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Cannabis und Führerschein

Theo Pütz

Cannabis und Führerschein

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Impressum

Verlegt durch:

NACHTSCHATTEN VERLAG AG

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CH-4500 Solothurn

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2., erweiterte Auflage 2016

© 2013 Nachtschatten Verlag AG

© 2013 Theo Pütz

Umschlaggestaltung

Sven Sannwald, Lohn

(unter Verwendung eines Motivs von Vinh Lee, flickr.com)

Layout

Constantin Mawrodiew, feinkost Designnetzwerk, Berlin

Lektorat

Nina Seiler, Zürich

Druck

Scandinavian Books, Denmark
Printed in Germany

eISBN 978-3-03788-290-0

Alle Rechte der Verbreitung durch Funk, Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger jeder Art, elektronischer digitaler Medien und auszugsweiser Nachdruck nur unter Genehmigung des Verlages erlaubt.

Inhalt

Vorwort

Einführung: Was tun im Falle eines Falles?

1.Cannabis und Führerschein – ein Dilemma

2.Vergleichende Gefahrenanalyse – Cannabis und Alkohol

3.Cannabis und Alkohol – Rechtslage und Rechtspraxis im Vergleich

4.Drogenfahrt und Fahreignung

5.Ermittlungspraxis im Straßenverkehr

6.Das verwaltungsrechtliche Verfahren

7.Das Wiedererteilungsverfahren

8.Die Führerscheinakte

9.Das fachärztliche Gutachten

10. Die Fahreignungs-Begutachtung (MPU)

11. Cannabis als Medizin und die Fahreignung

Anhang 1: Studien zur Verkehrssicherheit und Cannabis

Anhang 2: Rechtsnormen

Literatur

Der Autor

Gebhard Heinzle: Cannabis und Führerschein in Österreich

Verein Legalize It!: Cannabis und Führerschein in der Schweiz

Vorwort

Stellen Sie sich vor, Sie werden in Ihrem Auto durch die Polizei angehalten, angehalten und kontrolliert: Ihre Papiere sind in Ordnung, auch an Ihrem Wagen gibt es keinerlei Mängel, doch als sie überprüfen, ob ein Warndreieck vorhanden ist, sehen die Beamten im Kofferraum den Kasten Bier, den Sie gerade im Getränkemarkt geholt haben. Einige Wochen später erhalten Sie ein Einschreiben von der Führerscheinstelle, in dem Ihnen mitgeteilt wird, dass wegen Verdachts auf Alkoholkonsum Zweifel an Ihrer Fahreignung bestehen; Sie werden aufgefordert, innerhalb einer gesetzten Frist mit einem Gutachten nachzuweisen, dass Sie auch weiterhin zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sind – ansonsten müsse Ihnen der Führerschein entzogen werden. Wegen eines Kastens Bier im Kofferraum? Absurd! Doch genau so wird in Deutschland tagtäglich dutzendfach verfahren, wenn es sich statt der Bierkiste um ein Tütchen mit Cannabis handelt.

Dass Sie bei der Routinekontrolle der Polizei unauffällig und nüchtern waren, dass Auto und Papiere in Ordnung waren und kein Verkehrsverstoß vorlag, hilft Ihnen genausowenig wie die Tatsache, dass der Besitz einer geringen Menge Cannabis kein Strafverfahren nach sich zieht. Denn nach einem solchen Fund werden Sie in der Regel aufgefordert, sich einem Drogentest zu unterziehen, und dann hilft Ihnen auch nicht mehr, dass Ihr letzter Cannabiskonsum schon einige Tage oder Wochen zurückliegt, denn die Abbaustoffe des Cannabis-Wirkstoffs THC sind mehrere Wochen nachweisbar. Mit einem solchen Nachweis gelten Sie als gelegentlicher Cannabiskonsument und begründen damit Zweifel an Ihrer Fahreignung; fand der letzte Cannabiskonsum am Vorabend der Kontrolle statt, kann es noch ärger kommen, denn es besteht die Möglichkeit, dass der aktive THC-Gehalt im Blutserum noch mehr als ein Nanogramm pro Milliliter (1 ng / ml) beträgt. Auch wenn dieser Wert weit unter einer spürbaren Wirkung liegt, gilt Ihre Fahrt mit dem Auto damit als «Drogenfahrt» und zieht ein Bußgeld und ein Fahrverbot nach sich – sowie die Auflage eines medizinischen Gutachtens, das Sie nur nach einem längeren Abstinenznachweis erfolgreich absolvieren können.

Seit Mitte der Neunzigerjahre der Besitz kleiner Mengen Cannabis durch das «Haschisch-Urteil» des Bundesverfassungsgerichts entkriminalisiert wurde, ist diese schwer nachvollziehbare Rechtspraxis in Deutschland gang und gäbe – und mit juristischen Mitteln kaum anfechtbar. Denn anders als im Strafrecht ist im Verwaltungsrecht, welches die Erteilung der Fahrerlaubnis regelt, die Beweislast umgekehrt: Nicht das Gericht muss Ihre Schuld nachweisen, sondern Sie sind verpflichtet, der Behörde Ihre Unschuld zu beweisen. Gibt der bereits beschriebene nüchterne und verkehrsgerechte Transport eines Kastens Bier in Ihrem Auto Anlass, den Fahrer als potenziellen Alkoholiker und Gefahr für die Verkehrssicherheit einzustufen? Selbstverständlich nicht – doch wenn es sich um ein Gramm Cannabis handelt, ist das der Fall. Diese Ungleichbehandlung und das daraus entstehende Unrecht sind der Grund für dieses Buch.

Der Autor Theo Pütz berät seit vielen Jahren nicht nur Betroffene, die in die Mühlen der Behörden geraten sind, er gilt auch als der Experte zum Thema Drogen und Führerschein. Sein Buch ist deshalb nicht nur ein unverzichtbarer Ratgeber für diejenigen, denen aufgrund eines Cannabisfunds oder -nachweises der Entzug des Führerscheins droht, sondern es liefert mit seiner Analyse der rechtlichen und toxikologischen Zusammenhänge erstmals auch einen fundierten Überblick zur herrschenden (Un-)Rechtspraxis in Sachen Cannabis und Führerschein. Deshalb ist dieses Buch nicht nur für Juristen, Behörden und Fachkräfte im Drogen- und Suchtbereich, sondern auch für politische Entscheidungsträger von höchster Relevanz. Denn nur die Politik kann für die dringend notwendigen Änderungen sorgen, die hier geboten sind: die Schaffung eines realistischen Gefahrengrenzwerts für die Verkehrsteilnahme und eine bundesweit einheitliche Auslegung der gesetzlichen Vorschriften zur Fahreignung analog zum Alkohol.

In der Schweiz geht man davon aus, dass selbst Busfahrer und Lokführer mit bis zu 3 ng / ml THC im Blutserum ihrer Arbeit verantwortungsvoll nachgehen können; in den USA, dem Mutterland der Cannabis-Prohibition und des irrsinnigen «War On Drugs», gilt selbst ein Grenzwert (10 ng / ml), der zehn Mal höher liegt als in Deutschland (1 ng / ml), nicht als Gefahr für die Verkehrssicherheit. Die (Un-) Rechtspraxis in Deutschland, mit Hilfe des Fahrerlaubnis- und Verwaltungsrechts den «Krieg gegen Drogen» zu führen, muss beendet werden. Die Politik und die Rechtssprechung sind gefordert. Wer die Informationen in diesem Buch zur Kenntnis genommen hat, wird nicht mehr umhin können, diese Forderung zu unterstützen.

Mathias Bröckers

Einführung: Was tun im Falle eines Falles?

Wie verhalte ich mich als Cannabiskonsument, wenn mein Führerschein gefährdet ist? Die vorliegende Einführung liefert einen kompakten Überblick zur Rechtslage und zu den geltenden Grenzwerten sowie Empfehlungen für das Verhalten bei Kontrollen der Polizei und Verordnungen der Führerscheinbehörde.

Auch wer nur gelegentlich Cannabis konsumiert, gefährdet grundsätzlich seinen Führerschein. Bereits ein Konsum, der schon längere Zeit zurückliegt, kann aufgrund der aktuellen Rechtspraxis und der Fortschritte in der Drogenanalytik dazu führen, dass die Fahrerlaubnis unmittelbar entzogen wird. Da das Abbauprodukt des Cannabis-Wirkstoffes Tetrahydrocannabinol (THC) noch 6–8 Wochen lang nachweisbar ist, kann auch der reine Konsumnachweis zu enormen Schwierigkeiten führen, selbst wenn zu dem Zeitpunkt keine Rauschwirkung mehr vorlag.

Betroffene sollten deshalb bei Verkehrskontrollen der Polizei weder über ihren aktuellen noch über einen zurückliegenden Konsum Auskunft geben. Eine Aussage wie «Ich kiffe höchstens mal am Wochenende» landet im polizeilichen Protokoll und damit in der Führerscheinakte. Mit Auskünften dieser Art sollte man sich also strikt zurückhalten. Wenn die kontrollierenden Beamten einen Schnelltest (siehe Seite 74) verlangen, sollte man diesen grundsätzlich ablehnen; verdächtige Personen sind nicht verpflichtet, aktiv zu ihrer Überführung beizutragen. Oft wird die Weigerung, sich einem Schnelltest zu unterziehen, als Indiz gewertet, dass der oder die Kontrollierte etwas zu verbergen hat – was häufig dazu führt, dass die Polizei mit der Anordnung einer Blutentnahme droht. Hierzu benötigt die Polizei grundsätzlich eine richterliche Genehmigung, es sei denn, es ist Gefahr im Verzug. Auch die angedrohte Blutentnahme sollte man nicht stillschweigend hinnehmen, sondern dieser widersprechen, so dass die Polizei gezwungen ist, eine richterliche Anordnung beizubringen. Auch anderen Tests, mit denen die Polizei die Fahrtauglichkeit prüfen will («Fassen Sie sich mal an die Nase» usw.), muss man grundsätzlich nicht Folge leisten.

Wird die Blutentnahme richterlich oder wegen «Gefahr im Verzug» durch die Polizei angeordnet, muss man sich dieser unterziehen. Da die Ergebnisse des Bluttests nicht unmittelbar vorliegen, kann eine «Drogenfahrt» – im Unterschied zu einer Alkoholfahrt – nicht zeitnah bewiesen werden. Dennoch ordnet die Polizei bisweilen an, dass die Betroffenen nicht weiterfahren dürfen. Diese Praxis ist juristisch umstritten, da ein Fehlverhalten zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht bewiesen ist. Wer darauf besteht, weiterfahren zu dürfen, muss unter Umständen damit rechnen, dass ihn die Polizei erneut anhält und er dann – falls die Ergebnisse des Bluttests später einen THC-Konsum ergeben – wegen vorsätzlicher und wiederholter Drogenfahrten bestraft wird.

Mit dem Ergebnis der Blutananalyse ist innerhalb von zwei bis drei Wochen zu rechnen. Dann kann ein Bußgeldbescheid verhängt werden und auch die Führerscheinstelle wird darüber benachrichtigt und wird sich beim Betroffenen melden. Deshalb empfiehlt es sich, nach einer Verkehrskontrolle den Cannabiskonsum gänzlich einzustellen. Die Führerscheinstelle muss die Rechtskraft des Bußgeldbescheides, gegen den man Widerspruch einlegen kann, nicht abwarten, sondern kann unmittelbar aktiv werden (siehe Seite 27). Wenn die Blutprobe einen THC-Nachweis erbringt, kann die Führerscheinstelle entweder ein fachärztliches Gutachten oder eine Medizinisch-Psychologische-Untersuchung (MPU) fordern oder die Fahrerlaubnis sofort entziehen (siehe Seite 81). Gegen eine Überprüfungsaufforderung sind keinerlei Rechtsmittel zulässig. Bei einem Entzug der Fahrerlaubnis ist zwar eine Widerspruchsmöglichkeit gegeben, diese hat allerdings keine aufschiebende Wirkung.

Um ein fachärztliches Gutachten oder eine MPU positiv bestehen zu können, ist in jedem Fall ein Abstinenznachweis notwendig. Der Nachweis der Drogenabstinenz kann mittels Urin- bzw. Haarkontrollen erbracht werden (Seite 106). Die geforderte Nachweisdauer für die Abstinenz hängt vor allem von den bei der Blutanalyse festgestellten Werten ab und liegt in der Regel zwischen 3 und 12 Monaten. Solche Drogenkontrollprogramme werden von verschiedenen Begutachtungsstellen angeboten, wobei Betroffene die Begutachtungsstelle selbst bestimmen und die erforderlichen Kontrollen auch selbst bezahlen müssen (Seite 103).

Erst wenn dieser Abstinenznachweis erbracht ist, kann sich der Betroffene mit Aussicht auf Erfolg einer MPU unterziehen. Neben dem Nachweis der Abstinenz ist es aber auch höchst ratsam, sich auf das Untersuchungsgespräch mit dem Verkehrspsychologen intensiv vorzubereiten (siehe Seite 112). Mit der Vorlage eines positiven MPU-Gutachtens bei der Führerscheinbehörde sind die Fahreignungszweifel ausgeräumt und man bekommt den Führerschein zurück. Wurde die Fahrerlaubnis zuvor entzogen, ist ein formaler Antrag auf Wiedererteilung zu stellen (siehe Seite 86).

Aufgrund verschiedener Faktoren läuft jeder Cannabiskonsument große Gefahr, seinen Führerschein zu riskieren – ein bestimmender Faktor ist dabei der in Deutschland derzeit gültige Grenzwert, bei dem von einer Drogenfahrt ausgegangen wird. Dieser Grenzwert von 1 Nanogramm (ng) pro Milliliter (ml) Blutserum liegt weit unter einer spürbaren Wirkung von Cannabis, was – anders als beim Alkohol – die subjektive Entscheidung über die Fahrtüchtigkeit nahezu unmöglich macht (siehe Seite 61, Grenzwerte). Ein weiterer zentraler Risikofaktor für Cannabiskonsumenten ist die lange Nachweisbarkeit des Konsums. Je nach Konsumfrequenz, Qualität des konsumierten Materials und individuellen Stoffwechselfunktionen kann ein Nachweis von mehr als 1 ng /ml im Blutserum noch bis zu 12 Tagen nach dem letzten Konsum erfolgen. Bei einem sehr sporadischen Konsum geht die Wissenschaft zur Zeit davon aus, dass der Wert nach spätestens 6 Stunden unter den Wert von 1 ng gefallen ist.

Selbst wenn kein aktives THC im Blut mehr nachgewiesen werden kann, also auch formal keine Drogenfahrt begangen wurde, wird bei der Analyse auch THC-Carbonsäure ermittelt, das Abbauprodukt von THC, welches bis zu einem Zeitraum von sechs Wochen nachweisbar ist. Bereits ein festgestellter THC-Carbonsäure-Wert kann Fahreignungszweifel der Behörde begründen, da dieser einen Einblick in das generelle Konsumverhalten des Betroffenen ermöglicht. Dies führt häufig zu einem Missbrauchsverdacht, der eine Überprüfung der Fahreignung zur Folge haben kann. Beträgt der festgestellte THC-Carbonsäure-Wert im Blut mehr als 150 ng / ml, steht für die Behörde der gewohnheitsmäßige Konsum fest, was den sofortigen Entzug des Führerscheins zur Folge hat. Bei einem THC-Carbonsäure-Wert zwischen 35 und 100 ng / ml gehen die Behörden von einem gelegentlichen Konsum aus. Dies führt dann – in Verbindung mit dem Vorwurf einer Drogenfahrt – in der Regel zum Entzug der Fahrerlaubnis.

Dieser kurze Überblick zeigt bereits, dass die gegenwärtige Rechtspraxis schwer nachvollziehbar und auf juristischem Weg kaum anfechtbar ist. Das Problem kann insofern nur auf politischer Ebene gelöst werden: durch die Schaffung eines realistischen Gefahrengrenzwerts für die Verkehrsteilnahme und durch eine bundesweit einheitliche Auslegung der gesetzlichen Vorschriften zur Fahreignung analog zum Alkohol (siehe Seite 78). Diese dringend notwendigen Änderungen sind aber nicht von heute auf morgen und nicht ohne den notwendigen politischen Druck zu erwarten.

Angesichts dieser wenig erfreulichen Aussichten und der schwierigen juristischen Lage ist es für Cannabiskonsumenten ratsam, eine möglichst preiswerte Verkehrsrechtsschutzversicherung abzuschließen, damit sie im Falle eines Falles kostengünstig Unterstützung durch einen Anwalt in Anspruch nehmen können, sowie diejenigen Organisationen zu unterstützen, die sich aktiv für eine Reform dieser Unrechtspraxis einsetzen, wie z.B. den Deutschen Hanfverband und die Grüne Hilfe.

1. Cannabis und Führerschein – ein Dilemma

Seit Mitte der neunziger Jahre müssen immer mehr Cannabiskonsumenten zur Fahreignungsüberprüfung, da die Fahrerlaubnisbehörden davon ausgehen, dass bei einem Cannabiskonsumenten die Gefahr besteht, dass er unter Rauschwirkung am Kraftverkehr teilnimmt. Oft wird der Führerschein durch die Fahrerlaubnisbehörde entzogen, wenn bei einer Verkehrsteilnahme der Wirkstoff THC im Blutserum nachgewiesen wird. Aber nicht nur in Bezug auf eine vermeintliche «Drogenfahrt» laufen Cannabiskonsumenten Gefahr, ihre Fahrerlaubnis zu verlieren. Auch bei Besitzdelikten, selbst wenn es nur geringe Mengen Cannabis waren und das Strafermittlungsverfahren eingestellt wurde, muss grundsätzlich damit gerechnet werden, dass der Betroffene noch Post von seiner Führerscheinstelle erhält.

Die Auswirkungen eines Führerscheinentzugs sind für die Betroffenen enorm. Neben einem möglichen Arbeitsplatzverlust oder der Aufgabe einer selbstständigen Berufstätigkeit sind die Kosten für eine Wiedererteilung der Fahrerlaubnis sehr hoch und können ohne weiteres mehrere 1000 Euro betragen. Zudem muss ein Fahrzeuglenker damit rechnen, dass er mehrere Monate zu Fuß gehen muss, bevor er überhaupt die Möglichkeit hat, seine Fahreignung durch ein entsprechendes Gutachten nachzuweisen.

Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 1994 (siehe auch Seite 48) wurde der Besitz geringer Mengen Cannabis für den Eigenbedarf ein Stück weit entkriminalisiert. Damit wurde dem Umstand Rechnung getragen, dass aufgrund der vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse das Gefahrenpotenzial von Cannabis mit dem von Alkohol vergleichbar ist und in der Regel nicht über die Gefahren hinausgeht, die durch Alkohol zu erwarten sind. Genau diese vom Bundesverfassungsgericht angestoßene Entkriminalisierung des Cannabiskonsums führte aber auch dazu, dass sich der Verfolgungsdruck auf die Cannabiskonsumenten inzwischen in den Bereich der Verkehrssicherheit verschoben hat. Diese stehen oft da wie der Ochs am Berg, weil sie nicht nachvollziehen können, wieso von ihnen eine besondere Gefahr für die Verkehrssicherheit ausgehen soll, wenn sie im Straßenverkehr doch gar nicht aufgefallen und auch nicht unter der Wirkung von Cannabis gefahren sind. Hinzu kommt, dass die rechtlichen Möglichkeiten für die Betroffenen, sich gegen solche Vorwürfe zu wehren, im Bereich des Verwaltungsrechts äußerst begrenzt sind. So fühlen sie sich insbesondere den Verwaltungsbehörden und später der vermeintlichen Willkür der Begutachtungsstellen ausgesetzt.

Dabei haben sie sich häufig überhaupt nichts zuschulden kommen lassen, wenn man einmal davon absieht, dass der Besitz von Cannabis nach wie vor unter das Betäubungsmittelgesetz fällt und sie damit eine Straftat begehen, die allerdings eher im Bagatellbereich anzusiedeln ist. Deshalb scheitern Cannabiskonsumenten auch oft an der psychologischen Begutachtung bei der Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU). Denn wie sollen sie sich kritisch mit einer vermeintlichen Drogenfahrt auseinandersetzen, die gar nicht stattgefunden hat oder bei der nach ihrem subjektiven Empfinden keine Rauschwirkung mehr vorlag?

Diese Problematik ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass die Wirkung des berauschenden Cannabiswirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC) so lange anhält, wie er im Blut nachweisbar ist, und daher einen Null-Promille-Grenzwert eingeführt hat. Dieser wurde zwar zwischenzeitlich vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig verworfen; der Gesetzgeber hat es aber bisher nicht für nötig befunden, einen THC-Grenzwert zu normieren, und überlässt die THC-Grenzwertfindung der Rechtsprechung.

Die zuständigen Gerichte wiederum orientieren sich bei der Rechtsprechung am Grenzwertvorschlag einer Grenzwertkommission. Diese hat den rein analytischen Grenzwert von 1 Nanogramm pro Milliliter Blutserum als Entscheidungsschwelle vorgeschlagen. Dieser analytische Grenzwert ist allerdings nicht mit einer für den Betroffenen wahrnehmbaren und damit steuerbaren Wirkung gleichzusetzen – was dazu führt, dass der überwiegende Teil der betroffenen Cannabiskonsumenten bestraft wird, obwohl sie sich subjektiv an das Nüchternheitsgebot gehalten haben und nicht unter einer wahrnehmbaren Rauschwirkung gefahren sind.

Dass der Konsum von Cannabis Auswirkungen auf die Fahrtüchtigkeit haben kann, ist keine Frage. Aus diesem Grunde ist auch überhaupt nicht zu kritisieren, dass der Gesetzgeber die rechtlichen Rahmenbedingungen so umgestaltet hat, dass auch eine Fahrt unter Cannabiseinfluss bestraft werden kann. Niemand wird behaupten wollen, dass Cannabis für die Verkehrssicherheit völlig ungefährlich wäre. Es ist auch nicht zu kritisieren, dass der Gesetzgeber vorschreibt, dass nur diejenigen Personen zum Führen von Kraftfahrzeugen zugelassen werden können, welche über die dafür notwendige körperlich und geistige Leistungsfähigkeit verfügen. Dass die notwendige Leistungsfähigkeit bei einer Sucht- oder Abhängigkeitserkrankung möglicherweise nicht gegeben ist, ist ebenfalls nachvollziehbar. Insofern erscheinen die Rechtsnormen im Bereich des Verkehrsrechts an sich durchaus dazu geeignet, die Verkehrssicherheit zu gewährleisten.

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Dass die neu geschaffenen Rechtsnormen und Verordnungen ausschließlich dem Ziel dienen, die Verkehrssicherheit zu gewährleisten, hat die Bundesregierung erst im Juni 2012 auf eine Anfrage der Linken im Bundestag bestätigt. Der drogenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Frank Tempel, stellte hierzu folgende Frage an die Bundesregierung:

Haben die Regelungen des StVG, des StGB, der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) oder anderer Rechtsnormen, die etwa zu Bußgeldern und Strafen, zum Verlust des Führerscheins oder der Verpflichtung zu einer Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU) aufgrund des Konsums berauschender Substanzen führen, ausschließlich die Gewährleistung der Verkehrssicherheit zum Ziel?

Die Bundesregierung antwortete auf diese Frage:

Schutzgut der angesprochenen Normen ist ausschließlich die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs. Diesem Ziel dienen insbesondere die entsprechenden Regelungen des StVG, der FeV und der anderen Normen, indem die Eignung zum Führen eines KFZ zu gewährleisten ist.

Hiermit stellt die Bundesregierung unmissverständlich klar, dass die Rechtsnormen nicht etwa dazu dienen sollen, den Konsum von Cannabis als solchen zu bestrafen.

Im weiteren stellte Frank Tempel auch die Frage, inwieweit die Bundesregierung die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts von 2002 teilt, dass der Erwerb einer Fahrerlaubnis durch Grundrecht geschützt ist und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei allen Maßnahmen gewahrt bleiben muss. In ihrer Antwort bestätigt die Bundesregierung, dass der Erwerb der Fahrerlaubnis zu den Grundrechten zählt und ein Eingriff in dieses Recht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen und verfassungsrechtlichen Grundsätzen genügen muss:

Die entsprechenden Einschränkungen des Rechts zum Führen von Kraftfahrzeugen müssen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen. Sie müssen erforderlich geeignet und angemessen im engeren Sinne sein, um den Anforderungen der Verfassung gerecht zu werden.

Dass die erwähnten verfassungsrechtlichen Grundsätze in der Rechtspraxis bei Cannabiskonsumenten eingehalten werden, bezweifeln nicht nur unmittelbar Betroffene. Obwohl die Bundesregierung nachweislich beteuert, dass die Änderungen im Verkehrsrecht nicht dazu dienen sollen, den Konsum bzw. den Umgang mit Cannabis als solchen zu bestrafen, wird die Rechtspraxis durch die Betroffenen als Ersatzstrafrecht empfunden.

Betrachtet man die Rechtsentwicklung seit den neunziger Jahren etwas genauer, liegt der Verdacht nahe, dass der Gesetzgeber hier primär die Einschränkungen zu kompensieren sucht, die durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf Strafrechtsebene entstanden sind (Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz BetmG). Auch heute, über zehn Jahre nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, werden Fahreignungsüberprüfungen nach wie vor alleine aufgrund von Besitztatbeständen angeordnet, obwohl dies eindeutig verfassungswidrig ist.

Die Verlagerung des Verfolgungsdrucks vom Strafrecht auf das Verwaltungsrecht gibt den Betroffenen kaum eine Chance, selbst eindeutig rechtswidrige oder falsche Maßnahmen der Verwaltungsbehörden juristisch überprüfen zu lassen, ohne dass ihnen die Fahrerlaubnis vorher entzogen wird. Das juristische Kernproblem dabei ist, dass die Erteilung einer Fahrerlaubnis oder auch die Anordnung von Überprüfungsmaßnahmen über das Verwaltungsrecht geregelt sind, welches grundsätzlich anderen Spielregeln gehorcht. Hier geht es nicht wie im Strafrecht darum, ein Fehlverhalten zu beweisen und zu bestrafen. Die Beweislast ist umgekehrt: Gegenüber der Fahrerlaubnisbehörde steht der Fahrerlaubnisinhaber oder Bewerber grundsätzlich in der Beweispflicht bzw. Bringschuld. Bestehen seitens der Behörde Zweifel an der grundsätzlichen Fahreignung, muss der Betroffene diese durch geeignete Gutachten ausräumen. Kann er dies nicht, stellt die Behörde fest, dass die Person nicht fahrgeeignet ist, und erteilt keine Fahrerlaubnis oder entzieht eine bereits erteilte.

Neben dieser grundsätzlichen «Beweislastumkehr» im Verwaltungsrecht sind im Zusammenhang mit Cannabis folgende Umstände in der Rechtspraxis von wesentlicher Bedeutung:

Gegen eine Überprüfungsanordnung können keine Rechtsmittel eingelegt werden (vorbereitende Maßnahme der Behörde, um eine verwaltungsrechtliche Entscheidung zu treffen).

Ein verwaltungsrechtlicher Entzug der Fahrerlaubnis wird grundsätzlich mit sofortiger Wirkung angeordnet, so dass ein Widerspruch oder eine Klage keine aufschiebende Wirkung hat.

Die Verwaltungsbehörden können Maßnahmen (Überprüfung / Entzug) anordnen, schon bevor ein Fehlverhalten – hier: Drogenfahrt gemäß § 24a StVG – überhaupt rechtskräftig bewiesen ist.

Diese Umstände führen zu erheblichen Konflikten, da das Verwaltungsrecht hier ganz offensichtlich andere Rechtsnormen und Rechtsprinzipien überlagert und missachtet. Stellen Sie sich zum Beispiel folgende Situation vor:

Sie werden morgens auf dem Weg zur Arbeit durch die Polizei kontrolliert. Die Beamten sind aufgrund vermeintlicher Anhaltspunkte davon überzeugt, dass Sie Drogen genommen haben, und verlangen eine Blutentnahme. Einige Wochen später erhalten Sie Post – einmal von der Bußgeldstelle und einmal von Ihrer Fahrerlaubnisbehörde. Von der Bußgeldstelle erhalten Sie einen Bußgeldbescheid. Vorwurf: Sie haben eine Drogenfahrt begangen, da in Ihrem Blut noch Drogen nachgewiesen worden sind. Laut Bußgeldbescheid bekommen Sie dafür vier Punkte in Flensburg, vier Wochen Fahrverbot und eine Geldbuße in Höhe von 500 Euro zuzüglich Auslagen der Polizei. Ferner wird Ihnen mitgeteilt, dass Sie gegen den Bußgeldbescheid Einspruch einlegen können. Nun legen Sie natürlich Einspruch dagegen ein, da Sie noch nie Drogen konsumiert haben und es daher auch nicht sein kann, dass bei Ihnen im Blut Drogen nachgewiesen wurden. Da wir in einem Rechtsstaat leben, werden Fahrverbot und Bußgeld noch nicht fällig, da ja noch nichts rechtskräftig bewiesen ist. Wenig später müssen Sie feststellen, dass Ihnen die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis mit sofortiger Wirkung entzogen hat. Ein Widerspruch ist zwar möglich, er entwickelt aber keine aufschiebende Wirkung. Mit Zustellung des Schreibens dürfen Sie somit kein Fahrzeug mehr im Straßenverkehr führen. Begründet wird der Entzug damit, dass bei Ihnen laut Polizeibericht Drogen nachgewiesen wurden und schon der alleinige Nachweis eines Drogenkonsums die Fahreignung per se ausschließt.

Verwaltungsakt abgeschlossen, Führerschein weg, ohne dass Sie jemals zuvor Drogen konsumiert haben – Sie würden zu Recht daran zweifeln, dass Sie in einem Rechtsstaat leben. Tatsächlich ist es schon zu solchen Fällen gekommen, da die Behörde «Tatsachenmeldungen» der Polizei schon als bewiesen ansieht, ohne dass sie tatsächlich bewiesen sind. Wie dies im Alltag aussieht, sei an zwei realen Beispielen geschildert:

Wir schreiben das Jahr 2005, als Peter an seinem Wohnort unweit von Berlin in eine Verkehrskontrolle gerät. Da er als junger Mann ins typische Bild des «Drogenkonsumenten» passt, wird er bei der Kontrolle auch zum Konsum illegaler Drogen befragt. Peter hat bisher keinerlei Erfahrungen mit dem Konsum illegaler Substanzen, also verneint er diese Frage. Den Beamten fallen aber die recht weiten Pupillen von Peter auf, deren Ursachen allerdings auf einen schweren Verkehrsunfall ein Jahr zuvor zurückzuführen sind.

Peter ist mit einem Schnelltest einverstanden. Dieser kann keine Anzeichen von Drogenrückständen belegen. Dennoch sind die Beamten überzeugt, dass Peter Drogen zu sich genommen hat, und bringen ihn zur Blutentnahme auf die Wache. Einige Wochen später flattert Peter, der noch zu Hause wohnt, ein Bußgeldbescheid ins Haus: Verstoß gegen § 24a StVG! Laut Blutgutachten der Rechtsmedizin ist bei Peter der Wirkstoff Amphetamin festgestellt worden. Dieser liegt laut Gutachten um das 24-fache über dem Grenzwert von 25 ng / ml Blutserum. 600 (sechshundert) Nanogramm Amphetamin! Peter ist geschockt und sprachlos. Wie sollen 600 Nanogramm Amphetamin in sein Blut gekommen sein, ohne dass er je Drogen konsumiert hat? Für Peter ist klar: Da muss etwas schiefgelaufen sein. Also legt er gegen den Bußgeldbescheid Einspruch ein. Damit wird der Bußgeldbescheid vorerst nicht rechtskräftig.

In der Folgezeit wird er noch zweimal aus dem Verkehr gezogen, jeweils mit Fahrt zur Wache inklusive Blutentnahme; die Ergebnisse sind aber beide Male negativ, also ohne Drogennachweis. Peter ist mittlerweile bei der Polizei als Betäubungsmittelkonsument registriert und fühlt sich schon fast wie Freiwild. Innerhalb der Familie kommt es zu Spannungen. Ein Teil der Familie glaubt Peter, dass er keine Drogen konsumiert hat, der andere Teil geht davon aus, dass der Drogenkonsum mit der Blutprobe zweifelsfrei belegt ist, auch wenn Peter dies weiterhin bestreitet.

Neben dem Stress mit Polizei und Familie kommt es für Peter aber noch dicker: In einem Brief der Führerscheinstelle wird ihm mitgeteilt, dass erhebliche Zweifel an seiner generellen Fahreignung bestehen. Zur Aufklärung dieser Zweifel soll Peter innerhalb einer bestimmten Frist ein positives MPU-Gutachten vorlegen. Sollte er dies nicht fristgerecht einreichen, wird ihm die Fahrerlaubnis gebührenpflichtig entzogen werden. Begründet wird diese Anordnung mit dem laufenden Bußgeldverfahren, worin ihm vorgeworfen wird, unter der Wirkung von 600 ng / ml Amphetamin ein Kraftfahrzeug geführt zu haben. Da gegen eine MPU-Anordnung keine Rechtsmittel zulässig sind, hat Peter auch nicht die Möglichkeit, sich dagegen zu wehren, ohne den sofortigen Entzug seines Führerscheins hinzunehmen. Mit der MPU-Anordnung hat Peter sogar Glück im Unglück. Die Führerscheinstelle hätte die Fahrerlaubnis auch unmittelbar entziehen können, da der Konsum per se (außer bei Cannabis) schon zum Fahreignungsausschluss führt, auch wenn er noch nicht zweifelsfrei bewiesen ist.

DAS GUTACHTEN. Völlig irritiert von den Umstand, dass er sich trotz laufendem Verfahren nicht gegen die MPU-Anordnung zur Wehr setzen kann, beugt er sich dieser Auflage und lässt sich durch ein Institut begutachten. Die Kosten hierfür muss er selber tragen. Der rein medizinische Teil der Begutachtung läuft erwartungsgemäß: Es kann ihm kein aktueller Drogenkonsum nachgewiesen werden, aus medizinischer Sicht bestehen keine Zweifel an seiner Fahreignung. Die obligatorischen Leistungstests besteht Peter ohne Probleme. Im Gespräch mit der Verkehrspsychologin wird Peter intensiv zu seinem aktuellen und zurückliegenden Drogenkonsum befragt. Seine Angaben dazu fallen sehr knapp aus, da er noch nie Drogen konsumiert hat und keinen Konsum einräumen kann, der nie stattgefunden hat.

Es kommt, wie es kommen muss: Da die wahrheitsgemäßen Konsumangaben im krassen Widerspruch zum Blutgutachten in der Führerscheinakte stehen, können die Zweifel an der Fahreignung nicht ausgeräumt werden. Vielmehr äußert die Gutachterin den Verdacht, dass bei Peter eine Drogenproblematik vorliegt, die so weit geht, dass er den eigenen Konsum verdrängt. Peter versteht die Welt nicht mehr. Seinen Glauben an einen Rechtsstaat hat er verloren. Was soll er noch tun? Der Termin für die Gerichtsverhandlung, in der geklärt werden soll, ob im Zuge der Blutentnahme bzw. -analyse etwas schief gelaufen ist, steht immer noch nicht fest. Das Gutachten ist ein Fehlschlag und die Frist, um es einzureichen, läuft bald ab.

Peter hat die Hoffnung, seine Unschuld beweisen zu können, schon aufgegeben. Anscheinend will ihm keiner glauben, dass er mit Drogen nichts am Hut hat – außer seiner Mutter, die alles daran setzt, die Unschuld ihres Sohnes zu beweisen. Sie recherchiert im Internet und telefoniert sich die Finger wund, um an Informationen zu gelangen, die ihrem Sohn in dieser verzwickten Lage weiterhelfen könnten.

In dem nach wie vor hängigen Klageverfahren gegen den Bußgeldbescheid wäre es theoretisch möglich, einen Beweisantrag zu stellen, um feststellen zu lassen, ob eventuell ein Messfehler vorliegt oder sogar die Blutprobe vertauscht oder verunreinigt worden ist. Das Problem dabei ist, dass es noch keinen Termin für die Verhandlung gibt, die Fahrerlaubnisbehörde das Gutachten aber haben oder die Fahrerlaubnis gebührenpflichtig entziehen will.

Auf Anraten eines Experten schlägt man der Begutachtungstelle vor, bei Peter eine Körperhaaranalyse vorzunehmen, da diese einen Konsumzeitraum von circa 24 Monaten erfassen würde. Wenn in dieser Analyse keine illegale Substanz nachgewiesen werden könnte, würde dies die Konsumangaben Peters stützen. Dieser Vorschlag wird vom Begutachtungsinstitut abgelehnt, mit der Begründung, dass ein Abstinenznachweis nur über eine Kopfhaaranalyse möglich sei. Da Peter zu dem Zeitpunkt nur sehr kurze Haare hat, ist am Ergebnis des Gutachtens nicht mehr zu rütteln.

DIE LÖSUNG. Weil ein Freispruch sich im anhängigen Bußgeldverfahren nur auf die Sanktionen auswirkt – Bußgeld, Fahrverbot, Punkte – und nicht auf den verwaltungsrechtlichen Entzug der Fahrerlaubnis, ist Peters Mutter klar, dass sie das Verfahren nicht abwarten können. Mit wiederholten Anrufen und Anfragen erreicht sie schließlich, dass der Leiter der Gerichtsmedizin verspricht, die Blutproben von Peter noch einmal auf dem «kleinen Dienstweg» zu prüfen. Es stellt sich dann recht schnell heraus, dass die Blutproben bei der Rechtsmedizin offensichtlich vertauscht worden sind. Die entstandenen Kosten (Verwaltungsgebühren / MPU-Kosten / Rechtsbeistand) werden zwar vom rechtsmedizinischen Institut übernommen, aber das Vertrauen in den vermeintlichen Rechtsstaat ist bei der Familie unwiederbringlich zerstört.

Ein weiteres Beispiel, wie man in die Mühlen des Fahrerlaubnisrechts geraten kann, ohne irgendwelche Drogen konsumiert zu haben, ist die folgende Geschichte:

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