THERAVĀDA-BUDDHISMUS UND POLITSCHES ENGAGEMENT IN DEUTSCHLAND – PASST DAS ZUSAMMEN?

Thomas Bruhn

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Bruhn, Thomas

Theravāda- Buddhismus und politisches Engagement in Deutschland – passt das zusammen?

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Buchumschlag:

Buddha Statue und Buddha Thron aus Myanmar/Burma und Freundschafts-Pin mit Sāsanaflagge sowie Bundesflagge

Entwurf: T. Bruhn

Informationen zur Sāsanaflagge:

Die buddhistische Flagge ist in sechs senkrechte Balken unterteilt, von denen die ersten fünf in den Farben blau/nīla, gelb/pīta, rot/lohita, weiß/odāta, orange/manjestha gehalten sind und der letzte in eben diesen fünf Farben horizontal unterteilt ist. Für die sechs Farben der buddhistischen Flagge, die übrigens von allen Traditionen anerkannt wird, gibt es verschiedene Erklärungen: Eine mythische Erklärung ordnet den Farben die Strahlen der Aura zu, rasmi mala, die von Buddha im Stadium seiner Erleuchtung unter dem Bodhi-Baum ausging. Diese Flagge wurde zuerst am 28.4.1885 in Sri Lanka im Dipaduttamaramaya-Tempel als Symbol des Buddhismus durch Migettuwatte Gunananda anläßlich des Vesakha-Festes gehißt. Als Erfinder gilt der amerikanische Journalist Colonel Henry Steele Olcott.

In Birma gibt es seit dem Sixth Buddhist Council in Yangon 1956 eine besondere Variante dieser Flagge, in der orange gegen rosa ausgetauscht ist.

Bernhard Peter, Koblenz, 2006

www.bernhardpeter.de

Informationen zum Freundschafts-Pin:

Petra Beudt; donna0-9@t-online.de

Lektorat: Beatrice Jung

© 2009 Thomas Bruhn

Remastering 2010 (veränderte Auflage ohne erneutes Lektorat)

Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN 978-3-7322-2836-2

Inhalt

Namo Tassa Bhagavato Arahato Sammāsambuddhassa

Theravāda-Buddhismus und politisches Engagement in Deutschland – passt das zusammen?

Diese Frage habe ich für mich noch nicht beantworten können. Weder für ein volles Ja noch für ein klares Nein1 kann ich mich im Moment hundertprozentig entscheiden. Hier liegt auch die Hauptmotivation, diese Exploration zu schreiben und zu publizieren. In der Auseinandersetzung mit den verschiedenen Fakten, Meinungen und Texten und der entsprechenden Literatur hoffe ich meine eigene Meinungsfindung im Prozess des Schreibens zu strukturieren.

Ich habe so gut es geht mein Leben entlang von Sīla, Samādhi und Paññā – Sittlichkeit, Sammlung bzw. Ruhe des Geistes2 und Wissen bzw. Weisheit – ausgerichtet, wie diese drei Schritte im Visuddhi Magga3 beschrieben sind. Dieses Werk wird von der Schule des Theravāda-Buddhismus, den ich als den ursprünglichen Buddhismus empfinde, als autoritativ anerkannt.4 Nun möchte ich prüfen, inwieweit der gesellschaftliche und politische Aspekt verstärkt Beachtung verdient. Dieser Aufsatz reflektiert nur meine eigene Recherche. Für Fehler übernehme ich alleine die Verantwortung. Ich hoffe, dass andere Personen diesen Text auch als Anregung für sich gebrauchen können.

Es mag sein, dass Sie dieses Buch als sehr intellektuell und trocken empfinden. Dies kann auch daran liegen, dass viele unterschiedliche Quellen Berücksichtigung finden.

Dies ist weniger ein belletristisches Buch, eher ein Sachbuch, deshalb diese Unzulänglichkeit.

Beim Lesen können sie auch so vorgehen, dass Sie ein Kapitel, das Sie besonders interessiert, auswählen und danach Ihre eigene Leseordnung finden, das heißt ggf. hin und her springen.

Ein mögliches politisches und soziales Engagement ist im Buddhismus dem Begriff Sīla (Sittlichkeit, Moral, Ethik) zuzuordnen. Im Edlen-Achtfachen-Pfad beschreibt der Buddha Gotama Sīla als integralen und unabdingbaren Teil des Pfades zur Befreiung.

Sīla lässt sich in drei Schritte unterteilen, nämlich Rechte Tat, Rechte Rede und Rechter Lebenserwerb. Was nun bedeutet recht? Dies sind – vereinfacht ausgedrückt – Handlungen, Worte, und Formen des Lebenserwerbes, die weder mir noch anderen Lebewesen Schaden zufügen.5

Was ist nun aber unter politischem Engagement zu verstehen? Politisches Engagement kann sich nicht nur in parteipolitischer Arbeit, sondern auch jenseits von Parteistrukturen6 in außerparlamentarischem Engagement manifestieren, zum Beispiel beim Engagement in der Nachbarschaft, am Arbeitsplatz, in der Gemeinde, im Umweltbereich, in einer Stiftung oder in einem gemeinnützigen Verein.

Wenn man diese umfassende Definition von Politik zu Ende denkt, kann man zu dem Schluss kommen: „Alles ist Politik, jeder ist ein Politiker… So kann jeder die Gesellschaft verändern – sei es in den eigenen vier Wänden oder in der Nachbarschaft, sei es in der kleinen oder der großen Politik…“7

Diese Arbeit beschäftigt sich zwar nur mit sozialem Handeln in Deutschland; natürlich können die Ziele dieses Engagements, z.B. von privaten Stiftungen oder etwa der Entwicklungspolitik des Parlaments, durchaus auf das Ausland gerichtet sein, z.B. in die sog. Dritte Welt, etwa nach Südostasien, wo der Theravāda-Buddhismus am meisten verbreitet ist.

Lässt sich also politisches Engagement mit dem Theravāda-Buddhismus verbinden? Das werden wir versuchen herauszufinden. In Anlehnung an unsere umfassende Definition von Politik macht folgender Satz Sinn: „Alle Religionen haben eine politische Dimension.“8 Lassen sie uns erforschen, was das für uns bedeuten könnte.

An dieser Stelle sei erwähnt, wie zentral für Theravāda-Buddhisten etwas ist, was mit Verdienste erwerben9 bezeichnet wird. Dies ist im Prinzip ein rein buchhalterischer Vorgang in dem Sinne, dass gute Taten gute Folgen haben und schlechte Taten schlechte Folgen. Diese Folgen beziehen sich nicht nur auf das jetzige Leben, sondern auch auf zukünftige Leben.

„Jedes Individuum hat sozusagen ein Kassabuch des Lebens, in dem ohne Nachsicht und Erbarmen Verbrechen und Verdienste verzeichnet sind. Dem Saldo entspricht die nächste Inkarnation.“ So wurde schon 1920 in uns etwas altertümlich erscheinenden Worten dieser Sachverhalt von einer österreichischen Buddhistin beschrieben.10

Deshalb ist es für Theravāda-Buddhisten wichtig, so viele gute Taten wie möglich auszuüben. Gute Taten können – besonders bei Laienanhängern – durchaus auch auf der gesellschaftlichen und politischen Ebene ausgeübt werden.

Dieser Prozess wird jedoch zu mechanistisch gesehen, wenn er auf ein einfaches Geben und Nehmen reduziert wird. Er hat primär – zumindest für jene, die das Nibbāna11 anstreben – die Funktion, ein eigentlich nicht vorhandenes, also eingebildetes Ego zu relativieren und letztlich Anattā, Nicht-Seele, Nicht-Ich zu realisieren.

Man kann auch nicht – wie oft angenommen – eine schlechte Tat mit einer guten Tat kompensieren. Also zum Beispiel einen Krieg anordnen und dann glauben, wenn man danach eine große Pagode baue, werde man schon in die höheren Welten, Deva Loka oder Brahma Loka gelangen.12

Als Sterbebegleitung wird übrigens empfohlen, den Sterbenden an seine Verdienste zu erinnern, damit er ruhig sterben kann.

Gleich am Anfang möchte ich klarstellen, dass ich, wie aus der Überschrift bereits ersichtlich, nur über den Theravāda-Buddhismus spreche, so wie er z.B. in Laos, Thailand, Myanmar/Burma, Sri Lanka und Kambodscha zu finden ist und zum Glück auch zunehmend im Westen.13

Richtungen, die zeitlich erst nach dem Parinibbāna, dem Verlöschen, dem Tod des Buddha Gotama entstanden sind – gemeinhin Mahāyāna, Vajrayāna, Zen oder ähnlich genannt – werden hier nicht behandelt. Diese Arbeit beschäftigt sich also nicht mit Personen in Deutschland, die sich zu diesen Schulen bekennen.

Natürlich werde ich, sobald der Engagierte Buddhismus in Deutschland zur Sprache kommt, auch die Sichtweise z.B. des Mahāyāna darlegen, aber nur um diese mit möglichen Einstellungen der Theravāda-Buddhisten zu vergleichen, wenn dies sinnvoll erscheint.

Deutsche Wissenschaftler haben sich ausführlich und interdisziplinär mit dem Theravāda-Buddhismus beschäftigt.

An erster Stelle sind natürlich die Indologen und Orientalisten zu nennen. Aber auch die Anzahl der Veröffentlichungen aus der Psychologie ist enorm.14

Beiträge aus der Politologie, der Sozialarbeit, der Wirtschaftswissenschaft und der vergleichenden Religionswissenschaft werden hier später noch benannt.

Es gibt auch aus der Kulturanthropologie,15 der Schulpädagogik16 und der vergleichenden Politikwissenschaft – etwa über die Regierungsformen in den Ländern des Theravāda-Buddhismus und in der EU,17 – Dissertationen und Examensarbeiten aus Deutschland.

Vielleicht kann dieser Artikel auch etwas dazu beitragen, den interdisziplinären Austausch zu fördern.

Was wir hier gerne thematisieren möchten ist, ob und wie man als Theravāda-Buddhist eine Ausgewogenheit zwischen der individuellen meditativen Praxis18 und sozialem Handeln erreichen kann.

1 Ein klares Nein könnte man zu Beispiel so begründen: “Befreiung ist eine individuelle Angelegenheit und der Pfad, dies zu erreichen, beinhaltet es, die Gesellschaft zu verlassen anstatt diese zu transformieren.“ Loy, David; The Great Awakening, Sommerville, 2003, S. 128, oder auch: „Der Buddha… lehrte den Weg zur Überwindung der Welt, nicht den zur Veränderung derselben.“ Stoller, Andreas; Analyse von Macht und Herrschaft im Kontext buddhistischer Religion…, Magisterarbeit Politikwissenschaft, Hagen, 2005, S.2

2 Auch manchmal übersetzt mit: „geistige Einspitzigkeit“ (cittekaggatā); Buddha Gotama; MN, I, S.363, sowie Darlegung der Bedeutung – Atthāsalinī, übersetzt von Bhikkhu Nyānaponika, PTS, Oxford, 2005, S.190

3 Buddhaghosa Thera; Visuddhi Magga; Der Weg zur Reinheit, erste deutsche Übersetzung durch Nyānatiloka Mahāthera, Christiani Verlag, Konstanz, 1975; Neuausgabe beim Jhana Verlag, Oy - Mittelberg

4 Historiker sehen den Theravāda-Buddhismus folgendermaßen: „Die Theravāda-Schule geht letztlich auf die Gruppierung der Vibhajjavāda zurück, die sich als die älteste Sthavira Gruppierung in der Zeit des 3. Buddhistischen Konzils… während der Regierungszeit des Kaisers Asoka in Indien bildete.“ Sen, Arita; Pāli Tipitika Chanting: Oral Tradition of Theravāda Buddhism, Field Research Work, New Dehli, 2008, S. 10.

Hierbei ist „Sthavira“ Sanskrit für Pali „Thera“ = die Ältesten; also „Theravāda = Schule der Ältesten“

5 Der Ehrenwerte Anālayo Bhikkhu weist darauf hin, dass sammā (recht) wörtlich mit „Einheitlichkeit, Zusammenhalt“ zu übersetzen ist und so einen Bezug auf die Anwendung im gesamten Pfad ausdrücken soll, so wie es z.B. bei der rechten Konzentration auch auf den Zweck der Konzentration ankommt (Anālayo Bhikkhu;Satipaṭṭhāna, Cambridge, 2008, S.74). Ein Angler, der sich auf den zu tötenden Fisch konzentriert, hat z.B. keine rechte Konzentration. Gruber sieht in der Übersetzung von sammā mit „recht“ ein „westlich-christliches Denkmuster.“ Die eigentliche Bedeutung sei eher im Bezug auf eine „innere Höherentwicklung“ in der Praxis zu suchen. (Gruber, Hans; Kursbuch Vipassanā, Frankfurt, 2001, S.190)

6 Siehe dazu die politikwissenschaftliche Dissertation von Anja Joest; Politisches Engagement jenseits von Parteistrukturen, Universität Tübingen, 2008

7 Weizäcker von, Beatrice; Warum ich mich nicht für Politik interessiere…, Bergisch Gladbach, 2009, S.202 und S.168

8 Harris, Ian; Buddhismus, Power and Political Order, New York, 2007, S.1

9 „In dieser sich verändernden Welt können die Lebewesen in der Tat nur durch verdienstvolle Taten die Wiedergeburt erreichen, die sie sich wünschen. Indem der kluge Mensch dies reflektiert, wird er immer wieder angespornt, verdienstvolle Taten anzuhäufen.“ The Mahāvaṃsa, PTS, Oxford, 2001, S. 154

10 Schalek, Alice; Im Buddhaland, Bilder aus Burma, Zeitschrift für Buddhismus, 1920, 2.Jg., Heft 3/4, S.108. Auch Schopenhauer sagte: „ An dem, was wir leiden, erkennen wir, was wir verdienen.“ Ludger Lütkehaus sieht in diesem Satz eine Verquickung mit dem christlichen Schuldbegriff. Das kann ich jedoch nicht erkennen. Lütkehaus, Ludger; Nirwana in Deutschland, München, 2004, S.50

11 Was ist Nibbāna? Hier die Antwort des Buddha Gotama: „Die Zerstörung von Lust, die Zerstörung von Hass, die Zerstörung von Verblendung wird Nibbāna genannt.“ Oft wird auch statt Zerstörung Erlöschen und statt Lust Gier und statt Verblendung Unwissenheit übersetzt. Buddha Gotama; SN, IV, S.170, PTS, London. Eine andere Beschreibung von Nibbāna durch den Buddha Gotama lautet: „Es gibt, ihr Mönche, ein Ungeborenes, Ungewordenes, Ungestaltetes, Unerschaffenes.“ zitiert in Buddhaghosa Thera; Visuddhi Magga, XVI, S. 592, a.a.O. Weiterhin kann man im Kommentar finden: „Nibbāna aber wird Befreiung genannt, weil es von sämtlichen Befleckungen völlig frei ist.“ Darlegung der Bedeutung – Atthāsalinī, a.a.O.; S.598

12 Dies scheint wohl die Einstellung von manchen südostasiatischen Königen gewesen zu sein; siehe: Sarakisyanz, E.; Buddhist Background of the Burmese Revolution, Freiburg, 1965, S.70

13 z.B. im deutschsprachigen Raum: Koster Muttodaya, D-95236 Stammbach; Kloster Sibounheuang, D-68804 Althussheim; Kloster Puttabenjapon, D-63505 Langenselbold; Buddhistisches Haus, D-13465 Berlin Frohnau; Metta Vihara, D-87474 Buchenberg; Buddhistisches Kloster, CH-5014 Gretzenbach; Haus der Stille, D-21514 Roseburg; Kloster Dhammapala, CH-3718 Kandersteg; Meditationszentrum Beatenberg, CH-3803 Beatenberg; Internationales Meditationszentrum? terreich, A-9064 St. Michael; Sayagyi U Ba Khin Gesellschaft Deutschland, D-35037 Marburg; Sayagyi U Ba Khin Gesellschaft Schweiz, CH-3018 Bern; Buddhistisches Kloster Bodhi Vihara, D-85354 Freising; Santinanda e.V., D-16548 Glienicke; Haus der Besinnung, CH-9115 Dicken und viele andere Organisationen und Klöster hauptsächlich unter thailändischer Leitung (siehe Fußnote 258).

14 Einen kleinen Beitrag konnte ich vor langer Zeit auch dazu leisten. Thomas Bruhn; Theorie und Praxis der Atmungsachtsamkeit, in: Bühler, Karl–Ernst; Therapie und Spiritualität, Gladenbach, 1989

15 Vogd, Werner; Radikaler Konstruktivismus und Theravāda Buddhismus, Dissertation, Universität Ulm, 1996

16 Frommer, Julia; Buddhistische Ethik als Thema des katholischen Religionsunterrichtes, Examensarbeit, Pädagogische Hochschule Weingarten, 2006

17 Oo, Soe Moe; Governance in the European Union and the Association of the Southeast Asian Nations, Dissertation, Universität Duisburg, 2008

18 Ein – und vielleicht „das“ – Standardwerk der Neuzeit über theravada-buddhistische Meditation, in dem im Vorwort ausdrücklich Bezug auf die Pāli Texte und dem Visuddhi Magga von Buddhaghosa Thera genommen wird, ist: Paravahera Vajirañāṇa Mahāthera; Buddhist Meditation in Theory and Practice, Kuala Lumpur, 1975

Die Zahlen

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes vom 31. Dezember 2008 leben in Deutschland 843 Staatsangehörige aus Laos, 1158 aus Myanmar, 28780 aus Sri Lanka, 54580 aus Thailand und 798 aus Kambodscha, ausgenommen sind Mitglieder diplomatischer und konsularischer Vertretungen.

Wenn ich bei Laos, Myanmar, Thailand und Kambodscha von plus minus 90% Buddhisten ausgehe und bei Sri Lanka von etwa 25% – wegen der hohen Zahl von tamilisch/ hinduistischen Flüchtlingen – dann komme ich zusammen mit einer relativ kleinen Anzahl von Theravāda-Buddhisten aus Indien, Vietnam (u.a. Khmer Krom)19 und Bangladesch auf ungefähr 67000 ausländische Theravāda-Buddhisten in Deutschland.

Laut Auskunft der Deutschen Buddhistischen Union vom 1. Juli 2008 gibt es in Deutschland ca. 130000 Buddhisten deutscher Staatsangehörigkeit.20 Nach Schätzung von Martin Baumann für das Jahr 199121 würden davon lediglich 13,9% dem ursprünglichen Buddhismus angehören; vermutlich wird die Zahl heute eher noch geringer sein. Bei dieser Prozentzahl kommt man auf etwa 19000 deutsche Theravāda-Buddhisten.

Die Gesamtzahl der in Deutschland lebenden Therāvada-Buddhisten mit ausländischer oder deutscher Staatsangehörigkeit sollte demnach insgesamt bei etwa 85000 liegen.

Noch im Jahr 1994 bezifferte Der Spiegel22 die Gesamtzahl der praktizierenden Buddhisten in Deutschland mit lediglich 80000 Personen. Im Jahr 2007 dann gibt DIE ZEIT23 entsprechend der Angaben der DBU 250000 aktive Buddhisten in Deutschland an.

Ich erwähne diese Zahlen, weil ich denke, dass es gerechtfertigt ist, sich Gedanken zu machen, in welcher Form eine doch beträchtliche Anzahl von Personen in Deutschland, die sich zum ursprünglichen Buddhismus bekennen, ihr Leben mit politischem Engagement bereichern können, wenn sie es denn wollen.

Der Zeitraum Sāsana, in der die Lehre des Buddha Gotama zur Verfügung steht, wird in der Tradition des Theravāda mit 5000 Jahren angegeben.

Dieser Zeitraum wird in zweimal 2500 Jahre aufgeteilt, wobei innerhalb der ersten 2500 Jahre ein kontinuierlicher Verfall des Verständnisses und der Praxis zu beobachten ist.

Wenn die zweiten 2500 Jahre anbrechen, erlebt dann die Lehre eine besondere Wertschätzung und es wird wieder möglich, die eigene Befreiung, Nibbāna24 zu erreichen. Dieser Zeitraum wird Vimutti25 genannt, und wir leben jetzt knapp 60 Jahre in dieser so günstigen Zeit.26

Deshalb ist es jetzt besonders wichtig, die Lehre des Buddha genau entsprechend seiner ursprünglichen Worte zu praktizieren.

19 Dazu das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: „Diese Khmer Krom Mönche hatten unter anderem friedlich für mehr Religionsfreiheit demonstriert.“ Asyl 12/2008, 15. Jahrgang. Die Khmer Krom Mönche gehören dem Theravāda-Buddhismus an; die große Majorität der Bevölkerung jedoch dem Mahāyāna.

20 Die zu erwartende Volkszählung in Deutschland im Jahre 2011 wird nun – anders als es die EU Zensusverordnung vorsieht – auch die Religionszugehörigkeit erfassen (FAZ vom 23.4.2009). Ich erwarte dabei keine zuverlässigen Zahlen über die Anzahl der deutschen Buddhisten, denn 90% der benötigten Daten sollen „durch Auswertung von Verwaltungsregistern“ (FAZ vom 23.4.2009) erhoben werden. Viele deutsche Buddhisten gehören aber noch auf dem Papier der Religion an, in der sie durch eine Übereinkunft zwischen Eltern und Kirche „hineingetauft“ wurden. Das mag vier Gründe haben. Erstens eine gewisse Bequemlichkeit, zweitens sind viele Personen der Meinung, dass man gleichzeitig Christ und Buddhist sein kann, drittens ist der Austritt aus der christlichen Kirche mit berechtigten Ängsten bezüglich beruflichen Bewerbungen verbunden, da große Arbeitgeber in Deutschland (z.B. Caritasverband, Diakonisches Werk) die Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche verlangen und viertens gibt es die Empfehlung führender Persönlichkeiten des Mahāyāna, in der Religion zu verbleiben, die in der jeweiligen Heimatkultur vorherrscht, das ist eben hier das Christentum.

21 Zitiert bei G. Genau; 100 Jahre Buddha Bücher, Stammbach, 1978, S.96

22 Der Spiegel 6/94 S.146 (80 000 praktizierende Buddhisten, aber „300 000 Anhänger“)

23 DIE ZEIT, 12/07, S.13

24 Karuna Kusalasaya, Buddhism in Thailand, Sri Lanka, BPS, 1965, S. 1

25 “Die buddhistische Lehre… währt zwei Zyklen von jeweils 2500 Jahren nach dem Dahinscheiden des Buddha, zusammen also 5000 Jahre, in denen die Qualität buddhistischer Handlungen langsam verfällt, vom Vorherrschen der Popularität der Vipassanā Meditation bis hinunter zum Vorherrschen der Popularität von Handlungen des Schenkens, um dann in diesem Jahrhundert wieder eine Kehrtwendung zu Vipassanā zu machen. Diese zwei Zyklen, die erste anfangend mit dem Dahinscheiden des Buddha, die zweite anfangend im Jahre 1956am Ende der Sechsten Buddhistischen Synode, 2500 Jahre nach dem Tod des Buddha, werden in jeweils fünf Perioden von je 500 Jahren unterteilt… .“ Houtmann, Gustaaf; Traditions of Buddhist Practise in Burma, Dissertation, London, 1990, S. 87

Nach Ablauf der fünf Perioden Vimutti, Samādhi, Sīla, Sutta und Dāna werden nur noch veräußerlichte Zeichen, Liṅga mattam, vorhanden sein. In: Buddha Gotama; KN, Therāgatā, Psalms of the Early Buddhist, übersetzt von Rhys Davids, PTS, London, 1951, S. 339

26 Über die Zustände, die wir nach Ablauf der 5000 Jahre haben werden, berichtet der Bhikkhu Phussa: „Die Dummköpfe werden die wohlunterrichtete Lehre verunreinigen… Die Menschen werden die Gemeinschaft jener suchen, die sich an falschen Arten des Lebenserwerbs erfreuen.“ In: Buddha Gotama; KN, Therāgatā, The Elders Verses, I, übersetzt von K.R. Norman, PTS, London, 1969, S. 89-90

Die Vorsicht

Das Thema politisches Engagement birgt große Gefahren in sich, weil wahrscheinlich jeder etwas anderes darunter versteht. Deshalb ist Vorsicht angebracht.

„Indem man reflektiert, dass Macht und Herrschaft sowohl eine Quelle mannigfaltiger Verdienste aber auch eine Quelle der Ungerechtigkeit sein kann, wird jemand mit einem gläubigen Herzen sich nie an dieser Macht erfreuen, gerade so als wäre eine süße Speise mit Gift vermischt.“27

Insbesondere in Deutschland sollten wir das Thema politisches Engagement mit besonderer Sensibilität und Vorsicht angehen. Wie wir alle wissen, ist in der Vergangenheit unermessliches Leid von Deutschland ausgegangen. Der Diktatur des Faschismus mit seiner verheerenden Ideologie sind die meisten Deutschen damals gefolgt, auch wenn nach der Kapitulation plötzlich keine Anhänger mehr zu finden waren. Viele Leser sind vielleicht erst nach Kriegsende geboren und kennen die Fakten nur von den Eltern, aus dem Geschichtsunterricht und den Medien. Die heutige junge Generation ist noch weiter von diesem Geschehen entfernt und möchte meist nichts mehr darüber hören.

Was Deutschland auch erleben musste und was ebenfalls zur jüngeren Vergangenheit gehört, ist die Diktatur von links in der ehemaligen DDR, wo wir wiederum beobachten konnten, dass sich dort nach der Auflösung dieses Staatsgebildes plötzlich die wenigsten zu ihren Aktivitäten bekennen wollten. Wir können aber daraus lernen, dass wir uns sehr vorsichtig und zurückhaltend über politische und gesellschaftliche Dinge äußern und ganz genau bedenken sollten, ob wir mit unseren Worten und Handlungen uns selbst und anderen schaden oder helfen.

27 The Mahāvaṃsa, PTS, Oxford, 2001, S.266

Ist das Erwachen außerhalb unseres Körpers zu finden? Gilt der Mittlere Weg auch für politisches Engagement?

Der Buddha Gotama beschreibt den Mittleren Weg als zwischen dem Streben nach Genuss, dem Hedonismus und der Selbstkasteiung oder Asketentum stehend.28 Dies bezieht sich zunächst nur auf den jeweils individuell zu beschreitenden Weg zum Erwachen und schließt Extreme aus.

Ich vermute, dieser Ansatz des Vermeidens von Extremen lässt sich aber auch auf politische und gesellschaftliche Fragestellungen übertragen.

Das hat jedoch bei manchen übereifrigen Autoren dazu geführt, dass geradezu das Gegenteil der Lehre des Buddha verkündet wird, z.B.: „Der Buddha lehrte, dass unser spirituelles Erwachen durch eine Verbindung zu Anderen und zur Natur erreicht wird.“29 Was sagt der Buddha Gotama dazu? „In diesem klaftergroßen Körper… erkläre ich, ist die Welt… und das Ende der Welt und (auch) die Handlungsweise, die zum Erlöschen der Welt führt.“30 Also in genau diesem unserem Körper ist das Erwachen zu finden. Allerdings ist es in dem Satipaṭṭhāna Sutta erwähnt, dass es auch möglich ist, die Achtsamkeit an externen Objekten zu schulen. Manche Autoren weisen darauf hin, dass dies nützlich sein könnte, um so eine gewisse exzessive Selbstzentriertheit zu vermeiden.31

Politisches und gesellschaftliches Engagement mag vielleicht wichtig sein – wir werden dass noch zu klären versuchen – es mag auch eine Gelegenheit sein, Altruismus und Achtsamkeit zu üben. Nach dem obigen Zitat des Buddha Gotama scheint mir das Nibbāna allerdings vorrangig im eigenen Körper realisierbar zu sein.

28 In Pāli: Majjhimā Patipadā

29 Badinger, Allan; Mindfulness in the Marketplace, Berkeley, 2002, S.27

30 Buddha Gotama; SN, I, S.86, PTS, London

31 Anālaya Bhikkhu; Satipaṭṭhāna, a.a.O., S.98

Die extrem seltene menschliche Geburt und die Gefahren falscher Gedanken, Worte und Handlungen

Jede unserer Gedanken, Worte und Taten hat Folgen, die wir selber erfahren werden. Dies ist das Gesetz von Ursache und Wirkung, Kamma. 32

„Eben weil der Buddhist weiß, dass sein Tun Folgen hatte, hat und haben wird, wird er ein Vorhaben viel intensiver und gründlicher bedenken und prüfen, bevor er es durchführt, und er wird abzuschätzen versuchen, was die Folgen dieses Tuns sein werden.“33

Wir sind im Augenblick alle auf der menschlichen Ebene geboren und sollten diese Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen.

Wenn wir unheilsame und ungeschickte Gedanken, Worte und Taten ausüben werden wir mit Sicherheit in den tieferen Existenzebenen wiedergeboren und die Gelegenheit, dem Samsāra zu entkommen, ist dahin.

Der Buddha Gotama hat die extrem seltene Möglichkeit, als Mensch geboren zu werden in zwei Beispielen erläutert.

Das Erreichen der menschlichen Geburt ist so unwahrscheinlich wie die Möglichkeit, dass eine blinde Schildkröte, welche alle einhundert Jahre ihren Kopf aus den Weltmeeren, worin sie herumschwimmt, nach oben streckt, auf eine darin herumtreibende Boje trifft.34

Und weiterhin sagt der Buddha Gotama: Die Zahl derjenigen, die nach ihrem Tod in der menschlichen Existenzebene wiedergeboren werden, ist im Verhältnis zur Anzahl der Wiedergeburten auf anderen Existenzebenen „so gering wie die Staubkörner auf meinem Fingernagel“ im Vergleich zu „der Menge der Sandkörner in ganzen Universum.“35 Das bedeutet, dass die ganz überwältigende Mehrzahl der Wiedergeburten in den vier niederen Welten stattfindet, da die Geburt in den höheren Welten (Deva Loka, Brahma Loka) noch seltener ist als die menschliche Geburt. Der Grund ist – so sagt der Buddha Gotama – „das Nichterkennen der Vier Edlen Wahrheiten.“36

Warum erwähne ich dies? Um deutlich zu machen, wie wichtig es ist, dass wir unsere Gedanken, Worte und Taten sorgfältig kontrollieren und wählen. Natürlich hat das dann Konsequenzen für unser tägliches Leben. Und die Fragestellung: Theravāda-Buddhismus und politisches Engagement – passt das zusammen? betrifft eben genau unser tägliches Leben.

Der Bodhisatta ist so weit gegangen, dass er sich in einem Leben als Königssohn während seiner ganzen Jugend bis hin ins Erwachsenenalter taubstumm stellte, um nur nicht in politische Entscheidungen hineingezogen zu werden. Er konnte sich nämlich an eine frühere Existenz als König erinnern, in der er die Staatsgesetze angewandt hatte und Verbrecher gerecht oder ungerecht bestrafte. Danach wurde er dann in der Hölle wiedergeboren. Das wollte er natürlich nicht noch einmal erleben.37

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