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Nicole Steyer

Das Pestkind 2

Serial Teil 2

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

Über Nicole Steyer

Nicole Steyer wurde 1978 geboren und wuchs in Rosenheim auf. Doch dann ging sie der Liebe wegen nach Idstein im Taunus. Die Idsteiner Stadtgeschichte faszinierte sie, und sie begann zu recherchieren. Das Ergebnis dieser Recherchen war ihr erster historischer Roman, der sich mit den Hexenverfolgungen in Idstein und Umgebung befasste. Auch für ihren neuen Roman, »Das Pestkind«, ist sie auf gründliche Spurensuche in Rosenheim und Umgebung gegangen.

Impressum

eBook-Ausgabe 2014

Knaur eBook

© 2013 Knaur Taschenbuch Verlag Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt

Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

Redaktion: Ilse Wagner

Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München

Coverabbildung: AKG Images

ISBN 978-3-426-43265-5

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Anderl mochte es, wenn der alte Theo ihn in die Stadt begleitete, denn wenn Theo bei ihm war, pöbelte ihn niemand an, und sogar die frechen Buben, die ihn sonst gern mit Kieselsteinen bewarfen, ließen ihn in Ruhe. Theo war wie er ein Außenseiter, lebte in einer alten Hütte am Fluss, und es gab viele Geschichten um den sonderbaren, weißhaarigen Mann, der zu Rosenheim gehörte wie der Inn mit seinem grünen Wasser. Doch im Gegensatz zu Anderl wurde er respektiert und geachtet, obwohl er sich keine Mühe gab, sich anzupassen.

Anderl hatte Theo einmal gefragt, warum er sein Freund war. Der alte Mann hatte eine Weile gebraucht, bis er die richtige Antwort gefunden hatte, und ihm mit der Frage, warum er es denn nicht sein sollte, geantwortet.

Danach hatte Anderl sich nie wieder Gedanken über ihre Freundschaft gemacht. Vielleicht war es aber auch ihre Ähnlichkeit, die die beiden zueinandergeführt hatte. Beide waren ruhig, zurückhaltend und brauchten Zeit, um Antworten zu geben. Anderl kämpfte noch um Anerkennung. Theo hingegen hatte sich mit seiner Außenseiterrolle abgefunden.

Sie erreichten die Brauerei, und Anderl öffnete das Hoftor. Es war ein ruhiger Sommernachmittag. Erneut lag schwüle Luft über der Stadt, und ab und an wirbelte Staub auf den Straßen in die Höhe. Eifrig winkte er Theo in den Hof.

»Komm ruhig rein, Theo. Niemand ist hier. Du hast bestimmt Durst.«

Theo zögerte. Er scheute eine Begegnung mit Hedwig. Er konnte die herrische Wirtin des Stockhammer Bräus nicht leiden, und wie sie mit Anderl umging, tat ihm in der Seele weh.

Seine trockene Kehle brachte ihn aber doch dazu, dem Jungen zu folgen.

Anderl verschwand in der Küche und tauchte kurze Zeit später mit zwei Krügen Bier wieder auf. Gierig trank Theo seinen Krug in einem Zug leer und genoss den malzigen Geschmack auf der Zunge.

»Das tut gut.« Er wischte sich den Schaum vom Mund. »Aber deine Mutter wird es nicht gern sehen, wenn du das Bier verschenkst.«

»Schmeckt es dir?«

Der alte Mann nickte.

»Es schmeckt wunderbar.«

Anderl hielt ihm seinen Krug hin.

»Dann kannst du meines auch noch trinken.«

Theo blickte nervös zur Küchentür, nahm den Krug, trank einen kräftigen Schluck und gab ihn zurück.

»Es ist genug. Bei der Hitze steigt mir das Bier in den Kopf. Ist eh besser, wenn ich mich jetzt fortmache, bevor Hedwig mich sieht und du Ärger bekommst.«

Anderl sah Theo nachdenklich an und ballte die Fäuste.

»Es ist mir egal, was sie sagt. Du bist mein Freund, ich lasse nicht zu, dass sie dich verscheucht.«

Theo strich Anderl beruhigend über die Schulter.

»Ist schon gut, mein Junge. Es ist eben, wie es ist. Ich mag keinen Streit.«

Anderls Anflug von Wut verrauchte so schnell, wie er gekommen war. Er nickte stumm.

»Kommst du mich morgen besuchen?«, fragte Theo.

»Ja, natürlich, Theo. Sehen wir dann auch wieder den Booten zu?«

Theo lächelte.

»Das tun wir doch immer. Und du bist der Schiffsmeister und ich dein Matrose.«

»Was werden wir geladen haben?«

»Was du dir wünschst.« Theo wandte sich dem Ausgang zu.

»Dann sollen es Salz, Getreide und viele Fässer Wein sein.«

»Abgemacht! Fässer mit Wein werden es sein.« Theo hob die Hand zum Gruß. »Bis morgen.«

Anderl winkte eifrig wie ein kleines Kind. »Ich freu mich schon.«

Das Tor schloss sich hinter dem alten Mann, und Anderl fühlte wieder diese Trostlosigkeit, die er immer verspürte, wenn er sich von Theo trennen musste. Mit gesenktem Kopf ging er zur Küchentür, doch dann ließ ihn das erneute Knarren des Hoftors aufblicken.

Ein schlaksiger blonder Mann betrat den Hof und blickte sich um. Er schien Anderl nicht zu bemerken, steckte seine Nase neugierig in den Pferdestall, öffnete die Tür des Hühnerverschlags und inspizierte die anliegenden Brauereigebäude. Anderl beobachtete den Mann neugierig, schloss leise die Küchentür und folgte ihm. Vor dem Braukessel, wo sich der blonde Unbekannte an einem der Bierfässer zu schaffen machte, holte er ihn ein.

»Was tust du da?«, fragte Anderl.

Der Mann zuckte erschrocken zusammen und drehte sich um.

»Nichts, nichts«, antwortete er und musterte sein Gegenüber.

»Du musst Anderl sein.«

Anderl riss verwundert die Augen auf. Woher kannte dieser Mann seinen Namen?

»Du fragst dich gewiss, woher ich dich kenne, oder?«

Anderl nickte. Doch weiter kam er nicht, denn Hedwigs laute Stimme unterbrach die beiden. Die Brauereibesitzerin hatte ihren Mittagsschlaf beendet und war zu ihrem täglichen Rundgang aufgebrochen. Die Arme in die Hüften gestemmt, stand sie in der Tür und funkelte den blonden Mann wütend an.

Anderl zog instinktiv den Kopf ein.

»Was willst du, Josef? Du solltest dich hier doch nicht mehr blicken lassen. Lass uns allein, Anderl.«

Das ließ sich der Junge nicht zweimal sagen.

Hedwig ging auf Josef zu, der beruhigend die Hände hob.

»Lass uns doch ruhig über alles reden. Ich will dir doch nur helfen, Hedwig, immerhin bin ich dein Vetter.«

Schwer amtend blieb sie vor ihm stehen.

»Du bist nicht meine Familie. Ein Taugenichts warst du dein ganzes Leben lang. Den Hof deines Vaters hast du in den Ruin gewirtschaftet, und jetzt versuchst du, dich an mich heranzumachen, aber das kannst du vergessen, denn die Brauerei habe ich allein geerbt und sonst niemand.«

Josef Miltstetter gab sich noch nicht geschlagen. Er kannte das Temperament seiner Base.

»Aber du bist doch eine Frau. Es schickt sich nicht, eine Witwe und Wirtin zu sein. Was sollen denn die Leute denken?«

Hedwig lachte laut auf.

»Was die Leute denken, ist mir gleichgültig. Und soweit ich mich erinnern kann, war es dir auch immer unwichtig.«

Es fiel Josef schwer, seine aufsteigende Wut unter Kontrolle zu halten. Was bildete sich dieses Weib überhaupt ein? Er war ein Mann, und sie hatte sich unterzuordnen und sollte froh darüber sein, Hilfe angeboten zu bekommen.

Hedwig baute sich mit verschränkten Armen und grimmiger Miene vor der Tür auf.

»Du solltest jetzt besser gehen.«

Josef nahm einen letzten Anlauf.

»Irgendwann wirst du froh sein, mich zu haben, oder glaubst du wirklich, der dumme Junge kann einmal dein Erbe antreten?«

»Anderl geht dich nichts an. So wie dich hier gar nichts etwas angeht. Verschwinde endlich! Ich will dich hier nie wieder sehen.«

Josef grinste. Er wusste, jetzt hatte er ihren wunden Punkt getroffen.

»Was soll denn werden, wenn du nicht mehr bist? Er ist dein einziger Erbe, und zum Kinderkriegen bist du inzwischen zu alt. Der Bursche wird die Brauerei in Grund und Boden wirtschaften.«

Hedwig hatte sich wieder im Griff.

»Ich habe gesagt, du sollst mein Haus verlassen.«

»Ich gehe jetzt, meine liebe Base. Aber das letzte Wort zwischen uns ist noch nicht gesprochen.«

Hedwig folgte ihrem Vetter auf den Hof, wo Anderl die Hühner fütterte. Neugierig warf er den beiden einen Blick zu.

»Mach’s gut, mein Junge«, rief Josef ihm zu und hob seine schäbige Kappe. »Wir sehen uns bald wieder.«

Lautstark schlug er das Hoftor hinter sich zu.

Hedwig stand mitten auf dem Hof, dann drehte sie sich zu Anderl um und gab ihm eine schallende Ohrfeige.

Erstaunt sah er sie an.

»Wie oft habe ich dir schon gesagt, keine Fremden hereinzulassen? Dem Teufel persönlich würdest du dummer Junge die Tür öffnen.«

Anderl hielt sich die schmerzende Wange, sah seiner Mutter hinterher, die wieder in der Küche verschwand, und fütterte weiter die Hühner.

*

August Stanzinger rollte die Augen und blickte über den Marktplatz, auf dem unaufhörlich Regen in große Pfützen prasselte. Bereits seit dem gestrigen Abend schüttete es wie aus Kübeln. Das Abhalten eines geregelten Marktes war heute kaum möglich, weshalb sich nur wenige Bauern und Händler eingefunden hatten, die ihre Waren an die wenigen Leute feilboten, die sich nicht in ihren Häusern verkrochen.

Doch obwohl die Schweden nicht mehr weit waren, gab es noch Weiber, die keine anderen Sorgen hatten, als sich gegenseitig anzukeifen. In diesen Momenten hasste er es, Büttel zu sein. Er stützte den Arm auf und versuchte, den beiden korpulenten Damen zu folgen, die aufgebracht und laut schimpfend vor seinem Schreibtisch standen.