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Evi Agostini

Aisthesis – Pathos – Ethos

Zur Heranbildung einer pädagogischen Achtsamkeit und Zuwendung im professionellen Lehrer/-innenhandeln

Erfahrungsorientierte Bildungsforschung

Band 6

Im Bildungsbereich werden täglich vielfältige Aktivitäten initiiert, Prozesse in Gang gesetzt und Aufgaben bearbeitet. Wenig ist darüber bekannt, wie sie vollzogen werden. Die Reihe ,Erfahrungsorientierte Bildungsforschung‘ erschließt einen in den Bildungswissenschaften vernachlässigten Bereich, indem sie den Erfahrungen nachspürt, die sich in Bildung und Erziehung zeigen. Die einzelnen Bände machen die Erfahrungsmomente pädagogischen Handelns versteh- und erfahrbar. Über verdichtete Beschreibungen (z. B. Vignetten, Anekdoten) werden Erfahrungsdimensionen erschlossen, welche zum Überdenken der eigenen pädagogischen Erfahrungen beitragen können.

Herausgegeben von Evi Agostini, Markus Ammann, Siegfried Baur, Hans Karl Peterlini, Michael Schratz und Johanna F. Schwarz

Vorwort

„We shall not cease from exploration, and the end of all our exploring will be to arrive where we started and know the place for the first time.“

T. S. Eliot 1974: 46

Seit Jahren beschäftigt mich die Frage, wie (angehende) Lehrerinnen und Lehrer so aus- und weitergebildet werden können, dass „professionelles“1 Lehrer/-innenhandeln möglich wird: Auf welchen Wegen, mit welchen Ansätzen und Method(ologi)en muss dafür in der Lehrer/-innenbildung2 gearbeitet werden? Wie können (angehende) Lehrpersonen auf eine Zukunft vorbereitet werden, die niemand kennt und deren Profession immer auch von soziokulturellen und politischen Gegebenheiten, von wirkmächtigen Menschheitsidealen und gesellschaftlichen Sehnsüchten geprägt ist?

Spreche ich mit (zukünftigen) Lehrerinnen und Lehrern, so spüre ich bei vielen eine große Unsicherheit, adäquate Antworten auf konkrete, kontextbezogene Fragestellungen zu finden. Dabei scheint es keine Suche nach so genannten schnellen Rezepten zu sein, die sie umtreibt. Bei vielen meiner Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner zeigt sich ein Einlassen auf situative Ansprüche und für sie fremde Herausforderungen, für welche sie kontextspezifische Antworten suchen. Viele der mir bekannten (angehenden) Lehrkräfte umtreibt noch eine andere, damit zusammenhängende Frage: Wie können sie achtsam sein und offen bleiben im Hinblick auf diese Ansprüche, mit denen sie tagtäglich in der Klasse konfrontiert werden? Welche (neuen) Antworten auf (alte) Fragen sind möglich, ohne sogleich durch schnelle Reaktionen ihrerseits im Entstehen Begriffenes im Keim zu ersticken?

All dies sind Fragen, denen auch ich nachspür(t)e, zuerst als Lehrerin und später als Lehrer/-innenbildnerin, und auf welche das vorliegende Buch3 eine erste Antwort geben möchte. Zur Beantwortung dieser Fragestellungen dient vornehmlich eine pädagogisch-phänomenologische Sichtweise (vgl. z. B. Meyer-Drawe 2012a). Bereits im Rahmen meiner Dissertation zum Phänomen des Erfindens in der Erfahrung des Lernens (vgl. Agostini 2016a) hat sich diese erkenntnistheoretische und methodologische Rahmung im Zwischen von Präreflexion und Reflexion als äußerst produktiv erwiesen. Eine Mischung aus Präreflexion und Reflexion wünsche ich auch den vielen Lehrerinnen und Lehrern, deren Aufgabe vor allem darin besteht, Kinder und Jugendliche immer wieder aufs Neue für fachwissenschaftliche Inhalte zu begeistern. Dabei stehen sie vor der scheinbar paradoxen Herausforderung, ihren Schülerinnen und Schülern, aber auch den Gegenständen ihrer Unterrichtsstunde einerseits in einer präreflexiven Perspektive mit den damit verbundenen lebensweltlichen Bezügen zu begegnen und sich zugleich ihrer jeweiligen Blickweise bewusst zu sein bzw. zu werden. Diese Haltung zwischen Präreflexion und Reflexion, aber auch Sinnlichkeit und Vernunft bedeutet ein stetes Lernen. Dieses bringt es mit sich, sich immer wieder von Neuem von lieb gewonnenen Gewohnheiten verabschieden zu müssen.4

Dass ich selbst neue Erfahrungswege beschreiten und dabei eine grundsätzliche Erfahrungsfähigkeit im Sinne einer (pädagogischen) Achtsamkeit und Zuwendung für das Fremde und Unbekannte – zumindest in Ansätzen – ausbilden durfte, verdanke ich vielen Menschen, allen voran meinen unterstützenden Eltern, aber auch meiner verständnisvollen Schwester, meinem ermutigenden Partner und meinen lieben langjährigen Freundinnen. Danken möchte ich auch den Kolleginnen und Kollegen an den Universitäten in Brixen, Innsbruck, Klagenfurt und Wien, insbesondere Herrn Univ.-Prof. Dr. Hans Karl Peterlini, Herrn Univ.-Prof. Dr. Siegfried Baur (i. R.) und Herrn Univ.-Prof. Dr. Michael Schratz (i. R.) sowie nicht zuletzt den vielen (angehenden) Lehrerinnen und Lehrern, mit denen ich arbeiten und von denen ich lernen durfte und nach wie vor darf.

Bei Univ.-Prof. Dr. Käte Meyer-Drawe (i. R.) möchte ich mich zudem sehr herzlich für die Diskussion und kritische Lektüre vieler meiner Texte bedanken. Auch Regina Jaider, die wertvolle Lektorinnenarbeit geleistet hat und Alexandra Miltner, die mich in der Manuskripterstellung umfassend unterstützt hat, gebührt großer Dank. Ihnen allen möchte ich diese Publikation widmen!

Evi Agostini, März 2020

I. Erkenntnistheoretische Hinführung

Dieses Buch untersucht das Verwobensein von Aisthesis5 und Ethos6 in ihrer Bedeutung für das Lernen, Lehren und Forschen von (angehenden) Lehrerinnen und Lehrern. Damit wird der Fokus auf das professionelle Handeln von Lehrerinnen und Lehrern im Spannungsfeld von (er-)kenntnisreicher Aisthesis und pädagogischem Ethos gelegt.7 Professionelles Lehrer/-innenhandeln, so die These vorliegender Arbeit, zeichnet sich durch eine besondere Aufmerksamkeit und Achtsamkeit für fremde Ansprüche aus, eine Umlenkung der Blickrichtung, eine Hin- oder Zuwendung, ein bestimmtes „Ethos der Sinne“ (Waldenfels 2006a: 103). Professionelle Lehrerinnen und Lehrer schauen hin, sie horchen auf und hören zu. Ihre Wahrnehmungen erhalten eine gewisse Bestimmtheit, wenn auch noch keine präzise Bedeutung. Dabei lassen sie sich insbesondere durch ihre engagierte Wahrnehmungsweise charakterisieren, die aufgrund ihres sinnlich-leiblichen Responsoriums allererst ermöglicht wird (vgl. Waldenfels 2000: 388 ff.; Meyer-Drawe 2001) und anhand von so genannten Vignetten8 (vgl. z. B. Schratz, Schwarz & Westfall-Greiter 2012; Agostini 2016a; Baur & Peterlini 2016) – unabhängig von Alter und Schultyp – ausgebildet werden kann. Vignetten als Narrationen leiblicher Erfahrungsvollzüge, so die weiterführende These, vermögen in besonderem Maße eine Schulung des Blicks, im Sinne der Entwicklung einer genuinen Wahrnehmungssensibilität für Fremdes, Anderes und nicht zuletzt Eigenes, aber auch im Sinne einer grundsätzlichen Erfahrungsfähigkeit im Hinblick auf außerordentliche Ansprüche.9 Diese Wahrnehmungssensibilität kann einerseits anhand von Vignetten veranschaulicht und andererseits im Erfahrungsvollzug, im (wiederholten) Lesen und Schreiben von Vignetten(-Lektüren) geübt und in der Form einer ethisch-sittlichen Grundhaltung verfestigt werden.10 Damit soll aufgezeigt werden, dass Vignetten für professionelles Lehrer/-innenhandeln große Bedeutsamkeit erlangen können.

Um die angeführten Thesen zu stützen, werden bereits veröffentlichte Beiträge bzw. Buchauszüge aus den Bereichen der (ästhetischen) Wahrnehmung und Erfahrung mit Blick auf insgesamt vier Themenfelder neu gegliedert, verknüpft und im Kontext der Lehrer/-innenbildung positioniert. Dabei wird der Versuch neuer Erkenntnisgewinnung unternommen: Anhand der forschungsleitenden Fragestellung zur Verwicklung von Aisthesis und Ethos wird dem Pathos11 Rechnung getragen und im Hinblick auf die Bedeutung für professionelles Lehrer/-innenhandeln unter besonderer Berücksichtigung der Schwerpunkte Lernen, Lehren und Forschen diskutiert. In Frage steht, mit welchen Potenzialen und Herausforderungen dabei sowohl in anthropologischer als auch in institutioneller und hochschuldidaktisch-methodischer bzw. nicht zuletzt methodologischer Hinsicht zu rechnen ist und wie genau Vignetten als „Methoden“ der Wahrnehmungsschulung für die Aus- und Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer konkret fruchtbar gemacht werden können.

Im kumulativen Teil der Arbeit entstehen dadurch Erörterungen auf der Grundlage früherer Texte und jüngerer Forschungszusammenhänge sowohl zu präreflexiv-leiblichen als auch zu reflexiv-ästhetischen Erfahrungsvollzügen im Kontext von phänomenologischen, pädagogischen, bildungsphilosophischen, praxis- und handlungstheoretischen Ansätzen. Professionelles Lehrer/-innenhandeln als institutionalisiertes Handeln umfasst Lernen, Lehren und Forschen als komplementäre, aufeinander bezogene und miteinander verwobene Erfahrungen. Dieser Gedanke wird insbesondere von der phänomenologischen Lerntheorie aufgegriffen, in lebensweltliche und koexistenzielle Bezüge eingebunden und erfahrungstheoretisch ausgewiesen.

Phänomenologie selbst fängt mit der Frage an, was geschieht, wenn Erfahrungen „gemacht“ werden – sei es im Alltag bzw. in einem lebensweltlichen Kontext, sei es in wissenschaftlich-methodischer Bemühung. Im Besonderen geht es dabei um die Frage, welcher Sinn, welche Gestalten, Strukturen und Regelungen in statu nascendi aufgehen. Dazu wird erfahren und artikuliert, wie sich „Welt“ – in vorliegender Arbeit die Welt des ästhetischen oder des ethischen Handelns und Erfahrens – in ihrer jeweiligen Logik in der Grundstruktur der Erfahrung, der phänomenologischen „Formel“ des „etwas als etwas“ ausbildet. Ausgehend vom Ereignis der Erfahrung wird die mit allen zustoßenden Ereignissen verbundene Passivität ernst genommen – und damit einhergehend auch die Sphäre der Affektivität und des (Er-)Leidens. Eher als „gemacht“ werden diese Erfahrungen „durchgemacht“, wobei sie sich der Alternative von Aktivität und Passivität, Aktion und Passion entziehen. Die pathische Struktur der Erfahrung betont geradezu das Pathos als das ereignishafte „Zustoßende“, „An‐gehende“, als „Affektion“ und „Widerfahrnis“ und verortet Erfahrung damit zwischen Aktivität und Passivität, Handeln und Erleiden.

In einer pädagogisch-phänomenologischen Sichtweise wird (professionelles) Handeln von Lehrerinnen und Lehrern damit als erfahrungsbezogene Praxis bestimmbar, in der auch die vorreflexiven, passiven, nicht intentionalen und somit pathischen Aspekte in den Blick geraten. So geht dem Aufmerksamwerden stets etwas voraus: Etwas oder jemand fällt auf, stört, unterbricht, bietet einen Anblick oder erhebt einen Anspruch. Man wendet sich diesem etwas zu und richtet sein Augenmerk darauf. Vor allem pädagogisch-phänomenologische Betrachtungen rücken diese pathische Struktur sinnlicher Wahrnehmung und Erfahrung, die Umlenkung der Blickrichtung und das Aufhorchen in den Mittelpunkt (vgl. z. B. Meyer-Drawe 2013a). Damit zeichnet sich bereits in Ansätzen ab, dass Aisthesis und Ethos im Pathos verwickelt sind und als Aspekte professionellen Lehrer/-innenhandelns zwischen Wahrnehmung und Bewusstsein, Präreflexivität und Reflexivität, aber auch zwischen den beiden Weltzuwendungen Sinnlichkeit und Vernunft anzusiedeln sind. Im (professionellen) Lehrer/-innenhandeln sind Aktivität und Passivität, Präreflexivität und Reflexivität, Vernunft und Affektivität, aber auch Autonomie und Heteronomie sowie Subjekt und Objekt unwiderruflich miteinander verwoben.

1. Aisthesis und Ethos als Aspekte professionellen Lehrer/-innenhandelns

„Es ist eine unabänderliche Tatsache, daß wir endliche Wesen sind, uns gelegentlich täuschen und immer in einer Welt leben, deren Komplexität unser Fassungsvermögen übersteigt. Wir müssen erst Wissen erwerben, um zu erfahren, dass es negierbar ist.“

Hauke Brunkhorst 1994: 135

Im einleitend kritischen Überblick über aktuelle und außerordentlich wirkmächtige Forschungsansätze in der Lehrer/-innenbildung werden Grenzen und Herausforderungen der vorwiegend von der Kognitiven Psychologie dominierten Diskurse im Hinblick auf die Entwicklung eines neuen Verständnisses von professionellem Lehrer/-innenhandeln deutlich gemacht.

1.1 Professionelles Lehrer/-innenhandeln – eine kritische Bestandsaufnahme

In den überwiegend kognitionspsychologisch orientierten Überblicken über Theorie und Problemfelder der beruflichen Entwicklung von Lehrpersonen (vgl. z. B. Messner & Reusser 2000; Blömeke, Reinhold, Tulodziecki & Wildt 2004; Helsper & Böhme 2008), in denen Forschungsperspektiven in diesem Bereich aufgezeigt und Konsequenzen für die Grundausbildung bzw. die Berufslaufbahn von (angehenden) Lehrpersonen diskutiert werden, wird davon ausgegangen, dass die berufliche Entwicklung von Lehrerinnen und Lehrern mit der Grundausbildung beginnt und sich über die ganze Spanne der Berufslaufbahn erstreckt.12 Diese berufliche Entwicklung wird auf der einen Seite vom Berufsbild und den beruflichen Anforderungen her definiert, auf der anderen Seite von der subjektiven Bewältigung dieser Anforderungen. Dabei werden meist unterschiedliche, aufeinander aufbauende Entwicklungsphasen unterschieden, die von einem Novizinnen- bzw. Novizen-Stadium hin zu einem Expertinnen- bzw. Experten-Stadium verlaufen und auf der Seite der Lehrerinnen und Lehrer einen Erwerb zunehmender Expertise zur Folge haben. Das hauptsächliche Ziel besteht dabei darin, den Anforderungen unterschiedlicher berufsspezifischer Entwicklungsaufgaben immer besser gewachsen zu sein (vgl. z. B. das Stufenmodell des Lehrenlernens nach Fuller & Brown 1975 und in Anlehnung dazu Terhart, Czerwenka, Ehrich & Jordan 1994, aber auch das „Novizen-Experten-Paradigma“ zum sukzessiven Aufbau von professionellen Fähigkeiten und von professionellem Wissen,13 vgl. Berliner 1988 und Dreyfus & Dreyfus 1987, aber auch Bromme 1992: 96 ff.).14

Diese Idealmodelle der Entwicklung beruflicher Handlungskompetenz fokussieren somit vorwiegend die hauptsächlichen Ziele, Sorgen und Herausforderungen der Anfängerinnen und Anfänger hin zur entwickelten Lehrperson und gehen zudem ganz selbstverständlich davon aus, dass sich Expertinnen und Experten des Lehrens insbesondere durch eine zunehmend progressive Haltung,15 Handlungssicherheit und Routine charakterisieren lassen.16 Zugleich wird unter forschungsmethodologischen Gesichtspunkten eingeräumt, dass es nicht möglich sei, diese Entwicklung hin zum Meisterstadium anhand von Prädiktoren verlässlich vorherzusagen (vgl. Messner & Reusser 2000: 160). Helmut Messner und Kurt Reusser (2000: 168 f.) kommen zu dem Schluss:

„Mit der Vermittlung formaler Kompetenzen bzw. Schlüsselkompetenzen und allgemeiner Strategien, mit denen sich vermeintlich alle Probleme – unabhängig vom Realitätsbereich – lösen lassen, ist es bekanntlich nicht getan; in der konkreten Situation taugen sie wenig […]. Deshalb spielt für die Vorbereitung auf den erfolgreichen Berufseinstieg insbesondere die gegenseitige Durchdringung von Theorie und Praxis eine zentrale Rolle. Weder ein isoliertes Modelllernen in der Praxis noch eine abgehobene pädagogisch-didaktische Ausbildung sind für den Berufseinstieg hilfreich. Lehren ist eine regelgeleitete, nicht regelgebundene Praxis […]. In der Grundausbildung sollen dementsprechend die leitenden Prinzipien sichtbar gemacht und nicht nur richtige Lösungen vermittelt werden. Unterstützt wird eine so verstandene Grundausbildung durch eine offene, experimentelle Einstellung zum eigenen Handeln und zur Praxis […].“

In einer vorwiegend kognitionspsychologisch dominierten Sichtweise scheint die Kunst des Unterrichtens einerseits darin zu bestehen, für jede praktische Situation in ihrer Konkretheit angemessene Handlungen zu wählen wie auch die eigenen konkreten Handlungen der jeweiligen Schülerin bzw. dem jeweiligen Schüler, aber auch dem jeweils aktuellen und vorherrschenden Inhalt, Wissensstand und Erziehungsziel anzupassen. Im Mittelpunkt stehen dabei vor allem der Inhalt und die Organisation des Wissens (vgl. Bromme & Haag 2008: 805 f.). Andererseits wird in diesem Zusammenhang immer wieder betont, dass eine offene Haltung für erfolgreiches Unterrichten auf der Seite der Lehrperson Voraussetzung sei. Wie dies in Kombination mit zunehmender Handlungssicherheit möglich sei, wird nicht thematisiert. Zudem, so die Forderung, dürfe das Verhältnis von Theorie und Praxis nicht als Anwendungsverhältnis bestimmt werden, weshalb Rezeptwissen wenig hilfreich sei. Dennoch erhält man in der Analyse vieler kognitionspsychologischer Modelle zur Entwicklung beruflicher Handlungskompetenz häufig den Eindruck, dass Theorie eine Theorie aus der Praxis für die Praxis sein soll oder aber Theorie und Praxis bruchlos ineinander übergehen sollen.

Vor allem in Veröffentlichungen zur Professionalität von Lehrerinnen und Lehrern der vergangenen zehn Jahre (vgl. z. B. Bromme & Haag 2008: 804 ff.; Abel & Faust 2010) wird folgendes deutlich: Die Lehrer/-innenbildung hat sich im Hinblick auf professionsrelevante Fragestellungen von einem vormals statischen Verständnis – mit Fokus auf den stabilen Faktor Lehrer/-innenpersönlichkeit17 – über eine technizistisch ausgeprägte Sichtweise – wobei insbesondere Methoden der Wissensvermittlung und des zu erlernenden Wissens als Produkt fokussiert werden – hin zur Kompetenzorientierung entwickelt. Bei der Orientierung an Kompetenzen steht die Umsetzung des Wissens in Können im Vordergrund. Ferner hat sich in den letzten Jahren in der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern ein weiteres Forschungsfeld aufgetan, das sich um professionelle Unterrichtswahrnehmung dreht (Professional Vision, vgl. z. B. Goodwin 1994). Es folgt der Einsicht, dass sich Lehrerinnen und Lehrer jeden Tag in Situationen behaupten müssen, in denen unterschiedlichste Einflüsse auf sie wirken. Die Lehrkraft müsse diese komplexen Einflüsse „filtern“, um zu entscheiden, worauf ihre Aufmerksamkeit gelenkt werden solle. Unser Wissen bestimme unsere Wahrnehmung: Wer im Gewühl des Unterrichtsgeschehens Relevantes sehen will, muss zunächst professionelles Wahrnehmen lernen, so die damit verbundene Annahme. Als Folge davon wird das Beobachten und Verstehen von relevanten Situationen im Unterricht als Schlüsselkomponente von Lehrerinnen- und Lehrer-Expertise angesehen (vgl. Sherin, Russ & Colestock 2011; siehe dazu auch Blömeke, Gustafsson & Shavelson 2015).

Neben Videos zur Analyse, Förderung und Reflexion von Wahrnehmungskompetenz (vgl. z. B. Helmke & Helmke 2004; Hellermann, Gold & Holodynski 2015; Mayer-Frühwirth 2017; Barth 2017), die teilweise noch sehr stark von einem von der empirischen Bildungsforschung dominierten Diskurs geprägt sind, spielen auch qualitative Fallbeispiele18 (in der Form von so genannten Fallvignetten siehe z. B. Petko & Reusser 2004, zu „Kinderportraits“ bzw. zur „Kind-Umfeld-Analyse“ siehe z. B. Lemke 2007: 175) bzw. nicht zuletzt phänomenologisch orientierte Vignetten (vgl. z. B. Agostini 2017a) bzw. (szenische) Vignetten-Lektüren (vgl. Peterlini 2017) im Hinblick auf die Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen eine zentrale Rolle. Parallel dazu wird nach wie vor mit analogen und digitalen Portfolios experimentiert, die Reflexionsprozesse bei (angehenden) Lehrerinnen und Lehrern systematisch anregen, anleiten und begleiten sollen.19

Diese Blickverschiebung hin zu einer Schulung der professionellen Wahrnehmung im Kontext der Lehrer/-innenbildung hat einerseits mit einer Veränderung des Lern- und Lehrverständnisses – von stärker behavioristisch (vgl. z. B. Skinner 1968) oder kognitiv bzw. kognitionspsychologisch20 (vgl. z. B. Berliner 1988) geprägten Sichtweisen hin zu konstruktivistischen Annahmen von Lernen (vgl. z. B. Helmke 2012) – zu tun. Andererseits kann diese auch als Symptom dafür gelesen werden, dass Lehrer/-innenbildung – und ihre Versuche der unmittelbaren Steuerung von Lehrer/-innenhandeln und Einflussnahme auf das Lernen der Lehrkräfte, aber auch jenes der Schülerinnen und Schüler – selbst an ihre Grenzen gekommen und einem grundlegenden Wandel unterworfen ist (vgl. Kraler, Schnabel-Schüle, Schratz & Weyand 2012). Nach wie vor steht in Frage, wie Lehrerinnen und Lehrer im Spannungsfeld von unterrichtspraktischen und (fach-)wissenschaftlichen Ansprüchen bestmöglich ausgebildet werden können (vgl. dazu z. B. Prenzel, Sälzer, Klieme & Köller 2013).

Zu betonen ist, dass der Großteil der Studien zur professionellen Wahrnehmung21 im Besonderen nach wie vor dem kognitionspsychologischen Expertinnen- und Experten-Ansatz und dem Paradigma der Ko-Konstruktion (vgl. z. B. Krammer & Reusser 2005: 40 f.) bzw. dem wissensbasierten Konstruktivismus (vgl. Reinmann & Mandl 2006) verpflichtet sind. So wird die Wirkung des Wissens von Expertinnen und Experten meist „als eine Veränderung der kategorialen Wahrnehmung von Unterrichtssituationen“ (Bromme 1997: 199) definiert. Im Zentrum stehen damit vor allem die kognitive Verarbeitung kategorialer Wahrnehmungsprozesse sowie die Frage nach der Reflexion über pädagogisch produktiven und wirksamen Unterricht (vgl. Krammer & Reusser 2005: 40 f.).22

Betrachtet man hingegen die Diskurse rund um Lehrer/-innenprofessionalität im Allgemeinen, so wird auch hier vor allem das zielgerichtete Handeln und die aktiv-kognitive Strukturierung des Handlungsraumes betont. Dabei wird professionelles Lehrer/-innenhandeln vorwiegend als Ablauf von Denkprozessen und handlungsbezogenen Kognitionen bestimmt. Für die erfolgreiche Gestaltung von Lerngelegenheiten werden meist Wissen und Können oder vielmehr deren Verknüpfung in den Mittelpunkt gestellt, d. h. die Umsetzung von Wissen in Können (vgl. Bromme & Haag 2008: 804). Lehrer/-innenhandeln wird dabei vorwiegend als das Ergebnis einer aktiven Auseinandersetzung mit Unterrichtssituationen aufgefasst (vgl. Dann 2000). Obgleich das Prozess-Produkt-Paradigma23 (vgl. z. B. Shulman 1986b; Bromme 1997) mit seinen behavioristischen Elementen allgemein als überholt gilt, stützen sich auch neuere Konzeptionen explizit oder implizit immer noch darauf, beispielsweise in der Form von Wirkungsuntersuchungen zur Lehrer/-innenbildung, wobei die Folgen der Lehrer/-innenkompetenzen bis hin zu den Wirkungen bei den Schülerinnen und Schülern untersucht werden (vgl. z. B. Abel & Faust 2010). Betont werden zudem die Bedeutsamkeit der Flexibilität der Handlungen und die dadurch bedingten und notwendigen unbewussten Entscheidungen auf der Seite der Expertinnen und Experten. Damit einher geht das Ziel einer Reduktion der kognitiven Beanspruchung sowie die Bildung und Entwicklung von Routinen. Hervorgehoben wird auch die zeitliche Erfahrung (im Sinne eines Lernens durch Erfahrung, vgl. z. B. Dewey 200024) für das Erlernen von Routinen und die Entwicklung von Handlungsexpertise. Während das genaue Verhältnis von wissenschaftlichem Wissen und praktisch-pädagogischem Handeln als (noch) unklar deklariert wird, wird die Kompetenz zum lebenslangen Lernen durchgängig propagiert (vgl. z. B. Europäische Kommission 2007: 14 ff.).

Es zeichnet sich bereits in Ansätzen ab, dass sowohl die Annahmen zum Lernen als auch das damit verbundene Subjektverständnis, d. h. die gesellschaftlichen Ideale vom Menschen im Hinblick auf die Fassung und Ausgestaltung des Lehrens eine maßgebende Rolle spielen und zudem soziopolitischen Rahmenbedingungen und Veränderungen unterworfen sind (vgl. hierzu insbesondere Künkler 2011). Dabei müssen der beruflichen Tätigkeit von Lehrpersonen bedeutsame gesellschaftliche Funktionen zugeschrieben werden (vgl. Reichenbach 2013; 2018).

In der derzeitigen starken Orientierung an einem konstruktivistischen und neurowissenschaftlichen Verständnis von Lernen und Lehren (vgl. z. B. Spitzer 2002; Stern, Grabner und Schuhmacher 2005; Schermer 2006; Helmke 2012) und angesichts der Prominenz neoliberaler Konzeptionen (vgl. dazu z. B. die Kritik von Bröckling 2007) zeigt sich zudem die Tendenz, durch die Charakterisierung der „Lernende[n] als Systeme der Selbststeuerung“ (Meyer-Drawe 2013b: 90) sowie der davon abgeleiteten Rolle der Lehrenden als Lernbegleiterinnen und -begleiter bzw. als „Coaches“, diesen lediglich „Angebote“ zu unterbreiten (siehe dazu insbesondere die Kritik von Meyer-Drawe 2013b: 90 ff.). Professionelles Handeln zeigt sich vor diesem Hintergrund vor allem darin, die Lernenden durch ein ausgewogenes, zurückgenommenes Maß an Instruktion und die Berücksichtigung der unterschiedlichen Bedingungen von Unterricht in ihrem individuellen Lernprozess zu begleiten. Dafür stellen sie den Lernenden attraktive Lernangebote zur Verfügung, sodass sich diese mit den Lerninhalten selbständig auseinandersetzen, deren Inhalte erschließen und Zusammenhänge entdecken können. Die Inhalte sollten dafür strukturiert und leicht explorierbar dargestellt werden, damit die Lernenden an ihr Vorwissen anknüpfen und eigenverantwortlich ihr subjektives Wissen konstruieren können.

In all diesen Konzeptionen rund um Lernen, Lehren und Forschen wird nach wie vor auf Lehrer/-innenseite wie auch auf Seite der Schülerinnen und Schüler deren passive, pathische Struktur wenig betont. Kaum Berücksichtigung finden somit vorreflexive, sinnlich-leibliche Wahrnehmungen und Erfahrungen, die professionelles Lehrer/-innenhandeln allererst bedingen – und letztlich auch stets begleiten.

1.2 Vom aisthetischen und ethischen Handeln hin zum responsiven Ausdruck einer pathischen Erfahrung

„Ist es heute üblich, den gesamten Bereich menschlicher Tätigkeiten ‚als den genuinen Gegenstand der Kulturwissenschaft‘ anzusehen, so wird mit dieser voraussetzungsvollen Grenzziehung all dasjenige vernachlässigt, was sich […] in der Bedeutung von Widerfahrnis, Passivität und Leidenschaft versammelt. Eine solche Privilegierung der Handlungs- und Herstellungskategorien führt zum Ausschluss alles dessen, was als Affekt und Ereignis nicht nur jede Tätigkeit in unterschiedlicher Weise begleitet, sondern auch als Anstoß und Ermöglichungsgrund menschlicher Praxis und Poiesis in Betracht gezogen werden muss.“

Kathrin Busch und Iris Därmann 2007a: 7

Nachfolgend wird der Versuch unternommen, (professionelles) Lehrer/-innenhandeln neu und anders als vorangehend beschrieben auszufalten. Dabei werden jene (erkenntnis-)theoretischen Referenzpunkte aufgezeigt, die auch in den einzelnen Beiträgen – explizit oder implizit – eine elementare Rolle spielen. Den Ausgangspunkt bildet dabei die Konzeption des Handelns nach Aristoteles (1999; 2003). Weiterführend wird die Handlungstheorie25 von Hannah Arendt (vgl. v. a. 1981: 165 ff.)26 – die sich u. a. auf Aristoteles bezieht27 – aufgegriffen, um insbesondere die Bezogenheit und Verwobenheit des Handelns im Hinblick auf ein intersubjektives, plural verfasstes Bezugssystem deutlich zu machen. Nur dadurch wird die erfinderische Generierung von Neuem überhaupt fassbar. Abschließend wird – unter Bezug auf Maurice Merleau-Ponty (vgl. z. B. 1966a; 2004) und der Weiterführung seiner Erkenntnisse durch Bernhard Waldenfels (vgl. z. B. 2000; 2002) und Käte Meyer-Drawe (vgl. z. B. 2010; 2012a) – die Brücke hin zu einem antwortenden bzw. responsiven Handeln als Ausdruck der Erfahrung und damit hin zu einem Lernen, Lehren und Forschen als Erfahrung geschlagen. Wie zu zeigen sein wird, ist Dreh- und Angelpunkt all dieser Erfahrungen das Pathos. In all diesen Konzeptionen wird zudem die Bedeutung nicht-propositionaler Wissensformen sowie die kontextuelle und situative Verankerung menschlicher Sinngenerierung betont (vgl. z. B. Lippitz 1987: 110).

1. 2. 1 Ethische Haltung. Oder: Aristotelische Konzeption des Handelns zwischen Aisthesis und Ethos

Die Erfahrung erwächst den Menschen aus dem Erinnerungsvermögen: viele Erinnerungen an einen und denselben Sachverhalt machen die Kraft einer Erfahrung aus.“

Aristoteles 2003: 980b

Mit Aristoteles (1999; 2003) steht insbesondere das zweckbefreite, praktisch-gute Handeln, also die Praxis und ihre Bezogenheit auf Aisthesis und Ethos im Vordergrund.28 Den Praxisbegriff reserviert Aristoteles dabei für all jene Hand-lungen, die direkt die sittliche Lebensgestaltung betreffen. Das Ziel liegt in der Realisierung des menschlichen Potenzials, d. h. richtig und gerecht zu handeln (vgl. Aristoteles 1999: 1140a-1140b). Aristoteles (vgl. 1999: 1103a-1103b) fundiert dieses Handeln sowohl in der sinnlichen Wahrnehmung (aisthesis) als auch in der Erfahrung (empeiria). Mit ihm kann deutlich gemacht werden, dass es aufgrund der sinnlichen Wahrnehmung und Erfahrung ein praktisches Wissen gibt, das sich im Körper ablagert. Dieses besitzt man aufgrund von Ethos im Sinne einer sittlichen Gewohnheitsbildung, welche zu einer „Haltung“ ausgebildet werden kann. Diese ethische Haltung befähigt den konkreten Einzelfall zu beurteilen (vgl. Aristoteles 2003: 980b-981a). Diese aristotelische Konzeption des Handelns, bei welchem der (bruchlose) Gang des Lernens als ein Übergang von einem Nicht-Wissen hin zu einem gesicherten Wissen gefasst werden kann, kennt jedoch kein Pathos: Mit Aristoteles kann damit nicht deutlich gemacht werden, wie es möglich ist, von einer (lieb gewonnenen) Gewohnheit wieder abzuweichen, um neue (propositionale oder nicht-begriffliche) Erkenntnisse zu erlangen.29 Mit einem zu starken Bezug auf Aristoteles besteht somit die Gefahr, den konservativen Grundzug menschlicher Praxis zu verharmlosen.

„Handeln sucht seine Sicherheit in der Bestätigung und im Erfolg. Der Vollzugssinn von Praxis ist nicht getragen von dem Aufklärungswillen eines thematisierenden Bewußtseins, sondern von dem Willen, sich zurechtzufinden, sich zu verständigen, kurz: die Ziele zu erreichen, die man anstrebt. Handeln ist dabei nicht blind, sondern selbstbezogen, reflexiv in einem eigenen, vortheoretischen Sinn“ (Meyer-Drawe 1984: 253).

Erst der Einbezug eines chiastischen Ineinander, das zwischen Praxis und Pathos, Handeln und Leiden besteht, verbietet den Gedanken eines bei sich selbst anfangenden aktiven Bewegers bzw. Handelnden, den auch Hannah Arendt (1981) in ihrer Handlungstheorie teilweise noch im Blick hat.

1. 2. 2 Die intersubjektive Bezogenheit des Handelns. Oder:
Entstehung und Vollzug des Neuen nach Hannah Arendt

„Initium ut esset, creatus est homo – damit ein Anfang sei, wurde der Mensch geschaffen, sagt Augustin. Dieser Anfang ist immer und überall da und bereit. Seine Kontinuität kann nicht unterbrochen werden, denn sie ist garantiert durch die Geburt eines jeden Menschen.“

Hannah Arendt 2006: 979

Mit Hannah Arendt können vor allem die Bedingungen der Möglichkeiten des (erfinderischen) Handelns, aber auch sein Vollzug erörtert werden. Thematisiert wird dabei insbesondere die Bedeutung des intersubjektiven Zwischen als menschliches Bezugssystem und die Notwendigkeit der Natalität und Pluralität für jegliches Handeln. Letztere ermöglichen es, dass (aktives) Handeln im gesellschaftlichen Miteinander entsteht bzw. überhaupt Sinnhaftigkeit beanspruchen kann. Aus dem Zwischen oder Raum der Intersubjektivität geht wiederum allererst der einzelne Mensch mit seinen singulären Handlungen hervor. Auch Wilfried Lippitz (2001: 147) betont, dass Handlungen im „Zwischenreich der Interaktionen bzw. in den Zwischenwelten der Medien“ anzusiedeln sind. Da die Handlungstheorie nach Arendt (1981) in den einzelnen Beiträgen30 lediglich schemenhaft zum Zug kommt, erfährt diese nachfolgend eine ausführliche Erörterung.

Der Grundpfeiler des Handelns nach Hannah Arendt (1981) ist die menschliche Geburt, welche sie als wichtigstes Ereignis des Anfangen-Könnens beschreibt. Ihre Philosophie der Gebürtlichkeit bzw. die existentielle Bedingung der Natalität31 betrachtet die Menschen als Initiale des Lebens (vgl. Arendt 1981: 165). Während die Menschen in der Form einer ersten Geburt geboren werden, „schalten“ (Arendt 1981: 165) sich diese in der Form einer zweite[n] Geburt“ (ebd.) „sprechend und handelnd“ (ebd.) in die Welt, in das bereits bestehende gesellschaftliche Miteinander ein. Im Handeln und Sprechen – wobei sie beide Tätigkeiten gleichsetzt – werden die Menschen zu aktiven Initialen des Lebens, indem sie gleichsam ihre eigene Geburt „bestätigen“ (ebd.).

„Sprechend und handelnd schalten wir uns in die Welt der Menschen ein, die existierte, bevor wir in sie geboren wurden, und diese Einschaltung ist wie eine zweite Geburt, in der wir die nackte Tatsache des Geborenseins bestätigen, gleichsam die Verantwortung32 dafür auf uns nehmen“ (Arendt 1981: 165).

In diesem Zusammenhang wird Natalität (Geburt) in der Bedeutung von Geboren-Werden (erste, „tatsächliche“ Geburt) und Handeln-Können (zweite, politische Geburt) als Initialität betrachtet. Damit verbunden ist auch die Annahme, dass durch die Geburt (in ihrer Doppelbedeutung) ein neuer Anfang möglich sei (vgl. ebd.: 166), sodass Handeln mit etwas Neues anfangen einhergeht:

„In diesem ursprünglichsten und allgemeinsten Sinne ist Handeln und etwas Neues anfangen dasselbe; jede Aktion setzt vorerst etwas in Bewegung […]. Weil jeder Mensch aufgrund des Geborenseins ein initium, ein Anfang und ein Neuankömmling in der Welt ist, können Menschen Initiative ergreifen, Anfänger werden und Neues in Bewegung setzen“ (ebd).

Diese Initiative sei von der Anwesenheit Anderer möglicherweise stimuliert, aber keineswegs bedingt, so Arendt (1981: 166). Vielmehr wird betont, dass „wir selbst, aus eigener Initiative etwas Neues anfangen“ (Arendt 1981: 166) können. Damit schreibt sie dem Neuankömmling die Fähigkeit zu, selbst einen Anfang zu setzen, d. h. handeln zu können. Die Geburt und mit ihr der Anfang sind die Grundbedingungen des Handelns und eröffnen nachfolgend die Möglichkeit, den Lauf der Welt zu verändern. Zugleich liegt in diesem Neuanfangen die Freiheit des Handelns begründet (vgl. ebd.).

Weiterführend erfährt das Handeln bei Arendt (vgl. 1981: 166 ff.) eine Bestimmung als anthropologische Grundkonstante.33 So werde der Mensch erst aufgrund des Anfangs und damit einhergehend auch im Handeln zum Menschen: Derjenige, der zuvor ein „Niemand“ (Arendt 1981: 166) war, kann durch seine Handlungen ein „Jemand“ (ebd.) werden und sich als Person enthüllen (vgl. ebd.: 175). Aufgrund des aktiven In-Erscheinung-treten des einzelnen Menschen in einem öffentlichen Erscheinungsraum haben seine Handlungen somit einen Offenbarungscharakter seines Selbst – vor allem für seine Mitmenschen (vgl. ebd.: 169).34 Erst die Handlungen zeigen ihn – jenseits aller Möglichkeiten der direkten Einflussnahme – in seiner unverwechselbaren Einzigartigkeit. Arendt (1981: 169) betont:

„Im Unterschied zu dem, was einer ist, im Unterschied zu den Eigenschaften, Gaben, Talenten, Defekten, die wir besitzen und daher soweit zum mindesten in der Hand und unter Kontrolle haben, daß es uns freisteht, sie zu zeigen oder zu verbergen, ist das eigentliche personale Wer jemand jeweilig ist, unserer Kontrolle darum entzogen, weil es sich unwillkürlich in allem mitoffenbart, das wir sagen oder tun.“

Deutlich wird, dass das einzelne Selbst in einem Bezugsgewebe der Vielen handelt, wobei es von der Präsenz der Anderen bedingt und auf diese bezogen bleibt. Im Zusammenhang mit dem Handeln und dem Sprechen unterscheidet sie zwei unterschiedliche Zwischenräume, in dem Interessen entstehen und in welchem Interaktionen stattfinden: einen „Bereich, der zwischen Menschen qua Menschen liegt“ (Arendt 1981: 172) und ein „zweite[s] Zwischen, das sich im Zwischenraum der Welt bildet“ (ebd.: 173). Diese Zwischen bilden die Bezugssysteme menschlicher Angelegenheiten, die aus den Handlungen entstehen und aus denen, gleich einem Gewebe, alle Handlungen erwachsen (vgl. ebd.: 173). Aufgrund dieses plural verfassten Bezugsgewebes greifen im Hinblick auf das Handeln weder Zweck-Mittel-Relationen noch lassen sich Kausalzusammenhänge ableiten (vgl. ebd.: 223). Genauso wenig können Motive des Handelns zweifellos ergründet oder dessen Folgen verlässlich vorausgesehen werden (vgl. ebd.: 228). Zugleich ist das Bezugsgewebe die Bedingung der Möglichkeit dafür, um überhaupt handeln zu können. Die im Anfang bzw. Anfangen-Können begründete Freiheit besteht gerade auch in der Offenheit des Ausgangs. Arendt (1981: 174) führt aus:

„Weil dies Bezugsgewebe mit den zahllosen, einander widerstrebenden Absichten und Zwecken, die in ihm zur Geltung kommen, immer schon da war, bevor das Handeln überhaupt zum Zug kommt, kann der Handelnde so gut wie niemals die Ziele, die ihm ursprünglich vorschwebten, in Reinheit verwirklichen; aber nur weil Handeln darin besteht, den eigenen Faden in ein Gewebe zu schlagen, das man nicht selbst gemacht hat, kann es mit der gleichen Selbstverständlichkeit Geschichten hervorbringen, mit der das Herstellen Dinge und Gegenstände produziert.“

Aufgrund der Grundbedingung der Pluralität zeichnet sich der einzelne Mensch durch seine Abhängigkeit von den jeweils anderen Menschen aus (vgl. Arendt 1981: 229 f.). Genau diese Pluralität, die „Anwesenheit von Anderen die mit-sind und mit-handeln“ (ebd.: 232), verschafft dem einzelnen Menschen jedoch auch die Möglichkeit, von den Folgen nicht vorhersehbarer Taten wieder entbunden bzw. von Ungewissheiten entlastet zu werden (beispielsweise durch das Versprechen, vgl. ebd.: 239 ff.). Zudem verschafft sie ihm eine Bestätigung oder Konstituierung seiner selbst und somit eine Identität (vgl. ebd.).

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass mit der Bedingt- und Bezogenheit des aktiven Handelns auf etwas transzendent Vorgängiges gleichsam ein nicht intendiertes, nicht planbares und medial verfasstes Moment einhergeht. In diesem „Zwischen“ sind Aktivität und Passivität aufeinander bezogen. Zugleich macht sich damit eine auch genuine Anonymität bemerkbar. Während nämlich die „erzählbare[n] Geschichten“ (ebd.: 175) die „eigentlichen ‚Produkte‘ des Handelns und Sprechens sind, […] mangelt der Geschichte gleichsam ihr Verfasser. Jemand hat sie begonnen, hat sie handelnd dargestellt und erlitten, aber niemand hat sie ersonnen“ (ebd.).

Gerade aufgrund der Pluralität und Abhängigkeit des einzelnen Menschen von anderen Menschen wird dieser von Arendt (1981: 182) weder nur als „Täter“ charakterisiert noch nur als jemand, der „erduldet“ (Arendt 1981: 182). Nach ihr gehören Handeln und Dulden immer zusammen. Auch wenn Handeln damit eingangs von ihr als vorwiegend aktiv und bewusst gefasst wird, erhält es damit ein passives, vorbewusstes und nicht intendiertes Moment, das den Ermöglichungsgrund jeglichen Handelns darstellt. Die Freiheit des Einzelnen besteht gerade darin, den eigenen Faden in ein bereits vorgewebtes Muster zu schlagen (vgl. ebd.: 174). Hier zeigt sich zudem wiederum die enge Verbindung von Handeln und Sprechen, denn Arendt (vgl. 1981: 174 f.) argumentiert, Handeln würde nur durch das Erzählen von Geschichten auf Dauer fassbar.

Die große Freiheit, die im Sprechen liegt, wird bereits vom griechischen Staatsmann Perikles betont (vgl. Brunkhorst 1994: 144). Genauso wie für Aristoteles ist bei ihm jedoch „die Freiheit der Rede kein Recht, sondern ein Privileg, ein besonderes Verdienst und eine Tugend“ (ebd.: 144 f.). Auch in Arendts (politischer) Philosophie ist das aktive, bewusste Handeln (und Sprechen) zur Erlangung von Freiheit von zentraler Bedeutung, wobei sie dieses historisch von der griechischen Polis ableitet. In diesem Zusammenhang kritisiert Hauke Brunkhorst (1994: 20) Arendt für ihr elitär-aristokratisches Politikverständnis, das die Idee einer bürgerlichen Tugendgemeinschaft „auf die exklusive, privilegierte und militante (,vita activa‘) Selbstorganisation freier und gleicher Bürger beschränkt“. Nach ihm verteidigt sie damit eine „Virtuosenfreiheit“ der Wenigen, die blind blieben für die neue Idee der Freiheit, die am Beginn der modernen Revolutionen stehen würde (vgl. Brunkhorst 1994: 105 ff.). Diese demokratische Rückbindung der Volkssouveränität an Kants Idee der gleichen Freiheit aller als Prinzip individueller Rechte und nicht als Privileg von Einzelnen, sei „gleichermaßen entfernt von Platon wie von Aristoteles und der ganzen klassischen Lehre von der Politik“ (ebd.: 65).

Ein wichtiger Aspekt von Arendts Handlungstheorie besteht jedoch darin, dass das gelebte Leben eines Menschen durch sein bewusstes und aktives Handeln nachhaltig zur Geschichte beitragen kann. Damit vertritt sie einen Optimismus des (politischen) Handelns, welcher selbst unter den widrigsten Umständen einen Neuanfang in eine Welt voller alter Routinen, Gewohnheiten und Muster setzen kann. Dem arendtschen Konzept liegt ein nichtutilitaristischer Handlungsbegriff zugrunde, der, über das ZweckMittelSchema hinausgehend, das gemeinsame Beginnen von Neuem ins Zentrum stellt. Zudem wird deutlich, dass mit dem Handeln – ähnlich dem Lernen (vgl. Agostini 2016a: 163 ff.) – immer auch eine „Aktualisierung“ und damit Veränderung des Selbst einhergeht. In diesem besonderen interpersonalen Zwischen-Raum, der sich als ein intersubjektives Bezugssystem als Folge des Handelns und Sprechens zwischen den Menschen ausbildet, enthüllt sich das „Wer“ der Handelnden am Beispiel der ausgestalteten Bezüge als Narration.

Anhand des arendtschen Konzepts des Handelns können drei Momente festgemacht werden: das (bewusste und aktive) Anfangen und das Vollenden, wobei sich beide Momente auf den Vorgang, den Prozess bzw. Vollzug des Handelns beziehen, sowie die Auswirkungen des Handelns bzw. die Auswirkungen auf das Handeln, zu denen auch das Dulden und das Affiziert- bzw. Betroffensein gehören (vgl. Arendt 1981: 181 f.). In Arendts (1981) Handlungskonzept sind die Menschen durchaus bewusste Akteurinnen und Akteure, aber die Folgen ihres Tuns enthüllen sich erst in den verschiedenen dauerhaften und nicht selten nicht-intentionalen Wirkungen des Handelns und werden in der narrativen Verarbeitung und Tradierung bewahrt.35 So wird im Ausgang des Handelns in der Regel an (narrative) Erfahrungen und vergangenes Geschehen angeknüpft, in dem die Handelnden von diesen affiziert werden (vgl. Arendt 1981: 174). Damit schließen Narrationen der Generierung von Neuem bzw. auch fehlgeschlagener Versuche nicht nur an das Handeln an, sondern sie sind auch (ideelle) Voraussetzung dafür, Neues zu beginnen.

(Politisches) Handeln findet dabei immer im Kontext der Vielen statt, der Pluralität der Menschen. Während das Faktum der Natalität die ontologische Grundbedingung jeglicher Tätigkeit ist, kann das Handeln als (unhintergehbare) Antwort auf das Geboren-sein und als Inbegriff des Neuanfangs gefasst werden. Das Sprechen und das Handeln sind die Antworten der Menschen auf die Gebürtlichkeit als eine Grundbedingung ihrer Existenz: Da wir durch die Geburt alle als Neuankömmlinge und als Neu-Anfänge auf die Welt kommen, sind wir fähig, etwas Neues zu beginnen, das über ein bloßes Sich-Verhalten oder Bewahren hinausgeht. Der Neuanfang stellt dabei den Inbegriff der Freiheit dar. Durch das Anfangen-Können werden vorherrschende Muster und widerständige Gewohnheiten durchbrochen.

Indem jeder Mensch selbst einen Anfang, eine Initiative darstellt, die in seiner Antwort auf das Geborensein im Handeln Neues in Bewegung setzt, dessen Ausgang jedoch unvorhersehbar und nicht steuerbar ist und stets auf ein menschliches Bezugssystem rückbezogen bleibt, von dem die Einzelnen in ihrem Handeln affiziert werden, zeichnet sich der pathische Aspekt des Handelns bereits in Ansätzen ab. Angekündigt werden zudem eine genuine Erfahrungsfähigkeit und die Bedeutung der leiblichen Artikulationen, aufgrund derer sich die Menschen allererst zeigen und anhand derer sie sich – zumindest anderen gegenüber – ausdrücken können.

Die positive Denkart Arendts impliziert jedoch noch sehr stark ein aktives, bewusstes und selbstbestimmtes Handeln.36 Der Anfang, in dem Handeln als Antwort auf Pathisches im Sinne eines genuinen Widerfahrnisses festgemacht werden kann, wird lediglich angedeutet, aber nicht weiter ausgefaltet. Im Handeln als Antworten wird nach Arendt (1981) zwar der Ereignischarakter des Handelns betont, weniger jedoch sein Werden als Widerfahrnis, das auch darüber Aufschluss geben könnte, wie man im Lehrer/-innenhandeln und den damit verbundenen Erfahrungen als Lernen, Forschen und Lehren immer wieder von einem vorab festgelegten Handlungs- oder Erkenntnisweg abweichen kann. Erst im Anschluss an Maurice Merleau-Ponty (1966a) und in den weiterführenden Ausführungen von Bernhard Waldenfels (2002) und Käte Meyer-Drawe (2010) kann das Handeln von Lehrerinnen und Lehrern selbst als eine vom Pathos abhängige Erfahrung gedeutet werden, die mit vielen anderen Erfahrungen verwoben ist und von ihnen bedingt bleibt.

Im Anschluss an das Handeln nach Hannah Arendt bestünde Professionalität gerade darin, sich als Lehrperson der eigenen unvorhersehbaren Bedingtheiten, der Möglichkeiten und Grenzen und ganz allgemein der Unabwägbarkeiten des eigenen Handelns bewusst zu bleiben und demgegenüber ein genuines Nicht-Wissen einzuräumen (vgl. dazu auch Wimmer 1996; Mecheril 2008). Gerade auch im Wagnis, einen Anfang zu setzen und sich damit einer gewissen Gefahr der Willkür auszusetzen, sofern dieser Anfang nicht durch einen kausalen Zusammenhang determiniert ist, oder aber im Risiko, als Mensch in seiner Eigenart als ein bestimmter „Jemand“ im Miteinander in Erscheinung zu treten, liegen bestimmende Momente von Professionalität begründet.

1. 2. 3 Antwortendes Handeln und die pathische Struktur der Erfahrung bei Bernhard Waldenfels und Käte Meyer-Drawe. Oder: Zum schöpferischen Ausdruck bei Maurice Merleau-Ponty

„Das Pathos ist eine Überraschung par excellence. Es kommt stets zu früh, als dass wir uns dessen versehen könnten, unsere Antwort kommt immer zu spät, um ganz und gar auf der Höhe der Erfahrung zu sein. […] Erfahrung, die einem Widerfahrnis entstammt, beginnt nicht bei sich selbst, im Eigenen, sondern anderswo in der Fremde.“

Bernhard Waldenfels 2004b: 29

Erst durch den Ansatz der Responsivität und im Aufzeigen der pathischen, schöpferischen Struktur der Erfahrung kann (professionelles) Handeln von Lehrerinnen und Lehrerin in all seinen Unwägbarkeiten und Bezogenheiten zum Ausdruck gebracht werden.37 Der Terminus „Responsivität“, der mit dem deutschen Wort „Antwortlichkeit“ übersetzt wird, meint das, „was Antworten zu einem Antworten macht“ (Waldenfels 1994: 320). Nach Waldenfels (vgl. z. B. 1994; 2002) durchzieht der Grundzug der Responsivität jegliches Sprechen und Handeln. Der Anspruch der Responsivität besteht dabei vor allem darin – etwa im Anschluss an die Leibphänomenologie Maurice Merleau-Pontys38 (z. B. 1966a; 1993) – Edmund Husserls phänomenologisches Konzept der Intentionalität kritisch zu ergänzen (vgl. ebd.: 331; siehe dazu auch Agostini 2016a: 29 ff.). Eine Erweiterung erfahren damit auch – z. B. im Anschluss an Emmanuel Lévinas (vgl. z. B. 1992a; 1992b) – die diskursethischen Sprach- und Handlungstheorien, indem beispielweise das Sich‐Zeigende im Antlitz des Anderen aufgesucht und das Sehen‐Lassen bzw. Wahrnehmen-Können in die Verantwortung für den Nächsten transformiert wird39 (vgl. Waldenfels 1994: 556 f.).

Nimmt man den Grundzug der Responsivität und damit seinen pathischen Charakter ernst, so stellt das Handeln ein Antworten auf jeweils ergehende Aufforderungen, Angebote und Ansprüche dar (vgl. Feiter 2010: 253). In diesen Akten des Antwortens ist die Antwort nicht schon vorweg mit der Aufforderung, dem Angebot oder dem Anspruch durch eine bereits bestehende Ordnung verknüpft, sondern in der Begegnung mit dem fremden Anspruch wird diese Antwort allererst motiviert und im Geben der Antwort ein neuer Sinn generiert. Dadurch entsteht die paradoxe Situation, „in der wir geben, was wir nicht haben“ (Waldenfels 1997: 53). Etwas wird ausgedrückt, das erst im Antworten seine (erfinderische) Gestalt erhält (vgl. dazu auch Agostini 2016a: 170 ff.). Damit konzipiert Waldenfels (vgl. 1994: 320) seine responsive Phänomenologie als Antwort auf das Fremde und Außerordentliche und fasst damit jene Ereignisse, die jeglicher Erwartung zuvorkommen und bestehende Ordnungen durchkreuzen. Für diese „Ereignisse, die nicht als abrufbares Etwas auftreten […], die uns vielmehr widerfahren, zustoßen, zufallen, uns überkommen, überraschen, überfallen“ gebraucht Waldenfels (2006a: 42) den Begriff des Pathos. Diese pathischen Ereignisse beschreibt er zudem als „Af-fekte und Af-fektionen“ (Waldenfels 2006a: 42), als die „Abweichung vom Gewohnten, als Überschuss an Nichtlernbarem in allem Lernbaren, als Fremdes im Eigenen“ (ebd.) im Sinne eines „Antuns, des Angehens, des Anrufs“ (ebd.), als das, wovon wir getroffen werden und auf welche im Sinne einer Unausweichlichkeit geantwortet werden muss (vgl. Waldenfels 2004a: 820).

„Pathos bedeutet nicht, dass es etwas gibt, das auf uns einwirkt, es bedeutet aber ebensowenig, dass etwas als etwasvon etwas