Wie viel NEIN muss sein?

Einleitung

Vom Sinn und Unsinn der Disziplin

„Kinder brauchen Grenzen“, meint der Erziehungswissenschaftler Jan Uwe Rogge in seinem gleichnamigen Klassiker. „Kindheit ohne Strafen“ fordert die einstige „Super-Nanny“ Katharina Saalfrank. Eltern, die im Alltag ihrem trotzenden Kind gegenüberstehen, sind hin- und hergerissen zwischen den scheinbar gegensätzlichen Ansätzen der Erziehungsexpertinnen und -experten und fragen sich, welcher Weg zwischen liebevoller Zuwendung und klarer Ordnung der richtige sein könnte.

Einerseits wollen wir, dass unsere Kinder, wenn sie an ihre Kindheit zurückdenken, sich vor allem an Freiheit, Liebe und Glück erinnern und weniger an Strafen und strenge Regeln. Andererseits wollen wir nicht, dass unsere Kinder, wie oft prophezeit, zu egoistischen Tyrannen werden. Denn ein gewisses Maß an Disziplin muss doch schließlich sein, oder nicht?

Ja, Disziplin muss sein – entscheidend ist aber, was man darunter versteht. Viele assoziieren mit diesem Wort Härte, Strenge und Strafen. Mit der ursprünglichen Wortbedeutung hat das jedoch nichts zu tun: Das Wort „disciplinare“ stammt aus dem Lateinischen und bedeutet „jemanden etwas lehren“. Der eigentliche Zweck der Disziplin ist es also, jemandem etwas beizubringen. Es geht nicht darum, sich unterzuordnen oder lernen zu gehorchen. Es geht auch nicht um Anpassung an bestehende Strukturen. Im Gegenteil, Disziplin bedeutet erst einmal, dass die erwachsene Generation der heranwachsenden etwas beibringt. So verstanden ist Disziplin nur ein anderer Begriff für Erziehung.

Daraus ergibt sich unmittelbar die Frage nach unseren Werten und Erziehungszielen: Wie wichtig ist uns Freiheit, Selbstbestimmung und Eigenverantwortung? Oder legen wir mehr Wert darauf, dass unsere Kinder lernen, Rücksicht zu nehmen, pflichtbewusst zu handeln und Regeln einzuhalten? Das sind Abwägungen, die diskutiert werden können und sollten. Die Entscheidung darüber steht allen Eltern frei. Aber es tut gut, die eigenen Werte immer mal wieder zu reflektieren und auf den Prüfstand zu stellen, um dann sicher zu sein, was wir selbst und unsere Partnerin oder unser Partner wollen, damit wir im Erziehungsalltag auch wirklich dahinterstehen können.

Ohne Grenzen geht es nicht. Doch Grenzen können, ja sollen sogar liebevoll gesetzt werden. Und dazu – da hat die „Super-Nanny“ recht – brauchen wir keine Strafen.

Euer -Expert*innen-Team