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A. K. Yearling

My Little Pony - Daring Do und der gezeichnete Dieb von Marapore

übersetzt von Frederik Kugler

Saga

PROLOG

Das riesige, silberne Einhorn blickte auf seine schlammverschmierte Flanke und zuckte zusammen. Der Dreck bedeckte die hässliche Narbe zwar nicht komplett, aber hoffentlich würde der Mantel der Nacht diese Scheußlichkeit ein wenig verhüllen.

„GRRRRRRRR!“, knurrte es wütend und schritt am steilen Rand der riesigen, glutroten Grube entlang. „Sollen sie doch meine Narbe sehen.“ Das Pony ließ voller Scham den Kopf hängen, als die vertraute Mischung aus Reue und Sehnsucht Besitz von ihm ergriff. Seit dem Vorfall schien eine Ewigkeit vergangen, doch da war er wieder, zurück in den Dörfern, die er einst zu beschützen geschworen hatte. Nur dass er sie dieses Mal zerstören würde.

Ohne seinen Schönheitsfleck war der Hengst nur noch ein Schatten seiner selbst. Wo einst Freude gewesen war, herrschte nun unendliche Schwermut. Groll war an die Stelle von Freundlichkeit getreten und tief in seinem Herzen regierte Feigheit statt Wagemut. Das Schlimmste aber war, dass die unnachahmliche Magie, die ihn so besonders gemacht hatte, irreparabel beschädigt worden war.

Zumindest hatte er das gedacht, bis er vom Vehufius-Zauber gehört hatte. Alles, was er dafür benötigte, waren einige wenige Opfergaben: ein paar antike Relikte, ein unfreiwilliges Publikum und ein kleines, goldenes Pony. So gut wie nichts also, wenn man bedachte, was er dafür bekommen würde.

Falls der Zauber gelang, würde der silberne Hengst alles zurückgewinnen, und noch viel mehr. Vielleicht würde er sogar das mächtigste Einhorn von ganz Equestria werden! Er lächelte listig, als er sich vorstellte, was er alles mit seinen neugewonnenen Kräften anstellen würde. Jetzt, da er einen Plan hatte, würde es endlich bergauf gehen.

Er warf einen verstohlenen Blick auf sein Spiegelbild in der großen, gläsernen Phiole. Mit dieser unbändigen grünschwarzen Mähne, den blutunterlaufenen Augen und der grässlichen Narbe auf der Flanke war er nicht mehr wiederzuerkennen. Was würden die Dorfbewohner jetzt wohl von ihrem gefeierten Helden denken?

„Jemand sollte die Statue auf dem Dorfplatz zerstören! Der Tapfere Hengst von Neighples“, höhnte das Pony, als es auf- und abschritt und zusah, wie die geschmolzene Lava blubbernd aufstieg und zischend in sich zusammenfiel. „Der bewunderte Champion. Ekelhaft!“ Er riss ein Stück vom rostigen Zaumzeug ab, das neben ihm lag, und schleuderte es in die feurige Masse. Zufriedenheit erfasste ihn, als das Metall rot aufglühte, zu einem unkenntlichen Klecks verschmolz und auf Nimmerwiedersehen versank.

Es wurde Zeit.

Der Hengst warf einen letzten Blick in seine Höhle und galoppierte mit flatternder Mähne einen engen, schmutzigen Tunnel hinauf. Heute Nacht würde er erneut zuschlagen und seinem Ziel ein Stückchen näherkommen. Und kein Pony in ganz Equestria würde ihn aufhalten.