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Titel

Heuler in Not

Maja von Vogel

KOSMOS

Umschlagillustration von Ina Biber, Gilching

Umschlaggestaltung von Sabine Reddig

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© 2020, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-440-50298-3

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Hofcafé mit Huhn

Franzi rannte. Ihre Turnschuhe trommelten über den Boden und ihr Herz klopfte im Takt dazu. Hinter ihr ertönten aufgeregte Stimmen.

»Haltet den Dieb!«

»Schneller, Franzi, du schaffst es!«

Franzi setzte über eine niedrige Buchsbaumhecke und lief weiter, ohne das Tempo zu verringern. »Gleich hab ich dich«, murmelte sie zwischen zwei Atemzügen, während sie einem Rosenbusch auswich. Jetzt! Sie machte einen Hechtsprung, warf sich auf den Verdächtigen und packte mit beiden Händen zu. »Hiergeblieben, Freundchen!«

Ärgerliches Gackern ertönte. Hektisch schlagende Flügel wirbelten Staub auf, der Franzi einen Moment die Sicht nahm. Im selben Augenblick pickte ein spitzer Schnabel nach ihrer Hand.

»Au!« Franzi zuckte zusammen und lockerte den Griff, was der Täter sofort zur Flucht nutzte. »Mist!«

Das Huhn hinkte hinter den nächsten Busch und plusterte vorwurfsvoll sein schwarz-golden gesprenkeltes Gefieder auf. Die rote Kordel, die es gestohlen hatte, hielt es immer noch fest im Schnabel.

»Komm sofort zurück, Polly!«, schimpfte Franzi. »Ich hab jetzt keine Zeit für Spielchen!«

Kim und Marie, die die Verfolgungsjagd amüsiert beobachtet hatten, lachten. Als Detektivinnen jagten sie öfter Verdächtige und Franzi schnappte sich normalerweise auch die schnellsten Verbrecher. Dass sie sich von ihrem hinkenden Zwerghuhn abhängen ließ, war schon ziemlich lustig. Immerhin hatten die Freundinnen mit ihrem Detektivclub Die drei !!! bereits über sechzig Fälle gelöst!

»Lass sie doch«, sagte Kim. »Wir haben noch genug Kordeln.«

Franzi zuckte resigniert mit den Schultern und kehrte zu ihren Freundinnen zurück. Seit sie Polly mithilfe eines roten Schnürsenkels beigebracht hatte, wie man Würmer fing, war das Huhn völlig besessen von roten Bändern aller Art.

»Warum ist Polly eigentlich nicht in ihrem Gehege?«, fragte Marie.

Normalerweise lebte das Huhn in einem großen Freigehege mit Schlafstall.

»Ich hab sie vorhin rausgelassen, damit sie ein bisschen auf dem Hof rumlaufen kann, bevor die Gäste kommen«, erklärte Franzi. Sie seufzte. »Das hat man jetzt davon, wenn man nett zu seinem Huhn ist.«

»Sind die Stehtische fertig, Mädels?« Franzis Mutter kam auf die Freundinnen zu.

»So gut wie.« Franzi breitete schnell eine weiße Tischdecke über den letzten Tisch, die Kim mit einer roten Kordel festband.

»In einer halben Stunde geht’s los.« Frau Winkler strich sich nervös eine rote Haarsträhne hinter das Ohr. Sie hatte ihre Haare zu einem lockeren Knoten aufgesteckt und trug eine hellgrüne Schürze über ihrem geblümten Sommerkleid.

»Mein Gott, bin ich aufgeregt!«

Franzi klopfte ihrer Mutter auf die Schulter. »Wird schon schiefgehen.«

Kim nickte. »Die Leute werden garantiert begeistert sein.« Sie sah sich um. »Es ist aber auch alles superschön geworden!« Seit Monaten arbeitete Frau Winkler daran, ihren großen Traum zu verwirklichen: ein eigenes Hofcafé! Sie hatte Pläne geschmiedet und wieder verworfen, ihren Mann überzeugt, der anfangs ziemlich skeptisch gewesen war, und schließlich in dem alten Gewächshaus hinten im Obstgarten den perfekten Ort für ihr Café gefunden. Die ganze Familie hatte mitgeholfen, das Glashaus, das seit Jahren nicht mehr benutzt wurde, wieder herzurichten. Sie hatten die blinden Scheiben geputzt, Holzboden und Stromkabel verlegt und rundherum bunt blühende Sommerblumen gepflanzt. Auf dem frisch gemähten Rasen vor dem Gebäude warteten grün lackierte Holztische und Stühle mit karierten Sitzkissen auf die ersten Besucher.

»Könntet ihr bitte noch den Blumenschmuck verteilen?«, bat Frau Winkler. »Ich schneide schon mal die Kuchen an und setze den Kaffee auf.« Sie eilte zurück ins Gewächshaus. Franzis Mutter hatte in den letzten Tagen pausenlos gebacken. Sie betrieb schon länger einen florierenden Backservice, der inzwischen viele Stammkunden hatte und den sie auch fortführen würde. Das Café sollte nur in den Sommermonaten bei gutem Wetter an den Sonntagnachmittagen öffnen.

Die drei !!! drapierten die Einmachgläser, die Franzis Schwester Chrissie mit Lavendel, Rosen und Wiesenschaumkraut bestückt hatte, auf den Tischen. Die Junisonne schien zwischen den knorrigen Zweigen der Apfel-, Kirsch- und Pflaumenbäume hindurch und malte leuchtende Kringel auf die Tische.

»Perfekt«, stellte Marie fest.

Kim nickte. »Also, von mir aus kann’s losgehen!«

Wie aufs Stichwort radelten die ersten Gäste auf den Hof. Das Bauernhaus der Winklers, in dem sich auch die Tierarztpraxis von Franzis Vater befand, lag etwas außerhalb, war aber mit dem Rad gut von der Stadt aus zu erreichen. Winklers hatten gehofft, dass heute, am Pfingstsonntag, viele Leute eine kleine Radtour unternehmen und dabei einen Abstecher zum neuen Café machen würden. Franzis Vater hatte extra einen Wegweiser mit der Aufschrift Hofcafé Winkler, sonntags ab 14.00 Uhr geöffnet an der Abzweigung von der Landstraße angebracht. Neben Kaffee und Kuchen sollte es ein buntes Eröffnungsprogramm mit Musik, Ponyreiten für die Kinder und einer kleinen Skate-Vorführung geben.

Franzi klatschte in die Hände. »Auf geht’s, Mädels!

Hiermit erkläre ich das Hofcafé Winkler offiziell für eröffnet!«

Die nächsten Stunden vergingen wie im Flug. Die Tische vor und im Gewächshaus waren im Nu besetzt, sodass Herr Winkler und Franzis Bruder Stefan die alten Bierzeltgarnituren aus dem Keller holen mussten, damit alle Gäste Platz fanden. Franzi, Marie und Kim halfen als Kellnerinnen aus. Sie liefen zwischen den Tischen hin und her, nahmen Bestellungen auf, servierten Kuchen, Kaffee, Tee und Limonade, kassierten ab und räumten schmutziges Geschirr weg.

Frau Winkler stand mit Chrissie hinter der Theke, beriet die Kunden und verteilte Kuchenstücke auf die Teller. Es gab cremige Schoko-Zimt-Torte, saftigen Mascarpone-Apfelkuchen vom Blech, duftenden Marmorkuchen nach Oma Lottis Rezept, Erdbeerkuchen mit Vanillecreme und weißen Schokoraspeln, Zimtschnecken, Heidelbeer-Bananen-Muffins und Walnuss-Cookies.

»Die Schokoladentorte sieht superlecker aus.« Kim betrachtete sehnsüchtig das Tortenstück auf dem Teller, den Frau Winkler ihr gerade in die Hand gedrückt hatte. »Die würde ich am liebsten selbst essen.«

Franzi grinste. »Untersteh dich! Der Kuchen ist heute ausschließlich für die Gäste!«

Kim liebte Süßes und Kuchen über alles. Wenn der Detektivclub in einem kniffligen Fall ermittelte, stieg ihr Süßigkeiten-Konsum meist sprunghaft an, weil sie Zucker als Nervennahrung brauchte.

»Der Apfelkuchen ist alle!«, rief Frau Winkler und winkte Franzi zu. »Kannst du schnell ein neues Blech holen? Es steht zwischen der großen Dose mit den Zimtschnecken und den beiden Marmorkuchen in der Backstube.«

»Klar!« Franzi rannte durch den Obstgarten zum Haus. Die Backstube lag direkt neben der Küche. Franzi stürmte in den kleinen Raum und sah sich suchend um. Doch sie konnte weder ein Blech mit Apfelkuchen noch die Zimtschnecken-Dose oder einen Marmorkuchen entdecken. Geschweige denn zwei. Die Arbeitsfläche war ordentlich abgewischt und leer. Auch in der Küche stand kein Kuchen.

»Wo bleibst du denn?«, fragte Frau Winkler ungeduldig, als Franzi unverrichteter Dinge ins Gewächshaus zurückkehrte.

»Die Gäste warten schon!«

»In der Backstube steht kein Kuchen«, sagte Franzi.

»Doch, natürlich!« Frau Winkler strich sich eine verschwitzte Haarsträhne aus der Stirn.

»Nein, da ist nichts mehr.«

»Bist du sicher? Was ist mit den beiden Marmorkuchen? Den Zimtschnecken und der Erdbeertorte?«

»Auch weg«, antwortete Franzi knapp.

Frau Winkler wurde blass und ließ sich auf einen Hocker fallen. »Unmöglich! Haben wir etwa schon alles verkauft? Das ist eine Katastrophe! Was soll ich denn den Leuten sagen? Wir können doch nicht alle wieder nach Hause schicken!« Ihre Gesichtsfarbe spielte jetzt leicht ins Grünliche. Kim goss schnell etwas Leitungswasser in ein Glas und reichte es Frau Winkler. »Hier, trinken Sie einen Schluck. Und dann überlegen wir gemeinsam, was zu tun ist.«

Marie runzelte die Stirn. »Ich hab vorhin gesehen, wie Chrissie mit einer Erdbeertorte durch die Gegend gelaufen ist. Hat sie den restlichen Kuchen vielleicht woandershin gebracht?«

Frau Winkler setzte sich mit einem Ruck auf. »Natürlich! Jetzt fällt es mir wieder ein! Ich hatte Chrissie gebeten, den Kuchen in den Keller zu bringen, weil es dort kühler ist. Das hatte ich in der Aufregung völlig vergessen.« Sie trank das Wasserglas in einem Zug leer und erhob sich. »Du meine Güte, was für ein Schreck!«

Chrissie, die gerade eine kurze Pause gemacht hatte, kam zurück und band sich ihre Schürze um.

»Könntest du bitte ein Blech Apfelkuchen aus dem Keller holen?«, bat Frau Winkler ihre älteste Tochter. Sie wandte sich an Kim, Franzi und Marie. »Und ihr drei macht jetzt Pause. Nehmt euch ein Stück Kuchen. Chrissie und Papa kümmern sich so lange um die Gäste.«

Das brauchte sie nicht zweimal zu sagen. Fünf Minuten später saßen die drei !!! etwas abseits vom Gewimmel unter einem Apfelbaum im Gras und ließen sich Frau Winklers Kuchen schmecken.

»Himmlisch!« Kim verdrehte genießerisch die Augen, während sie ihre Schokoladentorte im Rekordtempo auffutterte. Franzi knabberte zufrieden an einem Walnuss-Cookie. »Ich bin echt froh, dass das Café so gut ankommt. Mama hat sich unglaublich viel Mühe bei den Vorbereitungen gegeben. Es wäre schrecklich gewesen, wenn niemand gekommen wäre.«

»Das Café ist der absolute Hammer.« Marie trank einen Schluck von ihrer Holunderblütenlimonade und streckte sich auf dem Rasen aus. »Ich sag’s euch, das wird in Nullkommanichts der absolute Geheimtipp.«

Kim stellte ihren leeren Teller zur Seite und leckte sich die Schokoladenreste aus den Mundwinkeln. Dann schlüpfte sie aus ihren Sandalen und rieb sich die Zehen. »Mir tun vielleicht die Füße weh! So ein Job als Kellnerin ist ganz schön anstrengend.«

»Zum Glück sind ja jetzt Pfingstferien.« Marie verschränkte die Hände hinter dem Kopf und blickte träumerisch in die grünen Blätter des Apfelbaums. »Heute in einer Woche sind wir schon an der Nordsee. Könnt ihr euch das vorstellen?« Kims Miene hellte sich auf. »Stimmt! Ich freu mich schon total auf die Reise.«

»Und ich erst!« Franzi zog die Haargummis von ihren kurzen Zöpfen und schüttelte ihre roten Haare aus. »Echt nett von Tessa, dass sie uns mitnimmt.«

Marie grinste. »Aber auch nicht ganz uneigennützig. Allein wäre sie mit ihrem T-Shirt-Stand ziemlich überfordert, schätze ich.«

Maries Stiefmutter betrieb neben ihrer Arbeit als Kamerafrau ein kleines Mode-Label und verkaufte übers Internet selbst entworfene Kleidung aus Bio-Baumwolle. Ihre Sachen fanden reißenden Absatz, sodass sie mit der Produktion kaum noch nachkam. Nächstes Wochenende wollte sie ihre neue Kollektion bei einem mehrtägigen Drachenfestival auf der Nordsee-Insel Langedün präsentieren und hatte Marie, Franzi und Kim eingeladen, sie zu begleiten. Die drei !!! wollten Tessa an ihrem Stand unterstützen und ein paar entspannte Urlaubstage verbringen.

»Hältst du es denn eine ganze Woche ohne Blake aus?« Kim zwinkerte Franzi zu.

Franzi lächelte etwas verkrampft. »Klar!« Sie zögerte. »Ehrlich gesagt bin ich ganz froh, wenn ich mal wieder etwas für mich alleine machen kann.«

»Was meinst du damit?« Marie zog fragend die Augenbrauen hoch. »Habt ihr Stress?«

»Nicht direkt.« Franzi biss sich auf die Unterlippe. Sie wusste ja selbst nicht genau, wo das Problem lag. Seit sie mit Blake zusammen war, war alles rosarot gewesen und sie hatten total viel Zeit miteinander verbracht. Vielleicht zu viel? Inzwischen hatte Franzi immer öfter das Gefühl, dass ihr die Nähe zu Blake die Luft zum Atmen nahm.

»Da ist er ja! Wenn man vom Teufel spricht …« Kim winkte Blake zu, der gerade zwischen den Obstbäumen hindurchfuhr. Er wich geschickt einer Baumwurzel aus und kam mit seinem Rollstuhl direkt vor den Mädchen zum Stehen.

»Hallo allerseits!« Lächelnd strich er seine dunklen Haare zurück. »Gibt’s noch Kuchen oder habt ihr schon alles aufgefuttert?« Er nickte zu den leeren Tellern im Gras hinüber.

»Keine Sorge, wir haben dir ein klitzekleines Stück übrig gelassen.« Franzi erhob sich und begrüßte Blake mit einem Kuss.

Seit einem Reitunfall vor ein paar Jahren saß Blake im Rollstuhl. Die drei !!! hatten ihn vor einiger Zeit im Waldschwimmbad kennengelernt und Franzi hatte ihn gleich richtig nett gefunden. Er hatte einen super Humor und war sehr sportlich, genau wie Franzi. Sie gingen oft zusammen schwimmen oder skaten.

»Wann startet denn deine Skate-Vorführung?«, fragte Marie.

»Von mir aus jederzeit.« Blake stupste Franzi an. »Machst du mit?«

Franzi schüttelte den Kopf. »Nein, keine Lust. Außerdem muss ich gleich Tinka satteln, damit das Ponyreiten für die Kinder losgehen kann.«

»Schade«, sagte Blake bedauernd. Er zuckte mit den Schultern und grinste. »Dann muss ich die Bude wohl allein rocken.« Er setzte seinen Rollstuhl in Bewegung. »Bis später!« Blake und Franzi hatten vor einer Weile an einem Chairskating-Workshop teilgenommen. Seitdem trainierte Blake regelmäßig im Skatepark und probierte immer waghalsigere Sprünge aus. Heute wollte er eine kleine Choreografie vorführen, die er extra für die Café-Eröffnung einstudiert hatte.

Blake rollte zu Stefan hinüber, der seine Musikanlage neben dem Gewächshaus aufgebaut hatte und sich als DJ betätigte. Gerade drang Penny Lane von den Beatles aus den Boxen, Frau Winklers Lieblingslied. Blake reichte Stefan eine CD-Hülle und die beiden redeten kurz miteinander. Franzis Bruder reckte den Daumen in die Höhe.

Franzi verdrehte die Augen. »Immer muss Blake im Mittelpunkt stehen. Manchmal nervt das echt.«

Kim runzelte die Stirn. »Ist das nicht etwas ungerecht von dir? Die Skate-Vorführung macht er doch, um deiner Mutter zu helfen.«

»Ja, schon.« Franzi überlegte, was genau sie ärgerte, konnte es aber nicht richtig in Worte fassen. Eigentlich war es ja gerade Blakes offene und fröhliche Art gewesen, in die sie sich verliebt hatte. Er ging auf die Leute zu, hatte keine Berührungsängste und immer einen lockeren Spruch auf den Lippen. Wo war das Problem? Sie seufzte. »Ach, ich weiß auch nicht. Ist ja auch egal. Ich hol jetzt Tinka von der Weide.« Sie drehte sich um und ging davon.

»Willst du dir Blakes Auftritt gar nicht ansehen?«, rief Marie ihr nach.

Franzi schüttelte den Kopf. Sie hatte keine Lust auf Blakes Show. Sie wollte jetzt einen Moment allein sein. Vielleicht würde der kleine Eisklumpen, der sich in ihrem Magen gebildet hatte, dann ja ganz von selbst wieder verschwinden. Hoffentlich!

Aber was, wenn nicht?

Reif für die Insel

»Wie soll ich das nur alles ins Auto kriegen? Das klappt nie!« Tessa raufte sich ihre kurzen dunklen Haare und starrte verzweifelt auf die Kartons voller T-Shirts, die sich neben dem Wagen stapelten. Daneben standen zwei Koffer, eine Reisetasche und ein Rucksack.

»Das kriegen wir schon hin«, beruhigte Helmut Grevenbroich seine Frau. »Der Kombi hat ja zum Glück einen großen Kofferraum.«

Während Helmut und Tessa das Gepäck verstauten, kümmerten sich Franzi, Kim und Marie in der Küche der alten Villa um den Reiseproviant. Marie machte belegte Brote, Franzi schnitt Äpfel und Kim füllte Rhabarberschorle in eine große Trinkflasche.

»Ich hab übrigens eine Tüte Gummibärchen und zwei Tafeln Schokolade dabei«, informierte Kim ihre Freundinnen.

»Hätte mich auch gewundert, wenn du ganz ohne Süßigkeiten verreisen würdest.« Franzi grinste. »Meine Mutter hat uns selbst gebackene Zimtschnecken eingepackt.«

»Lecker!« Marie belegte eine Vollkornbrotscheibe mit Käse. »War sie eigentlich zufrieden mit der Café-Eröffnung am Sonntag?«

»Und wie!« Franzi legte die Apfelstücke in eine Plastikdose und schloss den Deckel. »Das Café war bis kurz vor sieben Uhr proppenvoll. Mama hat den gesamten Kuchen bis auf den letzten Krümel verkauft und eine Menge Lob von den Gästen bekommen. Abends war sie allerdings fix und fertig.«

»Kein Wunder.« Kim schraubte die Trinkflasche zu. »Ich hatte am nächsten Tag eine Blase am kleinen Zeh vom vielen Herumlaufen.« Sie lächelte. »Ich freu mich schon total darauf, auf Langedün stundenlang am Strand zu liegen und zu faulenzen.«

»Und ich bin gespannt auf das Drachenfestival«, sagte Franzi.

»Ist bestimmt cool. Wusstet ihr übrigens, dass es eine Seehundstation auf der Insel gibt? Die muss ich mir unbedingt ansehen.« Franzi war sehr tierlieb und hatte einen besonderen Draht zu Lebewesen aller Art.

»Ich überlege, ob ich mich für einen Surfkurs anmelden soll.« Marie wickelte die Brote in Butterbrotpapier. »Da gibt’s doch bestimmt ein paar süße Jungs …«

Franzi musste lachen. Typisch Marie! Sie flirtete für ihr Leben gern und hatte schon die Herzen vieler Jungs im Sturm erobert.

»Was ist denn mit Holger?«, erkundigte sich Kim vorsichtig.

»Hat er sich noch mal gemeldet?«

Maries Miene verdüsterte sich. »Nein. Und das ist auch gut so. Holger ist für mich Vergangenheit, endgültig.«

Holger und Marie waren lange ein glückliches Paar gewesen, bis er sich in ein anderes Mädchen verliebt hatte. Marie war völlig fertig und tief verletzt gewesen. Vor einer Weile hatte Holger einen Rückeroberungsversuch gestartet, aber Marie hatte ihn abgewiesen. Sie vertraute Holger nicht mehr und konnte nicht glauben, dass es mit der anderen wirklich vorbei war.

Franzis Gedanken wanderten beinahe automatisch zu Blake. Seine Skate-Vorführung bei der Eröffnung des Hofcafés war natürlich total gut angekommen. Die Leute hatten wie verrückt applaudiert, und als Franzi mit Tinka von der Weide gekommen war, hatte sie gesehen, wie ein kleines Mädchen Blake sogar um ein Autogramm bat. Er hatte lachend auf ihrem Arm unterschrieben und das Mädchen war stolz zu seinen Eltern gerannt. Franzi war von dem ganzen Theater so genervt gewesen, dass sie den restlichen Nachmittag nur noch das Nötigste mit Blake geredet hatte, bis er sich schließlich verwirrt und etwas beleidigt verabschiedet hatte.

Franzi spürte wieder den kleinen Eisklumpen in ihrem Magen. Er war leider nicht von selbst verschwunden. Wahrscheinlich war eine Woche an der Nordsee genau das Richtige, um ein bisschen Abstand zu bekommen und ihre Gefühle zu sortieren.

»Vielleicht ist es besser so«, sagte Kim.

Franzi sah überrascht auf, aber Kim meinte natürlich nicht sie und Blake, sondern Marie und Holger.

»Ja, vielleicht.« Maries Stimme zitterte leicht. Sie straffte die Schultern und packte den Proviant in eine große Stofftasche.

»Ich hab jedenfalls nicht vor, mir davon die Laune verderben zu lassen. Das Leben geht schließlich weiter, oder? Ich kann auch ohne Holger glücklich sein.«