S’ a bissl Strafe zahln, aber es lohnt sich auf alle Fälle.

FRAU SCHÄLES Dat is auch ’n juter Schutz jejen Einbrescher und Vojöre, nä.

HERR GSCHWERL Und Sie sehn dann auch nix von der neuen Siedlung, de wo da der Dr. Rohr hinstellt.

FRAU SCHÄLES ’ne Siedlung? Da hält dann wohl der Pöbel Einzuch, oder wie seh isch dat?

HERR GSCHWERL Naa, da brauchen S’ koa Angst ham, nur besser gstelltes Publikum, und Sie ham dann auch durch die Siedlung an optimalen Lärmschutz gega de neue Autobahn, de wo da hintn neikommt. Und danebn ham S’ aa no a Einkaufscenter mit am Teppichlager. Des kommt da hin. Deutet.

FRAU SCHÄLES Wo?

HERR GSCHWERL Da, sehn S’ des Wäldchen? Des is am Herrn Dandler sein Revier. Was er sonst noch hinstellt, weiß ma no net, jedenfalls, des kommt aa ois weg.

FRAU SCHÄLES Na ja, herrlisch is dat jedenfalls hier draußen, rischtisch ursprünglisch. Man hört eine Krähe. Hörn Se mal, Herr Jeschwerl, wat is dat, ’n Bussard oder ’ne Kleiber?

HERR GSCHWERL Ja, a Vogel is’s.

FRAU SCHÄLES Gucken Se mal, dat einer von den Bäumen übrisch bleibt, dann machen wer ’ne Futterkasten hin.

HERR GSCHWERL Gell, Sie san a Naturmensch.

FRAU SCHÄLES Tschja, Tiere un’ Flanzen sin der einzije Freund des Menschen.

HERR GSCHWERL Da ham jetz Sie wieder recht. I hab jetz meiner Tochter zum Geburtstag an Hamster gschenkt. Des schönste Gschenk, was ma einem Kind antun kann, is, wenn’s mit Viechern aufwachst.

FRAU SCHÄLES Himmel, sehn Se mal, Herr Jeschwerl, dat is doch ’ne Seidelbast. Den hat jemand einfach ausjerupft. Is dat nit ein Verbreschen? ’ne eschte Seidelbast. Der is doch jeschützt!

HERR GSCHWERL Ja. Rohlinge gibt’s. Der größte Schädling is scho der Mensch. Ein VW-Bus kommt angefahren. Ah, Frau Schäles, den Vorhof, den deanma na asphaltiern. Oder platteln?

FRAU SCHÄLES Jeplattet, und vergessen Se nit ’ne Aussparung für mein Asperagos und dat Tulpenbeet …
Zwei Männer mit Motorsägen steigen aus dem VW-Bus.

MANN Servas, Heinz, wo sollma ’n ofanga?

HERR GSCHWERL Da, bei dene Buachn. Aber systematisch, gell. Ja, also Frau Schäles, as Wesentliche ham S’ ja gsehn, i dad sagn, fahrma zu mir ins Büro, da könnma uns in Ruhe weiter unterhalten.
Die Motorsägen heulen auf.

FRAU SCHÄLES Igitt, dat is ja ein abscheulisches Jeräusch. Meine Nerven. Beruhigt das Hündchen. Roswitha und isch, wir halten dat nit aus.

HERR GSCHWERL Ja mei, leider, des muaß sei. Aber Sie wern sehn, as nächste Mal, wenn S’ kemman, wern S’ es nicht mehr wiedererkennen. Sie ham sich da scho a feins Platzerl ausgsucht.

FRAU SCHÄLES Ja, isch jlaub auch, dat wird en herrlisches Fleckchen Erde. Jut, dat et noch ’n Naturschutz jibt.
Die beiden besteigen ihre Fahrzeuge, die Motorsägen röhren ein Duett.

DIE IDYLLE

Ja, herrlich ist es hier heraußen. Eine Idylle, diese Natur. Äh, die Natur, ja. Ich muss schon sagen, also, wir sind so gerne da heraußen, gell. Ma hat a Bewegung, ma tut was für seinen Körper, und mir ham auch eigene Anpflanzungen, also Agrarprodukte quasi. Und ich mein, auch die Kinder, die ham auch an Auslauf, gell. Ja, des is ja, gehst da weg von den Rosen, malefiz noch mal! Heinz-Rüdiger gehst net gleich weg da, is doch gefährlich! Sonst geht’s dir noch wie dem Herrn Wondrazil. Ah, der Herr Wondrazil, des war unser Heimgartenpräsident. Der hat an Radi selbst gezüchtet, und, ich weiß auch net, er ist daran gestorben. Die Leute da vom Gesundheitsamt, die warn da und haben gesagt, dass der Radi durchaus einen Mittelwert hat, also, was die Vergiftung anbelangt, net. Also, dass dieser statistische Wert für zugelassenes Gift nicht überschritten wär. Also, ich weiß auch net, aber jedenfalls, also, er hat’s nicht überlebt. Ich mein, des is klar. Äh, jetzt wo dieses Dingsda, dieses neue Chemiewerk, das ist also, ma riecht ja an und für sich überhaupt nichts, gell, fast. Also überhaupt nichts, nur bei Nordwind, also, allerhöchstens einmal bei Nordwind, net. Ich mein, äh, ja, natürlich, des sind Pflanzengifte, net, aber dafür ham wir auch keine Schädlinge mehr. An Engerling, den gibt’s ja bei uns überhaupt nicht mehr, net. Einen Engerling sehen Sie bei uns nicht, net, die ham ja schließlich Milliarden investiert, net. Mei, freilich, also des Wachstum, des geht a bisserl zurück. Aber Vor- und Nachteile, des hebt sich natürlich alleweil a bisserl auf, net. O ja, o mei Gott, mit den Zwetschgen, des is natürlich so eine Sache jetzt, ich weiß auch net, also, was des jetzt werden soll. Jetzt hams doch drüben dieses neue Betonwerk geplant, äh. Des ist also, füäßä’ä’üßüöüäü