Debra Schildhouse
Bio-TouchTM
Die heilende Kraft der Fingerspitzen

© 2017 der deutschen Ausgabe:
Aquamarin Verlag GmbH, Voglherd 1, D-85567 Grafing
www.aquamarin-verlag.de

© 2015 Debra Schildhouse

published by Arrangement with WATERSIDE Production INC.,
Cardiff-By-The-Sea, CA, USA

Dieses Werk wurde vermittelt durch die
Literarische Agentur Thomas Schlück • 30827 Garbsen

Deutsche Übersetzung von Astrid Ogbeiwi

Umschlag unter Verwendung von:

© 167712623/Boule – shutterstock.com

All rights reserved.

ISBN 978-3-96861-163-1

Inhalt

Vorwort

Zum Geleit

Kapitel Eins: Mein Weckruf

Kapitel Zwei: Eine ganz neue Erfahrung

Kapitel Drei: Meine Vergangenheit akzeptieren

Kapitel Vier: Mit eigenen Augen sehen

Kapitel Fünf: Neue Lektionen

Kapitel Sechs: Die Dunkelheit besiegen

Kapitel Sieben: Die Zukunft winkt

Kapitel Acht: Wissen weitergeben

Kapitel Neun: Eine berührende Verbindung

Kapitel Zehn: Die Geburt von Bio-Touch

Kapitel Elf: Im Laufe der Jahre

Kapitel Zwölf: Eine Heilung, die zu Herzen geht

Kapitel Dreizehn: Meine eigene Erfahrung mit Bio-Touch

Worte von Paul Bucky

Nachwort

Danksagungen

Über die Autorin

Mehr über Bio-Touch

Dieses Buch ist dem Andenken meines Vaters Joseph J. NuDell gewidmet, dessen Liebe mich noch immer Tag für Tag berührt; und es ist für Lory, der mich gelehrt hat, dass Mitgefühl für andere uns den vielfältigen Möglichkeiten in uns selbst öffnet.

Vorwort

Von Dr. Gary E. Schwartz

Energie fließt, wo der liebevolle Geist ist.

Ist es möglich, dass die einfache Technik, bestimmte Körperstellen sanft zu berühren, nicht nur zu einer signifikanten Verminderung von Schmerz und Leiden führen, sondern die Heilung von Körper-Seele-Geist sowie die Gesundheit fördern kann?

Ist es darüber hinaus möglich, dass diese einfachen Berührungen mit den Fingerspitzen mit minimaler Übung nicht nur von Studenten in den ersten Semestern, sondern tatsächlich sogar von kleinen Kindern mühelos ausgeführt werden können?

Bis ich Paul Bucky begegnet bin und von Bio Magnetic Touch HealingTM oder kurz Bio-TouchTM erfahren habe, hätte ich gesagt: „Selbstverständlich nicht.“

Doch im Verlaufe dessen, dass ich

1.ihn und seine Kollegen kennen (und schätzen) lernte,

2.ihnen half, systematische Forschungsstudien über Bio-Touch durchzuführen und schließlich

3.sowohl mit Studenten in meinen Kursen als auch in meinem Labor (das damals The Human Energy Systems Laboratory hieß) selbst über Bio-Touch forschte, bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass Bio-Touch alles erfüllt, was darüber behauptet wird – und mehr.

Später machte Paul mich mit Debra Schildhouse bekannt, der Verfasserin dieses gut geschriebenen und äußerst sinnvollen Buches über die Geschichte von Bio-Touch und das, was es individuell und weltweit für die Gesundheit verspricht; und ich erhielt das Privileg, ihr und Bio-Touch mit dieser zu Recht verdienten Einführung und Kommentierung die Ehre zu erweisen.

Ich sollte einräumen, dass ich als Autor „voreingenommen“ bin – nicht nur, weil ich die replizierten Nachweise miterlebt habe, die sich in der Forschung zeigten, sondern auch weil ich viele Stunden mit Paul Bucky und seinem Team verbracht und sie hinsichtlich ihrer Vergangenheit, Beweggründe, Vorgehensweise und Träume „auf Herz und Nieren geprüft“ habe. Wie Sie bei der Lektüre dieses Buches feststellen werden, sind nicht nur Paul und Debra (gelinde gesagt) „ungewöhnliche“ Menschen, sondern auch die Herkunft der zentralen Behandlungsformen von Bio-Touch ist ausgesprochen unüblich. Wenn ich auch an dieser Stelle nicht ins durchaus faszinierende und herausfordernde Detail gehen will (Sie werden gleich selbst das Vergnügen haben, mehr darüber zu lesen), muss ich doch von vornherein zugeben, dass Entstehung und Entwicklung von Bio-Touch alles andere als konventionell sind.

Diese einzigartige Geschichte tut jedoch weder der Wahrheit über die Leichtigkeit und Effektivität der Bio-Touch-Methoden noch der Lauterkeit, mit der Paul, Debra und zertifizierte Bio-Touch-Anwender dieser Arbeit nachgehen, den geringsten Abbruch. Ihre Hingabe ist eine Inspiration, und ihre gemeinsamen Bemühungen lassen einen demütig werden. Da Debra dankenswerterweise dieses Buch geschrieben hat, kann Bio-Touch jetzt auch potenziell auf der ganzen Welt akzeptiert und angewandt werden.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, zwei Dinge weiterzugeben, die ich bei meiner Beschäftigung mit Bio-Touch gelernt habe, insbesondere in Bezug auf andere Heilverfahren, die unter die allgemeine Rubrik „Energieheilung“ fallen. Das erste ist, dass es offenbar keinen Ersatz für die direkte körperliche Berührung zwischen Behandler und Behandeltem gibt. Obwohl ich, wie ich in meinem Buch The Energy Healing Experiments berichte, über die Wirksamkeit verschiedener berührungsloser Heilverfahren, darunter auch Distant Intentionality (Fernheilungsabsicht), geforscht habe, haben meine Forschungen über Bio-Touch eindeutig gezeigt, dass die stärksten Effekte regelmäßig bei direktem Hautkontakt erzielt werden. Dieses Fazit wird auf der Website von Bio-Touch unter http://www.justtouch.com/univeristy-arizona-research/ kurz erläutert, und etwas weiter unten finden Sie den Nachdruck einer Grafik, welche die Ergebnisse veranschaulicht.

Um es kurz zu machen: Bei diesem Experiment erhielten insgesamt hunderteinundzwanzig Studentinnen und Studenten der Universität von Arizona drei verschiedene Varianten der „Begrüßung“, die den Auftakt einer Sitzung bildet (und in Debras Buch näher erklärt wird). Die erste war „Hautkontakt“ – also direkter Körperkontakt zwischen den Fingerspitzen des Behandlers und der Haut des Behandelten. Die zweite war „Kleidungskontakt“, wobei dieselben Fingerspitzen an denselben Körperstellen eingesetzt wurden, die Finger des Behandlers aber lediglich die Kleidung des Behandelten berührten. Die dritte schließlich war „Kontaktlos“, wobei sich die Finger des Behandlers wenige Zentimeter über dem Körper des Behandelten befanden.

Schmerzraten vor und nach Kontakt

Die studentischen Bio-Touch-Empfänger stuften ihre Schmerzen sowohl vor (graue Kurve) als auch nach (schwarze Kurve) jeder Variante auf einer Skala von Null bis Zehn ein. Alle hunderteinundzwanzig Studenten erhielten jeweils alle drei Varianten. Darüber hinaus waren auch alle „Behandler“ Studentinnen und Studenten, die jeweils ganz einfache Anleitungen befolgten, wo sie ihre Finger zu platzieren hatten. Da viele Studenten minimale oder keine Schmerzen hatten, wurde nicht erwartet, dass bei der Gruppe im Ganzen Schmerzlinderungen in einer hohen Größenordnung zu beobachten wären.

Dennoch zeigten die Daten eindeutig, dass hinsichtlich der Linderung angegebener Schmerzen nach der Behandlung „Kontaktlos“ zwar einen minimalen und „Kleidungskontakt“ einen mäßigen, direkter „Hautkontakt“ jedoch den größten Effekt erzielte. Diese Unterschiede waren statistisch hochsignifikant. Mit einem Wort: Es kam auf direkte körperliche Berührung an.

Die Frage ist: Warum.

Ist der Grund in erster Linie physiologischer Natur (weil zum Beispiel durch direkte Berührung sowie durch die Wärme der Finger des Behandelnden die Berührungs-Rezeptoren aktiviert werden)?

Ist der Grund in erster Linie psychologischer Natur (weil zum Beispiel mit einer sanften und gefahrlosen Berührung positive Gefühle verbunden sind)?

Oder ist es möglich, dass auch elektromagnetische Effekte, die mit dem direkten körperlichen Kontakt einhergehen, am Werk sind (weil zum Beispiel Elektronen ausgetauscht werden und zwischen dem Herzen/EKG des Behandelnden und dem Empfänger ein Stromfluss entsteht)? Diese Möglichkeit wird in den Forschungen näher beleuchtet, über die ich in The Energy Healing Experiments berichte.

Meine Hypothese lautet, dass am Bio-Touch-Prozess wahrscheinlich alle drei Mechanismen beteiligt sind – physiologische, psychologische und biophysikalische.

Die zweite Lektion ist gewissermaßen tiefer sowie offen gestanden für mich und vielleicht auch für Sie inspirierender. Sie steht im Bezug zu einem Motiv, das in Debras Buch zum Ausdruck kommt: Die Bedeutung der Liebe sowie der Prozess des Gebens und Empfangens nicht-sexueller liebevoller Berührung.

Die Liebe, die Bio-Touch fördert, ist eine hohe Form der Liebe, die Empathie, Mitgefühl, Fürsorge, Güte, Sanftmut, Schutz, Geborgenheit, Wärme, Dankbarkeit, Wertschätzung und Achtung einschließt.

Es ist genau die Art von Liebe, auf die ich in einem Workshop, den ich regelmäßig im Gesundheits-Zentrum Canyon Ranch gebe und der den Titel trägt „Awakening the Power Within: Achieving Optimal Health through Energy Healing“ (Die Kraft im Inneren wecken: Optimale Gesundheit durch Energieheilung), so großen Wert lege. Ich lehre die Gäste das Kernprinzip: „Energie fließt, wo der liebevolle Geist ist.“

Wenn Sie in liebevoller Weise an Ihre Hände denken – denken Sie zum Beispiel einfach beim Einatmen „Liebe Herz“ und beim Ausatmen „Liebe Hände“ – dann steigt normalerweise die Temperatur in Ihren Händen ganz von selbst. Dies liegt nicht etwa daran, dass Sie versuchen, sie warm zu „machen“ oder auch nur sich zu Bewusstsein zu führen, dass Ihre Hände wärmer werden. Ihre Hände werden einfach deshalb wärmer, weil Sie (1) Ihre Aufmerksamkeit auf sie richten und (2) dies in liebevoller Absicht für sie tun.

Die „Ausrichtung des Geistes auf liebevolle Energie“ ist in Bio-Touch stillschweigend enthalten und wird in Bio-Touch-Einrich-tungen ausdrücklich gepflegt. Wir könnten meinen Satz leicht umformulieren und sagen: „Energie fließt, wo die liebevolle Berührung ist.“ Die hohe Form der Liebe, die Bio-Touch bei seinen Anwenderinnen und Anwendern fördert, ist spürbar.

Wenn Sie nun in Debras liebenswürdiges und wohltuendes Buch eintauchen, dann ist es mein Wunsch, dass Sie wie ich erfüllt werden von dem Wunder und der Verheißung, die Bio-Touch für uns, unsere Lieben, die ganze Menschheit und die Natur als Ganzes darstellt.

Dr. Gary E. Schwartz ist Professor für Psychologie, Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Chirurgie sowie Direktor des Laboratory for Advances in Consciousness and Health an der Universität von Arizona. Außerdem ist er Entwicklungsleiter Energieheilung beim Gesundheits-Ressort Canyon Ranch. Zu seinen Büchern gehören: Alles erinnert: Wie zwei Wissenschaftler ein universelles, lebendiges und interaktives Gedächtnis entdecken (Originaltitel: The Living Energy Universe) und The Energy Healing Experiments.

Zum Geleit

Ich war skeptisch, als ich hörte, was über Bio-Touch gesagt wird. Es handelt sich dabei um eine Heilmethode, bei der mit zwei Fingern beider Hände bestimmte Punkte am Körper berührt werden, um Schmerzen zu lindern, Stress abzubauen und die natürlichen Selbstheilungskräfte des Körpers zu stärken. Jeder kann sie erlernen, hieß es. Man musste noch nicht einmal heilerische Fähigkeiten oder Begabungen besitzen. Anscheinend war außerdem jeder schon beim ersten Versuch erfolgreich. Das klang zu gut, um wahr, und zu einfach, um wirksam zu sein. Allerdings war ich verzweifelt auf der Suche nach einer Heilungstechnik, auf die ich mich verlassen konnte.

Vor Jahren hatte ich mich in verschiedenen Heilverfahren versucht, die mit Handauflegen arbeiten, und tatsächlich einigen meiner „Patienten“ zu mehr Wohlbefinden verhelfen können. Es war ergreifend, tatsächlich Schmerzen lindern zu können. Doch meine Methode war unzuverlässig und versagte, als ich sie am meisten brauchte – um das Leiden meiner eigenen Tochter zu lindern. Jill hatte sich eine virale Meningitis zugezogen, und die Intensität ihrer Kopf- und Nackenschmerzen überstieg meine begrenzten Heilfähigkeiten. Schlimmer noch, die starken Narkotika ihrer Ärzte waren ebenso machtlos wie meine Hände.

Nach vielen höllischen Tagen und zwei notfallmäßigen Fahrten ins Krankenhaus erholte sich Jill. Sie konnte ihr umtriebiges Leben ganz ohne schädliche Nachwirkungen fortführen. Doch ich war völlig aufgerieben und zutiefst verstört; nie wieder wollte ich mich derart hilf- und hoffnungslos fühlen müssen.

Etwa ein Jahr vor Jills Erkrankung hatte ich einen Artikel über Bio-Touch gelesen. Im Bio-Touch-Zentrum in Tuscon, Arizona – zufällig nur vierzehn Kilometer von meinem Wohnort entfernt – bot die zugehörige Organisation zu einem vernünftigen Preis Ausbildungskurse an. Die Heilmethode klang faszinierend, doch damals war ich bereits anderswo ehrenamtlich stark engagiert. Daher verschob ich die Kurse auf später, wenn ich nicht mehr ganz so viel zu tun hätte. Das war weiß Gott eine grottenschlechte Entscheidung! Doch jetzt konnte ich nicht schnell genug ins Zentrum kommen.

Leider fühlte ich mich am ersten Kurstag unter den anderen Teilnehmern und selbst unter den Lehrern recht deplatziert – für mich waren sie alle Hippies und „Baumumarmer“ unterschiedlichsten Alters. Ich bekam mit, wie sie sich über ihre Traumtagebücher, pflanzliche Ernährung und spirituelle Studien unterhielten. Verflixt, und ich meditierte noch nicht einmal. Mehr noch, mich beschlich die Sorge, die Heilungstechnik könnte sich als über alle Maßen verschroben erweisen. Ich hatte gelesen, dass sie durch Berührung unmittelbar auf der Haut ausgeführt wird, deshalb musste man vor Beginn der Heilungssitzung den Oberkörper freimachen. Als anständige Frau war ich darauf gefasst wegzulaufen, sobald ich mich im übertragenen oder wörtlichen Sinne nackt fühlen würde.

Doch als ich die zu Herzen gehenden Geschichten hörte, die uns die drei Lehrer erzählten, ließ meine Anspannung nach. Sie erklärten, dass Bio-Touch durch seine Bildungsstiftung, die International Foundation of Bio-Magnetics (Internationale Stiftung für Bio-Magnetik), im Laufe der Jahre Scharen von Menschen geholfen hatte, weil jedem, der durch die Tür des Zentrums tritt, kostenlose Heilungssitzungen angeboten werden. Es werden lediglich Spenden angenommen. Hatte ich recht verstanden? Konnte es eine solche Einrichtung tatsächlich geben?

Als dann einer der Lehrer sagte, die Kursteilnehmer bräuchten keine besonderen Kenntnisse, Überzeugungen oder heilerischen Fähigkeiten, um diese Technik wirksam anwenden zu können, fühlte ich mich eindeutig qualifiziert. Überraschenderweise kam es mir dann am Ende des ersten Kurstages doch so vor, als sei ich genau am rechten Ort, um die Heilungstechnik zu erlernen, die ich gesucht hatte.

Alle Anwender, die im Zentrum Bio-Touch-Sitzungen gaben, arbeiteten ehrenamtlich – und jetzt wollte ich unbedingt zu ihnen gehören. Daher absolvierte ich alle erforderlichen Kurse sowie ein Praktikum und wurde fünf Monate später zertifizierte Anwenderin. Es war immer wieder erhebend, wenn ich dort arbeiten, Menschen berühren und ihr Leiden lindern konnte.

Allerdings hatte ich nicht damit gerechnet, wie viel ich im Laufe des Prozesses über mich selbst lernen würde. Unvermittelt stand ich vor herausfordernden Situationen, auf die ich nicht vorbereitet war. In solchen Momenten wollte ich einfach nur noch aus dem Zentrum weglaufen, ohne je wieder zurückzuschauen. Doch unter Anleitung des Leiters, Paul Bucky, und nach einiger Gewissenserforschung biss ich die Zähne zusammen und blieb. Dabei überwand ich nach und nach meine tiefsten Abneigungen und Ängste.

Jahre bevor ich ihn kennenlernte, hatten Pauls starke Rückenschmerzen ihn dazu getrieben, bei einem Heiler in einer winzigen Ortschaft in Colorado Linderung zu suchen. Der Mann wandte Bio-Touch an und beseitigte damit Pauls Schmerzen innerhalb von zwei Sitzungen vollständig. Paul erkannte das ungenutzte Potenzial von Bio-Touch und widmete sein ganzes weiteres Leben der ehrenamtlichen Tätigkeit als Anwender und Lehrer der Methode.

Eines Tages erwähnte er mir gegenüber, wie sehr er sich wünsche, dass jemand ein Buch über Bio-Touch schreibt. Er sagte, auf der ganzen Welt müssten Menschen von dieser Heilmethode erfahren, die jeder überall anwenden könne. Er stellte sich vor, dass irgendwo in abgelegenen Regionen Chinas oder Bangladeschs Nachbarn sich gegenseitig zu Hause mit Bio-Touch behandeln und einander helfen würden, damit es ihnen bessergehe.

Seine Worte weckten in mir das plötzliche, überwältigende Verlangen, die Autorin dieses Buches zu sein. Ich hatte keine professionelle Erfahrung im Schreiben, sondern schrieb lediglich hobbymäßig Geschichten. Doch für die Sehnsucht, die mir nun im Herzen brannte, spielte dies offensichtlich keine Rolle. Ich wollte unbedingt weitersagen, was ich im Bio-Touch-Zentrum gesehen und gelernt hatte.

Mir war klar, dass ich auch Biografisches aus Pauls Leben in mein Buch aufnehmen musste. Er hatte nicht nur außergewöhnlich gelebt, sondern auch Bio-Touch weit über die Grenzen der Kleinstadt Mancos in Colorado hinaus bekannt gemacht. Er hatte die Stiftung gegründet, die bis heute jedem, der Bio-Touch erlernen will, Kurse anbietet, weil diese Methode Pauls lebenslanges Bekenntnis, „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“, perfekt verkörpert. Und er wird nicht ruhen, bis er Bio-Touch noch viel mehr Menschen weitergegeben hat.

Stundenlang interviewte ich ihn, um Einzelheiten aus seinem unkonventionellen Leben auszugraben. Seit seiner Jugend war er spirituell auf der Suche gewesen. Als junger Erwachsener lud er Freunde ein, bei ihm einzuziehen, um miteinander zu leben. Rasch entwickelte sich sein Haus zu einer Selbstversorger-Gemeinschaft von Leuten, die spirituelle Erleuchtung suchten und diese zugleich an andere weitergaben. Später lebte er in den Bergen von Colorado in einem hundert Jahre alten Haus ohne fließendes Wasser, Gas, Strom, Telefon oder Briefzustellung. Vier Jahre lang mied er zusammen mit einer Gruppe ausgewählter Menschen die moderne Zivilisation und lebte wie einst die Pioniere, um sich ausschließlich auf seine spirituellen Studien zu konzentrieren.

Ich war berührt, wütend, amüsiert und zuweilen auch angewidert von seinen Schilderungen früherer Siege und Niederlagen. Aber je mehr ich hörte, desto deutlicher wurde mir klar, dass sich unser Leben seit Jahrzehnten auf parallelen Bahnen bewegte. Ohne dass wir nahe beieinander gelebt oder uns auch nur gekannt hätten, haben wir genau zum selben Zeitpunkt im Leben die gleichen Erfahrungen gemacht, was wir uns beide angesichts unseres völlig verschiedenen Hintergrunds nie hätten vorstellen können. Schließlich führte das Leben uns beide zum Bio-Touch-Zentrum in Tucson, Arizona, und kulminierte in unserer sich stetig vertiefenden Freundschaft sowie einer gemeinsamen Vision für die einfache und doch ungemein wirkungsvolle Heilmethode namens Bio-Touch.

Kapitel Eins

Mein Weckruf

Ein Arzt verschafft dem anderen Arbeit.
Englische Redensart

„Mam, mein Kopfweh geht nicht weg. Allmählich wird mir das unheimlich.“

Krampfhaft hielt ich den Telefonhörer fest, denn die Stimme meiner Tochter jagte mir Angst ein. Seit drei Wochen zerbrachen sich Jills Ärzte den Kopf und versuchten herauszufinden, was man gegen ihre ständigen Schmerzen tun könne. Das Ganze hatte als leichte Störung begonnen, war aber nach und nach immer stärker geworden. Inzwischen war das Pochen so schlimm, dass keines der verschriebenen Medikamente mehr dagegen ankam. Sogar hochdosierte Schmerzmittelinjektionen konnten gegen ihre anhaltenden Qualen nichts ausrichten.

Jill war eine gesunde Frau von zweiunddreißig Jahren und hatte kaum einmal Kopfschmerzen. Migräne hatte sie noch nie gehabt. Doch jetzt zog sich ein unerbittlicher Schmerz ringförmig um ihre Augen und kroch bis in den Nacken hinunter. Sie konnte sich bei der Arbeit nicht konzentrieren, nichts mehr unternehmen und nachts nicht durchschlafen.

„Erinnerst du dich noch an meinen Freund Marc?“ Jills Stimme klang dünn und schwach. „Er ist Neurologe. Als ich ihm erzählt habe, dass ich wegen meiner Kopfschmerzen schon bei zwei Ärzten war, ist er sofort vorbeigekommen und hat mich kurz untersucht. Er sagte, oberflächlich wirke es so, als sei alles in Ordnung, aber er will, dass ich zu umfassenden Tests ins Krankenhaus gehe.“

„Was für umfassende Tests?“, fragte ich und versuchte, die Panik in meiner Stimme zu unterdrücken.

„Er sagte, bei mir sei es Zeit für eine Lumbalpunktion“, antwortete sie. „Natürlich will ich das nicht, aber ich habe ihm gesagt, wenn es bis Samstag nicht besser ist, dann lasse ich sie machen.“

„Eine Punktion der Wirbelsäule?“, seufzte ich. Vor meinem inneren Auge tanzten Bilder, auf denen lange Nadeln aus der Wirbelsäule meiner Tochter herausragten.

„Ja, Mam, er hat gesagt, das ist die einzige Möglichkeit, um festzustellen, was wirklich mit mir los ist.“

„Nun ja, ich bin mir sicher, dass er weiß, was das Beste ist“, sagte ich und war dankbar, dass Jill meinen entsetzten Gesichtsausdruck nicht sehen konnte. „Denke einfach nur daran, dass es dir schon bald bessergeht. Okay, meine Süße?“

Am Samstag ging es Jill nicht besser, daher sprangen mein Mann Howard und ich ins Auto und fuhren die hundertsechzig Kilometer von Tucson, Arizona, nach Phoenix, wo Jill wohnte. Sie befand sich bereits in der Notaufnahme des Krankenhauses. Unser Sohn David, der eigentlich in Tucson wohnt, war an jenem Morgen zufällig in Phoenix und hatte Jill ins Krankenhaus gefahren.

Obwohl Jill es unnötig fand, dass ihr Vater und ich bloß wegen eines medizinischen Tests extra anreisten, hätten wir uns gar nichts anderes vorstellen können.

Doch eine halbe Stunde hinter Tucson kam der Verkehr aufgrund eines Unfalls, der sich viele Kilometer vor uns ereignet hatte, zum Erliegen. Eine Dreiviertelstunde mussten wir voll ängstlicher Unruhe im Stop-and-go aushalten.

Als wir im Krankenhaus ankamen, waren die medizinischen Tests bereits abgeschlossen. David führte uns in ein kleines Zimmer, in dem Jill dick zugedeckt in einem Krankenhausbett lag. Gesicht und Arme wirkten winzig, fast wie bei einem Kind, doch in ihren riesengroßen Augen war der Schmerz deutlich abzulesen. Sanft nahm ich ihre Hand in meine.

David erklärte, bei Jill seien ein MRT und ein CT gemacht sowie einige Blutproben entnommen worden. „Dann haben sie die Wirbelsäule angezapft“, fuhr er fort, „aber der Arzt muss neu gewesen sein oder so ähnlich, denn er hat die Nadel mehrmals an der falschen Stelle eingeführt.“

„Was?“, ich spürte, wie sich mir der Magen zuschnürte.

„Ja, er hat drei Ansätze gebraucht, bis er endlich die richtige Stelle gefunden hatte“, erwiderte David. „Das war ganz schön brutal. Jetzt soll sie eine Weile flach auf dem Rücken liegen bleiben.“

Mir brach der Schweiß aus, und eine Welle der Übelkeit nach der anderen überkam mich. Howard atmete scharf ein, und sein Körper straffte sich. Ich wusste, dass es ihm genauso ging wie mir und er jemanden finden wollte, der ihm Rede und Antwort stünde. Doch um unsere Tochter nicht aufzuregen, blieben wir ruhig und sagten nichts. Irgendwie brachten wir eine lockere Unterhaltung zustande, bis David ging und wieder nach Tucson zurückfuhr. Howard und ich begleiteten ihn zum Parkhaus. Als wir wieder in Jills Zimmer kamen, stand der Arzt aus der Notaufnahme mit ihrer Akte in der Hand neben ihrem Bett. Er stellte sich vor und sagte, die Testergebnisse seien eingetroffen.

„Bei allem, worauf wir sie untersucht haben, sind sie negativ“, sagte er, zog die Brille mit den dicken Gläsern ab und putzte sie mit einem schmuddeligen, ausgefransten Taschentuch.

„Das sind doch gute Nachrichten, oder?“, fragte ich.

„Ja sicher. Ein paar unangenehme bakterielle Erkrankungen konnten ausgeschlossen werden“, räumte er ein, „aber wir haben immer noch keine eindeutige Diagnose. Und bei einem Test warten wir noch auf die Ergebnisse.“

Howard wirkte misstrauisch: „Was für ein Test ist das, Herr Doktor?“

„Der auf Beulenpest“, sagte er so beiläufig, als hätte er gerade eine Pizza bestellt.

„W… was? Wurde die nicht im Mittelalter von verlausten Ratten übertragen? Wo sollte sich Jill denn die Pest geholt haben?“, konnte ich gerade noch fragen.

Der Arzt warf den Kopf zur Seite, als verblüffte ihn meine Unwissenheit: „Haben Sie es denn nicht in der Zeitung gelesen? Jährlich werden hierzulande immer noch zehn bis zwanzig Fälle gemeldet – insbesondere hier in Arizona. Aber ich würde mir deshalb keine Sorgen machen. Ich bin hundertprozentig sicher, dass sie keine Beulenpest hat.“

„Wie können Sie so sicher sein?“, fragte Howard.

Der Mann setzte die Brille wieder auf und schob sie mit dem Mittelfinger zur Nasenwurzel. Sein Mund verbreiterte sich zu einem dämlichen Grinsen: „Weil Ihre Tochter schon seit Wochen Symptome hat, stimmt’s? Hätte sie die Beulenpest, wäre sie inzwischen tot.“

Ein kehliger Laut entwich meinen Lippen; ich ballte ein paar Mal die Fäuste und löste sie wieder. Diese schnellen Bewegungen dienten einzig und allein dem Zweck, mich davon abzuhalten, mir sein Stethoskop zu schnappen und es ihm so lange um den Hals zu wickeln, bis ihm die Augen aus seinen flaschenbodendicken Brillengläsern träten. Howard stand da wie in Stein gemeißelt, das gerötete Gesicht zu einer wütenden Maske verzerrt. Der Arzt räusperte sich, sagte, er käme gleich wieder, und schlich sich davon.

„Was für ein Arsch!“, flüsterte Jill.

Stunden später, inzwischen lag sie in ihrem eigenen Bett, beobachtete ich sie, wie sie an die Decke starrte. Deutlich konnte ich ihr Profil erkennen, das vom sanften Schein der Wandlampe vor ihrer Schlafzimmertür erhellt war. Bei jedem Lidschlag flatterten ihre Wimpern wie winzige Fächer.

„Mam? Siehst du den Wald, der überall um mich herum wächst?“

„Hm, was für einen Wald?“ Angst flackerte in mir auf.

„Siehst du denn nicht, wie die Bäume sprießen? Schau doch. Außerdem haben sie ein böses Gesicht.“ Ihre Stimme gluckste vor Verwunderung. „Sie sehen genauso aus wie die Bäume im Zauberer von Oz, die Dorothy mit Äpfeln bewerfen.“

Obwohl ich innerlich in Panik geriet, sagte ich so ruhig wie nur irgend möglich: „Du träumst, Liebes. Die Medikamente machen dich schläfrig. Ich hole ein kühles Tuch für deinen Kopf.“

Egal, was meinen Kindern fehlte, ich habe ihnen in all den Jahren immer gerne ein feuchtes Tuch auf die Stirn gelegt – zusätzlich zu den übrigen Behandlungsmaßnahmen. Ich weiß zwar nicht, ob es ihnen geholfen hat, aber mir hat es jedes Mal gutgetan. In Jills Wäscheschrank herumstöbernd, schnalzte ich frustriert mit der Zunge. Ich konnte es nicht glauben, dass man sie ohne Diagnose aus der Klinik entlassen hatte. Dieser Trottel von einem Arzt hatte ausgeschlossen, was sie nicht hatte, aber keine Ahnung, was wirklich mit ihr los war. Also pumpte er sie mit einer Vielzahl von Medikamenten voll, während ich unter einem Wust von Papieren begraben wurde, auf die irgendwer die korrekte Dosierung der diversen Pillen und Flüssigkeiten gekritzelt hatte. Howard löste die Rezepte in der Apotheke ein, besorgte noch ein paar Lebensmittel, gab uns einen Abschiedskuss und machte sich auf den Rückweg nach Tucson.

Ich hatte ihm selbst vorgeschlagen, er solle nach Hause gehen, weil ich glaubte, ich würde seine Hilfe bei Jills Pflege nicht brauchen. Es würde schon nicht so schwierig werden, sie alleine ein wenig zu bemuttern, bis sie wieder ganz gesund wäre, dachte ich. Doch darin sollte ich mich gründlich irren. Ich benötigte ihn. Es war halb zwei Uhr morgens – und Jill halluzinierte seit Stunden. Außerdem hatte sie sich zweimal übergeben. Ich nahm an, dass ihr Körper sich von dem Medikamentencocktail befreite, doch wer konnte das schon so genau wissen?

Als sie sich erneut erbrach, rief ich Jills Freund, den Neurologen Marc, an. Es war mir äußerst unangenehm, ihn um diese Uhrzeit zu wecken, aber ich machte mir einfach zu große Sorgen, als dass ich bis zum Morgen hätte warten wollen. Das Telefonat erinnerte mich an längst vergangene Zeiten, wenn ich mitten in der Nacht wegen des einen oder anderen Kindes unseren Kinderarzt anrief.

Beim dritten Klingeln meldete Marc sich. Seine Stimme klang freundlich und mitfühlend und nur andeutungsweise ein wenig schläfrig. Er stellte Fragen und hörte sich dann geduldig meinen detaillierten Bericht über die letzten paar Stunden an. „Wenn wir aufgelegt haben“, sagte er, „holen Sie eine Taschenlampe und leuchten in Jills Augen, um ihre Pupillen zu überprüfen.“

„Das mache ich. Aber wonach soll ich schauen?“, fragte ich erschrocken.

„Schauen Sie, ob ihre Pupillen asymmetrisch sind. Wenn eine Pupille viel größer ist als die andere oder nicht auf das Licht reagiert, dann gilt das als Notfall. Dann müssen Sie sofort einen Krankenwagen rufen. Aber machen Sie sich nicht zu viele Sorgen“, fügte er hinzu. „Ich bezweifle, dass das passiert. Und bitte halten Sie mich auf dem Laufenden, wie es ihr weiter ergeht.“

Ich dankte ihm, legte auf und schnappte mir eine Taschenlampe. Jill zuckte zusammen und versuchte wegzuschauen, als ich ihr in die Augen leuchtete. Sie sahen normal aus. Weil ich nicht wusste, was ich sonst tun sollte, kroch ich zu meiner Tochter ins Bett. Für mich war dies die denkbar einfachste Möglichkeit, meine Nachtwache aufrechtzuerhalten.

Während ich so über sie wachte, entwickelte sich ein groteskes Muster: Sie schlief ein paar Minuten, erwachte dann urplötzlich und riss die Augen auf. Wenn unsere Blicke sich trafen, war ihr die Überraschung im Gesicht abzulesen. Dann lächelte sie und fragte, warum ich sie anschaute. Neuer Schmerz wallte in ihr auf, sie übergab sich in den Papierkorb, und dann wiederholte sich der Zyklus.

Ich betete laut um die Kraft und die Fähigkeit, mein Kind gesund zu machen. Ich schloss die Augen und versuchte verzweifelt, mich zu konzentrieren. Dann atmete ich ein paar Mal tief durch und legte die Hände auf Jills Kopf. Ich visualisierte heilsame Energie, die um sie herumwirbelte; doch nach zehn Minuten war ich müde, und sie hatte immer noch Schmerzen.

Die Vorstellung, durch Handauflegen heilen zu können, faszinierte mich schon, seit ich in den 1980er Jahren einen Film mit Ellen Burstyn in der Hauptrolle gesehen hatte. In Der starke Wille spielte sie eine Frau, die eine Nahtod-Erfahrung hatte. Sie wurde bei einem schrecklichen Autounfall verletzt. Ihr Mann, der Fahrer, kam dabei ums Leben. Während ihr Körper tot auf dem Operationstisch lag, schwebte sie in einen dunstigen Tunnel, der in den Himmel führte. Verstorbene Freunde und Angehörige wiesen sie auf ein helles Licht hin. Als sie auf das Leuchten zuging, spürte sie darin eine große Liebe. Dann wurde sie mit einem Ruck in ihren Körper zurückgezogen.

Sie erwachte in einem Krankenhausbett. Der Arzt erklärte ihr, dass sie aufgrund ihrer Verletzungen nun querschnittsgelähmt sei. Durch das Trauma schwer erschüttert, trauerte sie um ihren Mann. Etliche Monate später saß sie im Rollstuhl bei einem Familienpicknick. Plötzlich schoss einem kleinen Mädchen Blut aus der Nase, und ihre Angehörigen gerieten in Panik. Das Kind war Bluterin. Ihr Blut konnte nicht richtig gerinnen, daher war das Nasenbluten für sie lebensbedrohlich. Die Frau bestand darauf, dass das Mädchen sich auf ihren Schoß setzen solle. Unverzüglich legte sie dem kleinen Mädchen sanft die Hände auf und stillte damit die Blutung. Innerhalb von Minuten ging es dem Kind wieder gut. Die Frau stellte fest, dass ihre Hände brennend heiß wurden. Dies war der erste Hinweis darauf, dass sie nun die Gabe der Heilung besaß.

Sie fragte sich, ob sie sich wohl auch selbst helfen könne, berührte wiederholt ihre gelähmten Beine und zwang sich fest entschlossen zur Bewegung. Schon bald konnte sie wieder gehen. Die Nachricht über ihre Gabe verbreitete sich, und kranke sowie verwundete Menschen kamen mit Hoffnung auf Heilung zu ihr. Viele wurden tatsächlich geheilt. Manchmal litt sie unter körperlichen Qualen, weil sie die Schmerzen und Krankheiten der Menschen auf sich selbst übertrug. Burstyns Spiel war atemberaubend in seinem Realismus. Damaligen Zeitungsberichten zufolge war bei den Dreharbeiten ein echter Heiler, der mit Handauflegen arbeitete, als Berater hinzugezogen worden.

Als ich mich nun neben Jill im Bett ausstreckte, fiel mir wieder ein, wie sehr mich die Idee des Heilens durch Handauflegen nach diesem Film gefesselt hatte. Ich entdeckte zwei Bücher, die beschrieben, wie ich mithilfe von Gedankenkraft Heilenergie in meine Hände leiten konnte. In der Hoffnung, zu spüren, wie die notwendige Wärme in meine Finger strömte, machte ich die erforderlichen Konzentrationsübungen, doch sonderlich oft trat der Erfolg nicht ein. Wenn aber doch, war ich jedes Mal sehr zufrieden.

Von da an bot ich meine neu erlangten heilerischen Fähigkeiten allen Angehörigen und Freunden an, die auch nur andeutungsweise von Kopf- oder Bauchschmerzen geplagt wurden. Zunächst atmete ich ein paar Mal tief durch und versuchte mir vorzustellen, dass aus meinen Fingern wie mit einem Laserstrahl Licht herausschoss. Dann legte ich meinem Patienten oder meiner Patientin an der schmerzenden Körperstelle die Hände auf. Normalerweise geschah nichts; keiner spürte etwas. Im Stillen schimpfte ich auf meine kalten Hände und schob es auf meine mangelnde Konzentration. Wenn meine Hände aber tatsächlich heiß wurden, konnte ich häufig Schmerzen lindern. Für mich war das ein großartiges Gefühl.

Meine dramatischste Heilung war die, die ich an meiner Mutter vollzog. Aufgrund einer gescheiterten Wurzelkanal-Behandlung hatte Mam eine starke Zahnentzündung. Sie litt unter Schmerzen und Schwellungen sowohl im Mundraum als auch im Gesicht. Ihre linke Wange und ihr Kiefer waren verfärbt und aufgedunsen. Durch die Entzündungen war ihr Gesicht bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Entsetzt, doch wild entschlossen, meinen Zauber anzuwenden, legte ich ihr die Hände aufs Gesicht. Augenblicklich wurden meine Finger heiß. Ich berührte Mam fünfzehn Minuten lang und wiederholte die Behandlung mehrfach am selben Tag. Vor meinen Augen ließen ihre Schwellungssymptome und auch ihr Schmerz nach. Der Zahn musste zwar immer noch gezogen werden, doch als Mam ein paar Tage später zum Kieferchirurgen kam, ging es ihr wesentlich besser, und sie sah wieder normal aus.

Ja, das war eine wunderbare Erinnerung. Ich war mir vorgekommen wie eine echte, heldenhafte Heilerin. Aber das war schon lange her. Leider hatte ich diese Fähigkeit seit Jahren nicht mehr ausgeübt, und jetzt blieben meine Hände kühl und konnten nichts gegen Jills Kopfweh ausrichten. Im Laufe der nächsten Tage nahmen Jills Schmerzen sogar noch zu. Sie konnte das Bett nicht mehr verlassen, außer um ins Badezimmer zu kriechen. Wenn sie versuchte, sich aufzusetzen oder zu stehen, wurde das Pochen in ihrem Kopf noch heftiger.

Der Arzt in der Notaufnahme hatte erklärt, Jill müsse nach der Lumbalpunktion viel Wasser trinken, um eine Dehydrierung zu vermeiden. Doch sie verweigerte die meisten Flüssigkeiten, die ihr angeboten wurden, weil ihr davon schlecht wurde. Dies lag teils an den Medikamenten und den Schmerzen, teils aber auch daran, dass Jills Geruchssinn überempfindlich geworden war. Bei normalen Gerüchen von Seifen und Putzmitteln sowie bei Kochdüften, die von der Küche aus durchs Haus zogen, drehte sich ihr der Magen um. Sie aß sehr wenig.

Schon bald konnte sie auch das leiseste Geräusch nicht mehr ertragen. Klänge wurden in ihrem Gehirn verstärkt. Sogar wenn ich beim Umblättern meiner Zeitschrift etwas zu laut knisterte, bereitete ihr dies Schmerzen. Daher verhielt ich mich ruhig und ging wie ein Pantomime auf Zehenspitzen durchs Haus. Wenn ich den Geschirrspüler ausräumte, versorgte ich Teller, Gläser und Besteck wie in einem Zeitlupentanz, um das unvermeidliche Klappern zu verhindern, was übrigens völlig unmöglich ist.

Mein zartes Tippen auf der Computertastatur hinter der verschlossenen Bürotür gegenüber von Jills Schlafzimmer am anderen Ende des Flurs klang in ihren Ohren wie eine Explosion. Ich hatte keine Chance, mich in E-Mails oder Facebook zu flüchten. Auch leise Musik zu hören oder fernzusehen, kam absolut nicht in Frage. Jills Gehör war übermenschlich geworden.

Als wäre dies nicht schon schlimm genug, wurden auch ihre Augen überempfindlich. Sie konnte nicht einmal den schwächsten Lichtstrahl ertragen, denn er brannte sich ihr ins Gehirn. Alle Rollläden und Vorhänge mussten dicht geschlossen bleiben, um die blendend helle Sonne von Phoenix auszusperren. Wenn es Nacht wurde, schaltete ich so wenige Lampen wie möglich an und dimmte die Glühbirnen auf die allerschwächste Stufe herab.

Wir lebten in einem dunklen, stillen Grab, abgeschnitten vom Rest der Welt. Es war eine Übung im völligen Entzug aller Sinnes-reize, die einen in den Wahnsinn treiben konnte. Doch Jill ging es nicht besser. Ihre Ärzte und Marc wollten, dass ich ihr weiterhin die Schmerzmittel verabreichte und ihrem Körper mehr Zeit zum Heilen gäbe. Aber wie lange sollte das noch dauern? Und zu was für einem fremdartigen Wesen mutierte meine Tochter mit ihren ultraempfindlichen Augen, Nase und Ohren? Unweigerlich musste ich sie mit Jeff Goldblum aus dem Film Die Fliege vergleichen, in dem er sich nach und nach in dieses riesige Insekt verwandelt.

Unzählige Male legte ich meiner Tochter die Hände auf den Kopf und versuchte, meinen Geist dazu zu zwingen, Heilenergie zu erzeugen. Es gelang mir nicht; meine widerborstigen Finger blieben kalt. Doch so frustriert ich durch meine gescheiterten Versuche auch war, dass selbst Jills ärztlich verordnete Medikamente nicht halfen, trieb mich nahezu in den Wahnsinn.

Howard rief mehrmals täglich an. Jedes Mal ging ich mit meinem Handy nach draußen oder ins Gästezimmer, wo ich die Tür schloss, mich unter die Decken verkroch und flüsterte. Manchmal schluchzte ich einfach nur. Eine solche Angst und ein solches Entsetzen hatte ich noch nie erlebt. Oft fragte mich mein Mann, ob er kommen und uns helfen solle. Er machte sich Sorgen um unsere Tochter, aber ihm gefiel auch nicht, wie verzweifelt ich klang. Gott weiß, wie sehr ich mir gewünscht habe, dass er kommt. Doch Jill reagierte extrem überempfindlich auf sämtliche Reize. Howard war zu schwungvoll und wirklich nicht gerade ein Leisetreter. Es wäre für alle sehr schwierig gewesen, daher redete ich es ihm aus herzukommen.

Aber ich sagte ihm, wie sehr es mir half, wenn ich einfach nur mit ihm sprechen konnte. Es half außerdem, dass Jills Freunde und Arbeitskollegen Lebensmittel vorbeibrachten, Besorgungen für uns machten und zur Aufmunterung Blumen, Karten und kleine Geschenke vor der Haustür ablegten. Nur einer einzigen Freundin erlaubte Jill, sie im Schlafzimmer zu besuchen. Diese Freundin hatte Tränen in den Augen, als sie ein paar Minuten später wieder herauskam. Sie war schockiert, Jill in diesem Zustand zu sehen, woraufhin es mir noch schlechter ging.

Täglich rief ich Marc an und hielt ihn über Jills Zustand auf dem Laufenden. Er verstand, dass es schwierig war, betonte jedoch, wie wichtig Geduld sei. Doch als ich am siebten Abend jener längsten Woche meines Lebens mit ihm sprach, sagte er, nun hätten wir lange genug darauf gewartet, dass es ihr besserginge.

„Wenn bis zum Morgen keine Besserung eintritt, müssen Sie sie wieder ins Krankenhaus bringen. Dann muss ein sogenanntes Blutpflaster gesetzt werden, wie es manche Patienten nach einer Lumbalpunktion benötigen“, erklärte er. „Ganz offensichtlich verlangt ihr Körper danach; es dauert zu lange, bis sie von selbst gesund wird.“

„Gut“, flüsterte ich. Bei seinen Worten war mir schlecht geworden. Blutpflaster. Wie barbarisch das klang – als ob Blutegel angesetzt würden. Als er zu einer Erklärung anhob, versuchte ich, ihm zu folgen, doch ich wurde den Gedanken nicht los, wie Jill einen weiteren schmerzhaften Eingriff verkraften würde. Außerdem konnte ich mir nicht vorstellen, wie ich sie aus dem Bett bekommen und anziehen, geschweige denn ins Auto verfrachten sollte. Und wie sollte sie eine holprige Fahrt bei hellem Tageslicht überstehen?

In jener Nacht ging mir so viel durch den Kopf, dass ich nicht schlafen konnte. Ich wälzte mich im Bett hin und her und betete, dass es Jill am Morgen bessergehen möge. Da schreckte mich ein Blitz auf. Dann rollte Donner heran, und strömender Regen prasselte aufs Dach. Ich schaute auf die Nachttischuhr. Es war kurz vor fünf Uhr morgens und der 5. September – der Geburtstag meines verstorbenen Vaters.

Den Blick zum Himmel gewandt, flüsterte ich in die Dunkelheit: „Daddy, wenn du mich hören kannst: Ich brauche dringend deine Hilfe. Könntest du da oben ein paar Engel zusammentrommeln? Jill ist sehr krank. Ich habe schreckliche Angst um sie, und ich tue mir auch selber ganz schön leid.“

Erschöpft dämmerte ich weg. Zwei Stunden später saß ich plötzlich senkrecht im Bett. Es war immer noch stockfinster. Mit angehaltenem Atem rannte ich in der stillen Hoffnung auf ein Wunder in Jills Zimmer. Doch mir wurde schwer ums Herz, denn ihr Gesicht war nach wie vor vom Schmerz gezeichnet.

Ich schleppte mich zurück ins Gästezimmer und sah aus dem Fenster. Es goss in Strömen, und der Himmel trug Dunkelgrau. Das überraschte mich, denn in Phoenix kamen und gingen die Gewitter für gewöhnlich schnell und hinterher war kaum noch etwas davon zu sehen.

Wie eine Stoffpuppe ließ ich mich aufs Bett fallen. Um mich seelisch und moralisch auf meine bevorstehenden Aufgaben vorzubereiten, rief ich Howard an. Mit Flüsterstimme zählte ich ihm sämtliche Gründe auf, warum es unmöglich wäre, Jill ins Krankenhaus zu zerren. Doch er ließ meine Ausreden nicht gelten und bestand darauf, dass ich sie irgendwie dorthin schaffte, denn dies läge jetzt in meiner Verantwortung. Ich musste die Kraft dazu aufbringen. In meinem aufgewühlten Zustand hielt ich seine Worte für grob, aber sie waren genau der Tritt in den Hintern, den ich jetzt brauchte.

Ich gönnte mir eine kurze Dusche und warf anschließend bequeme Kleidung über. Danach schlang ich ein paar Löffel Haferflocken herunter, atmete tief durch und ging in Jills Zimmer. Flüsternd erklärte ich ihr, dass wir noch einmal ins Krankenhaus mussten. Sie protestierte kurz, schwieg dann aber vor Schwäche und Schmerzen. Sie brachte ein paar Bissen Toast herunter, bevor ich sie sanft aus dem Bett manövrierte. Ihr beim Anziehen zu helfen, war einfacher, als ich erwartet hatte. Wir bewegten uns wie in einem langsamen, aber effizienten Tanz, um kein bisschen ihrer kostbaren Energie zu verschwenden.

Kaum draußen, war ich dankbar für die schweren Wolken, die uns vor den Sonnenstrahlen beschirmten. Die tintenschwarze Düsternis war unsere schützende Hülle. Nachdem ich es Jill auf dem Beifahrersitz ihres Wagens bequem gemacht hatte, legte ich ihr ein kleines Kissen unter den Kopf und setzte ihr eine Sonnenbrille auf, für den Fall, dass plötzlich die Sonne durch den dichten Regenvorhang brechen sollte.

Ich ließ den Motor an und fuhr mit äußerster Vorsicht über die Temposchwellen in ihrem Viertel. Die großen Straßen waren verlassen. Einige Ampeln waren ausgefallen, und Polizeibeamte in Regenponchos leiteten uns über die überschwemmten Kreuzungen, in denen sich die Lichter spiegelten. Obwohl ich nur mit fünfundvierzig Stundenkilometern fuhr, um die Fahrt so ruckelarm wie möglich zu gestalten, waren wir in nicht einmal einer Viertelstunde im Krankenhaus.

Als wir ins Parkhaus einfuhren, war ich überrascht, wie wenige Autos dort standen. Ich konnte direkt neben dem Eingang zur Notaufnahme parken. Jill stützte sich auf mich, und wir mühten uns zur Tür.

Im Wartebereich war es ruhig. Auf den Bänken saßen nur wenige Menschen. Ich wusste, dass dies ungewöhnlich war, insbesondere am Wochenende. Und es war ja nicht irgendein Wochenende, sondern das Wochenende vor dem Labor Day, wenn in den Notaufnahmen immer besonders viel los ist.

Ich führte Jill zu einem Stuhl, schaute mich nach Hilfe um und erkannte einen Pfleger von vor einer Woche. Er hieß Michael und hatte sich mit all dem feinsinnigen Mitgefühl um Jill gekümmert, das dem Arzt abgegangen war. Als ich seinen Namen rief, eilte er herbei, und eine besorgte Miene überschattete sein attraktives Gesicht. Ich schilderte, was Jill die Woche über durchgemacht hatte, brach aber weinend zusammen, bevor ich fertig war. Michael nahm mich in den Arm und versicherte mir, er werde dafür sorgen, dass Jill sofort in ein Bett käme. Er spurtete davon, um einen Rollstuhl zu holen.

Nachdem er Jill schnellstens in ein Zimmer gefahren und ihr ins Bett geholfen hatte, erschien ein Arzt. Gottseidank war es nicht derselbe, mit dem wir es letzte Woche zu tun gehabt hatten – den hätte ich jetzt nicht verkraftet. Das Verhalten dieses Arztes war herzlich, aber effizient. Als er meine Tochter untersuchte, spürte ich, wie meine Anspannung allmählich nachließ. Er warf einen Blick auf die Akte von ihrem vorherigen Aufenthalt, entschuldigte sich dann und ging aus dem Zimmer. Michael wich Jill nicht von der Seite und versuchte, es ihr bequemer zu machen. Wenige Augenblicke später war der Arzt wieder da.

„Ihre Tochter gehört leider zu den ganz wenigen Menschen, die nach einer Lumbalpunktion ein Blutpflaster brauchen. Aus den Stichkanälen, die bei der Punktion in ihrem Rücken gesetzt wurden, sickert immer noch Rückenmarksflüssigkeit. Dieses Leck führt dazu, dass ihr Gehirn buchstäblich absinkt, was Zug auf die Blutgefäße ausübt und zu starken Kopfschmerzen, Übelkeit sowie Geräusch- und Reizempfindlichkeit führt. Dies hält an, bis sich die Stichkanäle schließen, entweder von selbst oder mithilfe eines Blutpflasters. Bei Jill dauert es zu lange, bis ihr Körper die Stichkanäle von selber schließt. Doch sobald die Kanäle verschlossen sind, stellt ihr Körper mehr Rückenmarksflüssigkeit her, und ihr Gehirn verschiebt sich wieder dahin, wo es war.

Ich habe einen Anästhesisten – einen Spezialisten – gerufen, der den Eingriff durchführen wird. Er ist einer unserer Besten, aber er hat bereits sehr viele Patienten zu versorgen. Ich fürchte, es wird noch Stunden dauern, bis er sich um sie kümmern kann“, erklärte er. „Es tut mir leid. Ich weiß, Sie haben sehr viel durchgemacht, aber an einem Feiertagswochenende ist dieser Zeitrahmen ganz normal.“

Wieder traten mir Tränen in die Augen. „Ich verstehe. Ich bin einfach froh, dass Jill endlich geholfen wird“, schluchzte ich.

Der Arzt legte seine Hand auf meine Schulter und reichte mir die Schachtel mit den Taschentüchern. „Ich sehe später noch einmal nach Ihnen beiden. Alles wird gut.“

Nachdem er aus dem Zimmer gegangen war, machte ich mich auf eine lange Wartezeit gefasst und ließ mich in dem Stuhl neben Jills Bett nieder. Doch erneut war der Arzt wenige Augenblicke später wieder da.

„Ich habe großartige Nachrichten“, verkündete er strahlend. „Gerade habe ich einen Anruf von dem Anästhesisten erhalten. Er hat mehrere Absagen nacheinander bekommen und ist schon unterwegs, um bei Jill das Blutpflaster zu setzen.“

Mir war, als hätten wir das große Los gezogen. Während der Arzt erklärte, wie das Blutpflaster gesetzt wird, zwang ich mich, eine möglichst ausdruckslose Miene aufzusetzen. Nachdem er gegangen war, äußerte Jill sich extrem beunruhigt darüber, dass sie denselben Vorgang noch einmal über sich ergehen lassen müsste. Wer wollte es ihr verübeln? Dann fiel ihr ein, dass ihre Freundin Rayna in diesem Krankenhaus OP-Schwester war. Sie fragte Michael, ob er herausfinden könne, ob Rayna an jenem Morgen Dienst hätte. Er ging aus dem Zimmer und rief sie über den Pager.

Als er ein paar Minuten später wiederkam, war Rayna hinter ihm – in OP-Kleidung. Sie eilte an Jills Bett und hielt ihre Hand. Sie sagte, es tue ihr leid zu erfahren, wie viel Schmerzen Jill die ganze Woche über hatte erleiden müssen, und sie versicherte, das Blutpflaster würde ihr helfen.

Als der Spezialist kam, wurde ich gebeten, vor dem Zimmer zu warten. Ich wusste, dass Jill bei Michael, Rayna und den Ärzten in guten Händen war, daher konnte ich die Wartezeit aushalten und ging im Flur auf und ab. Ich rief Howard an.

„Es ist alles ganz anders als letzte Woche, Liebling“, staunte ich. „Alle behandeln uns sehr gut. Heute ist das Glück anscheinend auf unserer Seite. Jetzt wird gerade das Blutpflaster gesetzt.“

„Sie braucht es also wohl tatsächlich?“, fragte er mit sorgenvoller Stimme. „Wie wird das gemacht?“

„Ja, es ist nötig. Nach der Lumbalpunktion letzte Woche ist bei Jill zu viel Rückenmarksflüssigkeit ausgetreten, und das hat zu den ganzen merkwürdigen Symptomen geführt“, erklärte ich und unterbrach mich, um Luft zu holen. „An ihrem Arm wird eine kleine Menge Blut entnommen und in den Stichkanal an ihrem Rücken injiziert. Dieses Blut gerinnt und bildet dadurch ein Pflaster, das die Kanäle verschließt, die der andere Arzt in die Außenhaut ihres Rückenmarks gestochen hat. Der Druck steigt dadurch wieder auf Normalwerte, und es sollte ihr sofort bessergehen.“

„Wird das oft so gemacht? Es klingt schrecklich. Aber wenn es hilft …“ Howard versagte die Stimme.

„Der Arzt hat gesagt, bis zu fünfzig Prozent aller Patienten erleiden nach einer Lumbalpunktion diese Kopfschmerzen, aber den meisten helfen Schmerzmittel. Jill hatte das Pech, zu der Minderheit zu gehören, die ein Blutpflaster braucht.“

Genau in diesem Moment tauchte Michael vor mir auf und lächelte. Er sagte, es sei überstanden, Jill gehe es gut, und ich könne wieder hereinkommen. Ich rannte den Flur entlang zu ihrem Zimmer und versprach Howard dabei, ihn zurückzurufen.

„Ihrer Tochter sollte es schon sehr bald deutlich besser gehen“, verkündete der Anästhesist, als ich ins Zimmer platzte.