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LAUREN GROFF

ARCADIA

ROMAN

AUS DEM ENGLISCHEN VON
JUDITH SCHWAAB

 

 

 

 

 

 

 

 

C.H.Beck

Zum Buch

In den Siebzigerjahren auf dem Land in New York haben sich einige Aussteiger auf einem großen Grundstück mit einem alten Schulhaus niedergelassen. Sie haben den Traum, autark und frei zu leben, und nennen ihren Ort Arcadia. Die packende Geschichte vom romantischen Aufbruch, von Hochzeit, Niedergang und Nachwirken dieser Landkommune wird aus der Perspektive von Bit erzählt. Als Sohn von Hannah, einer Bäckerin, und Abe, einem Schreinermeister kam er in der ersten Zeit der Gemeinschaft zur Welt. Bit verliebt sich in Helle, die aufmüpfige und eigenwillige Tochter von Handy, Rockmusiker und charismatischer Anführer der Hippiegemeinschaft, und Astrid, einer Hebamme. Die Kinder wachsen ungezwungen und in enger Verbundenheit mit der Natur in der geschützten Abgeschiedenheit Arcadias auf. Später, nach der gewaltsamen Auflösung der Landkommune, wird Bit Professor für Fotografie in New York City sein und mit Helle ein Kind haben. Sie aber, die immer robuster war als er, ist letztlich dem Leben außerhalb Arcadias nicht gewachsen. Auch als Großstädter, und obwohl er seine Kinderzeit kritisch sieht, bewahrt Bit die Utopie vom friedlichen Landleben in seinem Herzen; sein Leben ist stärker als jedes der anderen mit diesem Ort und seinen Hoffnungen verwurzelt. Am Ende am Grab seiner Mutter in Arcadia söhnt er sich trotz aller politischen und Umweltkatastrophen und im Bewusstsein der Irrtümer seiner Eltern mit dem widerstrebenden Nebeneinander von Traum und Realität aus. Ein berührend und spannend erzählter Roman über einen begeisterten Aufbruch.

Zur Autorin

Lauren Groff, 1978 in Cooperstown, New York, geboren, lebt heute in Gainesville, Florida. Ihre Erzählungen erscheinen unter anderem im New Yorker und wurden mehrfach in die Best American Short Stories aufgenommen. Für ihre schriftstellerischen Werke hat Lauren Groff zahlreiche Preise und Stipendien erhalten. Ihr erster Roman, Die Monster von Templeton, kam 2008 bei C.H.Beck heraus und wurde ein großer Erfolg. Arcadia ist ihr zweiter Roman.

Zur Übersetzerin

Judith Schwaab studierte Italienische Philologie in München und Pisa. Viele Jahre arbeitete sie als Verlagslektorin und war u. a. für Salman Rushdie, Arundhati Roy, Noah Gordon und Robert Schneider zuständig. Heute ist sie freie Übersetzerin und Lektorin und lebt in München. Für C.H.Beck hat sie Die Monster von Templeton, von Anthony Doerr Winklers Traum vom Wasser und von Jedediah Berry Handbuch Für Detektive übersetzt.

FÜR BECKETT

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

STADT DER SONNE

HELIOPOLIS

INSELN DER SELIGEN

GARTEN DER LÜSTE

DANKSAGUNG

 

 

 

Die Frauen im Fluss. Sie sangen.

Das ist das Erste, woran sich Bit erinnert, obwohl er noch gar nicht auf der Welt war, als es geschah. Trotzdem sieht er deutlich die Straße, die sich durch das Gebirge schlängelt, spürt, wie sich die gelben Blüten am Rastplatz schließen, wenn die Kinder sie berühren. Es wurde Abend, als die Karawane den Fluss in seiner Biegung grünen sah und dort das Lager für die Nacht aufgeschlagen wurde. Es war ein blauer und kalter Abend im Frühling.

Am Flussufer bildeten die Pick-ups und Busse und Wohnmobile einen Kreis, wie Bisons, die sich zum Schutz gegen den Wind zusammendrängen, in der Mitte der Doppeldeckerbus Pink Piper. Handy, ihr Anführer, stand auf Pipers Dach und machte im schwindenden Tageslicht den Sonnengruß. Kleine Nackedeis flitzten mit Gänsehaut am Rande des Lagers durch die Gegend. Die Männer bauten ein Lagerfeuer, stimmten Gitarren, schnippelten Gemüse für den Eintopf und rührten Pfannkuchenteig. Die Frauen wuschen Kleider und Bettlaken im eisigen Flusswasser, schlugen den nassen Stoff auf die Felsen. Beim letzten Tageslicht legten sich Schatten über ihre Knie, Seifenblasen funkelten in der Strömung.

Bits Mutter Hannah richtete sich auf und hob ein Bettlaken aus dem Wasser wie eine weiße Haut. Alles an ihr war rund – ihre Wangen, ihre Arme und Beine, ihre goldenen Locken. Der Jeansstoff ihres Overalls spannte über dem Bauch, in dem Bit entstand, Zelle für Zelle. Am Flussufer hielt sein Vater Abe inne, um Hannah zu betrachten, die den Kopf schief legte, um dem Gesang der anderen Frauen zu lauschen. Ein Lächeln schmiegte sich um ihre Lippen.

Später wichen die Essensdüfte dem Geruch des Holzfeuers, die Flammen loderten hell gegen die Kälte. Handy sang mit seiner berühmten kratzigen Stimme «Froggy Went A-Courtin», «Michael, Row the Boat Ashore» und «The Sounds of Silence». Die Wäsche hing zum Trocknen über den Büschen, Gespenster im Zwielicht.

Bit kann sich unmöglich an all das erinnern. Es geschah Wochen vor seiner Geburt, drei Jahre vor Arcadia, 1968 war überall im Radio, die Schlacht von Khe Sanh und die Olympischen Spiele in Grenoble, die Karawane war kreuz und quer durch das Land unterwegs. Er kann sich unmöglich erinnern an diesen Abend mit seinem blauen Licht und dem Lagerfeuer und den Bettlakengespenstern in der Dunkelheit. Und doch ist es so. Die Erinnerung haftet an ihm, weil dies alles in Arcadia so lange erzählt wurde, bis es zu Allgemeingut wurde, wieder und wieder, bis die Geschichte in Bit herangewachsen war, als hätte er sie selbst erlebt. Nacht, Feuer, Musik, Abe, der mit seinem Rücken die Kälte abhielt, Hannah, die sich an seine erhitzte Vorderseite lehnte. Und Bit, zusammengerollt im Körper seiner Mutter und eingehüllt im Glück seiner Eltern, glücklich.

STADT DER SONNE

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Bit bewegt sich schon, als er aufwacht. Es ist Februar und immer noch dunkel. Er ist fünf Jahre alt. Sein Vater packt ihn in seine Jacke und macht den Reißverschluss zu. Abes Herz schlägt wie eine Trommel an Bits Ohr. Der Junge döst wieder ein, als sie vom Brotwagen herunterklettern, in dem sie wohnen, und über den gefrorenen Boden von Ersatz-Arcadia gehen. Die Trucks und Busse und Schuppen ragen wie schwarze Schatten aus der Dunkelheit – ihr Zuhause, bis sie eines Tages, irgendwann, das Arcadia House hergerichtet haben.

Der Gong ruft sie zur Sonntagmorgenversammlung, irgendwo. Ein Fluss von Leuten schlängelt sich durch die Dunkelheit. Bit riecht das Brot seiner Mutter, spürt, wie der Wind die Kälte vom Great Lake in den Norden trägt, hört das Rascheln des Waldes, der langsam erwacht. Aufregung und leise, liebevolle Grüße schwirren durch die Luft, es liegt ein wenig Schnee, der Rauch eines Joints schwebt vorbei, die Stimme einer Frau.

Als Bit die Augen wieder öffnet, ist die Welt weich im frühen Morgenlicht. Auf dem Stoppelfeld ragen Strohbüschel aus dem zertrampelten Schnee. Sie sind auf der Schafweide, und er spürt, wie die Menge dichter wird. Hinter Bit erhebt sich Handys Stimme. Sie richtet sich an alle Mitglieder Arcadias, an sieben Dutzend Gläubige an diesem Wintermorgen. Als Bit den Kopf dreht, sieht er Handy zwischen den braunen Strünken des frühen Stinktierkohls am Rande des Waldes sitzen. Er wendet sich wieder um, drückt die Wange an die pulsierende Ader am Hals seines Vaters.

Bit ist winzig, leicht wie eine Feder. Oft nimmt ihn jemand auf den Arm, trägt ihn herum. Er hat nichts dagegen. Geschmiegt an die kräftigen Körper der Erwachsenen, ist er wie verschwunden. Von dort kann er beobachten, kann er zuhören.

Über Abes Schulter, weit oben auf dem Hügel, ragt der Backsteinschatten von Arcadia House empor. Im Wind werden die Planen, die das verrottete Dach bedecken, zwischen die Balken gesogen und wieder aufgebläht, wie der atmende Bauch eines Tieres. Die halb verglasten Fenster sind wie offene Münder, die ganz verglasten starren Bit an wie Augen. Er wendet das Gesicht ab. Hinter Abe sitzt der alte Mann in seinem Rollstuhl. Es ist Midges Vater, der sich gerne einen Spaß daraus macht, die Kinder zu erschrecken, indem er wie eine Rakete den Hügel hinunterrollt. Auch jetzt schwappt Angst über Bit hinweg: der Umriss und das Quietschen, das Aufblitzen des zahnlosen Mundes, die Fahne mit Hammer und Sichel, die schlägt, als er vorbeifährt. Hannah nennt den alten Mann Raketenrolli und verzieht dabei den Mund. Andere nennen ihn den Zionisten, weil das sein Schlachtruf nach Sonnenuntergang ist: Zion, das Gelobte Land, in dem Milch und Honig fließen, das Land des Überflusses, in dem sich sein Volk endlich zur Ruhe setzen kann. Eines Abends, als er ihn wieder hörte, hat Bit gefragt: Weiß denn Raketenrolli nicht, wo er ist?, und Abe blickte auf Bit hinab, der inmitten seines Holzspielzeugs hockte, und sagte nachdenklich: Wo ist er denn? Und Bit sagte: In Arcadia, und meinte es so, wie Handy mit seinem runden Buddha-Gesicht es immer sagt, wenn er mit seinen schönen Sätzen so lange auf die Gemeinschaft einspricht, bis alle es vor sich sehen: die Felder, voller Früchte und Getreide, den Sonnenschein und die Musik und die Menschen, von denen sich jeder liebevoll um den anderen kümmert.

An diesem kalten Morgen jedoch ist Raketenrolli viel zu klein und griesgrämig, um zu erschrecken. Fast schläft er unter der karierten Decke, in die ihn Midge gewickelt hat. Er trägt eine Jägermütze mit heruntergeklappten Ohrenschützern. Beim Atmen pfeift er durch die Nase wie eine Dampflok, und Bit muss an den Kessel auf dem Herd denken. Handys Stimme schwebt über ihn hinweg: … Arbeit, die Freude daran und Vielfalt sind offensichlich das Bestreben der Natur … Worte, zu schwerfällig für die leisen Schritte dieses Morgens. Während es heller wird, ist auch Raketenrolli besser zu erkennen. Adern ziehen sich über seine Nase, Schatten legen sein Gesicht in Furchen. Er richtet sich auf, blickt Bit finster an, fährt mit den Händen über die Decke auf seinem Schoß, wieder und wieder.

Gott, sagt Handy, oder der Ewige Funke ist in jedem menschlichen Herzen, in jedem Stück dieser Erde. In diesem Stein, in diesem Eis, in dieser Pflanze, diesem Vogel. Sie alle verdienen unsere Zuwendung.

Das Gesicht des alten Mannes verändert sich. Erstaunen stiehlt sich in seine ergrauten Züge. Erschrocken kann Bit den Blick nicht lösen. Die Augen blinzeln, aber dann hören sie auf, bleiben offen stehen. Bit wartet darauf, dass wieder ein Dampfstoß aus der zerklüfteten Nase kommt. Als das nicht geschieht, bildet sich ein Knoten in seiner Brust. Er hebt den Kopf von Abes Schulter. Langsam legt sich ein violetter Schatten über die Lippen des alten Mannes, ein Nebel, eine Eisschicht schiebt sich über seine Augäpfel. Stille windet sich durch den Greis wie ein Band.

Hinter Bit spricht Handy über die Tournee, auf die er in ein paar Monaten gehen wird, um das Wort Arcadias zu verbreiten … werde ein paar Monate weg sein, doch ich habe Vertrauen zu euch Free People. Ich bin euer Guru, euer Lehrer, doch euer Anführer bin ich nicht. Wenn euer Lehrer gut genug ist, seid ihr alle eure eigenen Anführer … und die Leute um Bit schmunzeln, irgendwo schreit die kleine Pooh, und Hannahs Hand kommt von der Seite zu Bit und streift ihm die Mütze wieder über, die auf einer Seite hochgerutscht ist, sodass das Ohr kalt wurde.

Handy sagt: Erinnert euch an die Grundlagen unserer Gemeinschaft. Sprecht sie gemeinsam mit mir. Die Stimmen erheben sich: Gleichheit, Liebe, Arbeit, Offenheit für die Bedürfnisse jedes Einzelnen.

Ein Lied kommt auf. Sing a song full of the faith that the dark past has taught us. Abe bewegt sich unter Bit im Takt der Musik. Sing a song full of hope that the present has brought us. Facing the rising sun of our new day begun … Damit endet das Lied.

Eine Stille. Ein Durchatmen. In dem großen Om, das sich aus der Masse der Free People erhebt, flattern aufgeschreckte Krähen vom Dach des Arcadia House empor, Kleckse in der Luft. Über ihnen erblüht der Sonnenaufgang.

An einem so vollkommenen Morgen ist selbst der alte Mann schön, das Blau seiner Bartstoppeln auf der jetzt blassen Haut seiner Wange, die Weichheit seines Kinns, die Haarbüschel in seinen Ohren schimmern golden. Das Licht, das zum Leben erwacht ist, hat ihn weich gemacht. Es hat ihn gut gemacht.

Als die letzte Stimme verstummt, kurz bevor Handy Danke, meine Freunde ruft, legt Midge die Hand auf die Schulter ihres Vaters. Dann streift sie ihren Handschuh ab, drückt ihre bloße Handfläche an die Wange des alten Mannes. Und während Bewegung in Arcadia kommt, während seine Seele sich schüttelt, während man sich umarmt und seine gute Energie miteinander teilt, durchschneidet Midges Stimme den Lärm. Vater?, ruft sie aus. Dann lauter: Vater?

Es ist nicht die Schnelligkeit, mit der sich Hannah Bit schnappt und mit ihm zum Brotwagen läuft, oder die Tatsache, dass Abe zurückbleibt, um Midge zu helfen. Es ist nicht die Besonderheit zum Frühstück, die getrockneten Blaubeeren in der Hafergrütze, oder dass Hannah schweigend am Fenster steht und in ihren grünen Tee pustet. Es ist nicht einmal das, was Abe sagt, als er nach Hause kommt: Karmische Energie vereine sich mit dem Äther, das Natürliche, der ewige Kreislauf des Lebens, oder jeder müsse sterben, Ridley, mein Schatz. Abe tut sein Bestes, aber Bit begreift es nicht. Er hat gesehen, wie der alte Mann schön wurde. Und er fragt sich, warum seine Eltern so besorgt aussehen.

Die Traurigkeit, die sie empfinden, wird erst spürbar, als Hannah das schmutzige Frühstücksgeschirr auf den Tisch fallen lässt und in Tränen ausbricht. Sie läuft über den Quad hinaus zum Pink Piper und sucht Trost bei Marilyn und Astrid, den Hebammen.

Abe lächelt Bit etwas schief zu und sagt: Mit deiner Mama ist alles in Ordnung, kleiner Bit. Das heute Morgen hat sie bloß schwer getroffen, weil es ihrem Papa momentan auch nicht so gut geht.

Bit spürt den Hauch der Lüge in diesen Worten. Hannah ist schon eine Weile nicht mehr bei sich selbst. Bit wartet, bis sich die kleine Unwahrheit verzogen hat.

Hannahs Dad, der in Louisville wohnt?, fragt er. Im Herbst sind die Großeltern bei ihnen zu Besuch gewesen, ein dicker Mann mit einer Kreissäge auf dem Kopf und ein aufgeblasenes Nervenbündel ganz in Rosa. Bit wurde gedrückt und begutachtet. Er ist so winzig, hat die Frau geflötet, ich hätte gedacht, er ist keine drei statt schon fünf! Man sah ihn von der Seite an, und Hannah sagte durch die Zähne: Er ist nicht zurückgeblieben, er ist in Ordnung, bloß ein bisschen klein. Gott, Mutter. Es gab ein Essen, das die rosa Dame nicht anrührte und bei dem sie sich alle paar Sekunden die Augenwinkel mit dem Taschentuch betupfte. Es hat einen schlimmen Streit gegeben, und dann sind der Dicke und das rosa Nervenbündel abgereist.

Als ihre Eltern wegfuhren, hatte Hannah Tränen des Zorns in den Augen. Sie sagte: Sollen sie doch in ihrer bourgeoisen Kapitalistenhölle verrotten! Abe hat sie sanft angelächelt, und nach einer Minute war die Wut in ihren Augen erloschen. Wider Willen musste auch sie lachen.

Da sagt Abe: Ja, dein Opa in Louisville. Er liegt im Sterben. Deine Oma will, dass deine Mutter hinfährt, aber Hannah will nicht. Aber wir können sie hier sowieso nicht entbehren.

Wegen des Geheimnisses, sagt Bit. Seit etwa einem Monat tuscheln alle über das Geheimnis, seit dem Tag, an dem Handy angekündigt hat, dass er auf Musiktournee geht. Wenn Handy weg ist, werden sie Arcadia House fertig bauen, damit sie alle aus Ersatz-Arcadia, dieser losen Ansammlung von Bussen und Schuppen, ausziehen und endlich zusammenwohnen können. Das haben sie schon seit drei Jahren vor, seit sie das Land gekauft und das Haus gefunden haben, aber der Hunger und die harte Arbeit haben sie davon abgehalten. Arcadia House soll ein Geschenk für Handy sein, wenn er zurückkehrt.

Abes Augen blitzen, und seine Lippen verziehen sich zu einem Lächeln und zeigen seine kräftigen Zähne inmitten des roten Bartes. Schätze, es ist kein Geheimnis mehr, wenn schon unser Knirps davon weiß, sagt er.

Sie spielen eine Runde Quartett, bis Hannah zurückkommt. Sie sieht noch verweint aus, hat sich aber beruhigt. Sie sagt, Astrid und Marilyn seien zu ihren Amish-Nachbarn zu einer Geburt gerufen worden. Zur Begrüßung legt Hannah kurz ihre Wange in Abes Halskuhle und gibt Bit einen Kuss auf die Stirn. So wie ein Seufzer zum Atemzug wird, kehrt das Leben zurück. Hannah stochert im Holzofen, und Abe dichtet den zugigen Spalt zum Vorbau ab, den er am Brotwagen errichtet hat. Später essen sie zu Abend, Abe spielt ein Lied auf der Mundharmonika, und als es Nacht wird, kuscheln sich die drei zusammen auf die Matratze, und Bit schläft, eine Nuss in der Schale seiner Eltern.

Der Wald ist dunkel und tief und bedrängt Bit so sehr, dass er vor den knorrigen Baumstümpfen und dem Ächzen des Windes in den Ästen wegläuft. Seine Mutter ruft, er solle in der Nähe bleiben, aber er hält nicht inne. Als er in die Lichtung beim Torhaus kommt, tut sein Gesicht weh vor Kälte.

Titus, ein pockennarbiger Riese, zieht das Gatter auf. Er sieht alt aus, älter noch als Handy, weil er an den Folgen von Vietnam leidet. Bit bewundert Titus. Titus nennt Bit Däumling. Er kann ihn auf einer Hand hochheben und schmuggelt Bit manchmal sogar ein paar Süßigkeiten von draußen aufs Gelände – rosa Kokoskuchen in Zellophan oder Pfefferminzringe, die aussehen wie blutunterlaufene Augen –, obwohl Zucker bei ihnen streng verboten ist und bei der Herstellung von Süßigkeiten bestimmt Tiere zu Schaden kommen. Bit glaubt, genauso wie der chemische Nachgeschmack muss die Welt jenseits von Arcadia schmecken. Titus steckt ihm ein Karamellbonbon in zerknittertem gelben Einwickelpapier zu, von dem einem die Zunge am Gaumen klebt, und zwinkert. Bit drückt das Gesicht einen Moment lang an die speckige Jeans seines Freundes und läuft weiter.

Ganz Arcadia hat sich auf der vereisten Straße eingefunden, um sich zu verabschieden. Handy sitzt im Lotussitz auf der Kühlerhaube des Blue Bus, bei sich seine vier blonden Kinder, Erik und Leif und Helle und Ike. Seine Hauptfrau Astrid, groß und weißblond, blickt zu ihnen empor. Sie nimmt eine Hanfkette von ihrem Hals und legt sie Handy um, gibt ihm einen Kuss auf sein drittes Auge. Selbst über das Motorengeräusch hinweg ist der muntere Country-Song zu hören, der aus dem Radio dröhnt. Handys andere Frau, Lila, die in ihrem schwarzen Haar Federn trägt, sitzt neben dem schmächtigen kleinen Hiero, ihrem anderen Ehemann. Die Bandmitglieder umarmen diejenigen, die sie zurücklassen, und hieven ihre Sachen in den Bus. Dann reicht Handy die Kinder hinunter: Ike, der mehrere Zentimeter größer ist als Bit, obwohl ein Jahr jünger; Helle, die wie ihr Vater an einen Frosch erinnert; Leif, der immer wütend ist; der pummelige Erik rutscht von selber von der Kühlerhaube herunter, landet auf den Knien und kämpft mit den Tränen.

Auf der Veranda des Torhauses streiten Wells und Caroline, hochrot im Gesicht. Bits Freundin Jincy blickt ratlos zwischen ihren Eltern hin und her. Obwohl ihr drahtiges Haar vom Wind in alle Himmelsrichtungen absteht, ist ihr Gesicht bleich und unbewegt.

Vom Weg ertönen Glöckchen, Stimmen, und kurz darauf kommen aus dem Nichts die großen, breiten Köpfe von Riesen über den Ästen in Sicht. In Bits Bauch macht sich ein Wohlgefühl breit, so schön ist es. Jetzt kommen die Circenses Singers den Weg entlang, Hans und Fritz und Summer und Billy-goat in ihren weißen Gewändern, und sie tragen Adam und Eva, Puppen, die sie neu gemacht haben, und sie sind nackt und riesig und haben gerötete Geschlechtsteile. An Wochenenden fahren die Circenses Singers oft zu Demonstrationen und Protestmärschen, wo sie bei Konzerten tanzen und manchmal Geld einsammeln. Jetzt singen sie unter den riesigen, unheimlichen Puppen. Als sie fertig sind, jubeln alle, und sie packen die großen, knubbeligen Biester auf das Dach eines VW-Busses.

Bye-bye-bye-bye, ruft der kleine braune Dylan aus Sweetie Fox’ Armen. Bit läuft zu seinem Freund Coltrane, der mit einem Stecken in einer vereisten Pfütze stochert. Cole gibt Bit den Stecken, und Bit stochert auch mit, reicht den Stecken an Coles Bruder Dylan weiter, und Dylan wedelt damit herum.

Gingery Eden mit ihrem riesigen Babybauch zerbricht eine Flasche Brause auf der Kühlerhaube des Blue Bus und massiert sich den Rücken, während sie dasteht. Ihre weißen Zähne blitzen so hell inmitten ihres kupferroten Haares, dass Bit tanzen möchte.

Handy ruft, dass sie zurück sein wollen, bevor im Frühjahr mit dem Säen begonnen wird, und die Free People jubeln, und Tarzan reicht Handy eine Kühltruhe mit Bier hoch, für dessen Bezahlung der Motor Pool einen Motor verkauft hat, und Astrid drückt Lila einen langen Kuss auf die hübschen Lippen, Hiero tut es ihr nach und gleitet zu Boden, und es gibt noch mehr Küsse, die Liebsten und Frauen der Bandmitglieder werfen Handküsse zu den Fenstern hoch, und dann röhrt der Motor noch lauter, und der Bus rollt in Richtung Landstraße los. Alle jubeln, und einige Leute weinen. In Arcadia weint immer einer. Andere führen einen lustigen Tanz auf, lachend.

Helle stolpert dem Bus hinterher und schluchzt wegen ihres Vaters. Sie bricht ständig in Tränen aus oder schreit, dieses seltsam aussehende kleine Mädchen mit dem großen Kopf. Astrid nimmt Helle hoch, und die Kleine heult an ihrer Brust. Langsam wird das Brummen des Busses leiser. In der Stille wirken die Geräusche, die noch da sind, doppelt so laut: das Krachen des Eises in den Ästen, der Wind, der wie Sandpapier über den verschneiten Boden kratzt, das Flattern der Gebetsfahnen, die über der Veranda das Torhauses aufgehängt sind, das Quietschen der Gummistiefel auf dem gefrorenen Schlamm.

Als sich Bit umdreht, schauen alle zu seinem Vater.

Abe grinst sie an, die vier Dutzend, die keine Musik machen und zurückgeblieben sind. Es scheinen so wenige zu sein. Abe ruft laut: Hört mal, alle miteinander. Seid ihr bereit zu arbeiten, bis die Knochen krachen?

Ja, rufen sie. Bit geht zu Hannah zurück und legt den Kopf an ihre Hüfte. Sie schirmt ihn gegen den Wind ab und wärmt sein Gesicht mit ihrer Hitze.

Motor Pool, seid ihr bereit, in die Wildnis von New York hinauszuziehen und zu ackern bis zum Umfallen, damit wir das besorgen oder kaufen können, was wir brauchen, um das hier zu tun?

Zur Hölle, ja, ruft Peanuts, und hinter ihm recken Wonder Bill und Tarzan die Fäuste.

Frauenzimmer, seid ihr bereit, zu putzen und zu wienern und zu polieren und zu schrubben und zu bohnern und auf die Kinder aufzupassen und die Bäckerei und die Sojamolkerei und die Wäscherei zu betreiben und zu kochen und zu spülen und Holz zu hacken und all den anderen Alltagskram machen, der erledigt werden muss, damit wir Free People stark und gesund bleiben, während all diese Arbeit getan wird?

Die Frauen rufen Hurra, und ein Stück über Bits Kopf flüstert Astrid Hannah mit ihrer seltsamen Lispelstimme etwas zu. Als würden wir das nicht sowieso machen, längst. Bit wendet den Blick ab. Wenn Astrid etwas sagt, zeigt sie Zähne, die so gelb und krumm sind, dass er das Gefühl hat, sich etwas Verbotenes anzuschauen.

All ihr schwangeren Ladys, ihr Hennen aus dem Hühnerhaus, seid ihr bereit, diese Vorhänge zu nähen und diese Teppiche zu weben und zu knüpfen und dadurch alle Räume gemütlich und heimelig zu machen? Einzelne Jas von Seiten der überraschten Hennen. Ein Baby fängt zu quäken an.

Abe ruft: All ihr Männer, seid ihr bereit, in der Kälte und dem Mief dieses alten Hauses zu schuften, bis es endlich steht und fertig ist, mitsamt Rohren und Dach und allem Drum und Dran? Die Männer schreien und johlen.

Abes Gesicht wird ernst, und er hebt eine Hand. Noch eines, Männer und Frauen. Ich weiß, wir leben hier ohne Rangordnung zusammen, aber da ich diplomierter Ingenieur bin und Hiero all die Jahre als Vormann auf dem Bau gearbeitet hat, dachten wir, wir könnten diejenigen sein, die hier das Sagen haben, was meint ihr? Aber Bosse sind wir hier nur auf Abruf, und wenn einer eine bessere Idee hat, wie man etwas machen könnte, sagt uns Bescheid. Bloß kommt erst zu uns, bevor ihr alleine auf gut Glück etwas Neues macht, damit wir hinterher nicht unsere Zeit und unsere Knete dafür verschwenden müssen, um etwas wieder ins Lot zu bringen. Wie auch immer, Schluss mit den ernsten Reden. Wir haben noch etwa vier Stunden Tageslicht heute und nur drei Monate, um ein zerfallenes Herrenhaus aus dem neunzehnten Jahrhundert herzurichten. Oder ein Waisenhaus, was auch immer es war. Reißen wir uns also unsere hübschen Beatniks-Ärsche auf.

Rufen, Füßetrappeln, die Gruppe dampft vorwärts, die meilenlange Auffahrt hoch, die mit Eis verkrustet ist. Sie lachen, ihnen ist warm, sie sind bereit. Als Bit zum letzten Mal in Arcadia House war, hat er einen Sprössling gesehen, der in einer Badewanne mit Klauenfüßen Wurzeln geschlagen hatte, und das Dach war so eingefallen, dass man Wolken und Sonne hat durchblitzen sehen. Wie wunderbar wird es sein, wenn das Haus endlich fertig ist, wenn es ordentlich und warm darin ist. Ist es schon das reine Glück, sich zum Schlafen an seine Eltern zu kuscheln, wie wird es dann erst sein, mit achtzig anderen Menschen die Nacht zu verbringen! Kinder flitzen um die Beine der Erwachsenen, ehe Sweetie Fox sie einsammelt und zum Spielen über die Abkürzung zum Pink Piper bringt.

Bit bleibt zurück, weil er spürt, dass etwas nicht stimmt. Er dreht sich noch einmal um.

Hannah steht allein am Tor. Der Boden um sie herum ist schlammig. Bit hört den leisen Ruf eines Vogels. Er geht langsam zurück zu seiner Mutter. Als er fast bei ihr ist und sie immer noch so klein aussieht, beginnt er zu laufen. Sie steht mit hängenden Schultern da, in einem von Abes alten Pullovern, und zittert. Ihr Gesicht sieht in sich versunken aus, und obwohl er weiß, dass sie vierundzwanzig ist, wirkt sie in diesem Moment jünger als Erik, jünger als Jincy, so jung wie Bit selbst. Er zieht seinen Fäustling aus, um seine Hand in ihre zu schieben. Ihre Finger sind eiskalt.

Als sie seine Hand spürt, lächelt sie von weit oben auf ihn herab, und er erkennt inmitten dieser geschrumpften Frau seine Mutter wieder. Sie sagt: Ist ja gut, Bit. Ist ja gut.

Ein Schneesturm fegt über sie hinweg. Bit träumt von lauernden, hungrigen Wölfen mit roten Augen, die den Brotwagen umkreisen. Sie heulen, kratzen an der Tür. Er schreckt aus dem Schlaf hoch. Ihn verlangt nach seiner Mutter, aber es ist Abe, der aufsteht und Bit durch das Fenster die unberührte weiße Schneedecke zeigt, die Haufen Schnee, auf denen keine Pfotenspuren zu sehen sind. Abe wärmt Sojamilch auf und hüllt Bit in die weichste Decke ein, die sie haben, wie einen Burrito. Um ihn wieder in den Schlaf zu wiegen, erzählt er ihm die Geschichte, wie er auf die Welt kam, eine Geschichte, die Bit in- und auswendig kennt. Die Legende von Bit Stone, dem ersten Arcadier überhaupt, ist eine dieser Geschichten, die schon so oft erzählt wurden, dass jeder sie für sich beansprucht. Die größeren Mädchen spielen sie manchmal im Pink Piper und ersetzen Bit einfach durch das jüngste der Babys.

Du kamst in der Karawane zur Welt, sagt Abe ganz leise, als wir noch eine Handvoll Groupies waren, die Handy folgten, auf der Suche nach spiritueller Nahrung. Höchstens zwei Dutzend waren wir. Wir gingen auf Handys Konzerte, besuchten die Versammlungen hinterher. Überall, wo wir hinkamen, begegneten wir Gleichgesinnten, es gab Kommunen, die funktionierten, andere nicht. Die Leute wohnten in Jurten und unter geodätischen Kuppeln, in Schwitzhütten oder in besetzten Häusern in den Innenstädten, und langsam wurde uns klar, auch wenn damals fast jeder etwas in dieser Richtung machte, war das, was wir anstrebten, ungewöhnlich. Rein. Wir wollten mit dem Land leben, nicht nur auf ihm. Wir wollten dem Übel des Kommerzes entkommen und ein eigenes Leben führen, von Grund auf. Unsere Liebe würde wie ein Leuchtturm strahlen und die Welt erhellen.

Jedenfalls war damals Handy der Einzige mit einer medizinischen Grundausbildung, weil er in Korea als Sanitäter gearbeitet hatte, und er dachte, Hannah sei erst im fünften Monat, weil sie nicht besonders dick war. Und da sind wir nun, fahren durchs Gebirge, auf dem Weg von Oregon nach Boulder, als plötzlich ein Schneesturm aufkommt, handtellergroße Schneeflocken fliegen gegen die Windschutzscheibe, und ehe man sich versieht, beschließt Hannah, dass ihre Zeit gekommen ist. Damals fuhren wir den kleinen VW-Bus, den der Motor Pool für Fahrten in die Stadt benutzt. Wir hatten ihn mit einem Ofen und allem Möglichen gemütlich ausstaffiert, aber es war eines der kleineren Fahrzeuge, weshalb wir dort auf den schmalen Gebirgsstraßen ganz weit hinten in der Reihe fuhren. Ich wusste, dass ich nach vorne zu Handy musste, weil ich nicht den blassesten Schimmer hatte, wie man ein Kind zur Welt bringt, ob es nun zu früh dran war oder nicht. Also los, und wir rumpeln auf der linken Spur an allen vorbei und wären mit Sicherheit mausetot gewesen, wenn aus der anderen Richtung einer gekommen wäre. Schließlich überholen wir den Pink Piper, und ich bringe den ganzen Rattenschwanz dazu, langsamer zu fahren. Wir kommen an einem Straßenschild vorbei, auf dem «Ridley WY, fünftausend Einwohner» steht, und ich denke, die müssen da ja ein Krankenhaus haben, aber da klebt Schnee an dem Schild, und natürlich biege ich falsch ab. Und wir fahren weiter und weiter, Meile um Meile, und draußen ist es stockfinster, und dann sehen wir endlich Lichter und bleiben stehen, und die Karawane stellt sich vor uns und den Pink Piper, um den Wind abzuhalten, und die Tür geht auf, und irgendeine schneebedeckte Gestalt kommt herein. Ich habe mit Handy gerechnet, aber wer ist es? Astrid.

Handy sieht Gesichter an der Busdecke, sagt sie. (Abe macht Astrids norwegischen Akzent nach, was Bit immer zum Kichern bringt). Er hat gerade drei Meskalintabletten geschluckt. Aber ich habe einen Magister in viktorianischer Literatur und selber drei Babys zur Welt gebracht, also kenne ich mich mit Entbindungen aus.

Kann durchaus sein, dass sie nur Flausen im Kopf hatte, aber immerhin wusste sie mehr als ich, und so sagte ich: Na gut. Wir ziehen uns alle nackt aus, weil das natürlich ist, und Astrid scheucht mich herum. Da, mach Wasser heiß! Koch die Messer ab! Hol saubere Handtücher! Aber kaum habe ich das heiße Wasser gebracht, wird Hannah ohnmächtig, und in genau dem Moment kommst du raus, einfach so, plopp!, ganz blutig. Na ja, ich hatte keine Hoffnung mehr. Du warst so winzig, kaum größer als ein Apfel, und hast dich kaum gerührt. Nicht mal geschrien hast du. Deine armen Lungen waren viel zu klein. Aber Astrid hat dich sauber gemacht und dich an die Brust deiner Mutter gelegt, und du hast einen solchen Lebenswillen gehabt, kleiner Mann, dass du gleich wie ein Wilder an ihrer Brustwarze genuckelt hast, die so groß war wie dein kleiner Mund. Astrid stieß einen Schrei aus und wandte sich dann gleich wieder Hannahs Yoni zu, weil, stell dir vor, da noch was anderes rauskam, die Nachgeburt.

Abe hält inne, streicht Bit geistesabwesend über den Kopf.

Astrid packt alles in ein Tuch ein und schickt mich mit einer Schaufel raus, und ich kämpfe mich bis zu dem schwarzen See durch den Schnee und buddele mich durch die schwarzen Kieselsteine, bis ich ein Loch ausgehoben habe, und dann decke ich alles wieder gut ab, sage ein paar Worte der Dankbarkeit und bahne mir meinen Weg zurück.

Dann wurde es Morgen, die Sonne ging auf, und ich sage dir, es war wunderschön. Die Sonne brachte den gefrorenen See zum Schimmern, als wäre da drinnen ein Licht, und das Eis am Fuße dieser herrlichen, lila überzogenen Berge sah aus wie geschmolzenes Blei. In der Stadt läuteten dir zu Ehren die Kirchenglocken, für dich, unser Wunderkind. Und dann kamen die Leute aus dem Ort, ganz schüchtern, brachten Essen und Brot und legten sie vor die Kühlerhaube unseres VW-Busses. An diesem Morgen wusste Astrid, dass sie ihre Berufung gefunden hatte. Ihre Hände waren dazu gemacht, Babys auf die Welt zu bringen. Du seist ein Geschenk, sagte sie. Sie packte dich dick in einen Wollschal ein und marschierte mit dir in den Lebensmittelladen, um dich zu wiegen. Du wogst genau anderthalb Kilo. Genauso viel wie ein winzig kleiner Butternusskürbis.

Die alte Dame im Laden war eine verknöcherte deutsche Vettel, die sich furchtbar darüber aufregte, dass wir Langhaarigen uns zwischen ihren krummen Kartoffeln und Kohlköpfen herumtrieben, aber sie brauchte dich nur einmal kurz anzuschauen, und ein Strahlen ging über ihr Gesicht. Sie sah plötzlich ganz toll aus, fast glaubte ich, einen Lichtstrahl zu sehen, der aus ihrem Mund schien. Und sie sagte: Na, wenn das nicht der winzigste Hippie ist, der jemals gemacht wurde!

Und so kam es, Ridley Sorrel Stone, dass man dich nach einer Stadt benannt hat, die wir nie zu Gesicht bekommen haben, und dass man dich Bit ruft, weil du so ein Winzling von Hippie warst. Ein Arcadianer der ersten Stunde, unser erster und einziger Sohn, sagt Abe, und er kneift vor Rührung die Augen zusammen, bis sie wieder klar sind, und dann gibt er Bit ein Küsschen in den Nacken, was schrecklich kitzelt und Bit zum Lachen bringt, und auf einmal ist alles wieder gut. Vergessen ist die Tatsache, dass es im Brotwagen zieht, und vergessen sind die Wölfe mit den roten Augen und der Sturm und die Müdigkeit von Hannah und der Morgen voll harter Arbeit, der auf sie wartet.

In den ersten paar Tagen nach Handys Aufbruch fühlt sich die Welt an, als wäre sie aus dem Gleichgewicht geraten. Er ist nicht da, um die Weinenden zu trösten oder diejenigen, die einen schlechten Trip hatten, und keiner dreht wie er jeden Tag eine kleine fröhliche Runde zu den einzelnen Arbeitsgruppen, um sie aufzumuntern. Kein struppiger grauer Bart, keine flinken, zwinkernden Augen, kein ständiges Klimpern auf der Gitarre, der Ukulele oder dem Banjo. Einige Tage noch sind die Schritte der Zurückgelassenen nicht entschlossen genug, und jedes zweite Wort, das ihnen über die Lippen kommt, ist Handy. Dann jedoch kommt ein Morgen, an dem Bit kein einziges Mal an Handy denkt, bis er über die kleine Pooh fällt, die ihm in den Weg gepurzelt ist, sich die Hände aufschürft und wartet, dass Handy vom Pink Piper herabsteigt und ihn aufhebt, ihm tief in die Augen schaut, kosmische Energie sammelt und sagt: Ach, du winzig kleiner Bit, ist alles in Ordnung, kleiner Mann, reg dich nicht auf. Mit dem Schmerz sagt dir dein Körper, dass du nächstes Mal vorsichtiger sein sollst. Stattdessen gibt ihm die hübsche Sweetie Fox ein Küsschen auf die Hände, wäscht sie mit kaltem Wasser ab und macht einen Verband darum. Abe stellt die Arbeitsmannschaften zusammen. Astrid legt Streitigkeiten bei, verteilt Umarmungen oder macht mit Leuten Yoga, um Spannungen zu lösen. Zwei von den Typen aus dem Singlezelt sind so wütend aufeinander, dass sie fast den ganzen alten Bodenbelag im oberen Stockwerk von Arcadia House abschleifen, an einem einzigen Tag, eine unglaubliche Leistung, und jetzt sind sie die besten Freunde und unzertrennlich. Die Musik ist nicht so gut wie sonst, aber es gibt Musik: Kassettenrekorder und Gitarren und Mundharmonikas. Es ist, als würden sie alle miteinander ein wenig von dem leeren Raum ausfüllen, den Handy hinterlassen hat.

Im Halbschlaf, spät, hört Bit Hannah murmeln: Es ist nichts. Ich bin einfach nur müde.

Wirklich? Brauchst du eine Pause? Ich bin mir sicher, das Geld für den Greyhound können wir irgendwie zusammenkratzen …

Nein, Schatz.

Es raschelt, etwas berührt ihn am Fuß.

Apropos.

He, warte mal. Tut mir leid, Schatz. Tut mir leid, nein.

Werden wir jemals? Noch mal?

Es ist einfach nur … Ich möchte lieber nicht.

Okay, Bartleby.

Seine Eltern lachen leise, und als sie damit aufhören, tritt eine andere Stille ein. Bit lauscht, bis er langsam nichts mehr hört, und dann nimmt er nur das Geräusch des Kusses mit hinüber in den Schlaf.

Wie der Traktor, der beim Anlassen einen Satz nach vorne macht, kommt Arcadia von einem Moment auf den anderen in Fahrt. Einer ist immer atemlos, einer ist immer am Laufen. Die Leute führen lange Gespräche über Holzfäule und Epoxidharz. Mitten in der Nacht wird an die Tür des Brotwagens geklopft, wenn diejenigen zurückkommen, die nach Syracuse, Rochester, Albany oder Utica gefahren sind, um in leer stehenden Häusern Baumaterial zu plündern. Am Morgen pfeift Abe vor sich hin, wenn er die kunstvoll geschnitzten Kaminsimse oder die Waschbecken aus Speckstein befingert, die wie durch Zauber auf dem Platz vor der achteckigen Scheune aufgetaucht sind. Er ist ein Wirbelwind voller Pläne, lacht oft in sich hinein, und seine Energie steckt die anderen an, selbst Bit möchte tanzen.

Es ist Morgen, und Hannah hat Kaffee in Abes Thermoskanne gegossen. Sie hat ihnen Rührtofu zubereitet, ganz weichen, frischen Sojakäse, der mit Hefe gelb gemacht wird. Als Abe mit klirrendem Werkzeuggürtel den Hügel zum Arcadia-House hoch marschiert, geht auch Hannah, um in der Bäckerei zu arbeiten.

Bit baut mit Leif und Cole eine Burg aus Holzklötzen, als er Hannah über den Platz gehen und in den Brotwagen steigen sieht. Er wartet den ganzen Tag, aber sie holt ihn nicht ab. Das Zwielicht der Dämmerung ergießt sich über die Fenster. Rund um den Vorplatz füllt sich die kalte Luft mit den Stimmen und Stiefelschritten der Männer und der Frauen, die nach Hause kommen. In den halbrunden Wellblechhütten der Familien wuselt es, der Pink Piper spuckt Kinder in die Dunkelheit, aus dem Singlezelt steigt der Geruch von gebratenen Zwiebeln und Tempeh, und auf das leise Quäken des Babys Felipe antwortet ein noch kleineres Kind, Norah oder Tzivi, das aus dem Schlaf hochgeschreckt ist. Türen gehen auf, fallen ins Schloss, es wird gerufen, während alle heimkehren. Schließlich bittet er Sweetie, ihn anzuziehen, und geht allein nach Hause.

Hannah setzt sich auf dem Bett auf, streckt sich und nimmt Bit huckepack, damit er draußen pinkeln kann. Barfuß rennt sie über den gefrorenen Boden. Auf dem Klo riecht es nach nasser Bisamratte, aber es ist windgeschützt und warm. Hannah flucht, als sie sieht, dass an dem Nagel für das Toilettenpapier nur Hochglanzpapier aus einem Life-Magazin hängt. Hochglanzpapier ist scharf und fühlt sich kalt an, später juckt es.

Als sie wieder zurück sind, kommt ihnen die feuchte Luft des Brotwagens irgendwie kälter vor als draußen, und Regina steht mit einem Laib Brot am Küchentisch. Sie dreht sich um und winkt kurz. Hallo, sagt sie.

Hallo, erwidert Hannah den Gruß und setzt Bit ab. Er läuft zu dem Brot und reißt sich ein Stück ab, um es zu mampfen. Bit hat sich versteckt, als Hannah ihn nicht zum Mittagessen abholte, und folglich seit dem Frühstück nichts gegessen. Er ist am Verhungern. Hannah kniet sich hin, um in den weißen Ascheresten des Holzofens ein Feuer zu entfachen, Kiefernzapfen als duftende Anzündhilfe.

Wir haben dich heute Nachmittag in der Bäckerei vermisst, sagt Regina. Ich wollte dich bitten, die Körner zu mahlen, aber du warst weg. Sie hat Mehlspuren am Scheitel ihrer schwarzen Zöpfe, und irgendetwas Schimmerndes klebt an ihren Wangenknochen. Ihre Augen sind klein und liegen tief in den Höhlen, aber ihre Augenbrauen sind dunkel und buschig wie die Schwingen von Krähen.

Ich werde krank, sagt Hannah. Sie klingt angespannt, aber als sie mit dem Streichholz die Kerosinlampe anzündet, sieht ihr Gesicht in dem warmen Schein ganz normal aus. Ich wollte niemanden anstecken, deshalb dachte ich, ich gehe lieber heim.

So, sagt Regina. Okay. Es ist bloß so, dass nur noch Ollie und ich in der Bäckerei sind, wenn du das machst, jetzt, wo alle mit dem Umbau von Arcadia House beschäftigt sind. Wenn du rechtzeitig Bescheid sagst, ist es in Ordnung, aber wenn wir mit dir rechnen, ist es blöd.

Tut mir leid, sagt Hannah. Morgen bin ich den ganzen Tag da.

Geht es um das, was da im Herbst passiert ist …, beginnt Regina, aber Hannah macht Psst. Bit blickt auf und sieht, dass Regina zu ihm schaut.

Ach, sagt Regina. Aber eigentlich ist es doch nicht unsere Art, so etwas zu verschweigen. Es gehört doch zum Leben dazu …

Er ist immer noch so klein, sagt Hannah. Wir sagen es ihm, wenn es an der Zeit ist. Das ist unsere Entscheidung.

Handy sagt, dass Kinder den Menschen nicht gehören

Mein Kind, sagt Hannah nachdrücklich. Es ist mir egal, was Handy sagt. Wenn du eins hättest, wüsstest du, wie das ist.

Die beiden Frauen wenden sich voneinander ab und machen sich an irgendetwas zu schaffen, Hannah an den Streichhölzern, Regina an der Kaffeekanne. Die Luft ist erfüllt von der stummen Sprache der Erwachsenen, die Bit nie versteht. Na gut, sagt Regina. Sie stellt die Kaffeekanne mit einem kleinen Knall ab, hebt Bit hoch, schaut ihn prüfend an. Kleiner Bit, sorg dafür, dass deine Mum ihren Beitrag leistet. Drückeberger sind in Arcadia nicht erlaubt.

Okay, flüstert Bit.

Als die Tür hinter Regina ins Schloss fällt, sagt Hannah: Blöde Zicke.

Bit wartet, bis sich das flaue Gefühl in seinem Magen gelegt hat, und fragt dann: Was ist eine Zicke?

Eine Ziege, sagt Hannah, beißt sich auf die Lippe und pustet verächtlich.

Ach so, sagt Bit. Haustiere sind in Arcadia nicht erlaubt. Bit fragt nicht nach dem, was er theoretisch aus Bilderbüchern kennt und gern besser verstünde: was genau ein Hund ist oder warum Leute einen halten wollen. Jincy hat einmal drei Tage lang ein kleines Kaninchen mit Sojamilch aufgezogen, bis ihre Mutter Caroline es gefunden und sie gezwungen hat, es im Wald auszusetzen. Als Jincy weinte und weinte, sagte Caroline mit einem Achselzucken: Jetzt komm schon, Jin. Du weißt doch, dass persönlicher Besitz hier nicht erlaubt ist. Außerdem, willst du wirklich ein anderes Wesen zu deinem Sklaven machen?

Petey war nicht mein Sklave, schniefte Jincy. Ich hab Petey lieb gehabt.

Petey wird einmal ein großes, starkes Kaninchen, das fröhlich über die Wiesen hoppelt, wie es sich gehört, sagte Caroline unerbittlich. Am nächsten Tag war das zappelige kleine rosa Ding von dem Blätterbettchen, auf dem Jincy es zurückgelassen hatte, verschwunden. In der Zwischenzeit haben sich die Kinder ein Spiel ausgedacht, bei dem sie im Unterholz nach ihrem kleinen Freund suchen. Oft rennt eines von ihnen zurück zur Kindergruppe und ruft, es sei sich ganz sicher, Petey aus dem Augenwinkel gesehen zu haben, rosig wie ein Stückchen Fleisch, wie er blitzschnell im Gestrüpp verschwunden sei, ein Geschöpf, so wundersam und winzig. Ein Geheimnis, das sie teilen.

Hannah hat Bit im Morgengrauen in die Bäckerei, ein niedriges Steinhaus, mitgenommen, und er wird auf den Mehlsäcken in der Ecke wach. Es ist heiß; auf den Regalen liegen ungebackene Brotlaibe zum Gehen. Der Teiggeruch macht Bit Hunger, in seinem noch schlaftrunkenen Kopf steigt ein seltsam warmes Gefühl auf, und er krabbelt zu Hannah hinüber, die, die Hüfte an die Teigmaschine gelehnt, mit Regina und Ollie schwatzt. Bit zieht Hannah zu sich herab, sie hockt sich zerstreut hin, und er hebt ihr T-Shirt hoch und schließt den Mund um ihre Brustwarze.

Hannah zieht ihren Nippel zurück und streift ihr Shirt wieder runter, schiebt ihn sanft von sich weg.

Dafür bist du zu alt, mein Schatz, sagt sie und steht auf.

Der Raum zittert vor Bits Augen. Ollie murmelt, Astrid habe Leif gestillt, bis er acht war. Regina sagt etwas und gibt Bit eine weiche Brezel. Hannah erwidert etwas, das klingt wie Irgendwas geht, irgendwas geht nicht, aber Bit hört ihre Worte nicht genau. Sein Kummer ist wie ein Wind, der viel zu laut in seinen Ohren rauscht.

Als es zu dunkel zum Arbeiten ist, kommt Abe nach Hause. Aus seiner Jacke, dem Overall und dem Arbeitshemd rieseln Sägespäne. Unter den Handschuhen sind seine Hände zerschrammt und aufgeschürft. Während des Abendessens gähnt Hannah so, dass Bit und Abe den kleinen Mann sehen können, der in ihrer Kehle steckt. Sie sagt: Ich bin platt. Manchmal wäscht sie sich das Gesicht und putzt sich die Zähne mit Natron, bevor sie einschläft, manchmal nicht. Die Abende sind lang. Abe nimmt Bit auf den Schoß und liest ihm aus den Büchern und Zeitschriften vor, mit denen er sich gerade beschäftigt (New Politics, Anarchy and Organization, Mad). Bit versteht einzelne Sätze, er kann dem Singsang in Abes Stimme folgen, macht sich auf die Schlagzeilen einen Reim. Teile der Welt fügen sich zusammen wie die Teile eines Puzzles. Aber dieses Puzzle ist lebendig; es wächst, neue Teile tauchen auf und passen schneller zueinander, als er sie zusammenfügen kann.

Er kämpft gegen den Schlaf an, um über alles nachzudenken. Sein Vater macht den Abwasch und holt Wasser aus dem Fluss, damit er es nicht am Morgen machen muss, und noch während er mit schweren Händen sein Hemd aufknöpft, fällt er schon ins Bett und ist eingeschlafen.

Bit weiß, es gibt das, was an der Oberfläche geschieht, und das, was im Unsichtbaren wirkt. Als stünde man in einem fließenden Bach und der Wind bliese in die entgegengesetzte Richtung. Selbst in den glücklichsten Zeiten, am Cockaigne Day mitten im Sommer, am Tag des Segens gegen Ende des Jahres, bei Erntedank oder wenn sie spontan Musik machen, selbst bei all dem Tanzen und dem fröhlichen Gerede, beim Slap-Apple und Festessen hocken in den Ecken immer ein paar muskulöse junge Männer, mit etwas Bösem im Blick. Wenn sie in Arcadia ankommen, wird geraunt … Dodger 4f … Dschungel … Bajonette … Babys. Da ist die alte Harriet, die keinen BH trägt und deren Brüste ihr bis zum Nabel hängen. Sie hortet Essen unter dem Bett. (Armes Ding, hat er einmal jemanden sagen hören, sie hat zusehen müssen, wie ihre Eltern bei der Belagerung von Leningrad verhungert sind). Da ist Ollie, einer der alten Karawanenmitglieder, der die ersten zwei Jahre ganz allein den geheimen Tunnel zwischen der achteckigen Scheune und Arcadia House mit Metallplatten befestigt und Fässer mit Wasser, Dosennahrung, Zündhölzer, Planen, Jodsalz darin gelagert hat. Ollie besitzt die bleiche Weichheit eines Salamanders unten am Fluss; manchmal zuckt er zusammen, blinzelt und verstummt mitten im Satz.

Es gibt Zeiten, wo diese Düsternis auch die Kids erfasst. Dann geht Bit nicht in den Obstraum des Free Store, ihres Ladens, trotz all der köstlichen schrumpeligen Äpfel in ihren Fässern. Irgendjemand hat dort ein riesiges Schwarz-Weiß-Poster mit einem finster blickenden schnurrbärtigen Mann aufgehängt. Da stehen Wörter, die Bit, außer der Überschrift Big Brother, vor lauter Angst nicht entziffern kann, und selbst wenn Erwachsene hineingehen und das Plakat sehen, kommen sie schnell wieder heraus.

Hannah und Abe haben seit ihrer Kindheit denselben Albtraum: Sie befinden sich in einem schummrigen Raum mit einer dicken Frau, die vor ihnen steht, über ihnen eine Sirene, ein Rascheln unter den Tischen, ein weißer Blitz. In letzter Zeit holen Hannah diese Träume oft ein, und je mehr sie zu entkommen versucht, desto mehr verheddert sie sich in ihnen wie in Spinnweben. An den meisten Tagen, wenn sich die Morgensonne über dem Linoleumboden des Brotwagens ergießt, ebbt die Panik aus dem Traum langsam ab, aber er hinterlässt einen öligen Nachgeschmack, der noch eine Weile in der Luft hängt.

Doch an diesem Morgen wacht Bit ganz allein auf, und sein Herz rast. Die Eiszapfen vor dem Fenster glühen unheimlich im roten Morgenlicht, sodass Bit barfuß hinaus geht und einen mit der Hand abbricht. Wieder drinnen, leckt er so lange daran, bis nichts mehr davon übrig ist. Es ist so, als esse man den Winter selbst, eine Mischung aus Holzfeuer und Verschlafenheit und der schmerzenden Sauberkeit von Eis. Seine Eltern schlafen noch. Den ganzen Tag über sitzt dieser kalte Eiszapfen in ihm, gehört nur ihm, wie eine kalte Klinge, und Bit fühlt sich mutig und tapfer, wenn er daran denkt.

Er sieht zu, wie sich seine Eltern zum Abschied küssen. Ihre Lippen gleiten von ihren Wangen ab, als sie sich umdrehen. Abe klopft prüfend auf die Wasserwaage an seinem Gürtel, und Hannah runzelt die Stirn über etwas, das Astrid ruft, die mit Bergen von Wäsche in der Hand auf der anderen Seite des Vorhofs wartet. Ein Schreck; bisher hat Bit nicht gewusst, dass seine Eltern so verschieden sind. Es gibt nur einen Abe, strahlend und gesprächig, der seine Energien aus Dingen zieht, der Arcadia House solide macht; doch es gibt zwei Hannahs. Die Sommer-Hannah schwindet langsam dahin, die Hannah, die die Menschen liebt, die, während die Kinder schlafen, ihre Stiefel einsammelt und zum Spaß Tierschnauzen, Schweine und Pferde und Vögel und Frösche darauf malt, je nachdem, wem die Stiefel gehören. Seine lachende Mutter, die laute, die an einem Ort, wo alle Körperfunktionen einfach eine Tatsache sind, auch in stillen Momenten Pupskonzerte veranstaltet, deren donnernde Fürze legendär sind. La Pétomane