Dankesworte

Dieses Buch entstand auf Initiative von John Hiebert. Es war ihm ein großes Anliegen, seine Geschichte mit anderen Menschen zu teilen. Bei einem Skript, das er schon vorher aufgeschrieben hatte, waren ihm Peter Neufelds behilflich, da er selber noch Probleme mit dem Schreiben hat.

Das Material für dieses Buch habe ich hauptsächlich seinen Erzählungen und Berichten entnommen. Stundenlang habe ich ihm zugehört und mit ihm zusammen Orte besucht, die in seinem Leben eine Rolle spielten.

John hat auf mich persönlich einen tiefen Eindruck hinterlassen. Mein Wunsch ist es, dass auch die Leser dieses Buches durch sein Leben angesprochen werden.

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© Beate Penner

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Buchlayout: Rolando Giménez

Titelbildgestaltung: Rolando Giménez

Titelbild: Rendy Penner

Korrektur: Andreas Friesen, Rudolf Dück

Satz und Layout für BoD: Rudolf Dück Sawatzky

Korrektur: Rudolf Dück Sawatzky

Herausgeber: Verlagsagentur JustBestEBooks.de Rudolf Dück Sawatzky.

25451 Quickborn, Deutschland

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt,

EAN 978-3-7412-5954-8

I.

1988. Man schrieb Ende Juli. Es war heiß und trocken. Die Sonne brannte auf die mexikanische Wüstenlandschaft in der Gegend von Casas Grandes. Hier hatten mennonitische Siedler die Kolonie Las Virginias gegründet. Sie war eine von vielen Tochterkolonien, die von den Mutterkolonien Manitoba und Swift Current aus gegründet worden waren. Seit 1922 besiedelten kanadische Mennoniten immer größere Teile des mexikanischen Staates Chihuahua.

Ein Besucher mochte sich wohl gefragt haben, wie es möglich war, in dieser Gegend zu leben. Doch die Siedler hatten sich hier heimisch gemacht. Für sie gehörte der Umgang mit der Dürre und der Hitze zum Alltag. Sie hatten sich den Herausforderungen, die das Klima mit sich brachte, gestellt.

Die Siedler in Las Virginias waren Ackerbauern. In dieser steinigen Landschaft blieb ihnen nur eine Möglichkeit, wenn sie überleben wollten: Sie mussten mit Bewässerung arbeiten, denn Regen bekamen sie nur einige wenige Male im Jahr zu sehen. Zu dieser Jahreszeit waren die Baumwolle, der Mais und die Chilipflanzen bereits hoch gewachsen. In etwas mehr als einem Monat würde man mit der Ernte beginnen. Dann würden die Tagesarbeiter aus der Gegend herangeströmt kommen und einige Wochen lang würde in dieser kleinen mennonitischen Kolonie alles auf Hochbetrieb laufen.

Doch nun, Ende Juli, hielten die Dorfbewohner von Campo 5 in Las Virginias sich noch viel in ihren Häusern auf. Da diese aus Adobesteinen, einem ungebrannten Lehmziegel, gebaut waren, war es im Sommer recht kühl in ihrem Inneren. Seit Winterende hatte es noch nicht geregnet. Die Pflanzen bekamen ihr Wasser, doch die Menschen wünschten sich schon sehnlichst Regen. Das wäre für die allgemeine Stimmung sehr gut gewesen.

In einem Heim dieses Dorfes allerdings konnte die Trockenheit und die Hitze den Bewohnern nichts anhaben. Dem Ehepaar Johann und Maria Hiebert war in diesen Tagen ein Sohn geboren worden. Sie nannten ihn John. Die Eltern und auch der zweijährige Franz waren überglücklich! Ihre Familie war um ein Mitglied reicher geworden. Sowohl Johann als auch Maria liebten Kinder. Für sie waren eigene Kinder der größte Segen, den man von Gott erhalten konnte.

Johann war ein einfacher Handarbeiter. Von morgens bis abends arbeitete er, damit er seine kleine Familie ernähren konnte. Er gehörte nicht zu der Gruppe der Siedler, die sehr reich war. Seiner Frau konnte er nicht die besten Sachen kaufen. Auch wohnten sie nicht in einem schönen, neuen Haus. Aber sie waren glücklich. Was sie zum Leben brauchten, das hatten sie. Ihre Familie hatte täglich satt zu essen, Kleider, um sich zu kleiden, und sie hatten einander. Johann verbrachte so viel Zeit wie möglich mit seiner Familie. Es war ihm wichtig, dass seine Jungen schon von klein auf Gott kennen lernten.

Maria blieb zu Hause bei den Kindern. Franz war ein lebensfroher Junge. Er war ständig aktiv und sprach mit seinen zwei Jahren schon recht viel. John schien sich anfangs gut zu entwickeln, doch mit zwei Monaten erkrankte er. Er bekam hohes Fieber. Maria gab ihr Bestes, das Fieber zu senken. Doch es zeigte sich keine Änderung.

Einige Monate lang wurde John immer wieder von Fieberwellen überfallen. Es gab Tage und Nächte, da hörte er nicht auf zu weinen. Oft war Maria am Ende ihrer Kraft, sowohl körperlich als auch psychisch. „Ich weiß einfach nicht mehr, was ich machen soll, Johann“, sagte sie einmal zu ihrem Mann. „John weint und weint, und ich habe keine Ahnung, warum. Und ich bin schon so müde.“ Sie suchten noch einmal einen Arzt auf, aber auch dieser konnte die Ursache für Johns Fieber wieder nicht finden.

Nach einigen Monaten wurde Johns Zustand besser. Als er seinen ersten Geburtstag feierte, konnte er zwar weder sitzen noch kriechen, doch Johann und Maria trösteten sich damit, dass er lange krank gewesen war und dass er mit seiner Entwicklung halt einfach etwas hintenanstand. „Das wird schon noch“, sprachen sie sich gegenseitig Mut zu.

Franz war mittlerweile drei Jahre alt. Wenn er zu Bett ging, betete Maria mit ihm ein Nachtgebet. Öfters war Johann noch nicht heimgekehrt, wenn Maria ihre Söhne zu Bett brachte. Sie lehrte Franz das Beten und sprach viel mit ihm über Gott und den Himmel. Schon als Franz noch nur ganz klein war, sagte er des Öfteren: „Ich will eines Tages bei Gott im Himmel sein.“ Das war sein Wunsch. Und nur Gott wusste, wie schnell sich dieser Wunsch verwirklichen würde.

1990. John hatte schon seinen zweiten Geburtstag gefeiert. Das Klima und die Gegend in Las Virginias hatten sich nicht verändert. Auch Johns Zustand hatte sich nicht verändert. Er konnte immer noch nicht alleine sitzen. Seine Sprachentwicklung lief seinen normalen Lauf. Doch aus irgendeinem Grund entwickelten sich seine Muskeln nicht. Gelähmt war er nicht, denn er spürte etwas in seinen Beinen. Aber er war nicht im Stande sich hinzusetzen, geschweige denn sich durch Kriechen oder Gehen weiterzubewegen. In dieser Hinsicht hatte sich für Maria nichts geändert. Sie pflegte und besorgte ihren Zweijährigen genauso wie vor zwei Jahren ihren Säugling.

In ihrem Herzen hatte sich jedoch einiges verändert. Was fühlt eine Mutter, wenn sie beobachtet und erlebt, dass ihr Kind sich nicht so entwickelt wie es andere Kinder im selben Alter tun? Maria hatte noch nicht die Hoffnung aufgegeben, dass auch John irgendwann das Gehen lernen würde. Doch immer wieder sank ihr der Mut und mit so mancher Enttäuschung musste sie klar kommen. Wohl manchmal fragte sie Gott im Stillen: „Warum lieber Gott, lernt mein lieber John nicht das Sitzen und Gehen? Wie soll er irgendwann selbstständig werden? Was hast du mit ihm vor? Was ist dein Plan mit dem Leben meines lieben Jungen?“

Wohl jede Mutter möchte stets das Beste für ihre Kinder. Sie wünscht sich, dass der Lebensweg für ihre Kinder nicht zu steinig und schwer wird. So erging es auch Maria Hiebert. Es gab Tage, da fühlte sie sich selber schwach und mutlos. Da nahmen die Fragen kein Ende.

Doch auch wenn diese Zeiten des Zweifelns und der Unruhe über sie kamen, so nahm Maria sich immer vor, dass John selber nie etwas davon mitbekommen sollte. Der arme Kerl verstand selber noch nicht viel von seinem Zustand und er sollte auf keinen Fall irgendwie darunter leiden, dass Maria sich große Sorgen machte.

Maria und Johann lebten in der Zuversicht, dass Gott das Leben aller in seiner großen Hand hat. Sie waren sich sicher, dass Gott für jeden Menschen einen Plan hat und dass er keine Fehler macht. In dieser Einstellung lebten sie und gaben ihr Bestes, es auch ihren Kindern zu vermitteln.

Die Zeit verging. Maria Hiebert war viel krank, aber nicht zu krank, um ihre täglichen Pflichten zu verrichten. Für ihre beiden Jungen nahm sie sich viel Zeit. Einmal hörte sie, wie Franz in seinem Spielzimmer erzählte. Franz sprach viel zu sich selber, wenn er spielte. Maria war gerade mit dem Vorbereiten einer Mahlzeit beschäftigt, als sie Franz sagen hörte: „Ich freue mich, Jesus wird mich bald zu sich nach Hause holen und dann kann ich mit all den Engeln spielen.“

Im ersten Moment stockte Maria der Atem. Was sagte ihr Fünfjähriger? Erstaunlich, womit er sich in Gedanken beschäftigte. Doch nach kurzem Überlegen dachte sie bei sich, dass man Jungen in diesem Alter wohl nicht zu ernst nehmen müsste. Kinder beschäftigen sich mit vielem. Und sie selber hatte Franz so oft erzählt, wie lieb Jesus sie hat und wie schön es bei ihm sein wird. Deshalb sprach das Kind wahrscheinlich so.

Doch trotzdem beschlich sie ein ungutes Gefühl. Maria versuchte, ruhig zu bleiben. Ihr Leben war in Gottes Hand, das sagte sie sich immer wieder.

John war mittlerweile so weit, dass er alleine sitzen konnte. Das war für Maria schon eine große Erleichterung. Sie konnte ihn jetzt irgendwo hinsetzen und er beschäftigte sich alleine mit seinen Spielsachen. Da John nicht laufen und herumtoben konnte, ergab es sich von selbst, dass er viel Spielzeug geschenkt bekam. Besonders liebte er Fahrzeuge und Maschinen. Franz und auch andere Kinder aus dem Dorf saßen oft stundenlang bei John und spielten mit seinen Sachen. John strahlte jedes Mal, wenn andere Kinder ihn besuchten und mit ihm spielten.

Eines Tages änderte sich das Leben in der Familie Hiebert drastisch. Es war kurz vor Weihnachten. Johann war geschäftlich nach Cuauhtémoc gereist. In dieser mexikanischen Stadt, anliegend an der Kolonie Manitoba, gab es viele Geschäfte und Unternehmen. Ungefähr vier bis fünf Stunden reiste Johann, wenn er hier einkaufen wollte. „Ich werde wohl mehrere Tage weg sein, denn ich habe viel zu erledigen“, hatte er zu Maria gesagt. Da Maria nicht gerne alleine blieb und auch zwischendurch Hilfe mit John brauchte, hatten sie gemeinsam entschieden, dass sie und die Jungen für diese Zeit bei einem Geschwisterpaar im Dorf bleiben würden.

Am dritten Tag ihres Aufenthaltes, Maria wartete schon auf Johanns Rückkehr, geschah dann das schreckliche Unglück. Am Tag davor hatte es heftig geregnet. Nun aber schien die Sonne und Franz fragte seine Mutter, ob er draußen spielen dürfe. „Bitte Mama, darf ich mit meinen neuen Stiefeln rausgehen?“, bettelte Franz. Johann hatte seinem Ältesten vor kurzem neue Stiefel geschenkt. Maria erlaubte es ihm. Das Wetter war passend, um draußen zu spielen. Was sie jedoch nicht wusste, dass hinter dem Haus für eine Außentoilette ein Loch gegraben worden war. Die Toilette war allerdings noch nicht raufgesetzt worden. Vom Regen war das Loch nun mit Wasser gefüllt. In dieses Loch fiel Franz und ertrank.

Als Maria bemerkte, dass Franz nicht auf dem Hof zu sehen war, rief sie nach ihm. „Franz… Franz!“, ihre Stimme wurde bei jedem Ruf lauter und verzweifelter. Als sie das mit Wasser gefüllte Loch sah, begriff sie, dass etwas Furchtbares passiert sein musste. Sie sah den Körper ihres Fünfjährigen im Wasser schwimmen. Leblos. Ihr Herz schien still zu stehen. In einigen Sekunden schossen ihr tausend Gedanken durch den Kopf. „Warum habe ich nicht besser Acht gegeben? Warum ist Franz in dieses Loch gefallen? Warum, lieber Gott, warum?“

Maria konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Sie stürzte sich ebenfalls ins Loch und wäre beinahe selber ertrunken. Glücklicherweise waren durch ihre Schreie schon andere Männer aus der Nachbarschaft auf sie aufmerksam geworden und eilten schnell zu Hilfe.

Was hatte Franz vor einigen Monaten gesagt? „Ich werde bald bei Jesus sein und mit den Engeln spielen.“ Daran musste Maria denken, als der leblose Körper ihres Sohnes aus dem Wasser geholt und ihr in die Arme gelegt wurde. Sie drückte ihn immer wieder an sich. Ihre Tränen liefen in Strömen über ihre Wangen.

Als sie sich etwas gefasst hatte, sagte sie: „Johann muss es wissen, dass sein Sohn…“ Weiter konnte sie nicht sprechen. Die Tränen erstickten ihre Stimme. Eine Frau legte ihren Arm um sie, um ihr zu zeigen, dass sie nicht alleine war. „Wir machen das“, hörte sie jemanden sagen.

Johann wurde in Cuauhtémoc aufgesucht und erfuhr die tragische Nachricht. Die Heimreise, die mehrere Stunden dauerte, erschien ihm wie eine kurze Ewigkeit. Trauer und Verzweiflung wechselten sich mit der Sorge ab, wie das Leben weiter gehen würde. Wie ging es Maria? Wie würde sie den Tod ihres Sohnes verkraften?

Zu Hause fand Johann eine zutiefst erschütterte Maria vor. Schwere Selbstvorwürfe plagten sie. „Hätte ich nur besser auf ihn aufgepasst“, sagte sie immer und immer wieder. Johann versuchte sie zu trösten, doch es fiel ihm schwer. Sein Herz war selber so bedrückt, dass er kaum Worte fand.

Franz wurde nach einer schlichten Beerdigungsfeier auf dem kleinen Friedhof in ihrem Dorf hinter dem Schulhaus begraben.

Am Abend dieses schweren Tages drückte Maria ihren Sohn John ganz fest. Sie nahm sich vor, nicht in ihrer Trauer zu versinken, denn sie hatte noch einen Sohn, der seine Mutter sehr brauchte, und zwar mehr als alle anderen. Ihre ganze Energie würde sie jetzt in ihn stecken.

1993. In die Familie Hiebert sollte neues Leben kehren. Ein halbes Jahr nachdem Franz begraben worden war, hatte Maria gemerkt, dass es Familienzuwachs geben würde. Obwohl sie und Johann noch in großer Trauer waren, freuten sie sich riesig zu dieser Nachricht. Sogar der vierjährige John merkte, dass es den Eltern wieder etwas besser ging.

Doch ihre Freude über das neue Familienmitglied sollte nicht lange anhalten. Nachdem Maria unter großen Schmerzen und einigen Problemen ihren Sohn Jakob zur Welt gebracht hatte, merkte sie, dass mit dem Neugeborenen irgendetwas nicht stimmte. Es war anders als bei ihren zwei anderen Babys.

Und schon nach 25 Stunden erlosch das Leben in diesem kleinen Erdenbürger. Einen Tag lang hatte Maria wieder einen Sohn gehabt. Dann musste sie ihn schweren Herzens abgeben.

Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit standen Johann und Maria am Sarg eines ihrer Kinder. Zum zweiten Mal fragten sie sich: „Warum, lieber Gott? Was hast du mit uns vor?“

John saß traurig dabei. Obwohl er vieles nicht so recht verstand, war er traurig, weil seine Eltern traurig waren. Und wieder einmal nahm Maria sich vor, stark zu sein. John brauchte sie, für ihn musste sie stark sein. Er bedurfte so viel Hilfe. Wie sollte er ohne sie durchs Leben gehen? „Wir müssen weitermachen, nicht aufgeben. Es werden auch noch wieder leichtere Zeiten kommen.“ So sprachen sich Johann und Maria gegenseitig Mut zu. Und zu John sagte Maria des Öfteren: „Weißt du John, wir haben jetzt oben im Himmel zwei kleine Engelchen, die zu uns herunterschauen.“ Und immer wenn sie das sagte, rollte ihr eine Träne über die Wange. Für John war dies ein Trost. „Ein Engel zu sein muss etwas sehr Schönes sein“, dachte er öfters bei sich.

Das Leben nahm seinen Lauf. Traurige Tage wurden immer öfters von frohen abgelöst. „Die Zeit heilt Wunden“, dieses Sprichwort bewahrheitete sich auch in der Familie Hiebert. Der Schmerz würde immer da bleiben, aber irgendwie lernte man mit ihm zu leben.

Johann war von Natur aus mutig und optimistisch. Stets hatte er einen Witz auf Lager und heiterte mit lustigen Bemerkungen die Menschen um ihn herum auf. Wenn sie zum Beispiel als Großfamilie zusammen waren, sagte er zu einer seiner Schwestern: „Du bist meine ganz beste Schwester. Aber verrat es bitte nicht den anderen Schwestern, dass ich dies zu dir gesagt habe.“ Genau dasselbe sagte er einige Minuten später zu einer anderen Schwester. Er war für seinen Humor, seine gute Laune und seine Hilfsbereitschaft bekannt.

John schaute zu seinem Vater auf. Dieser war zwar selten zu Hause, weil er hart arbeitete, aber wenn er da war, nahm er sich stets Zeit für John. Johns Augen strahlten immer, wenn er seinen Vater kommen sah.

Maria war nicht so kontaktfreudig wie Johann. Sie war eine stille, etwas zurückhaltende Person, die nicht viel sprach, wenn sie mit Menschen in Kontakt kam, die sie nicht kannte. Doch sie war warmherzig und liebevoll, besonders auch zu John.

Eines Tages, Maria hatte John gerade zum Spielen nach draußen getragen, fragte der Fünfjährige seine Mutter: „Mama, warum bin ich so anders als andere Kinder?“ Maria rieb sich den Rücken. John wurde immer schwerer und ihr Rücken merkte das spürbar. Bevor sie antworten konnte, fuhr John fort: „Alle anderen Kinder können gehen, laufen und toben. Warum kann ich das nicht?“

Tja, was antwortet eine Mutter ihrem gehbehinderten Kind auf diese Frage? Nur allzu oft hatte sie selber sich diese Frage gestellt. Auf die Frage „Warum?“ konnte Maria nicht antworten. Das wusste sie selber nicht. Sie antwortete deshalb nach kurzem Überlegen: „Weißt du John, warum du nicht gehen kannst, weiß ich nicht. Gott hat mit dir einen ganz besonderen Plan. Aber eines kann ich dir sagen: Du bist nicht der Einzige. Es gibt viele Menschen – auch Kinder, die das Problem haben, dass sie nicht gehen können.“ Darüber war John erstaunt. Das hatte er nicht gewusst.

Einige Wochen später fuhr Maria zusammen mit John zu einem Heim, in dem viele gehbehinderte Personen lebten. John war zwar einerseits schockiert über die Tatsache, dass so viele Menschen nicht in der Lage waren zu gehen. Aber andererseits fühlte er auch tiefe Erleichterung. Er war also nicht alleine mit seinem Problem.