Inhalt

Geleitwort

Hinweise zum Gebrauch dieses Buches

Jahreslosung und Monatssprüche

Mit der Bibel durch das Jahr 2021

Einführung in die biblischen Bücher

Zweites Buch der Könige

Esra

Nehemia

Sprichwörter / Sprüche Salomos

Daniel

Haggai

Sacharja

Maleachi

Lukasevangelium

Johannesevangelium

Apostelgeschichte

Kolosserbrief

Erster Thessalonicherbrief

Zweiter Thessalonicherbrief

Hebräerbrief

Gebete

Anhang

Bibelleseplan 2021

Bibelstellenregister

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Abkürzungen biblischer Bücher

Quellenverzeichnis

DAS WORT

das wort! es kündet

und ist nicht euer

es blitzt und zündet

das wort ist feuer

das wort schuf welten

das wort des höchsten

das wort will gelten

zum wohl des nächsten

das wort hält wache

das wort ist bote

das wort stärkt schwache

das wort weckt tote

Kurt Marti

Liebe Leserinnen und liebe Leser!

Gottes Wort schuf Welten, Gottes Wort stärkt Schwache und weckt Tote, aber Gottes Wort gehört nicht zu den menschlichen Besitztümern. So hat der Theologe und Poet Kurt Marti das Bekenntnis unseres christlichen Glaubens verdichtet: Gottes Wort ist schöpferische und heilvolle Lebensmacht für unsere Welt und für uns Menschen. Kein Mensch hatte und hat Verfügungsmacht über Gottes Wort. Auch nicht Bibelleserinnen und Bibelleser. Und auch nicht unsere Kirchen. Gottes Wort wirkt aus sich selbst heraus! Im Zentrum der Bibel steht Gottes Wort an den Menschen. In ihr treffen wir auf Gottes Wort in den Zeugnissen von Menschen, denen wir die Schriften der Bibel verdanken. Mit Hilfe dieser Menschenworte will Gottes Wort unseren Verstand und unser Herz erreichen. Und das auf ganz vielfältige Weise: durch die poetischen Texte der Psalmen etwa, durch Erzählungen und Berichte über Erfahrungen des Volkes oder einzelner Menschen mit dem Gott Israels, durch Berichte über das Leben Jesu Christi. Durch prophetische Worte ebenso wie durch Briefe an die ersten Gemeinden. Die biblischen Texte sind je auf ihre Weise Antworten auf Erfahrungen mit Gott oder die Ansprache durch Gottes Wort. Und diese Antworten umspannen einen weiten zeitlichen und geographischen Raum. Mündlich tradierte biblische Texte gehen zurück bis etwa tausend Jahre v. Chr., die jüngsten schriftlichen Texte entstanden etwa hundert Jahre nach Christi Geburt. Die Bibeltexte haben ihren »Sitz im Leben« an sehr unterschiedlichen Orten: etwa im Nomaden-Alltag in Kanaan, in der Sklaverei in Ägypten, im Exil in Babylon, im mühseligen Wiederaufbau im Land Israel, unter römischer Herrschaft in Galiläa und Jerusalem, in jungen christlichen Gemeinden Griechenlands und Italiens. So enthält die Bibel – statt an ein Buch sollten wir besser an eine Bibliothek denken – sehr vielstimmige und dabei auch mehrdeutige, manchmal sogar widersprüchliche Zeugnisse von Gottes Wort und Willen. Gottes Wort in der Bibel ist uns nur zugänglich in dieser nicht aufzulösenden Mischung von Gotteswort und Menschenworten. Über Voraussetzungen, Folgen und Gültigkeitsansprüche der bezeugten Gottesworte in der Bibel dürfen, können und müssen wir Menschen uns immer wieder neu auseinandersetzen. Mit Respekt und Demut. Aber auch mit Kritik und Widerspruch. Immer aber in einer Haltung der Offenheit, die bereit ist, sich von Gott auf verschiedene Weise ansprechen zu lassen. Denn: Wir finden Gott nicht jenseits seines Wortes. Wir finden Gott nur im Wort: in seinem lebendigen Wort Jesus Christus, wie es uns in seinem Wort der Bibel bezeugt ist. Für Christinnen und Christen will das in die Menschen-Zeugnisse der Bibel eingeschriebene Wort Gottes im Hören, Lesen, Bedenken, Auslegen, Diskutieren und Feiern immer wieder neu lebendig werden für ihr eigenes Leben und für ihren konkreten Alltag.

Gottes Wort ist uns nur in Vielstimmigkeit zugänglich. Eine Erkenntnis, die offensichtlich auch die Autoren und Redaktoren der neutestamentlichen Evangelien geteilt haben, als die Lebensgeschichte Jesu im Neuen Testament nicht nur einmal, sondern viermal kanonisiert wurde. Und das ist gut so! Gut, weil wir die vielstimmige und vielschichtige Bibel und nicht ein eindeutiges kondensiertes Wort Gottes als Grundlage unseres christlichen Glaubens haben. Denn so zieht die Bibel gerade mit ihren Spannungen und Widersprüchen uns Heutige in das in ihr aufgeschriebene Zeugnis über Gott hinein. Die Gefahr, die mit der schriftlichen Fixierung von Gottes Wort durch Menschen und deren eigene Machtansprüche verbunden ist, wird so begrenzt. Fundamentalistische Zugänge sind verwehrt.

Christinnen und Christen aus unterschiedlichen Konfessionen – und auch Sie, liebe Leserin und lieber Leser – werden vielmehr eingeladen, sich in Gespräche mit Bibeltexten und über Bibeltexte hineinziehen zu lassen. »Mit der Bibel durch das Jahr« will diese Gespräche mit den kurzen Auslegungen biblischer Texte durch Autorinnen und Autoren unterschiedlicher Konfessionen befördern. Neues soll Sie überraschen und Vertrautes bestärken. Zu Zustimmung und Widerspruch sollen die Texte der Bibel und die Gedanken der Autorinnen und Autoren Sie herausfordern, aber auch zu Nachfragen und eigenem Weiterdenken ermutigen. Zum Ziel kommt das Anliegen dieses Buches, wenn Sie durch seine Texte dem lebendigen Wort Gottes begegnen und mit ihm durch das Jahr gehen.

Nikolaus Schneider

Hinweise zum Gebrauch dieses Buches

Die Lesungen des Tages folgen dem Bibelleseplan der »Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen«, den wir in diesem Band abdrucken (ab Seite 446) und worin auch die Zeiten des Kirchenjahres berücksichtigt werden. Ziel des Bibelleseplans ist es, im Laufe der Jahre die wichtigsten Texte der Bibel kennenzulernen. Am besten beginnen Sie mit der Lektüre des Bibeltextes selber und legen dazu die Lutherbibel oder die Einheitsübersetzung (in möglichst aktuellen Übersetzungen) an einen festen Platz in Ihrer Wohnung. So vorbereitet, greifen Sie zu den Auslegungen im vorliegenden Band, denen ein Gebetstext beigegeben ist.

Wir haben die Jahreslosung an den Beginn des Bandes gestellt. Dort finden Sie auch die Monatssprüche (Seite 10). Die Gebete (Morgen- und Abendgebete) für jeden Tag der Woche wurden von der Communität Wülfinghausen in Springe zusammengestellt (ab Seite 429). Die Gebete auf dem Lesezeichen haben meine Frau Anne Schneider und ich formuliert und Strophen der Lieder aus »Dich rühmt der Morgen« (Singt Jubilate 184) und »Der Tag ist um, die Nacht kehrt wieder« (EG 490,1) verwendet.

Im Anhang finden Sie:

ein Bibelstellenregister (ab Seite 452), welches das Auffinden der Auslegungen erleichtert,

ein Verzeichnis der Mitarbeitenden (ab Seite 456),

ein Abkürzungsverzeichnis der biblischen Bücher (Seite 460)

und ein Quellenverzeichnis (Seite 461), in dem vermerkt ist, woher jene Gebetstexte am Ende einer jeden Auslegung stammen, die nicht von den Autorinnen und Autoren selbst verfasst wurden.

Die Schreibweise der biblischen Namen folgt dem »Ökumenischen Verzeichnis der biblischen Eigennamen« nach den Loccumer Richtlinien.

Für Rückmeldungen zu den Bibelauslegungen sind wir dankbar. Am besten erfolgen diese Rückmeldungen direkt an die betreffenden Autorinnen beziehungsweise Autoren. Hinweise zur Verbesserung unserer Ökumenischen Bibellesehilfe können an die Redaktion erfolgen (redaktion@kreuz-verlag.de).

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre!

Ihr

Nikolaus Schneider

Jahreslosung und Monatssprüche

Jahreslosung 2021

JESUS CHRISTUS SPRICHT: SEID BARMHERZIG, WIE AUCH EUER VATER BARMHERZIG IST!

Lk 6,36 (L=E)

Monatssprüche 2021

Januar

Viele sagen: »Wer wird uns Gutes sehen lassen?« HERR, lass leuchten über uns das Licht deines Antlitzes!

Ps 4,7 (L)

Februar

Freut euch darüber, dass eure Namen im Himmel verzeichnet sind!

Lk 10,20 (E)

März

Jesus antwortete: Ich sage euch: Wenn diese schweigen werden, so werden die Steine schreien.

Lk 19,40 (L)

April

Christus ist Bild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung.

Kol 1,15 (E)

Mai

Öffne deinen Mund für den Stummen, für das Recht aller Schwachen!

Spr 31,8 (E)

Juni

Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.

Apg 5,29 (L=E)

Juli

Gott ist nicht ferne von einem jeden unter uns. Denn in ihm leben, weben und sind wir.

Apg 17,27 (L)

August

Neige, HERR, dein Ohr und höre! Öffne, HERR, deine Augen und sieh her!

2 Kön 19,16 (E)

September

Ihr sät viel und bringt wenig ein; ihr esst und werdet doch nicht satt; ihr trinkt und bleibt doch durstig; ihr kleidet euch, und keinem wird warm; und wer Geld verdient, der legt’s in einen löchrigen Beutel.

Hag 1,6 (L)

Oktober

Lasst uns aufeinander achthaben und einander anspornen zur Liebe und zu guten Werken.

Hebr 10,24 (L)

November

Der Herr aber richte eure Herzen aus auf die Liebe Gottes und auf das Warten auf Christus.

2 Thess 3,5 (L)

Dezember

Freue dich und sei fröhlich, du Tochter Zion! Denn siehe, ich komme und will bei dir wohnen, spricht der HERR.

Sach 2,14 (L)

Mit der
Bibel
durch
das Jahr

2021

Psalm 8 Freitag, 1. Januar (Neujahr)

Gewaltig!

Wenn der Mensch sagt, etwas sei gewaltig, so flößt ihm dies großen Respekt ein und er weicht in Ehrfurcht erst einmal einen Schritt zurück. Wenn der Beter von Psalm 8 den Herrn bzw. dessen Namen als gewaltig bezeichnet, so kommt in diesen Worten zunächst einmal die große Überlegenheit Gottes zum Ausdruck: da der allmächtige, für den menschlichen Verstand nicht zu fassende Gott und das unermessliche Werk seiner Hände, der Kosmos mit Himmel, Mond und Sternen, dort der kleine, unscheinbare Mensch, im Angesicht Gottes im Grunde genommen ein Hauch von Nichts.

Eigentlich mag man angesichts dieser nicht zu überwindenden Kluft zwischen Gott und Mensch schon zum nächsten Psalm weitereilen – was gäbe es da noch zu sagen! –, käme da nicht ein Brückenschlag über eine vermeintlich unüberbrückbare Kluft: Bei all den krassen Gegensätzen gibt es etwas, das Gott und Mensch untrennbar verbindet: Gott hat etwas in den Menschen – und zwar in jeden Menschen, unabhängig von seiner Ethnie und Religion – hineingelegt, das diesen »nur wenig geringer gemacht als Gott« und ihn mit »Pracht und Herrlichkeit« krönt. Was das sein könnte? Die Antwort findet sich auf der ersten Seite der Bibel in Genesis 1,27: Der eben noch als Wurm beschriebene Mensch wurde von Gott »als sein Bild, als Bild Gottes« erschaffen. Folglich wohnt in einem jeden Menschen Gott und ein jeder ist von Gott in einzigartiger Weise geadelt.

Meister Eckhart, der große dominikanische Mystiker des 14. Jahrhunderts, nennt dieses »Etwas« das »Seelenfünkelin«. Wir könnten sagen: Als IMAGO DEI verfügt jeder Mensch über einen göttlichen Kern, über ein unauslöschliches inneres Licht, das ihn, so er diesem folgt, unweigerlich an das Ziel seines Lebens, in die offenen Arme Gottes einlaufen lässt. Wer dies im Glauben annehmen kann, wird/muss sagen, dass nicht nur Gott, sondern auch der Mensch als Bild Gottes gewaltig ist. Vergleichbares gibt es sonst im Kosmos nicht mehr.

Könnte das nicht ein Neujahrsvorsatz sein: anno 2021 einen jeden Menschen als Bild Gottes zu sehen?

BERNHARD KIRCHGESSNER

Lehre mich das Staunen über dich, Gott, und jeden Menschen als dein Geschöpf zu würdigen.

Samstag, 2. Januar Lukas 3,1–6

Einführung zum Lukasevangelium S. 406

Wegbereitung der Barmherzigkeit

Die Jahreslosung 2021 lautet: »Jesus Christus spricht: Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!« (Lukas 6,36) Ja, das braucht Vorbereitung, denn, dass einer mit dem anderen barmherzig ist, waren und sind die Menschen nicht gewohnt. Gottes Barmherzigkeit und Zuwendung stehen über diesem Jahr. »Alle Menschen werden den Heiland Gottes sehen.« (V. 6)

Johannes der Täufer ist Wegbereiter für Gottes Barmherzigkeit in Jesus. Gottes Wort der Barmherzigkeit hat ein konkretes Datum und einen konkreten Ort (V. 1f.). Gott lässt sich ganz und gar ein in diese konkrete Welt – damals, aber auch hier und heute, wo Sie dies gerade lesen.

»Stellt euch darauf ein, ändert euren Sinn.« Das ist die Grundbedeutung von »Buße«. (V. 3) Nehmt euch vor, dieses Jahr barmherziger zu sein, mit euch selbst – und mit andern. Das wäre ein guter Jahresvorsatz. Und wir fangen schon gleich mit dem Barmherzig-Sein an: Wenn wir scheitern und wieder ins alte, unbarmherzige, nachtragende Fahrwasser kommen, dann erinnert uns Johannes ans Taufwasser. Du bist getauft »zur Vergebung der Sünden«. Gott ist barmherzig mit dir gestern und heute und morgen und alle Tage. Taufe bedeutet, dass ich jeden Tag, jeden Moment wie mit einem weißen Blatt Papier anfangen kann. Auch wenn Altes noch drückt, ich kann neu beginnen. Die frischen Kalenderblätter erinnern mich daran.

Das Jesaja-Zitat (V. 4f.) bindet alte und neue Barmherzigkeit Gottes zusammen. Johannes ist einer in der Reihe der Propheten, aber schon Vorläufer für Jesus. Wir könnten es für uns so lesen: »Bereite der Barmherzigkeit, dem Heiland Gottes, den Weg. Räum heute zur Seite, was ihm nicht entspricht. Fülle vorhandene Vertrauenslücken. Wende dich ihm zu.« Er kommt dir entgegen, Gottes Barmherzigkeit bereitet dir schon jetzt den Weg.

HARTMUT MILDENBERGER

Mein Herr und mein Gott, nimm alles von mir, was mich hindert zu dir. Mein Herr und mein Gott, gib alles mir, was mich fördert zu dir. Mein Herr und mein Gott, nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir.

Psalm 100 Sonntag, 3. Januar

Feiern geht weiter …

Was soll gefeiert werden? Weihnachten ist fast vorbei.

Das Feiern, das der Psalm bejubelt, ist nicht an den Kalender gebunden. Es braucht auch keine besonderen Anlässe wie einen Geburtstag oder ein Jubiläum. Wenn wir feiern, gestalten wir einen besonderen Festtag. Trotzdem bleibt meist alles beim Alten; es verändert sich kaum etwas.

Der Psalm stiftet zu einem ganz anderen Feiern an. Es entspringt nicht einer Laune oder einem Wunschdenken. Es weckt und fördert den Glauben an den, der Grund und Anlass zum Feiern ist. »Erkennt, dass der HERR Gott ist. Er hat uns gemacht und nicht wir selbst zu seinem Volk.« Unsere Antwort auf Gottes Handeln ist angemessen: Jubel, Dank und Freude. Diese Art von Feiern verbindet über Grenzen hinweg und niemand ist ausgeschlossen. Dieses Feiern befreit von gefährlichen Vorstellungen, als hätten wir selbst das Heft des Lebens in der Hand. Wir verdanken uns dem Handeln Gottes! Mehr noch: Gott hat Freude an uns und weckt deshalb auch Freude in uns über Gottes Handeln. Diese Freude steckt an; sie überspringt Grenzen.

Wer sich zu solcher Freude anstecken lässt, ist nicht mehr allein, auch wenn er allein lebt. Im Gottesdienst sind und bleiben wir verbunden untereinander und mit Gott. Und jedes Glockenläuten ermuntert uns zum Gebet und zur Freude über Gottes Wahl. Wir sind gemeint. Allein und mit andern zusammen. Das ist doch Grund genug zum Feiern!

HEIMO LIEBL

Nun jauchzt dem Herren alle Welt! Kommt her, zu seinem Dienst euch stellt, kommt mit Frohlocken, säumet nicht, kommt vor sein heilig Angesicht.

Dankt unserm Gott, lobsinget ihm, rühmt seinen Namen mit lauter Stimm; lobsingt und danket allesamt! Gott loben, das ist unser Amt.

Montag, 4. Januar Lukas 3,7–14

Was sollen wir tun?

»Was sollen wir tun?« Die Frage stellen heute viele Menschen, wenn sie über bedrohliche Entwicklungen in unserer Welt diskutieren – Klimawandel, die zögerlichen Schritte der internationalen Politik zur Bewahrung der Schöpfung oder die weltweit wachsende Kluft zwischen Arm und Reich. Oft fragen sie mit dem Unterton: »Was können wir denn schon tun?« – wir als Einzelne angesichts der Übermacht internationaler Konzerne, von weltweiten wirtschaftlichen Verflechtungen, von einer allgegenwärtigen neoliberalen Wirtschaftspolitik, von massiven Unrechtsstrukturen?

Johannes empfiehlt den Menschen, die ihm diese Frage stellen, kleine Schritte. Er überfordert sie nicht. Was würde er uns raten? Vielleicht: Achte darauf, was und wo du einkaufst. Du musst nicht im Winter Früchte haben, die mit riesiger Energieverschwendung in Gewächshäusern gezüchtet oder um den halben Erdball transportiert werden. Du kaufst Kleider, die wenig kosten, weil in anderen Kontinenten Hungerlöhne gezahlt und Menschen ausgebeutet werden. Schau nicht nur auf den günstigen Preis, sondern auch auf die, die sie herstellen und verarbeiten: Leben sie unter menschenwürdigen Bedingungen, und werden sie fair bezahlt? Und überprüfe, wo du dein Geld anlegst! Frag bei deiner Bank nach, ob mit deinem Geld Ausbeutung und Waffengeschäfte unterstützt werden oder nachhaltige Entwicklung und soziale Gerechtigkeit! Informiere dich über die weltweiten Verflechtungen, und sprich auch andere darauf an! Unterstütze Initiativen und Organisationen, die Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit fördern!

Johannes ist Realist. Er weiß: Die Möglichkeiten des Einzelnen sind begrenzt. Seine Botschaft lautet: Du kannst die Welt nicht von Grund auf ändern. Aber du kannst kleine Schritte in die richtige Richtung tun.

HELMUT GABEL

Hilf, Herr meines Lebens, dass ich nicht vergebens hier auf Erden bin. Hilf, Herr meiner Tage, dass ich nicht zur Plage meinem Nächsten bin. Hilf, Herr meiner Stunden, dass ich nicht gebunden an mich selber bin. Hilf, Herr meiner Seele, dass ich dort nicht fehle, wo ich nötig bin.

Lukas 3,15–20 Dienstag, 5. Januar

Vorläufig

Der Dichter Hugo von Hofmannsthal ging einmal mit einem Bekannten im Wiener Volksgarten spazieren. Plötzlich blieb der andere neben einer Baumgruppe stehen und sagte: »Hier wird einmal in zwanzig oder in fünfzig Jahren Ihr Denkmal stehen!« Hofmannsthal fühlte sich geschmeichelt und wollte schon bescheiden und verlegen abwehren, da fuhr der andere fort: »Und die Leute werden daran vorbeigehen und fragen: Hofmannsthal? Wer war denn dieser Kerl?«

Wir erleben immer wieder, wie schnell Menschen vergessen sind. Wer in Ruhestand geht, kann erleben, dass man in der Firma schon ein paar Jahre danach nicht mehr weiß, dass er dort gearbeitet hat, geschweige denn, was er aufgebaut hat und was der Betrieb ihm verdankt. Alles ist vorläufig – diese Erfahrung machen Menschen immer wieder.

Es gibt ältere Menschen, die im Rückblick auf ihr Leben sagen: Als ich jung war, glaubte ich, die Welt verbessern zu können. Später habe ich gemerkt, wie wenig ich verändern kann. Aber ich meinte zumindest, ich könnte mich selbst verändern. Irgendwann habe ich die Erfahrung gemacht: Auch das gelingt mir nur ansatzweise. Jetzt spüre ich: Es geht darum, mich anzunehmen mit meiner Begrenztheit und mit der Vorläufigkeit all meiner Bemühungen.

Johannes der Täufer weiß, dass er nur vorläufige Bedeutung hat: Er ist nur Vorläufer, Wegbereiter eines Größeren, der nach ihm kommt. Das akzeptiert er in aller Demut. Aber diese Einsicht führt ihn nicht dazu, sich klein zu machen oder zu resignieren. Sie macht es ihm vielmehr möglich, mit allem Selbstbewusstsein seine Aufgabe zu erfüllen. Wahre Demut macht innerlich frei und schenkt Kraft. Sie ist »Mut zum Dienen«.

HELMUT GABEL

Herr, ich will nicht mehr prüfen, ob ich Fortschritte mache in meinem Glauben. Ich weiß nicht, ob ich mit all meiner Bemühung besser oder frömmer geworden bin. Nur das weiß ich: Diese Frage ist mir immer unwichtiger geworden. Von dem, was ich über mich selbst denke, hänge ich nicht mehr ab. Ich bin frei. Darum erbitte ich von dir, Herr, nichts als ein einfaches Herz, das deinen Gedanken offensteht.

Mittwoch, 6. Januar Lukas 3,21–38

Gefällst du dir?

Ein kleiner Junge sitzt auf dem Friseurstuhl. Der Friseur schneidet ihm die Haare. Als er fertig ist, hält er ihm den Spiegel hin, damit er sein Haar von allen Seiten betrachten kann, und fragt ihn: »Na, gefällst du dir?« Der Junge überlegt kurz; dann antwortet er mit leuchtenden Augen von innen heraus: »Ja!«

Gefällst du dir? Die Frage stellt sich nicht nur nach einem Friseurtermin. Vielen Menschen fällt es schwer zu sagen: Ich gefalle mir. Ich finde mich schön. Sie glauben, sie müssten ihr Äußeres mit allen Mitteln verändern, um gut auszusehen. Vielen Menschen gefällt auch ihr Inneres nicht. Sie möchten anders sein, intelligenter, geduldiger, besonnener oder auch mutiger, durchsetzungsfähiger, schlagfertiger, kreativer.

Gefalle ich mir? Es fällt leichter, Ja zu sich zu sagen, wenn man von anderen hört: Du gefällst mir. Schön, dass du so bist, wie du bist. Wir brauchen die Anerkennung durch andere, um an unseren eigenen Wert glauben zu können.

Jesus bekommt bei seiner Taufe gesagt: An dir habe ich mein Gefallen gefunden. Gott sagt zu Jesus: Du gefällst mir. Es sind die gleichen Worte, die der Knecht Gottes im Jesajabuch hört (42,1). Doch Jesus ist noch mehr – nicht nur der Knecht Gottes, sondern der »geliebte Sohn«.

Wir sind durch unsere Taufe Schwestern und Brüder Jesu. Jeder und jedem von uns sagt Gott: Du bist mein geliebter Sohn, du bist meine geliebte Tochter. Du gefällst mir. Ich habe meine Freude an dir, so wie du bist. Denn ich habe dich geschaffen, und du wirst doch nicht denken, ich sei ein ungeschickter Schöpfer. Sag Ja zu dir! Nimm dich an, wie du bist, und lass mich weiter an dir modellieren, dein ganzes Leben hindurch. Denn ich brauche dich. Mit dem, was ich dir geschenkt habe, kannst du in dieser Welt etwas Gutes bewirken. Du hast teil am Auftrag Jesu.

HELMUT GABEL

Dir will ich Dank bezeugen, der herrlich mich gemacht, und mich voll Staunen neigen vor deiner Werke Pracht. Du, der mich prüft und kennt, halt mich in deinem Segen, leit mich auf ewgen Wegen bis an mein selig End.

Lukas 4,1–13 Donnerstag, 7. Januar

Jesus und der Teufel

Das Erste, was der neugetaufte Jesus tut, ist fasten und eine Zeit in der Wüste zu leben. Die 40 Tage erinnern an die 40 Wüstenjahre des Volkes Israel. Am Ende dieser Fastenzeit kommt zu Jesus der große »Durcheinanderwerfer«, wie Diabolos genau übersetzt heißt. Mit drei Ideen versucht er, Jesus zu verwirren. Die erste Idee ist naheliegend: Jesus könne doch, hungrig, wie er ist, aus einem Stein einfach Brot zaubern. Das ist die Verwechslung von Geisteskraft mit Magie! Zugleich ist es die Versuchung der Gier. Denn Steine gibt es in Steinwüsten mehr als genug. Der Teufel denkt und sagt: Wenn du, Jesus, deine besonderen Kräfte nutzen würdest, dann wäre doch Brot im Überfluss vorhanden! Jesus kontert mit einem Wort aus der Tora. Ich verstehe es so: Der Glaube an Gott ist nicht vereinbar mit Gier nach materiellen Gütern. Und Menschen leben nicht nur von Lebensmitteln, sondern von der Beziehung zu Gott und den Beziehungen untereinander. Wir leben von Brot und Rosen, von Liebe und Gnade, von Vergebung und Neuanfang.

Bei der zweiten Versuchung geht es um Macht »über alle Länder«, die der Teufel Jesus geben will, wenn er nur ihn anbetet und nicht Gott. Das sieht auf den ersten Blick so aus, als hätte es nichts mit uns Normalsterblichen zu tun. Aber eine ganze Reihe von Machthabern unserer Zeit propagiert nationalistischen Egoismus, da ist »America first« nur ein Beispiel. Wenn eine Politik der Gier der Wenigen andere Menschen ihrer Würde und ihrer Lebensmöglichkeiten beraubt, dann sind das teuflische Folgen einer falschen Prioritätensetzung. Jesu Antwort an den Satan macht klar: Es geht um den Einen und Einzigen Gott, dem wir vertrauen und dienen sollen. Ebenso aktuell sind die dritte Versuchung und das dritte Zitat aus der Tora: Es geht nicht darum, an die Buchstaben der biblischen Worte zu glauben oder Gottes Macht durch spektakuläre Wunder zu beweisen. Sondern darum, mit dem lebendigen Gott zu rechnen, mitten im Leben.

KAREN HINRICHS

Gott, du bist voller Liebe und Barmherzigkeit. Hilf uns, den Versuchungen der Gier, der Macht, des Egoismus und der Engherzigkeit zu widerstehen.

Freitag, 8. Januar Lukas 4,14–21

Die Hundert-Sekunden-Predigt

Wenn ich für die Tagesschau keine Zeit habe, hilft mir die »Tagesschau in 100 Sekunden«, auf dem Laufenden zu bleiben. Dieser Abschnitt über die erste Predigt Jesu ist ungefähr so lang und bringt das Wichtigste auf den Punkt. Jesus hat eine Kraft, die als Kraft des Geistes bezeichnet wird. Sie bewegt ihn, nach den überstandenen Versuchungen in der Wüste wieder in seine Heimat zurückzukehren. In Galiläa haben sich die Nachrichten über ihn schon verbreitet, ganz ohne moderne Technik. Jesus geht, wie er es gelernt hat, am Sabbat in die Synagoge seiner Heimatstadt Nazareth. Man reicht ihm eine Schriftrolle. Er liest einen Abschnitt aus dem Buch des Propheten Jesaja. Dann legt er den Text aus und alle halten den Atem an. Alle Augen sind auf ihn gerichtet! Was wird er sagen?

Jesus behauptet mit einem einzigen Satz, die Prophezeiung des Jesaja sei »heute erfüllt vor euren Ohren«. Was sagt er da? Ist er der Messias? Der von Gott Gesandte, der den Armen hilft, die Gefangenen befreit, die Blinden sehen lässt und allen Leidenden und Unterdrückten die gute Nachricht, das befreiende Evangelium, bringt?

Jesus stellte sich ganz in die jüdisch-prophetische Tradition der Hoffnung. Sie ist bis heute dieselbe: Irgendwann wird endlich, endlich Gottes Wille geschehen, überall, im Himmel und auf Erden! Irgendwann wird der Messias, der Erlöser, die Menschen befreien aus Armut, Not und Unterdrückung.

Wir glauben an Jesus, den Christus, den Erlöser. Und doch fragen wir, genau wie die Menschen in der Synagoge von Nazareth schon damals fragten: Wann wird das endlich alles wahr? Wann beginnt die neue Zeit Gottes?

Wie verstehen wir heute das »Heute«, von dem Jesus spricht?

Mir helfen die Gleichnisse Jesu, darauf eine Antwort zu finden: Das Senfkorn, der Sauerteig sprechen von unscheinbaren, aber wirkungsvollen Anfängen mitten in der Gegenwart. Und von der widerstandsfähigen Hoffnung auf das wachsende Gottesreich des Friedens und der Gerechtigkeit.

KAREN HINRICHS

Gott, wir danken dir für die Hoffnung, die Jesus uns ins Herz gelegt hat. Hilf uns, aus seinem Geist zu leben, bis er wiederkommt.

Lukas 4,22–30 Samstag, 9. Januar

Jesus erregt Zorn und Hass

Die Reaktionen auf die kurze Predigt waren drastisch. Jesus hatte die Zuhörenden sehr provoziert. Sie reagierten unterschiedlich, von sachlicher Rückfrage nach der Herkunft aus dem Zimmermannshaus bis zu großer Empörung und dem Versuch, ihn auszustoßen und zu töten.

Jesus wurde wohl zuerst als Nachbar, als normaler Mensch wahrgenommen. Da war kein Platz für eine göttliche Berufung, ob nun als Prophet oder gar als der versprochene Messias. Kein Prophet wurde von allen Menschen als Stimme Gottes akzeptiert, auch nicht im eigenen Land, daran erinnerte Jesus. Doch die Empörung der Zuhörer war damit nicht besänftigt. Sie hatten ja gerade gehört, dass es um etwas noch Größeres ging: um den Anfang einer neuen Zeit, den Beginn des Gottesreiches, um das Wirken eines Messias. Über den Messias und Retter gab es jedoch sehr widersprüchliche Vorstellungen. Manche hofften auf einen militärischen Sieg über die verhassten Römer. Andere waren davon ausgegangen, dass ein großer Wundertäter die Macht Gottes beweist. Alle teilten die Hoffnung, dass mit einem Schlag alles besser wird. So waren es wohl enttäuschte Erwartungen, die den Zorn der Menge erregten.

Noch größer schien dieser Zorn zu werden, als Jesus mit zwei Beispielen von seiner Grenzen überschreitenden Sendung sprach. Schon der Prophet Elia wurde zu einer Witwe im Land Sidonien gesandt, obwohl es so viele Witwen in Israel gab. Elisa heilte nicht die zahlreichen Aussätzigen im eigenen Land, sondern einen kranken Mann aus Syrien.

Es ist bedrängend, wie eine aufgebrachte Menschenmenge reagieren kann, bis hin zu Hass und Lynchmord. Jesus hatte die Kraft, sie zu ignorieren und »ging mitten durch sie hinweg«. Sein Auftrag war noch nicht beendet.

KAREN HINRICHS

Guter Gott, sende uns deinen Geist der Kraft, der Liebe und Besonnenheit, wenn wir angefeindet werden, weil wir an Jesus glauben. Hilf uns, deine grenzenlose Liebe zu allen Menschen mit unserem Tun und Lassen zu bezeugen und mit gewaltfreien Mitteln gegen Hass und Gewalt zu kämpfen.

Sonntag, 10. Januar Psalm 72

Es geht um Segen – immer!

Dieser Psalm ist ein Abschiedsgebet Davids (vgl. Ps 72,20). In wunderbaren Bildern betont er die Idee eines für alle zum Glück führenden Königtums: Gerechtigkeit, Schutz für die Armen, Segen, Frieden (vgl. V. 8–11). Wobei die Idee eines Friedens durch freiwillige Unterwerfung der Nachbarvölker natürlich von heute aus gesehen fraglich erscheint.

Den Höhepunkt bildet Vers 17, der eine ewige Dynastie und ein »Sprossen des Namens« des Königs verheißt. Dieses Bild vom Sprossen bzw. auch »Blühen« (Lutherbibel) des Namens hat einen interessanten religionsgeschichtlichen Hintergrund. Auf ägyptischen Bildern kann man sehen, wie der Name des neuen Pharaos und damit auch dessen Regierungsprogramm auf die Blätter des heiligen Baumes geschrieben werden. Heilige Bäume gehörten zur Ausstattung von Tempelbereichen. Ob allerdings das Schreiben des Namens auf die Blätter auch vollzogen wurde oder das eine symbolische Vorstellung ist, kann nicht genau geklärt werden. Die Bedeutung liegt in Ägypten darin, dass die Vitalität, Kraft und Fruchtbarkeit des Baumes, der mit dem Göttlichen verbunden ist, auf den König und seine Regierung übergehen. Eben diese Vorstellung von der Segenskraft heiliger Bäume ist auch innerbiblisch weit verbreitet (z.B. Ps 1).

Gleichzeitig spielt Vers 17 die Segensverheißungen an Abraham ein (vgl. Gen 12,1–3 u.ö.), die sich jetzt in König Salomo erfüllen werden. Von Vers 17 aus bekommt also das Königtum in Psalm 72 messianische Züge. Es ist ewig wie die Sonne. Es ist universal, denn in ihm erfüllen sich die Verheißungen an Abraham.

Bereits in der Septuaginta und im nachbiblischen Judentum wurde der Psalm messianisch interpretiert und vermutlich schöpft auch die Erzählung der Sterndeuter aus eben diesem Psalm (Mt 2,1–12). Die Könige werfen sich nieder vor dem neugeborenen König aus Davids Haus. Sie bringen verschiedene Gaben, darunter auch Gold (V. 10.15).

Aktuell könnte der Psalm uns darin unterstützen, in der Nähe und Verbindung zur Kraft der Bäume unsere Motivation und unser Engagement für Natur und Umwelt zu prüfen.

KATRIN BROCKMÖLLER

Guter Gott, begleite mich darin, die Kraft der Natur als deinen Segen wahrzunehmen.

Lukas 4,31–37 Montag, 11. Januar

Jesus befreit – in göttlicher Vollmacht

Der Heiland nimmt seine Arbeit auf, so könnte man diesen Textabschnitt überschreiben. Bei seiner Taufe ist Jesus zu Gottes geliebtem Sohn erklärt worden und hat den Heiligen Geist empfangen. In der Wüste hat er den Versuchungen des Teufels widerstanden. In seiner Heimatstadt Nazareth hat er das Gnadenjahr des Herrn, also den Anbruch des Reiches Gottes, ausgerufen. Seine Andeutung, dass sein göttlicher Auftrag die Heilszusage Gottes an Israel auf Nicht-Juden ausweiten könnte, hat Wut und Empörung ausgelöst und zu einem ersten Anschlag auf sein Leben geführt.

Aber Jesus lässt sich nicht beirren. Der Heilands-Dienst will getan werden, ja er muss getan werden, denn das ist Jesu Mission. Dazu ist er in die Welt gekommen, Mensch geworden, ausgerüstet mit göttlicher Vollmacht.

Dass diese Vollmacht nicht nur in seiner Lehre zum Ausdruck kommt – »denn seine Rede geschah in Vollmacht« heißt es in den Eingangsversen –, sondern auch praktisch wirksam war, dafür ist sein Auftreten in Kapernaum der sichtbare Beweis. Ein Dämon, ein unreiner Geist, stellt sich ihm in den Weg und schreit aus dem Menschen heraus, über den er die Herrschaft angetreten hat: »Tu mir nichts. Du und ich, wir haben nichts gemeinsam!« Und dieser widergöttliche Dämon erklärt Jesus auch noch ausdrücklich zu seinem göttlichen Gegenspieler. Womit er recht hat!

Trotzdem – oder gerade deshalb! – nimmt Jesus den Kampf auf gegen ihn und treibt ihn aus. Der Heiland kommt als Befreier. Kein böser, unreiner, widergöttlicher Geist soll die Menschen beherrschen, sondern der Geist Gottes, mit dem Jesus ausgerüstet ist, der soll die Menschen erfüllen. Dafür schafft Jesus durch die Austreibung des Dämons Platz. Sie ist ein Beweis des Geistes und der Kraft. Kein Wunder, dass ein heiliger Schrecken über diejenigen kam, die das miterlebt hatten. Sie haben durch Jesu Handeln Gott am Werk erlebt.

GÜNTER KNOLL

Treib aus, o Licht, all Finsternis, behüt uns, Herr, vor Ärgernis, vor Blindheit und vor aller Schand und reich uns Tag und Nacht dein Hand.

Dienstag, 12. Januar Lukas 4,38–44

Jesus heilt – in göttlicher Freiheit

Ein beispielhafter Tag aus dem Leben und Wirken Jesu wird uns da in drei Szenen geschildert: Zunächst eine ganz intime Szene im Haus von Simon Petrus am Sabbatnachmittag; dann eine Szene vor dem Haus mitten in Kapernaum in aller Öffentlichkeit nach Sonnenuntergang; und schließlich eine Szene weit draußen an einer einsamen Stätte am Morgen nach dem Sabbat. Jede Szene hat ihre eigene Pointe.

In Simons Haus kann man miterleben, wie Jesus auf Fürbitte reagiert. Die Angehörigen bitten für Simons Schwiegermutter, die an einem lebensbedrohenden hohen Fieber erkrankt ist. Jesus stellt sich ohne weiteres zu ihr und steht ihr in ihrem Kampf gegen das Fieber bei. Sie gewinnt mit Jesu vollmächtiger Hilfe diesen Kampf und stellt sich dankbar für dieses Lebensglück in den von Gott geheiligten Dienst der Gastfreundschaft.

In der zweiten Szene, öffentlich auf dem Marktplatz, sind es die vielen Kranken, die uns beeindrucken. Ihrer nimmt sich Jesus an und legt ihnen zur Heilung die Hände auf. Ja, ist denn seine Heilands-Kraft so umfassend groß?, fragt man sich als Leser. Und zu diesem Staunen will uns der Evangelist Lukas auch bringen. Kein Dämon – und für Menschen der Antike steckten hinter jeder Krankheit böse Dämonen – hat eine Chance gegen Jesus, der in göttlicher Macht auftritt. Die Dämonen wissen das und schreien es auch heraus, aber aus ihrem Munde und zum jetzigen Zeitpunkt will Jesus das nicht hören.

In der Einsamkeit sucht Jesus am frühen Morgen nach dem turbulenten Sabbat wieder zu sich (und zu seinem Vater) zu kommen. Die Menschen wollen ihm das nicht zugestehen. Er soll mit seiner Vollmacht immer bei ihnen bleiben. Anderen wollen sie seine Nähe offenbar nicht gönnen. Aber Jesus lässt sich nicht festhalten und nicht vereinnahmen. Das Reich Gottes und die Frohe Botschaft gehören allen!

GÜNTER KNOLL

Jesus Christus, du Beistand aller Kranken und Leidenden. Nimm dich derer an, die sich nach Heilung sehnen. Lass keinen allein. Lass uns niemandem deine Frohe Botschaft und deine Heilandskraft vorenthalten. Du bist für alle da.

Lukas 5,1–11 Mittwoch, 13. Januar

Jesus beruft – in göttlicher Souveränität

Was für ein grandioser Fischzug!

Jesus geht seinem Verkündigungsauftrag nach und predigt das Wort Gottes. Die Szene spielt am Ufer des Sees Genezareth. Beiläufig erfährt man von zwei Booten, die da am Ufer lagen. Es waren Fischerboote, und die Besitzer gingen ihrer Arbeit nach, Netze flicken. Es klingt fast wie eine Idylle. Jesus braucht Hilfe. Er bittet einen der Fischer, Simon, dass dieser ihm sein Boot gewissermaßen als Kanzel zur Verfügung stellt und ein Stück weit hinausfährt vom Ufer weg auf den See. Simon erfüllt diese Bitte Jesu.

Nach Predigt-Ende nämlich bekommt Simon von Jesus einen Auftrag. Er soll am helllichten Tag hinausfahren und die Netze für den Fischfang auswerfen. Für einen Profi auf diesem Gebiet ist das ein sinnloses Unterfangen. Simon gibt das Jesus gegenüber zu erkennen, aber weil Jesus ihn anweist, lässt er sich darauf ein. Als ob er ahnen würde, dass da mehr dahinter steckt, als auf den ersten Blick ersichtlich ist. Und so ist es: Es wird ein unvorstellbar großer Fischzug daraus. So unvorstellbar, dass Simon Petrus vor dem Auftraggeber zurückzuckt – und nicht nur er, sondern auch seine Gefährten, die später zu Jesu Jüngern geworden sind. Der sie da angeheuert hat, ist kein gewöhnlicher Mensch, sondern der Heilige Gottes. In seinen Dienst treten – ausgeschlossen! Wie können Unreine, Sünder, dem reinen und heiligen Gott dienen? Aber gerade darauf läuft die Geschichte hinaus. »Von nun an wirst du Menschen fangen.« An seinem Erlebnis mit dem grandiosen Fischzug soll Petrus lernen – und mit ihm die Hörerinnen und Leser der Geschichte –, dass Gott in seinen Dienst nimmt, wen er will. Da mag sich manche(r) für unqualifiziert halten. Wen Gott beruft, dem verleiht er auch die nötige Qualität.

GÜNTER KNOLL

Jesus Christus, auch wenn ich mir unwürdig und untauglich vorkomme für den Dienst in deiner Nachfolge – dein Ruf und Auftrag befähigen mich. Danke, dass du mich meinst.

Donnerstag, 14. Januar Lukas 5,12–16

Keine Berührungsangst

Auffallend ist, dass Lukas die emotionale Reaktion (tiefe Betroffenheit) Jesu weglässt. Jesus schreitet sofort zur Tat und erfüllt die Bitte des Kranken. Dabei zeigt er keinerlei »Berührungsangst« dem Aussätzigen gegenüber, der wegen seiner Krankheit fern von allen Gesunden leben musste. Jesus rührt ihn an – und verunreinigt sich nach jüdischem Gesetz dadurch, denn Aussatz war eine Krankheit, die mit der seit der Exilszeit im 6. Jahrhundert sehr wichtig gewordenen Reinheit nicht vereinbar war. Reinheit war, so die Vorstellung, die Voraussetzung, um sich Gott nähern zu dürfen, wohingegen alles Unreine mit dem Göttlichen unvereinbar war. Dementsprechend gehörte zu den wichtigsten Zielen eines frommen Juden, sich nicht durch den Kontakt mit Menschen, die »unrein« waren, selbst zu »infizieren«. Dies zwang die Menschen, die das Gesetz einhalten wollten, zu strenger Distanz gegenüber enorm vielen Menschengruppen. Gemieden werden mussten alle, bei deren Tätigkeit Verunreinigung unausweichlich war, z.B. weil sie den Kontakt mit Nichtjuden beinhaltete oder weil sie mit Krankheit, Tod oder Blut zu tun hatten. Auch Frauen während ihrer Monatsblutung oder nach einer Geburt waren selbstverständlich für einige Zeit unrein!

Nachdem Jesus den Aussätzigen geheilt hatte, wies er ihn an, sich genau an das jüdische Gesetz zu halten, denn nur so konnte er offiziell als gesund anerkannt werden und wieder in die Gemeinschaft zurückkehren. Doch glaubte Jesus wirklich, dass der Geheilte nicht erzählen würde, von wem er geheilt worden sei? Oder soll das »Schweigegebot« (V. 14) nur deutlich machen, dass Jesus nicht in den Ruf eines »Wunderheilers« kommen wollte, weil er darin nicht seine vorrangige Mission sah? – Typisch lukanisch ist V. 16: Jesus lässt sich nicht vereinnahmen, sondern zieht sich immer wieder in die Einsamkeit zurück, um den Kontakt zum Vater – und zu sich selbst – zu pflegen und daraus Kraft zu schöpfen.

BEATE WEINGARDT

Gott, lass uns erkennen, wo auch wir uns von Berührungsängsten zurückhalten lassen, anstatt auf Menschen zuzugehen. Lass uns in der Stille vor dir auch erkennen, wer uns braucht.

Lukas 5,17–26 Freitag, 15. Januar

Gesundheit ist nicht alles

Zentral ist Vers 20: »Mensch, deine Sünden sind dir vergeben.« Um ihn herum ist die Geschichte aufgebaut. Da sind zum einen die Pharisäer und Gesetzeslehrer, das heißt jene jüdischen Gruppierungen, denen an eine möglichst treue Einhaltung der jüdischen Gebote gelegen war. Jesus war klar, dass sie sein Verhalten nur unter einem Gesichtspunkt betrachten würden: Beachtet es die mosaischen Gesetze und sämtliche daraus erwachsenen Zusatzgebote (die Gesamtzahl lag bei 613 Ge- und Verboten)? Zum anderen sind da die Gefährten des Gelähmten, für die nur das eine zählt: Wie können wir unserem Freund helfen, wieder gesund zu werden? Ihnen geht es allein um den Menschen. Zwischen diesen beiden Polen steht Jesus, den der Einsatz der Freunde tief beeindruckt. Dennoch heilt er den Kranken zunächst nicht, sondern spricht ihm die Vergebung seiner Sünden zu! Dieser Vergebung geht kein Glaubensverhör voraus, an diese Vergebung ist keine Bedingung geknüpft. Jesus gewährt sie aus freien Stücken, Vor- oder Nachleistungen müssen von niemandem erbracht werden, weder von dem Kranken noch von Jesus. Dessen Worte waren nicht nur für die Gesetzeskundigen der damaligen Zeit eine ungeheure Provokation – auch viele Christen tun sich mit dieser Bedingungslosigkeit Jesu bis heute schwer. Es führt in die Irre, wenn man in dieser Geschichte einen Zusammenhang zwischen Krankheit und Schuld konstruiert – obwohl verdrängte Schuld ohne Zweifel auch eine lähmende Wirkung haben kann. Stattdessen geht es um nichts weniger als um Jesu Anspruch auf Vollmacht (V. 24) – und um die Tatsache, dass Friede mit Gott wichtiger ist als ein Leben ohne gesundheitliche Einschränkungen. Jesus unterstreicht seinen Anspruch, indem er im zweiten Schritt den Gelähmten von seiner Krankheit heilt und damit auch das Vertrauen der Freunde belohnt.

BEATE WEINGARDT

Vater, es ist für uns oft kaum zu glauben, mit welcher Großzügigkeit Jesus den Menschen deine Barmherzigkeit und Vergebung zusprach. Wir sind gewohnt, dass es im Leben »nichts umsonst« gibt. Lass uns begreifen, dass dies bei dir anders ist.

Samstag, 16. Januar Lukas 5,27–32

Bedingungslose Wertschätzung

Jesu Anspruch, eine besondere Vollmacht zu besitzen, konsterniert die »Oberen« und fasziniert die »Unteren«. Gemeint von Jesus sind all jene, die bisher nicht auf die Güte Gottes zu hoffen wagten, weil sie den über sechshundert Ge- und Verboten, aus denen das mosaische Gesetz bestand, auch nicht annäherungsweise gerecht werden konnten. Und nun kam einer, der sagte: »Ihr seid für Gott wertvoll, so wie ihr seid! Ihr gehört alle zu seinem Reich, auch wenn ihr nicht ohne Sünde durchs Leben kommt!« Dass Jesus von der bedingungslosen Wertschätzung Gottes für alle Menschen tief durchdrungen war, zeigt seine Berufung eines Zöllners. Zöllner galten als die »Sünder« schlechthin, weil sie mit Heiden zusammenarbeiteten und darüber hinaus als korrupt verrufen waren. Da sie als »Unreine« folglich niemals eine Chance hatten, bei Gott Gnade zu finden, hatte jeder Fromme den Kontakt zu ihnen strikt zu meiden. Doch gerade mit diesen Menschen pflegte Jesus die intensivste Form der Gemeinschaft – das gemeinsame Mahl. Damit praktizierte er, was er verkündete. Seine Erklärung in Vers 31 deutet allerdings an, dass es eine notwendige Voraussetzung gibt – ausgedrückt im Bild des Kranken, dem »etwas fehlt« –, um offen zu sein für Jesu Zuspruch und Anspruch. Es ist das Bewusstsein, an einem Mangel zu leiden. Die Betonung der »Buße«, wörtlich: eines Sinneswandels, in Vers 32 ist jedoch eine lukanische Zusatzformel, welche Matthäus und Markus nicht kennen. Denn Jesu Tischgemeinschaft ist nicht zweckorientiert – er setzt sich mit Menschen nicht zusammen, um sie in Frage zu stellen, sondern um sie anzunehmen und ernstzunehmen. Haben wir Christen dies wirklich verstanden, handeln wir selbst aus diesem Geist? – Wobei es durchaus geschehen kann, dass aus der vorbehaltlosen Zuwendung im Namen Gottes eine persönliche Umkehr folgen kann (vgl. Kap. 19!).

BEATE WEINGARDT

Gott im Himmel, lass auch uns im Glauben darin wachsen, dass wir die Menschen annehmen, wie sie sind, denn nur so finden sie die Freiheit zu begreifen, was sie mit deiner Hilfe werden können. Und lass uns damit bei uns selbst anfangen.

Psalm 40 Sonntag, 17. Januar

Gottes Tora im Herzen

»Ich gebe, damit du gibst.« Darin besteht die Opferlogik vielfältiger antiker Opferkulte. Nicht selten kann diese Opferlogik in einen Tauschhandel mit den Göttern abgleiten. Dann steht nicht mehr Glaube, sondern wirtschaftliches Kalkül im Vordergrund der Opferhandlung, die zudem rituell noch richtig vollzogen werden muss, damit sie wirkt.

Opferhandlungen als Ausdrucksformen politischer Loyalität können staatstragend sein. Das mussten die Christen im Zusammenhang mit dem römischen Kaiserkult schmerzhaft erfahren.

An einer solchen Opferlogik mit all seinen wirtschaftlichen und politischen Konsequenzen hat in unserem Psalm Gott kein Gefallen. Er fordert nicht Opfer, sondern offene Ohren, damit sein Wort, das in der Tora schriftlich niedergelegt ist, gehört wird und seinen Weg zum Herzen eines jeden Menschen findet. Aus der »Hörtora« wird so eine »Herzenstora«. Nicht auf äußerliche, rituell richtig ausgeführte Opferhandlungen, sondern auf innerlich in der Herzenstora grundgelegte Haltungen kommt es Gott an. Es geht um die Haltung der Gerechtigkeit, der Treue, der Hilfsbereitschaft und der Güte – Haltungen, die Gott selbst als der »Ich bin, der ich bin da« (JHWH) in seiner Geschichte mit dem Volk Israel lebt und auf die der Beter des Psalms für sich persönlich hofft und die er auch mit seinem Mund verkündet.

Aber worin besteht heute die Haltung der Gerechtigkeit?

Sie umfasst den ganzen Menschen, sein Denken, Reden und Handeln. Gerechtigkeit bedeutet dann, aneinander denken und das egoistische Tunneldenken verlassen. Gerechtigkeit bedeutet miteinander auf gleicher Augenhöhe sprechen und nicht übereinander. Gerechtigkeit bedeutet aber vor allem auch, füreinander handeln, d.h. nicht nur reden, sondern auch aktiv werden und dies am besten im Miteinander und nicht im Gegeneinander.

Die Haltung der Gerechtigkeit baut so eine friedliche Gemeinschaft zwischen Menschen und Völkern auf und ist nicht individuell enggeführt wie die Opferlogik.

FRANZ JOSEF BACKHAUS

Gott, schenke mir Kraft, meinen alltäglichen Egoismus zu überwinden.

Montag, 18. Januar Lukas 5,33–39

Fasten und Feiern

Auf die vorwurfsvolle Frage, warum seine Jünger – im Gegensatz zu denen des Johannes und den Pharisäern – kein so strenges Ge-betsleben und asketisches Leben führen, antwortet Jesus mit der Gegenfrage nach den Hochzeitsgästen, die nicht fasten können, sondern feiern müssen, solange der Bräutigam bei ihnen ist.

Das erinnert auch an das geflügelte Wort von Teresa von Ávila vom Rebhuhn und vom Fasten.

Jesus fügt das Gleichnis vom neuen und vom alten Gewand und vom jungen und alten Wein und seinen Schläuchen hinzu.

Vielleicht kommen manche Überlegungen und Gespräche über die Zukunft der Pastoral und Kirche hierzulande nicht wesentlich voran, weil viele Pläne und Konzepte zu sehr in den alten Mustern und Vorstellungen verhaftet oder gar gefangen sind. Die bisherigen Strukturen taugen und greifen in vielem nicht mehr; sie dienen nicht mehr, wie bisher, in der gravierend veränderten Situation der Verkündigung und dem von Jesus geforderten Dienst am Menschen.

Könnte sein Wort nicht vielmehr dazu ermutigen, neu zu denken, um der Sprengkraft des Evangeliums mehr Chancen zu geben?

Vielleicht brauchen wir als Kirche wirklich noch viel mehr Mut, um Neues zu wagen, zu ermöglichen, zu experimentieren, neue Wege zu suchen und zu gehen, um die Botschaft Jesu zu Gehör und zum Klingen zu bringen. Wie sieht es aus mit der Experimentierfreudigkeit in unseren eigenen Reihen?

Wo gibt es Anzeichen und damit Hoffnungszeichen dafür in nächster Nähe?

Wie könnten die neuen Gewänder aussehen?