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© 2019 Reiner Kamp

Herstellung und Verlag:

BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 9783749490462

Inhalt

PROLOG

(EIN WIRKLICH AUSSERGEWÖHNLICHER MENSCH)

Bei allem Widersinn, der dem Gedankengang innewohnte, wurde ich den Verdacht nicht los, meine Gattin hätte diesen Regentag nur aus einem einzigen Beweggrund in unseren Sommerurlaub eingefügt: Sie wollte um jeden Preis aus der ebenso heftig wie kontrovers geführten Diskussion um das doppelte Reisegepäck als unumstrittene Siegerin hervorgehen. Sie neigt nämlich dazu, die Familie auf unseren Urlaubsreisen hinsichtlich der mitzuführenden Bekleidung stets für alle vier Jahreszeiten auszustatten.

Um es vorwegzunehmen: Am Ende sollte dieser für Außenstehende nicht weiter bedeutungsvoll erscheinende Wetterumschwung uns und damit auch die noch unbefangene Leserin / den noch unbefangenen Leser in diese sonderbare Geschichte – sagen wir mal – verwickeln.

Stumm, aber untermauert von einem triumphalen Ich-hab´s-doch-gleich-gewusst-Blick, verteilte die Liebste wasserabwei sende Kapuzenjacken an die Getreuen. Schluss mit dem Gejauchze angesichts der bis dahin sonnenumstrahlten norwegischen Naturschönheiten! Jetzt bestimmte sie das Tagesmotto: »Heraus aus der Wildnis und ohne Umwege in Fänge der innerstädtischen Konsumterroristen«. Das war genau das passende Wetter für einen Einkaufsbummel in Kristiansand. Dafür also die klaffenden Reißverschlüsse unserer Koffer!

Natürlich würden wir einander im geschäftigen Gewimmel nicht aus den Augen lassen; immerhin befanden wir uns in einem fremden Land und waren der Sprache nur sehr eingeschränkt mächtig. Kaum war der ehrenwerte Vorsatz ausgesprochen und einstimmig angenommen, da pochte die Teenage-Tochter auf nur fünf Minuten in einer dieser international genormten grell beleuchteten, bassdröhnenden Rattenfängerhöhlen. Gleichzeitig fühlte sich meine Gattin von den überdimensionalen Preisschildern des großen Kaufhauses schräg gegenüber unwiderstehlich angezogen. Ich selbst erhielt den Auftrag, mich für beide gut sichtbar, die Erstklässlerin fest an der Hand, in der Mitte der Fußgängerzone zu postieren und dort zu verharren – fest wie ein Baum.

›Wenn sie so dasteht, ist es eigentlich schon zu spät‹, schoss mir bei einem prüfenden Blick auf die Kleine ein Merksatz meiner Frau durch den Kopf. In der Tat, es war höchste Zeit, den väterlichen Griff zu lösen: »In der gatekjøkken wirst du eine Toilette finden ... beeil dich!« Schon trieb sie dahin. Der Baum stand fest. Nicht, dass mir die immobile Rolle etwas ausmachte, vielleicht hätte ich meinem Beobachtungsposten sogar einen gewissen Reiz abgewinnen können, zum Beispiel bei besserem Wetter; so aber nötigte mich bereits nach wenigen Minuten ein unangenehmes Gefühl, welches das über und unter meiner Kleidung herabrinnende Regenwasser hervorrief, zu ausgesprochen unbäumischem Verhalten. Ohne es eigentlich zu wollen, vielleicht auf der Suche nach einem Unterstand, wandte ich den Blick ab von der Stelle, an der mein Töchterchen soeben mit dem einkaufswütigen Gewoge verschmolzen war. Anfangs wanderten nur die Augen, hefteten sich an der Straßenausstellung eines Aquarellkünstlers fest und zogen schließlich Stamm und Wurzeln hinterdrein.

Unter faltig-transparenter Plastikplane reihte sich eine Sammlung typischer Touristenmotive. Mit dem Blick des Wissenden gewahrte ich hinter tausenden und abertausenden Tropfenlinsen einen ausgesprochen souveränen und eigenwilligen Pinselstrich – also alles andere als den typischen Touristenmassenbilderproduktionsstil. Hier offenbarte sich ohne Zweifel das Werk eines Könners.

Er, der Könner, saß reglos wie eine plump modellierte Skulptur, über die jemand lässig eine grobe, unfarbige Jacke geworfen hatte, auf einer kniehohen Betonsäule, den Blick gesenkt, den Hut ins Gesicht gezogen. Unter der schmalen Krempe stieß eine mächtige Adlernase hervor, als bestünde ihr erster Zweck darin, den unermüdlichen Fall der Tropfen zu bremsen, bevor sie in den wirren Krausen des Bartes versickerten. In das Gesicht, von dunkler, eher südlicher Färbung, hatten wohl mehr als achtzig Jahre unzählige tiefe Furchen eingegraben. Das mochte eher zu weißem oder zumindest ergrautem Haar passen, aber der krause Vollbart und auch die Strähnen, die aus seiner Kopfbedeckung üppig her vordrängten, fielen dunkel, fast schwarz, wenn auch nicht gänzlich frei von einzelnen hellschimmernden Außenseitern über den hochgeschlagenen Kragen seiner Joppe. Während mich das skurril-triste Stillleben noch gefangen hielt, bewegte sich die Skulptur unvermittelt – genau genommen hob sie träge das Haupt und fixierte mich misstrauisch aus zwei überraschend jugendlich blitzenden Augen. Sah er mir in diesem Moment etwa an, dass ich nicht kaufen, sondern nur gucken wollte?

Schließlich spuckte der Künstler in elegantem Bogen den nur wenige Millimeter langen Rest einer filterlosen Zigarette auf die Straße und erhob sich zögerlich von seinem Thron: »Du hast doch bestimmt auch einen Aquarellkasten zu Hause«, eröffnete er in deutscher Sprache, »Volkshochschule!« fügte er noch hinzu, und ich hatte den Eindruck, seine Falten vertieften sich dabei zu einem angriffs-listigen Grinsen. Ich bilde mir nichts auf meine theoretischen und praktischen Kenntnisse der Materie ein, aber dieser hämische Auftritt war ganz offensichtlich eine Herausforderung. In einer verbalen Großoffensive hob ich den hingeworfenen Handschuh auf und ließ eine ganze Armee verstorbener und noch lebender Künstler über meine Lippen marschieren, erzählte von Papier, dem man die Atemluft nicht nehmen dürfte, schwärmte von synästhetischen Wahrnehmungen, von klingenden, duftenden Bildern, von der Liebe zum Motiv und dramatisierte die Urangst eines jeden Zeichners und Malers, die Angst vor dem jungfräulichen Weiß, dem leeren Blatt.

»Jungfräuliches Weiß, der erste Strich als Defloration der Reinheit – alles Quatsch, so reden Stümper!« unterbrach er meinen Redeschwall »Die hab ich gern, die Zauderer, Scharlatane und Möchtegernkünstler, die einen beinahe mystischen Wind um alles wehen lassen, was, weil frei von jeder Definition, irgendwie nach Kunst riecht. Und das, was sie schließlich als Produkt ihrer Fähigkeiten vorlegen, verschließt sich jedem Verständnis, ist nicht zu begreifen, nicht mit der Ratio, ebenso wenig mit den Sinnen, geschweige denn mit dem Gefühl – demnach muss es sich um Kunst handeln, wie?« Er lachte hämisch auf. »Bist du jemals einem routinierten Koch begegnet, dem der Anblick einer nagelneuen Pfanne soviel Ehrfurcht eingeflößt hat, dass er sich nur mit größter Überwindung dazu entschließen konnte, darin ein Steak zu braten?!«

In meiner Bestürzung angesichts dieser engstirnigen und gleichzeitig respektlosen Haltung gegenüber der verehrten – weil freien – Kunst sollte ich als Zugabe auch noch Zeuge einer Handlung werden, der ich bis dahin allenfalls einen Platz in der Literatur, vielleicht in Drehbüchern eingeräumt hätte – quasi als dramaturgischen Einfall, als unterstreichenden Akzent für den Auftritt eines außergewöhnlichen Charakters. Fast hätte ich die pochenden Bewegungen übersehen, die seine Rechte während der blasphemischen Ausführungen in der Hosentasche vollzogen hatte. Nun zauberte er eine kunstvoll gedrehte Zigarette daraus hervor, führte sie an die weit herausgestreckte Zunge, leckte kurz am Blättchen und gab dem Produkt seiner Fingerfertigkeit die endgültige Form, indem er es geschickt zwischen Daumen, Zeige- und Mittelfinger rollte. Ich konnte eine gewisse spontane Ehrfurcht nicht verhehlen: Hier handelte es sich ganz offensichtlich um einen außergewöhnlichen Menschen. Ich gab ihm Feuer.

Die Geste mochte ihn wohl milde gestimmt haben. Jedenfalls fuhr er in versöhnlicherem Ton fort: »Weißt du, junger Freund, solange dein Kopf leer ist, bleibt das Papier keusch. Für den, der Visionen hat, erscheint das Bild bereits auf dem Blatt, bevor er den ersten Strich getan hat. Dann ist es aus mit der Jungfräulichkeit. Dann bist du eins mit Motiv und Material. Was soll dich daran hindern, besonders letzteres seiner Bestimmung gemäß zu verwenden? Die Fähigkeit, Visionen zu physischer Existenz zu verhelfen, kennzeichnet den wahren Künstler.« In seinem Blick lag die Souveränität des Wissenden, und aus dem Mundwinkel zeigte die Zigarette, dem Druck seiner Lippen folgend, leicht nach oben.

»Auf dich ist mal wieder überhaupt kein Verlass!« Die ebenso vorwurfsvolle wie vertraute Stimme ließ mich herumfahren. Aus einem schwer überschaubaren Gewirr von Packpapier, Tüten und Kartons ragte der Kopf meiner Ehefrau hervor. Das Alarmsignal, eine vertikale Furche, die sich von ihrer Nasenwurzel über die Stirn bis zum Haaransatz hinzog, war unübersehbar. »Darf ich dich, Erziehungsberechtigter, an deine Aufsichtspflicht erinnern?!«.

»Ich habe nur...« wagte ich zu stammeln. Stumm packte sie Stück für Stück ihrer Beute auf mich. Ich ließ es geschehen und wusste, sie würde in dieser schwierigen Situation richtig entscheiden.

»Du bringst die Sachen zum Wagen und bleibst dort, egal, was geschieht«. Sie drehte mich und meinen Ballast in die Richtung, in der sie unser Auto vermutete und gab mir mit beiden Händen einen heftigen Antriebsstoß in den Rücken. »Ich kümmere mich währenddessen um die Ladies.«

Diese, unsere Töchter, mit einem Orientierungssinn ausgestattet, den sie weder von ihrer Mutter noch von mir geerbt haben konnten, trafen beinahe zeitgleich mit mir, wenn auch aus anderer Richtung, auf dem Parkplatz ein, lautstark über die Sitzordnung für die anstehende Rückfahrt streitend.

Der Himmel hatte sich entschieden, seine dunkel aufgeblasenen Tiefdruckschwadrone abzuziehen, und ich genoss, beide Hände so grund- wie sinnlos am Steuer, wie das satter werdende Rot unseres Zentralgestirns langsam hinter den Dächern der Stadt versank – wahrhaftig ein Sonnenuntergang wie gemalt.

Unsere Nachkommen hatten ihre Schlacht beendet. Glatter K.o.-Sieg für den Teenager. Demzufolge saß die Große nun auf dem Beifahrersitz, registrierte das Naturschauspiel emotionslos und stampfte nörgelnd einen imaginären Rhythmus. Seit drei Stunden steckte der Schlüssel im Zündschloss. Der Parkplatz hatte sich geleert. Die Menschen genossen ihren Feierabend. Unsere Kleidung war beinahe trocken, sofern man den Schlüpfer der Kleinen ausklammerte.

Ich begann mich in trauter Dreisamkeit bereits mit dem Gedanken abzufinden, meine Frau niemals wiederzusehen, als sie unvermittelt die Beifahrertür aufriß und die jugendliche Siegerin energisch von ihrem Thron auf Platz zwei verwies. »Ein wirklich außergewöhnlicher Mensch!« Sie belud das verstörte Kind mit ein paar Schnäppchen, an denen sie unmöglich hatte vorübergehen können, »... ist ein toller Pullover für dich dabei, so ein schwarz-weißer mit Rentieren drauf,« und ließ sich pustend auf den Sitz neben mir fallen: »Er hat uns eingeladen.«

»Wo hast du so lange gesteckt? Wer hat uns eingeladen?« verstand ich mit vorwurfsvollem Ton meine Erleichterung über ihr unerwartetes Erscheinen zu überdecken.

»Na, wer schon, der Alte mit den Bildern. Sag’ mal, suchst du Streit?«

Natürlich suchte ich keinen Streit. Ich hatte überhaupt keinen Grund, mich aufzuregen. »Anschnallen, Hände an die Ohren, Türen schließen.«

Weiß der Teufel, wie sie es immer wieder anstellt, wildfremde Menschen dazu zu bewegen, ihr Innerstes nach außen zu kehren – jedenfalls schien sie sein ganzes Leben zu kennen. Ihre Worte rauschten wie ein Wasserfall. »Morgen Abend – nein, Diana, im Auto wird nicht getrunken, warte, bis wir an der Hütte sind – morgen Abend werden wir ihn besuchen. Wir nehmen eine Flasche Wein mit, den guten, den trockenen, du weißt schon, nein, besser zwei, er hat viel zu erzählen, du wirst begeistert sein, ich mag seine Bilder, hier musst du rechts abbiegen, hier, ja, ja, gleich hier, nun brems doch schon, du weißt doch, dass mir immer schlecht wird, wenn du...«

»Eigentlich wollte ich morgen...«

»Du bist ein Egoist, aber ich zwinge dich nicht. Es ist ja dein Urlaub, ganz allein deiner!« Sie hatte kraft ihrer Lautstärke wieder einmal alle Argumente auf ihrer Seite.

Der außergewöhnliche Mensch würde uns gegen neunzehn Uhr erwarten. Ich hatte eineinhalb Stunden Fahrt eingeplant und saß demgemäß pünktlich um siebzehn Uhr dreißig hinter dem Lenkrad.

Wer jemals das Vergnügen hatte, drei Personen weiblichen Geschlechts, egal welchen Alters, zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort zusammenzuführen – und sei es um siebzehn Uhr dreißig auf ganz normalen Autositzen – der weiß, dass die Metamorphose, die als Produkt der Anwendung kosmetischer und textiler Erzeugnisse der Verwirklichung eines solchen im Grunde genommen unkomplizierten Vorhabens vorausgeht, sich den Regeln der gewöhnlichen Zeitplanung entzieht. So wurde es achtzehn Uhr, als wir schließlich den Berg hinunterrollten.

Wir rollten Richtung Süden und folgten der Wegbeschreibung meiner Gattin, die mich teils intuitiv, teils in Erinnerung der Worte des außergewöhnlichen Menschen mehr oder weniger souverän zu dirigieren verstand. Das Herumstochern in linken und rechten Wegzweigungen, das Vor und Zurück und dann doch wieder Vor bestätigte mich einmal mehr in der Erkenntnis, dass kein Land dieser Erde die Kongruenz zwischen postalischer Anschrift und geografischer Wirklichkeit besser herzustellen weiß als meine Heimat. Die Fremde offenbart mir ihre landschaftliche und kulturelle Vielfalt vor allem dadurch, dass ich, den geschickt angelegten Irrwegen, grünen, blauen, gelben Hinweis schildern unbefangen und vertrauensselig folgend, ein einmal angepeiltes Ziel in der Regel um Meilen verfehle, ja, mich nicht selten gar in vollkommen entgegengesetzter Himmelsrichtung wiederfinde.

Hier musste es sein. Es konnte nur hier sein, denn hier endete die Straße, und es war genau die Straße, die er ihr, meiner Gattin, tags zuvor so plastisch beschrieben hätte, wie sie meinte. Ein schönes Plätzchen, umgeben von sanften bewaldeten Hügeln, deren felsiger Kern an manchen Stellen den dünnen Mutterboden schroff durchbrach. Ein Stück unterhalb des sumpfigen Pfades, in dem sich die Reifen unseres Autos eingegraben hatten, gurgelte ein munteres Bächlein, und es roch verdächtig nach Elch. Ich ließ mich vom Sitz gleiten und sog, ungeachtet der eisigen Nässe die sich durch meine Socken wie durch einen Docht den Weg nach oben bahnte, den rosaroten Abendhimmel ein. Idyllisch, paradiesisch perfekt, dachte ich noch, als meine Frau mich mit schonungsloser Direktheit in die Realität unseres Plans zurückriss. Auf den zweiten Blick war das Paradies nämlich mit einem gewissen Makel behaftet: »Es gibt hier keine Häuser«, sagte sie schwach – und dann ganz langsam, als wäre ich schwer von Begriff: »Weit und breit nicht ein einziges Haus!«

Wir sind nicht so schnell kleinzukriegen, meine geliebte Gattin und ich. Um es kurz zu machen: Weder das ebenso komplizierte wie zeitaufwendige Unterfangen, unser Auto mittels Seilwinde aus dem Morast zu ziehen, noch die daran anschließende Fortsetzung der nervenaufreibenden Odyssee konnten uns daran hindern, natürlich weit nach der vereinbarten Zeit, in einer Art Villa Kunterbunt das beschriebene Ziel zu identifizieren – wie erwartet am Ende eines schlammigen Pfades, unbeleuchtet und von einer wehrhaft-wildwuchernden Dornenhecke umgeben.

Es dürfte wohl weniger unserem Klopfen und Rufen als vielmehr dem Winken mit den Weinflaschen zu verdanken gewesen sein, dass die Haustür schließlich unwillig in ihren Angeln knarrte und den Blick auf ein verwundertes aber dennoch in gewisser Weise vertrautes bartumrahmtes Mienenspiel freigab. Er sagte kein Wort, stand einfach nur da in seinen Pantoffeln, die linke Hand in der Hosentasche, die rechte an der Klinke, ganz so als könnte er sich nicht entschließen, ob er uns einlassen oder nur die Flaschen entgegennehmen sollte. Meine Frau, zweifelsohne die ungeduldigere von uns beiden, nahm ihm die Entscheidung kurzerhand ab: »Guten Abend.« Ohne es eigentlich zu wollen, musste er die Rechte für ihren festen Händedruck freigeben. Schon war sie an ihm vorbei.

»Um Himmels Willen«, hörte ich ihre Stimme aus dem Dämmerlicht des Hausinneren, »diese Vandalen! Wenn wir gewusst hätten...« Der Alte hatte den überraschenden Angriff offenbar noch nicht recht verarbeitet und starrte, leicht vorgebeugt, ungläubig hinter ihr her. »Belassen Sie alles in diesem Zustand«, belehrte sie ihn, »rühren Sie nichts an, bis die Polizei eintrifft!« Das kannte sie aus dem Fernsehen. »Sie könnten wertvolle Hinweise verwischen...«. Ich schob die Kinder voran, warf einen Blick durch die Tür und verstand. Allerdings ließ ich mich von dem Bild, das sich hier darbot, weit weniger aus der Fassung bringen. Im Gegensatz zu meiner Angetrauten sind mir die Behausungen langjähriger Junggesellen nicht gänzlich fremd. Entweder stellt deren penibel ritualisierter Ordnungssinn jeden familiengebundenen und damit kompromissfähigen Putzteufel in den Schatten, oder aber sie lassen den Dingen ihren Lauf. Es gibt nur die beiden Extreme. Dieses Ambiente bewies untrüglich, dass wir es mit einem ausgesprochen schweren Fall der zweiten Sorte zu tun bekommen hatten.

Aus allen Winkeln und Nischen wucherten Unmengen an Papier hervor. Zeitungen aus vergangenen Jahrzehnten, dazwischen Einwickelpapier und Einkaufstüten, Bücher, kostbares Bütten – alles ergoss sich unkontrolliert über den Fußboden wie über die Möbel. Sie schienen das gesamte Haus in Besitz nehmen zu wollen, begruben die eigentliche Bestimmung der einzelnen Räume unter einer Palette pastell vergilbender Farbschattierungen in tausend Nuancen und mischten ihre schwer-muffigen Ausdünstungen mit einem Kneipenaroma, das wohl den leeren Flaschen entströmt sein mochte, die als Leitpfosten schmale Gänge markierten. Wie eine Moräne schien sich das Chaos in einen engen Korridor geschoben zu haben, spärlich erhellt von einem matten gelblichen Licht, das durch einen schmalen Türspalt am Ende des Ganges fiel.

»Wir gehen ins Atelier«, der Hausherr hatte sich offenbar mit unserem nächtlichen Eindringen abgefunden. Er wies uns mit resignierender Geste den Weg durch den besagten Korridor und verschwand selbst in entgegengesetzter Richtung. Irgendwo im Dunkel krachte ein Papierstapel in sich zusammen, einer der Leitpfosten rollte wie ferner Donner über die Fußbodendielen. Helles Klirren verriet, dass er in seiner grenzenlosen Gastfreundlichkeit womöglich nach Gläsern suchte.

Das Atelier unterschied sich von den anderen Räumen vor allem durch zwei Merkmale: Zum einen fanden sich hier, bezogen auf den Quadratmeter, noch weit mehr und höher aufgetürmte Zellstoffansammlungen, zum anderen endete das Chaos abrupt vor einer unerwartet aufgeräumten Wand. In penibel ausgerichteten Zeilen hielten hier Reißzwecken und Stecknadeln eine Unzahl schmaler Papierstreifen, die mich an Bons aus dem Supermarkt erinnerten – Reihe für Reihe aufgespießt, ohne Zwischenräume, von der Decke bis auf Kniehöhe. Im Halbdunkel konnte ich nicht erkennen, was darauf geschrieben stand, keinesfalls aber handelte es sich um Additionen. Manche dieser Papierschlangen waren bestimmt zwei Meter lang, andere nur wenige Zentimeter. Ein etwa schrittbreiter Streifen nackten Fußbodens, blitzblank gefegt, trennte die Ordnung vom Wildwuchs. Wie ein Altar stand ein wuchtiger Schreibtisch aus dunklem Holz an die Wand gerückt. Ein mehrbändiges Lexikon der Kunstgeschichte, gestapelt, ersetzte ein Bein. Eingerahmt und dürftig gehalten von einer Art Zaun aus respektlos aufgenagelten Dachlatten türmte sich auf der Arbeitsfläche Papier in Form von zerlesenen Büchern, losen Zetteln, Ordnern, bekritzelten Servietten, Zigarettenschachteln und was der Geist sonst noch zum Überleben benötigt. Eine halb gefüllte Kaffeetasse schwankte verdächtig über allem und gab dem Stillleben etwas Spannendes.

Er sollte keine Umstände machen, forderte meine Frau unseren Gastgeber auf, und der hielt sich daran. Wer könnte ihr widersprechen?! Mit lockerer Geste befreite er ein paar wacklige Lehnstühle von ihrer Last und bot jedem einen Sitzplatz an – immerhin! Die Gläser platzierte er auf einigen gekonnt ausbalancierten Pappschachteltürmen.

Mein Blick hing fasziniert an dieser Wand. Wir saßen da, und es schien, als wollten keinem die passenden Worte einfallen. Der Alte schaute von einem zum anderen, und wenn sich die Blicke begegneten, nickte er stumm, fast nachdenklich, und dann rollten die Augen blitzschnell in eine andere Richtung.

»Tja«, räusperte ich, »es ist gar nicht leicht, das Haus zu finden.« Schweigen.

»Welches Haus?« Er hatte sich viel Zeit für diese sonderbare Frage gelassen.

»Na, dieses Haus.«

»Ja, natürlich, ich, äh... ich habe keine Probleme damit.«

»Ob das Wetter wohl noch besser wird?«, versuchte meine Frau die beklemmende Stille zu durchbrechen.

»Es ist, wie es ist. Es ist gut.«

»Das mit den einfallslosen Künstlern hat mir gefallen.« Ich versuchte, dort anzuknüpfen, wo wir unser Gespräch auf der Straße unterbrochen hatten.

»Verstehe ich nicht.« Seine Rechte verschwand in der Hosentasche. Nachtschicht in der Zigarettenfabrik. Als wäre es nicht bequemer, dabei aufzustehen, streckte er sich, drückte die Schultern an die Stuhllehne, schwebte fast über der Sitzfläche und stemmte die Hacken so kräftig gegen meine Schuhe, dass ich samt Stuhl ein gutes Stück zurückrutschte.

Die Flamme roch stark nach Benzin. Er inhalierte zwei, drei Mal und sein Gesicht verschwand für einen Augenblick im Nebel: »Ich verstehe nicht, was dir an einfallslosen Künstlern gefällt.«

»Ich meine die Sache mit der Jungfräulichkeit des Papiers. Ein interessanter Gedanke. Erinnern Sie sich?«

»Haben Sie einen Korkenzieher?« Meine Gattin hatte spontan erfasst, was ihn hauptsächlich zu interessieren schien.

»Na, gib mal her.« Endlich huschte ein Lächeln über sein Gesicht. Sie reichte ihm eine der beiden Flaschen. Er stellte sie neben seinen Stuhl und zog gleich darauf vorsorglich auch die zweite näher in seinen Aktionsradius.

»Dieser ist besonders gut«, verstand meine Frau ihre Bestürzung angesichts solcher Habgier zu überspielen. Ihr Qualitätshinweis schien ihn nicht zu beeindrucken. Der Korken ließ unter dem Druck seines kleinen Fingers ein ordinäres Quietschen vernehmen, bis er urplötzlich nachgab und zischend in den Bauch der Flasche hinunterfuhr. Mit beachtlichem Geschick gelang es dem Alten, die sofort emporschießende Fontäne in seinem Glas aufzufangen. Er nahm einen kleinen Schluck, spitzte den Mund, nickte anerkennend und erhob sich: »Ja, hier ist das Allerheiligste«, beschrieb er mit dem freien Arm einen großzügigen Kreis und goss gleichzeitig den Wein ohne Respekt in sich hinein. »Ihr habt geglaubt, ich wäre ein armer Schlucker, einer, der sich für ein paar lausige Kronen prostituiert, stimmt´s?! Ich habe die Almosen der Touristen nicht nötig, sitze nur da und studiere die Menschen. Sollen sie doch an meinen Blättern vorübergehen, die Unwissenden. Ich besitze den größten Schatz der Welt.« Er kicherte geheimnisvoll in seinen Bart und füllte den Kelch ohne einen mitfühlenden Gedanken an seine durstigen Gäste erneut bis zum Rand: »... und was das Kleingeld betrifft: Ich habe da einen Galeristen ... moralisch unqualifiziert, fachlich belesen, geschäftlich skrupellos, alles in allem ein Scheißkerl, typischer Kaufmann, einer von jenen Saubermännern, die ihr Gewissen – ihr reines Gewissen, rein wie das eines Säuglings und ebenso unbenutzt – mit einer sogenannten gedeckten Krawatte zu erdrosseln versuchen, auf dass es ihnen nicht ins Wort falle, während Sie ›preiswert, preiswert‹ hecheln. Ja, von Preisen versteht er etwas. Gott möge den Herrn Kaufmann davor bewahren, dass sich ihm auch nur eine Ahnung dessen erschließt, was Wert bedeutet.« Er schien sich in seinen Gedanken zu verheddern, stockte, fuhr sich mit den Fingern durchs Haar: »Noch kommt mein Scheck regelmäßig – gute deutsche Mark, direkt aus Hamburg, versteht ihr?!«

Wir verstanden nicht, weder die Sache mit dem größten Schatz der Welt, noch was ihn mit dem erwähnten Scheißkerl verbinden mochte. Offen gestanden: Uns war bei seinem Gefühlsausbruch ein wenig mulmig geworden.

Sein Gesicht glänzte schweißnass, als er die zweite Flasche griff und damit quer durch die Tabuzone den Schreibtisch ansteuerte. Der begann mächtig zu wackeln, als er sein Gesäß gegen die abenteuerliche Konstruktion drückte. Er fand zurück zum Thema, begann lautstark und mit schwerer Zunge sein eigenes künstlerisches Werk zu preisen, zog über die Pfuscher, die Betrüger und Möchtegernkünstler der Gegenwart her und schloss mit einem Loblied auf Rembrandt, den Zeichner, nicht den Maler, wie er betonte. Gut, der späte Rembrandt wäre auch ein Maler gewesen, sogar einer der größten. »Früher Wegbereiter des Impressionismus. Die Zeit war noch nicht reif dafür. Ach, die Zeit... sie ist unschuldig. Es war und ist die Blindheit der Materialisten, der Kaufleute...«, der Kreis schien sich zu schließen, »Wie viele Genies mögen unerkannt das Zeitliche gesegnet haben, nur weil ihre herausragenden Talente nicht mit der Bereitschaft und Fähigkeit zu marktschreierischen Auftritten gepaart waren? Es ist zum Verzweifeln!«

»Das Genie redet Unsinn, total besoffen, vielleicht ein Irrer, lass uns schleunigst verschwinden«, zischte meine Frau. »Ich wecke die Kinder ...« Letztere hatten sich in seltener Eintracht inmitten der bildenden Kunst zusammengerollt und der Runde ihre Teilnahme demonstrativ versagt.

Natürlich war er besoffen. Er hatte offensichtlich bereits vor unserem Überfall tief ins Glas geschaut, und der Wein dürfte ihm den Rest gegeben haben. Es war wirklich an der Zeit zu gehen, aber eine Frage hatte ich noch. Was mochte es mit diesen Kassenbons auf sich haben? Ich fühlte den strafenden Blick meiner Gattin im Nacken, als ich nah an die bewusste Wand herantrat. Aus einem eng gestrichelten Liniengewirr lösten sich ornamentale Formen – Zeichen, nicht Bild, nicht Schrift. »Was bedeuten diese Skizzen?«

Der Alte schlurfte zu mir herüber, nahm die Flasche von den Lippen und wischte sich mit einem genussvollen Grunzen den Ärmel über den Mund. Wie ein behaarter Ballon, der an seinem Faden zerrt, zuckte und schwankte sein Gesicht ganz nah vor meinem hin und her, die Augen geschlossen. Er streckte die Linke mit geballter Faust in den Raum, lallte Unverständliches, wandte sich von mir ab, tastete wie unter einer Last nach vorn gebeugt voran, bis die Flasche dumpf gegen die besagte Wand schlug. Hier richtete er sich auf, und seine Finger strichen fast zärtlich über die Ornamente. Den Kopf in den Nacken gelegt, breitete er theatralisch die Arme aus, als wollte er die gesamte Fläche schützend dahinter verbergen. »Das ist es, wofür ich lebe.« Er schien mit einem Mal wieder vollkommen klar, sprach besonnen und mit fester Stimme: »Diese Wand entschlüsselt die vermutlich älteste Mitteilung, die jemals auf dieser Welt verfasst worden ist«.

»Setz dich zu mir. Ich will dir die Geschichte von Anfang an erzählen.« Er sank auf den Fußboden. »Es war Ende April 1952. Ich begleitete einen jungen Archäologen, Urs Ferdli aus Zürich, nach Dänemark, genau genommen in das Dorf Grauballe. Ein Freund der Familie Ferdli, der damalige Direktor des vorgeschichtlichen Museums in Aarhus, Professor Glob, hatte Urs von einem bedeutenden Fund informiert: Torfstecher waren im Moor auf eine mumifizierte männliche Leiche gestoßen. Heute erscheint es mir beinahe, als wäre der Mann von Grauballe, der Eisenzeitmensch, dessen körperliche Hülle die Jahrtausende nahezu unbeschadet überstanden hatte, seinem Grab entstiegen, um mich an die Hand zu nehmen und mich in seine Welt zu führen, in die Frühgeschichte Nordeuropas.« Er erhob sich schwerfällig und begann, im Raum auf- und abzugehen. »Ferdli ging nach Abschluss seiner Studien wieder zurück in die Schweiz. Ich entschied mich, in Skandinavien zu bleiben, folgte einem Archäologenteam aus Norwegen über den Skagerrak und fand in der Familie eines befreundeten Journalisten ein neues Zuhause.« Er berichtete, wie er sich mit Hilfsarbeiten und dem Verkauf seiner Landschaftsaquarelle mühsam über Wasser gehalten hatte, wie er dennoch jede Øre, die er entbehren konnte, zurücklegte, um sich ohne Entgelt den Expeditionen seiner Archäologenfreunde anschließen zu können, wann immer sich Gelegenheit dazu bot. Ganz und gar hatte er sich seiner Leidenschaft hingegeben, bis er eines Tages – eher zufällig – einen umstrittenen Fund machte, der ihm das Tor in ein unendlich fernes Zeitalter öffnete und ihn mit allem, was ihm bis dahin bedeutsam geworden war, entzweien sollte.

Er kramte ein vergilbtes Foto vom Schreibtisch. Es zeigte nicht mehr als die strukturierte Oberfläche eines Steines. Außer einem Gewirr von Kratzspuren konnte ich nichts Außergewöhnliches daran entdecken, und hätte er mich nicht auf das schwach modellierte Bild am unteren rechten Rand hingewiesen, es wäre mir wohl entgangen. Dieses Relief stellte offenbar eine Phantasiegestalt dar, vielleicht einen Werwolf. Er, unser Gastgeber, bezeichnete es als Drachenkopf; aber das wäre nicht so wichtig, bei weitem nicht so wichtig wie die unscheinbaren Riefen, welche die Oberfläche des Steines vollständig wie ein dichtes Netz überzogen.

Ich gestehe, dass mich seine Geschichte anfangs zu fesseln begonnen hatte, aber je weiter er in seiner Erzählung voranschritt, desto konfuser und widersprüchlicher entwickelte er seine Gedanken, und desto mehr schien mir ein irrationales Wunschdenken die Tatsachen verdrängen zu wollen. Am Ende fand ich die Vermutung meiner Frau bestätigt: ... vielleicht ein Irrer, dessen Verstand sich in der Erkenntnis verloren hatte, zeit seines Lebens einem Phantom nachgejagt zu sein. Unsere Abreise war längst überfällig.

Als hätte er meine Gedanken erraten, zog er einen über jeden Zweifel erhabenen Zeugen aus dem Ärmel: Der deutsche Kunsthistoriker, Dr. Georg Kolbe, könnte alles bestätigen. Es gäbe zwar gewisse Differenzen hinsichtlich bestimmter Details, aber Kolbe hätte das bewusste Tor in die vormenschliche Vergangenheit selbst in seinen Händen gehalten – zwar für einen Augenblick nur, für die einzigen wenigen Minuten, während derer er, der Finder, sich jemals davon getrennt hätte.

Mit dem Bleistift kritzelte er Kolbes Adresse auf eine kleine Aquarellskizze. Ich sollte ihn herzlich grüßen, wenn ich wieder daheim wäre.

Es war auf den ersten Blick nur schwer vorstellbar, dass es etwas geben könnte, das diese beiden Männer miteinander verband. Unter der Weste mit der goldenen Uhrkette formte sich ein klassischer Spitzbauch, eine graugestreifte Krawatte hielt den steifen Hemdkragen in Form, auf dass er nicht durch die rötlich glänzenden Wellen des kurzen Halses gesprengt würde. Dr. Georg Kolbes tadellos gepflegte und völlig unzeitgemäße Erscheinung verleitete mich zu der stillen Spekulation, ein Stück Biedermeier hätte ausgerechnet diese Person erwählt, sich in das Ende des zwanzigsten Jahrhunderts herüberzuretten.

Er wirkte ruhig und abgeklärt, ein Pensionär, der von diesem Leben keine übermäßigen Turbulenzen mehr erwartete, der den Alltag in geordneten Bahnen genoss und – abgesehen von einem gewissen Hang zu gutem und reichlichen Essen – keinerlei Laster offenbaren würde. Bei aller Freundlichkeit hielt er mir gegenüber eine ernsthafte Distanz, die ich bei keinem einzigen der Gespräche, die diesem ersten Zusammentreffen folgen sollten, als unangenehm empfand, untermauerte sie doch eindrucksvoll die Glaubwürdigkeit seiner Worte. Bevor ich seinen Zeugenbericht aufnehmen durfte, sollte allerdings noch einige Zeit vergehen.

Er bestand darauf, dass wir uns an neutralen Orten trafen, wobei er Spaziergänge im Wald oder in Parkanlagen vorzog. Vorläufig stellte er die Fragen, und ich musste ihm haarklein beschreiben, wie ich den Alten in Kristiansand kennengelernt hatte, wie er lebte, welchen Eindruck er auf mich gemacht hatte, was genau er alles erzählt hätte. Kolbe hielt sich mit Kommentaren zurück, hörte vorwiegend zu, aber bohrte zahlreichen Details gleichzeitig immer wieder so kühl wie hartnäckig nach, dass ich bisweilen aus dem Konzept kam, unsicher darüber wurde, wie weit das, was ich von mir gab, sich wirklich mit den Ereignissen der betreffenden Nacht deckte, oder ob Phantasie und Erinnerung sich zu neuen Bildern formen wollten. Die Verwirrung, die der außergewöhnliche Mensch in mir hinterlassen hatte, wollte sich nur widerstrebend auflösen.

Zwischen den ersten Begegnungen, waren jeweils zwei bis drei Wochen verstrichen, und ich war nicht einen Schritt vorangekommen, bis er mich an einem Freitag im September überraschend und ganz sachlich, als hätten wir ein Geschäft miteinander abzuwickeln, darüber informierte, wie er sich das weitere Vorgehen vorstellte: Vor allem wünschte er keine Fragen. Er hätte sich die Sache reiflich überlegt und erklärte sich bereit, die Ereignisse aus seiner Sicht zu schildern. Wenn ich allerdings von ihm erwartete, dass er Klarheit in die verworrenen Gedanken des Verrückten brächte, müsste er mich enttäuschen. Darum ginge es ihm nicht. »Es haben sich seltsame Zufälle in Verbindung mit seiner Entdeckung ergeben. Ereignisse, ohne die mein Leben vielleicht einen anderen Weg genommen hätte – ich sage das ohne jede Wertung. Wenn ich mich damals auf dieses Abenteuer eingelassen habe, dann nicht seinetwegen und schon gar nicht wegen dieser Argås-Geschichte. Hat er nicht behauptet, ich wäre sein Zeuge? Ich sage Ihnen: Er will gar keinen Zeugen.« Einige Minuten gingen wir schweigend nebeneinander her. »Ich verwirre Sie, nicht wahr?« Für einen Moment durchbrach er das Bemühen um steife Sachlichkeit, das bis dahin über unseren Gesprächen gelegen hatte. Es sollte bei diesem einen Mal bleiben.

»Seit dieser unerwarteten Begegnung mit der Vergangenheit«, begann er, »überdecken längst verschüttete Bilder meine Gedanken. Ich habe mich all die Jahre um Vergessen bemüht, und ich frage mich immer wieder, warum ich mich ausgerechnet Ihnen mitteilen sollte. Ich war jung und alles andere als ein Held, über fordert mit der Situation und noch im Stadium eines zugegeben etwas späten Erwachens. Vielleicht habe ich damals nicht wirklich verstanden, worum es eigentlich ging – aber wie sollte ich auch?! Wir haben uns eingeredet, für- und miteinander zu gehen, aber im Grunde hat jeder nur an sich selbst gedacht, hatte sein eigenes Ziel, und die anderen spielten auf dem Weg dahin mehr oder weniger notwendige Nebenrollen. Zum ersten Mal herausgerissen aus meiner behüteten Umgebung, empfinde ich diese wenigen Wochen bis heute wie einen Lebensabschnitt zwischen Kindheit und Selbstverantwortung.«

Endlich redete er. Ich fühlte, wie sehr ihn die Erinnerungen bewegten und wie er darum rang, die Balance zwischen Bericht und innerem Erleben zu finden, als er plötzlich stehenblieb und umständlich einige Notizzettel aus der Innentasche seiner Jacke zog. »Sie sehen, ich habe mich vorbereitet. Weiß der Teufel, wem das alles nützen soll. Nehmen Sie es einfach als eine Schilderung aus der Sicht des jungen Georg Kolbe. Die Schlussfolgerungen überlasse ich Ihnen.«

Die grünen Zettel mit der steilen schwarzblauen Handschrift sollten diesen und alle seine künftigen Monologe begleiten. Niemals wich er auch nur einen Deut davon ab. Waren die Notizen für den jeweiligen Tag verarbeitet, faltete er das Papier wieder sorgfältig zusammen, ging auf keine weiteren Fragen ein, vertröstete mich höflich auf das nächste Mal und wechselte über zu Belanglosigkeiten.

»Ich sollte an dieser Stelle den Schlussstrich ziehen. Was zu sagen war, habe ich gesagt. Sie können das Gerät ausschalten.« So endet die letzte von vierzehn Tonaufzeichnungen. Der Erzähler spricht in der dritten Person, ganz so, als hätte der junge Georg mit ihm, mit Dr. Kolbe, dem Kunsthistoriker, nichts gemein.

Sein Bericht führt zurück in das Jahr 1955, aber eigentlich hat alles viel eher begonnen, genau genommen gut zehn Jahre früher, um die Weihnachtszeit des Kriegsjahres 1944.

DAS FERNE ZIMMER

Der Krieg hatte dem kleinen Dorf am Südrand der Lüneburger Heide bislang keine außergewöhnlichen Opfer abverlangt. Es war selbstverständlich, dass die Frauen die Arbeit der Männer übernahmen. Man schwieg und hoffte, und man schloss die Augen. Es herrschte eine beklemmend-trügerische Solidarität im Ort. Stumme Lieder, Lippenbewegungen gegen die Angst, Hände halten im Kartoffelkeller, während über den Köpfen die Bombergeschwader nach Berlin brummten. Das ›Heil Hitler‹ hatte in den letzten Monaten seinen herrenmenschlich-energischen Klang verloren und mutete eher wie ein verzweifeltes Flehen an den lieben Gott an. Der Allmächtige aber, so sollte es die Geschichte bestätigen, hatte wohl gerade woanders zu tun. Den Führer hat er jedenfalls nicht geheilt. Wozu auch?! Es schien längst zu spät; der Virus war außer Kontrolle geraten, hatte bereits Millionen infiziert, Millionen dahingerafft, bis sich die Alliierten wirksam formiert hatten, dem Spuk ein Ende zu setzen.

Dürre Gestalten kamen hin und wieder mit ihren Bollerwagen aus der Stadt. Aber man hatte ja selbst nichts. Gut, für den einen oder anderen eine Wurst, die war ein Vermögen wert, ein wenig Korn, etwas Obst, Kartoffeln abgezählt, vielleicht etwas Grünzeug, aber Eier nur, wenn die Hühner ihre vorlauten Schnäbel nicht halten konnten. Man passte auf, dass sie, die Bollerwagenmenschen, möglichst auf der Straße bedient wurden, und dass immer mehrere Personen aus dem Dorf den Handel unter Kontrolle hatten. Man konnte nie wissen.

Kriegsgefangenenmärsche waren jedes Mal ein Ereignis. Man blieb hinter den Gardinen, folgte den Jammergestalten mit Blicken zwischen Verachtung und Mitleid und hoffte, sie würden möglichst ohne Halt weiterziehen.

Die toten Russen am Sautümpel – das hatten welche aus dem Dorf getan. Man redete nicht darüber, man hatte ihnen ein paar Hügel aufgeschaufelt, den Gottlosen. Die Grassoden waren gut angewachsen. Wer drückte sich schon am Sumpf herum? Es hatte viel Ärger darum gegeben, als die Zahlen nicht stimmten. Die Bewacher hatten alle Häuser durchwühlt. Danach hatte es wirklichen Hunger im Dorf gegeben, wochenlang. Das sollte sich nicht wiederholen. Und die Toten? Es waren nur vier. Die Totschläger werden ihre Gründe gehabt haben. Man hatte dichtgehalten, und man war kollektiv gestraft worden: Hunger. Die mit den Bollerwagen hatte man in jenen Tagen aus dem Dorf hinausprügeln müssen.

Nichts gegen die Russen – jenen, die hierher in die Sklaverei geschleppt worden waren, ging es den Verhältnissen entsprechend gut. Sie hatten Familienanschluss, solange sie anständig arbeiteten, ausreichend zu essen und abends ein warmes Strohlager im Spritzenhaus. Der alte Müller verriegelte die Tür und schob Wache – mit wichtiger Mine, einen dicken Knüppel in der Hand, die Trillerpfeife an einem roten Wollfaden baumelnd um den Hals.

Zwei Männer im besten Alter waren der kleinen Gemeinde erhalten geblieben. Fritze, der Dorfidiot, schwachsinnig, aber arbeiten konnte er wie eine Maschine, der hatte sich gut versteckt, weiß der Teufel wo, als sie alles minderwertige Leben eingesammelt hatten, der tat niemandem etwas, der war der eine. Der andere war der Krüppel, Heinrich Kolbe. »Kolbes Haanrich«, sagte man im Dorf. Man nannte immer zuerst den Zunamen. Hier galt jemand nicht nach dem, was er tat – entscheidend war, zu welcher Familie er gehörte. Und Kolbe war ein guter Name. Generationen hatte es gebraucht, diesem Namen den respektablen Klang zu verschaffen. Allerdings sah es so aus, als könnte Heinrich in dieser Beziehung nichts Eigenes hinzufügen. Als Kind hatte er ein Bein verloren. Der Heuwagen des Onkels hatte es mit seinen eisenbereiften Speichenrädern abgetrennt. Untauglich – das war ein Segen in jenen Zeiten.

Kolbes Heinrich machte keinen Hehl aus seiner Abneigung gegen die braune Bande, aber man ließ ihn lästern und die großen Geister der Geschichte zitieren. Er galt als gebildet, das war schlimm genug, las in dicken Büchern und neigte dazu, seine Mitmenschen zu belehren. Man sah es ihm nach. Auch wenn er ein Krüppel war, hatte er das Beste daraus gemacht, und er hielt den geerbten Resthof einigermaßen in Schuss. Einst war es das größte Anwesen in der Umgebung gewesen, aber er hatte das meiste Land verpachten müssen. So ackerte praktisch jede Familie auf einem Boden, der eigentlich ihm gehörte. So etwas verschaffte Respekt.

Mit seiner Frau hatte er einen Sohn, der Untaugliche: Georg, nach seinem Großvater benannt. Georgs Eltern verbrachten ihre Tage vor allem damit, sich gegenseitig zu versichern, wie sehr sie sich doch in einander geirrt hätten, und wenn sie damals – damit meinten sie die Zeit vor ihrer Hochzeit – wenn sie also damals bereits geahnt hätten, dann ... Georg konnte sich lange Zeit keinen Reim darauf machen, was der Führer, dessen Geist sich jedem Streit unvermeidbar hinzugesellte, mit der Ehe seiner Eltern zu schaffen haben könnte.

Die Mutter verstand ihrem Sohn schlagkräftig zu vermitteln, wie sehr Hitler sich für Großdeutschland verdient gemacht hatte. Er selbst, Georg, wie sie nicht aufhörte zu betonen, war letztendlich auch ein Geschenk an den größten Feldherrn aller Zeiten. Fast auf den Tag genau war der Spross so alt wie das Tausendjährige Reich. Heinrich dagegen vertrat die Überzeugung, man könnte einen Menschen nicht jemandem zum Geschenk machen, vorausgesetzt, man besäße noch seinen gesunden Verstand. Georgs Vater sprach nie vom Führer, er nannte ihn Herrn Hitler, und das Herr betonte er immer besonders.

Folglich flogen schwere Kaliber nicht nur an den diversen militärischen Fronten, sondern auch zwischen den Eheleuten hin und her, und Georg hatte oft alle Mühe, sich aus der Schusslinie zu retten. Das war um so schwerer, als es keine Gesetzmäßigkeiten dieser Auseinandersetzungen zu geben schien. Die Kämpfe konnten jederzeit aufflammen, an jedem Ort. Vater Heinrich, schlief anschließend immer in der guten Stube auf dem Sofa, Mutter zeterte allein im Schlafzimmer bis in die frühen Morgenstunden, und Georg fand überhaupt keine Ruhe in solchen Nächten.

Eine dieser Kampfhandlungen bahnte sich auch Anfang Dezember 1944 an. Man hatte sich gerade friedlichen Sinnes in vorweihnachtliche Stimmung gebracht – so gut es eben unter den äußeren Bedingungen möglich war – als der Vater zu später Stunde vier Menschen in das Haus brachte. Es war eine bitterkalte Nacht. Im Ofen knackte das Feuer, der Duft von Bratäpfeln zog durchs Haus, und die Mutter hatte für den nächsten Tag Weihnachtsgebäck vorbereitet. In der Diele wurde nur geflüstert. Die Spannung, die dieses Ereignis klammheimlich über das Haus gelegt hatte, lockte Georg aus dem Halbschlaf ans Schlüsselloch. »Weißt du eigentlich, in welche Gefahr du uns alle bringst?« hörte er die Stimme seiner Mutter. Er konnte wenig erkennen. Im Flur standen vier Gestalten mit hängenden Schultern, drei mussten bereits erwachsen sein, und es war ein Kind dabei. Sie schwiegen und hielten die Köpfe gesenkt. »Niemand hat uns gesehen«, erwiderte der Vater, »und du wirst hoffentlich das Maul halten.« Er fasste die Mutter am Ärmel und zerrte sie, heftig auf sie einredend, in die Küche, die sofort mit einem Knall schalldicht geschlossen wurde. Während dieser Zeit konnte Georg nur die Fremden miteinander tuscheln hören.

Schließlich öffnete sich die Küchentür wieder. »Ich bringe sie weg«, Georgs Vater legte kurz den Arm um einen der Menschen und verließ die Diele. Die anderen folgten stumm. Mutter wischte sich die Hände an der Schürze ab und ging seufzend zurück an den Herd. Georg hatte sie leise schimpfen hören, aber er hatte nicht verstanden, worum es eigentlich gegangen war.

Während der nächsten Tage wechselten die Eltern kein Wort, und es legte sich eine bedrückende Stimmung zwischen die Wände. Der Vater hörte heimlich BBC und verfolgte mit gemischten Gefühlen, wie sich die Situation um Aachen herum entwickelte, das von den Amerikanern eingenommen worden war. Die Mutter glaubte unbeirrt den Siegesmeldungen des Großdeutschen Rundfunks. Sie schickte Kleidung und Nahrungsmittel an die Front, ging zu den Versammlungen, und ihre Blicke wurden immer feindseliger.

Kolbes Heinrich hatte sich angewöhnt, nach dem Abendessen noch einen kleinen Rundgang durch das Dorf zu unternehmen oder einen Streifzug ins Feld. Manchmal roch er ein wenig nach Alkohol, wenn er zurückkehrte und Georg den Gutenachtkuss gab. Jedenfalls war es nicht ungewöhnlich, dass er allabendlich vom Tisch aufstand, sich den Mantel überzog und wortlos das Haus verließ. In den auf jene Nacht folgenden Tagen hatte Georg kurz darauf häufiger das alte Scheunentor auf dem Hofpflaster knirschen hören. Ein ungewöhnliches und ausgesprochen seltenes Geräusch. Zwar hatte der Vater die alte Tenne zu einem Ersatzteillager für Landmaschinen umfunktioniert, zu einem Schrottplatz, den man nur unter Lebensgefahr betreten könnte, wie Georgs Mutter zu warnen nicht müde wurde, aber jetzt, im Dezember, gab es absolut keinen Grund, sich dort herumzutreiben, schon gar nicht bei Dunkelheit.

Bis zu ihrem Tode im Herbst 1940 war das kleine Zimmer über der Scheune das Refugium der Urgroßmutter. Sie war eine schwierige Person gewesen, die einstmalige Herrin des Kolbe-Hofes, und sie war noch schwieriger geworden, als die Familie sie schließlich nach unerträglichen Auseinandersetzungen in die ehemaligen Gesinderäume verbannt hatte. Verbittert und von einer rätselhaften Gelenkkrankheit gepeinigt, hatte sie sich fortan geweigert, ihr Exil zu verlassen. Bis heute erinnerte eine von Algen überzogene schmutzige Spur an der Fachwerkwand an die Gepflogenheit, ihre Fäkalien über das kleine Fenster in den Hühnerhof zu entsorgen.

Allmorgendlich hatte ihr Georgs Vater einen fettigen Ledersack mit Brot und anderen Lebensmitteln nebst einem Zinkeimer frischen Wassers aus der Pumpe vor die Tür stellen müssen. Hatte man sie bis zur Mittagszeit nicht über die Unzulänglichkeiten der Qualität dieser Waren laut zetern hören, so war Heinrich am späten Nachmittag leise die schmale Eisentreppe in der Scheune hinauf geschlichen, um nach dem Versorgungspaket zu sehen. Fanden sich Eimer und Sack geleert vor der Tür, dann hatte man in unbestechlicher Logik daraus schließen können, dass die Alte noch am Leben war.

Wer das große Scheunentor öffnete, wurde sofort durch einen penetranten Gestank daran gehindert, weiter in den – im wahrsten Sinn des Wortes – Dunstkreis der Urgroßmutter vorzudringen. Heinrich, so erinnerte sich Georg, pflegte besonders an heißen Sommertagen, bei seinem Gang einen nassen Lappen vor Mund und Nase zu halten. Manchmal hatte man die Alte des Nachts durch das Dorf krähen hören, sei es gepeinigt von Schmerzen oder weil sie ihre Verwünschungen gegen alle und alles nicht länger hatte für sich behalten können.

Als schließlich im September 1940 zur Erleichterung aller Eimer und Sack drei Tage lang unberührt vor der Tür gestanden hatten, gab man der Totenfrau Bescheid. Die hatte die Verrückte dann an einer Wäscheleine hängend, von Fliegen bevölkert, vorgefunden. Dieser letzte Kraft- und Erlösungsakt, den niemand der körperlichen Verfassung der Urgroßmutter zugetraut hatte, besiegelte schließlich das Schicksal des Zimmers über der Scheune. Es wurde abgeschlossen und niemand hatte mehr das Bedürfnis, es jemals wieder zu betreten. Mit den Jahren rückte es immer mehr aus der Erinnerung.

Was mochte es mit dem abendlichen Spaziergang des Vaters und dem unverkennbaren Kratzen des Scheunentores auf sich haben? Georg war entschlossen, der Sache nachzugehen.

Der späte Sonntagmorgen klirrte vor Kälte, und unter den Holzschuhen knirschte der Schnee. Der linken Torflügel hatte ausgehend von seinem Angelpunkt ein spitzes Dreieck in die weiße Fläche geschliffen. Georg stemmte sich unter den mächtigen Riegel, der schon immer ein wenig geklemmt hatte, aber er bewegte sich keinen Millimeter. Er schien von innen blockiert. Offensichtlich befand sich jemand in der Scheune. Georg erinnerte sich an das lose Brett hinter dem Hühnerstall, den offiziellen Eingang seiner Kinderbande, die eine Zeit lang einen der unteren Räume als ihr Hauptquartier eingerichtet hatte und keinen anderen Zweck verfolgte, als einfach nur Bande zu sein. Das Brett ließ sich wie erwartet mühelos beiseite schieben, und Georg zwängte sich durch den Spalt. Durch ein schmales Fenster dicht unter den spinnwebenverhangenen Deckenbalken fiel ein greller Strahl der Morgensonne herein. Aufgewirbelte Staubpartikel tanzten wild darin wie kleine Funken. Der starke Lichtkontrast ließ den übrigen Raum stockfinster erscheinen.