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Inhaltsverzeichnis

Einleitung
Körperliche und seelische Grundlagen der Ängste
Wie unser Körper auf Gefahr reagiert: Die Bereitstellungsreaktion
Herz und Kreislauf
Die Atmung
Die Muskulatur
Die Schweißdrüsen
Weitere Veränderungen
Zwei Seelen – nicht nur in unserer Brust: Das autonome Nervensystem
Auf die Plätze, fertig, los: Der Sympathikus
In der Ruhe liegt die Kraft: Der Parasympathikus
Parasympathische Angstanfälle
Die Aufgaben des Gehirns bei Angstreaktionen
Die menschliche Dreifaltigkeit: Die Gehirnstruktur
Woher wir wissen, wann etwas nicht stimmt: Die Aktivierung
Jede Bereitstellungsreaktion hat ein Ende: Die Habituation
Denken und Aktivierung
»Um Himmels Willen – nein!!!«: Das Vermeidungsverhalten
Von der Bedrohung zur Herausforderung: Die Angst weggedacht und weggehandelt
Wenn Angst zur Krankheit wird
Die sechs Formen der Angst
Die Panikstörung
Die Agoraphobie
Die Soziale Phobie
Die Spezifische Phobie
Die Generalisierte Angststörung
Die Posttraumatische Belastungsstörung
Zusammenfassung
Das S-R-K-Schema
Todesängste aus dem Nichts: Die Panikstörung
Die Krankheitsgeschichte
Wie die Beschwerden im Einzelnen aussehen
Exkurs: Hyperventilation
Der Behandlungsverlauf
Draußen ist feindliches Gebiet: Die Agoraphobie
Die Krankheitsgeschichte
Wie die Beschwerden im Einzelnen aussehen
Der Behandlungsverlauf
Exkurs: Ungefährliche körperliche Symptome
»Günstige« Bedingungen für Angstanfälle
»Ich versage bestimmt wieder«: Die Soziale Phobie
Die Krankheitsgeschichte
Wie die Beschwerden im Einzelnen aussehen
Der Behandlungsverlauf
Auch Goethe kannte sie: Die Spezifische Phobie
Exkurs: Die Konfrontation
Die Krankheitsgeschichte
Wie die Beschwerden im Einzelnen aussehen
Der Behandlungsverlauf
Gefahren lauern überall: Die Generalisierte Angststörung
Wie die Beschwerden im Einzelnen aussehen
Therapeutische Möglichkeiten
Vom Grauen verfolgt: Die Posttraumatische Belastungsstörung
Therapeutische Möglichkeiten
Aufrechterhaltende Bedingungen: Was im Alltag Ängste auslöst
Berufliche Faktoren: Mobbing durch den Chef
Familiäre Belastungen: Der krebskranke Vater
Nicht immer ist der Alltagsstress schuld: Wenn der Schock tief sitzt
Rückfälle: Wenn alles wieder von vorne beginnt
Die medikamentöse Behandlung von Ängsten
Grundsätzliches
Welche Medikamente wirksam sind
Anhang
Erklärung der Fachausdrücke
Unterstützungsangebote
Weiterführende Literatur
Literaturverzeichnis
Über den Autor
Copyright

Anhang

Erklärung der Fachausdrücke

Adrenalin: Stresshormon, hilft bei der Bereitstellungsreaktion.

Aktivierung: Erhöhte »Stromversorgung« des Gehirns, ausgehend vom Stammhirn.

ARAS, »Aufsteigendes reticuläres Aktivierungssystem«: Das System, das in Stamm-, Zwischen- und Großhirn für die Aktivierung verantwortlich ist.

Autonomes Nervensystem: Auch »vegetatives Nervensystem« genannt. Es dient der Steuerung unserer inneren Organe und besteht aus Sympathikus und Parasympathikus.

Bereitstellungsreaktion: Auch »Notfallreaktion« genannt. Die körperliche Umschaltung auf höchste Alarmstufe. Sie versetzt uns in die Lage, unmittelbar große Kraft zu entfalten.

Depersonalisation: Gefühl, als gehöre der eigene Körper nicht mehr zu einem selbst. Tritt bei Angststörungen häufiger auf.

Derealisation: Gefühl, als sei man wie durch eine Glaskuppel von der Umwelt abgeschnitten. Tritt bei Angststörungen häufiger auf.

Formatio reticularis, (lat.) »netzartige Anordnung«: Teil unseres Stammhirns, von dem die Aktivierung ausgeht.

Habituation, (lat.) »Gewöhnung«: speziell die Gewöhnung an Stress (hier: an Angst erzeugende Situationen).

Hyperventilation: Verstärkte Atmung in einem körperlichen Zustand, in dem man gar nicht so viel Luft benötigt. Führt häufig zur Hyperventilationstetanie (Kribbeln und Verkrampfungen, meist im Bereich des Mundes und der Finger).

Motorisches Nervensystem: Nervensystem, das die Arbeit der Skelettmuskulatur steuert.

Muskeltonus: Spannung der Muskulatur.

Noradrenalin: Stresshormon, hilft bei der Bereitstellungsreaktion.

Notfallreaktion: Anderes Wort für Bereitstellungsreaktion.

Parasympathikus: Teil des vegetativen (oder autonomen) Nervensystems, der für Entspannung und Regeneration zuständig ist.

Sensorisches Nervensystem: Nervensystem, das für unsere Sinneswahrnehmung verantwortlich ist.

Sympathikus: Teil des vegetativen (oder autonomen) Nervensystems, der für körperliche Leistungsentfaltung, also auch für die Notfallreaktion zuständig ist. Vegetatives Nervensystem: Anderes Wort für autonomes Nervensystem.

Unterstützungsangebote

Adressen niedergelassener Verhaltenstherapeuten erhalten Sie bei Ihrer Krankenkasse oder bei der Deutschen AngstSelbstHilfe e.V. (DASH), Bayerstr. 77a, 80335 München, Telefon 089/51 55 53 15, im Internet erreichbar unter www.angstselbsthilfe.de oder www.panik-attacken.de , per E-Mail unter info@panik-attacken.de. Hier finden Interessierte auch Informationen über Unterstützungsangebote, Selbsthilfegruppen und weitere Links.

Weiterführende Literatur

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Wolpe, J. (1958): Psychotherapy by reciprocal inhibition. Stanford: Stanford University Press

Über den Autor

Stefan Leidig ist Leitender Diplompsychologe der

Psychosomatischen Fachklinik Bad Dürkheim.

 

Adresse:

Psychosomatische Fachklinik

Kurbrunnenstraße 12

67098 Bad Dürkheim

Tel.: 06322/934-0 www.ahg.de/bad_duerkheim

Wie unser Körper auf Gefahr reagiert: Die Bereitstellungsreaktion

Herz und Kreislauf

In einer gefährlichen Situation, in der körperliche Leistungsfähigkeit und Kampfkraft in besonderem Maße erforderlich werden könnten, spielt natürlich die Energieversorgung eine zentrale Rolle. Durch die vielen, fein verästelten Adern gelangt das Blut an nahezu jede Stelle unseres Körpers, versorgt ihn mit Energie und transportiert Abfälle ab. Damit während der Bereitstellungsreaktion für die Energiegewinnung ein ausreichender Nachschub an Sauerstoff, Zucker und anderen Nährstoffen gewährleistet ist und die Abfallstoffe schnellstens entsorgt werden, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein:

 

1. Die fünf Liter Blut, die im Organismus fließen, müssen so geleitet werden, dass den momentan wichtigen Körperregionen (in unserem Falle den Muskeln fürs Kämpfen oder Flüchten) sehr viel zur Verfügung steht, ohne dass die Versorgung der anderen Organe (z.B. Gehirn oder Magen) zusammenbricht. Dies geschieht durch die gezielte Verengung von Adern in den Bereichen unseres Körpers, in denen Blut nur zur »Grundversorgung« gebraucht wird, sowie andererseits durch Weitstellung der Blutgefäße, die zu aktuell wichtigen Stellen führen: Es findet eine Umverteilung in Richtung Arm-, Bein- sowie sonstiger Kampf- und Fluchtmuskulatur statt.

Zu diesem Zweck verengen sich die Adern im Bauchraum und die Verdauungstätigkeit wird eingeschränkt. Auch die Haut wird weniger durchblutet (was im Falle einer Verletzung dem Verbluten entgegenwirkt, zumal gleichzeitig die Gerinnungsfähigkeit des Blutes zunimmt). Die Haut wird blass (»bleich vor Schrecken«) und kalt (man bekommt »kalte Füße«). Auch die Durchblutung unseres Gehirns ist – in geringerem Maße – von der Blutumverteilung in Richtung Muskulatur betroffen. Natürlich ist immer für ausreichend Blut im Gehirn gesorgt. Die Umverteilung kann jedoch dazu führen, dass dem Betreffenden schwindelig wird und schwarz vor den Augen, ähnlich den Gefühlen, die man zum Beispiel verspürt, wenn man plötzlich aufsteht. Hinzu kommt, dass die Gleichgewichtsorgane sensibler reagieren, weil man für Kampf oder Flucht genauere Informationen über die Lage im Raum benötigt – man denke nur an Tarzan, der sich von Liane zu Liane schwingt. Der Nachteil: Weil der Gleichgewichtssinn empfindlicher ist, wird uns schneller schwindelig (Fachleute sprechen in diesem Fall von »Schwankschwindel«). Schließlich wird uns manchmal »schwarz vor Augen«, weil der Augenhintergrund kurzfristig nicht genug Blut erhält.

 

2. Die zweite Bedingung zur wirksamen Energieversorgung besteht natürlich in ihrer Schnelligkeit, d.h. es muss möglichst rasch möglichst viel Blut fließen. Hierzu erhöhen sich die Geschwindigkeit des Herzschlages (»Herzfrequenz«) und das so genannte Schlagvolumen. Das ist die Menge des Blutes, die das Herz, genauer die rechte Herzkammer, während eines Schlages aufnimmt und wieder über die linke Herzkammer in den Körper pumpt.

Während einer Notfallreaktion kann die Herzfrequenz (der Puls) von durchschnittlich 70 Schlägen pro Minute auf 180 oder mehr ansteigen und sich das Schlagvolumen verdoppeln.

In Ruhepausen wird etwa einmal pro Minute die dem Organismus insgesamt zur Verfügung stehende Blutmenge vollständig »umgewälzt«. Während der Bereitstellungsreaktion können nun infolge des drastisch erhöhten Pulses diese fünf Liter bis zu fünfmal pro Minute, immer wieder frisch mit Energie (Sauerstoff und Zucker) angereichert, durch unseren Leib gepumpt werden!

Zusammenfassend kann man also festhalten, dass das Herzkreislaufsystem durch gezielte Verengung bzw. Dehnung der Blutgefäße, ergänzt durch Steigerung der Herzfrequenz und des Schlagvolumens, ein sehr effektives Transportsystem auch unter hohen Leistungsanforderungen darstellt.

Natürlich muss nicht nur die Transportleistung, sondern auch die Zulieferung der Energiebausteine erhöht werden. Zu diesem Zweck verändert sich die Lungentätigkeit.

Die Atmung

Man kann sich leicht denken, dass die Lungen ebenfalls verstärkt arbeiten müssen, wenn das Herz seine Leistung erhöht. Die Lungen verändern ihre Leistung vom Prinzip her genauso wie das Herz. Im Rahmen der Notfallreaktion wird die Atmung schneller und die Lungenflügel stellen sich weit. Auf diese Weise wird schneller und mehr ein- und ausgeatmet und so die Versorgung mit Sauerstoff und der Abtransport von Kohlendioxid gesichert.

Die Muskulatur

Ein weiterer Schritt zur Vorbereitung körperlicher Leistungsentfaltung besteht darin, dass sich die Grundspannung (der »Tonus«) unserer Muskulatur erhöht.

Alle Muskeln im menschlichen Organismus haben eine gewisse Grundspannung, ohne die wir in uns zusammensacken würden, wie das beispielsweise bei einem Ohnmachtsanfall tatsächlich passiert. Dieser Muskeltonus verändert sich ständig. Während des Schlafens und in Entspannungsphasen ist er geringer, bei Anspannung und Aufregung (also auch im Rahmen der Bereitstellungsreaktion) steigt er an. Der Sinn der Tonuserhöhung liegt auf der Hand: Muskeln erfüllen ihre Funktionen, indem sie sich anspannen. Oder kennen Sie jemanden, der entspannt Gewicht hebt?

Die Befehle zur Arbeit werden unserer Muskulatur durch bestimmte Nerven übermittelt. Wenn nun die Nervenfasern verstärkt »unter Strom« stehen und die Muskeln schon vorgespannt sind, ist auch der Sprung zur vollen Leistungsentfaltung schneller möglich. Nach einem tiefen Schlaf rekelt und streckt man sich und »heizt« dadurch die Muskeln etwas an. Jeder Sportler wärmt sich vor dem Wettkampf auf; niemand käme auf die Idee, gleich morgens, nachdem der Wecker geklingelt hat, einen Weltrekord aufstellen zu wollen. Um volle Leistung zu bringen, müssen die Muskeln warm und geschmeidig sein.

So lässt sich auch das Zittern (vor Kälte oder aus Angst) erklären: Unsere Muskulatur erzeugt durch ihre Arbeit Wärme. Auch Zittern ist im Grunde Muskelarbeit und gewährleistet die Aktionsfähigkeit des Körpers. Im Prinzip ist das wie bei einem Motor, auch er muss warmgelaufen sein, bevor er voll leistungsfähig ist.

Parallel zur Anspannung der Muskulatur wird im Rahmen der Bereitstellungsreaktion auch ein Kühlsystem des Körpers aktiviert:

Die Schweißdrüsen

Obwohl wir beim Rascheln im Gebüsch immer noch nicht wissen, ob wir tatsächlich gefährdet sind und Kräfte entfalten müssen, funktionieren unsere Schweißdrüsen schon so, als müsste ein hart arbeitender Körper gekühlt werden. Bei Anstrengung ist die Haut gut durchblutet, da die Blutgefäße der Haut weit gestellt sind. Über die Verdunstungskälte, die durch das Schwitzen entsteht, wird das Blut unter der Haut gekühlt, bevor es ins Körperinnere gelangt. Das bewahrt uns vor »Überhitzung«. Im Gegensatz zu dem Schweiß, der bei körperlicher Anstrengung ausgeschieden wird, fühlt sich Angstschweiß kalt an. Das kommt daher, dass die Adern der Haut infolge ihrer Verengung nur wenig Blut führen und dadurch entsprechend weniger Wärme abgegeben werden kann. Es läuft uns »kalt den Rücken runter«. Manchmal verspürt man auch ein Kribbeln, ähnlich wie nach einer Schneeballschlacht ohne Handschuhe, aber am ganzen Körper.

Weitere Veränderungen

Während wir gebannt die »Gefahrenquelle« (das raschelnde Gebüsch) beobachten, passiert noch weit mehr in unserem Organismus als bisher dargestellt. Wir merken gar nicht, dass wir weniger Speichel produzieren und einen trockenen Mund bekommen. Ohnehin ist das gesamte Verdauungssystem auf Sparflamme gestellt. Es wäre auch völlig unzweckmäßig, jetzt an Steaks zu denken und das Wasser im Munde zusammenlaufen zu lassen. Das flaue Gefühl im Magen ist ebenfalls auf die veränderte Verdauungstätigkeit zurückzuführen und fällt uns auch erst richtig auf, wenn die Gefahr gebannt ist.

Zusätzlich erhöht sich die Empfindlichkeit des Hörens und des Sehens. Beispielsweise erweitern sich unsere Pupillen, wodurch sich wie bei einem Fotoapparat die Tiefenschärfe verringert. Das hat den Vorteil, dass man die Entfernung zu einer möglichen Bedrohung genauer einschätzen kann. Diese veränderte Sicht der Umwelt ist jedoch ungewohnt. Sie fühlt sich unwirklich an und diese Empfindung bezeichnet man deshalb auch als »Derealisation«.

All diese Umschaltungen im Körper erfolgen innerhalb von Sekundenbruchteilen, und Sie können sich vorstellen, dass dieses perfekte Zusammenspiel unterschiedlichster Organe ohne eine Steuerungszentrale nicht möglich wäre. Das System, das für die Aktivierung und Koordination der notwendigen Organe bei der Bereitstellungsreaktion größte Bedeutung hat, heißt Sympathikus und ist Teil unseres vegetativen Nervensystems (auch autonomes Nervensystem genannt).