Inhalt

Ein paar einleitende Worte zur Entstehung dieses Katalogs

Die Idee für diesen Katalog wurde im Zuge einer Reflexion eines unserer Clubtreffen im Sommer 2010 geboren. Damals war mir aufgefallen, dass mir – trotz Auflistung der (teils mehrfach) ausgelegten Klingen und persönlichen Notizen dazu – immer wieder Stücke aus dem Gedächtnis fielen. Mein erster Gedanke war, den „vergessenen“ Klingen Gesichter in Form von Bildern zu geben. Der nächste Schritt der sich aufdrängte war, dies ansprechend zu gestalten und den Mitgliedern – und eventuellen „Leidensgenossen“ – als Erinnerung und Nachlese zur Verfügung zu stellen. Ein solches Projekt steht und fällt natürlich mit den Bildern, und so brachte ich mein Vorhaben gleich beim nächsten Clubtreffen ins Gespräch.

Die Idee wurde mit Begeisterung aufgenommen, Bildmaterial wurde beschafft, und schon bald hatte sich eine ansehnliche Liste mit qualitativ hochwertigen Schwertern angesammelt. Natürlich kann ein solches Projekt niemals einen Anspruch auf „Vollständigkeit“ erheben, d.h. es wurden nicht alle Klingen die bis dato jemals bei einem unserer Club-treffen ausgelegt waren auch erfasst. Zudem existieren nicht zu jedem Schwert entsprechende Bilder oder oshigata bzw. wäre ein Anfertigen dieser nicht im (finanziellen wie zeitlich angesetzten) Rahmen dieser Publikation. So möchte ich erwähnen, dass das Hauptaugenmerk auf der „hands-on“ Erfahrung bei unseren Clubtreffen und den anschließenden fachlich anspruchsvollen Diskussionen liegt. Ein Studium des japanischen Schwertes kann niemals rein durch Beschreibungen und Bilder erfolgen.

Dieser Katalog ist als Unterstützung gedacht, soll aber auch nicht mit Informationen geizen, d.h. es wurde versucht, zu jeder Klinge ansprechende und schlüssige Informationen über deren Schmied und/oder Schule bzw. Besonderheit anzuführen, ohne zu weit von der tatsächlichen Arbeit abzuschweifen. Beschrieben werden 40 Klingen, von denen zwölf den Status jūyō-tōken besitzen. Die Reihung erfolgt in gewohnter Manier, sprich Kotō-gokaden, Kotō-Klingen anderer Provinzen, Sue-Kotō, Keichō-Shintō, Shintō, Shinshintō, und Gendaitō.

Abschließend möchte ich mich bei allen ganz herzlich bedanken, die zur Mitwirkung an diesem Katalog – und auch an unseren Treffen – in der Form der Bereitstellung ihrer Klingen inklusive Bildmaterials, schriftlichen Beiträgen, Tips und Hinweisen beigetragen haben. Für die Kontaktadresse zum Club siehe Flyer im Anhang dieses Katalogs.

Januar 2011
Markus Sesko
www.nihonto-club.de

Vorwort

von Florian Brands

Das japanische Schwert (nihontō), als zentrales Symbol der Samuraikultur, vereint Funktionalität und Ästhetik in einer faszinierenden Weise, der sich auch der Laie nicht entziehen kann. Derjenige, der sich intensiver mit dem nihontō auseinandersetzt, erkennt und schätzt den künstlerischen Wert der Klinge und spricht vom „Kunstschwert“. Jedoch ist längst nicht jedes Samuraischwert zugleich ein Kunstwerk, sei es, dass es sich dabei um neuzeitliche Dekorationsobjekte oder um anspruchslose Massenware handelt.

Um eine Klinge überhaupt als Kunstschwert bezeichnen zu können, muss diese in ihrer Qualität über ein Mittelmaß hinausgehen. Dabei setzt sich die Qualität aus folgenden Faktoren zusammen:

Das Aussehen des japanischen Schwertes ist Resultat des traditionellen Herstellungsprozesses. Der Schmied produziert in einem arbeits- und zeitintensiven Verfahren eine möglichst optimale Klinge. Wie weit ihm dies gelungen ist, läßt sich an den Details des fertigen Resultats erkennen, weshalb für die Begutachtung ein polierter Zustand der Klinge unabdingbar ist. Bei diesen Details handelt es sich primär um die Formgebung, die Stahloberfläche (hada und jigane) und die Härtelinie entlang der Schneide (hamon). Obwohl jede Klinge ein Unikat ist, tragen die individuellen Eigenheiten dieser Komponenten auch dazu bei, dass man Rückschlüsse auf die Entstehungszeit, die Schule und sogar den Schmied ziehen kann.

Es dürfte hier deutlich werden, dass, um ein japanisches Kunstschwert in seiner Ganzheit würdigen zu können, beim Betrachter das Wissen um die komplexen Herstellungsprozesse einerseits sowie um die Charakteristika der Schmiede, Schulen und historischen Entwicklung andererseits vorausgesetzt wird. Nur aufgrund dieser Kenntnisse gelingt es, die einzelnen Elemente in ihrer Bedeutung zu erkennen und eine qualitative Einordnung der Klinge zu ermöglichen. Erst daraus kann eine ästhetische Anschauung erfolgen.

Der „Nihonto-Club“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, dem Interessenten das japanische Kunstschwert nahezubringen, das Wissen um das nihontō zu fördern und weiterzugeben und zur Erhaltung der wertvollen Klingen beizutragen. So ist es erfreulich, dass das hohe Niveau des Kenntnisstandes das ernsthafte Bemühen der Mitglieder belegt. Darüber hinaus besitzen hiesige Sammler heute hervorragende Klingen, die den Vergleich mit japanischen Kollektionen nicht zu scheuen brauchen. Diese qualitativ hochwertigen Anschauungsobjekte werden regelmäßig bei Versammlungen gezeigt, sowohl zum Studium als auch zur ästhetischen Betrachtung. Der hier vorliegende Katalog mit ausgewählten Klingen aus dem Mitgliederkreis des „Nihonto-Clubs“ soll repräsentative Bestandsaufnahme, Informations- und nicht zuletzt Inspirationsquelle sein.

Denjenigen, die an der Entstehung dieses Kataloges mitgewirkt haben, besonders Markus Sesko, sei gedankt, so wie allen Mitgliedern Dank und Anerkennung gebührt, die durch ihre Aktivitäten zu einem dynamischen und zielorientierten Club beitragen.

Überlegungen zum ästhetischen Verständnis des Japanischen Kunst-Schwertes

von Florian Brands

Die Gestaltung des japanischen Schwertes ist auf das Engste mit seiner Herstellung verbunden. Es ist hervorzuheben, dass die Klinge indirekt gestaltet wird, d.h. der Schmied kann das Endergebnis während des Arbeitsprozesses nicht kontrollieren und nur aufgrund seiner Erfahrung beurteilen, wie er weiter verfahren soll. Erst die polierte Klinge offenbart das Resultat. Das würde einem Maler entsprechen, der in einem dunklen Raum ein Bild malt und erst nach Fertigstellung das Licht einschaltet.

Beim Schmieden kommt erschwerend hinzu, dass sich die perfekte Beherrschung des Handwerks durch die komplizierten metallurgischen Prozesse mehr oder weniger der Kontrolle entzieht. Selbst ein hervorragender Schmied ist vor Zufällen nicht gefeit, was sich darin zeigt, wie unterschiedlich die Qualitäten seiner Klingen sein können. Die qualitative Einordnung der Schmiede ergibt sich aus dem Gros ihrer Arbeiten: je mehr gute Klingen sie prozentual geschmiedet haben, desto höher rangieren sie. Nur Schmiede, deren Œuvre kontinuierlich technisch perfekt und funktionellen wie ästhetischen Ansprüchen genügend war, werden der Spitzenklasse zugeordnet.

Besucht man Ausstellungen oder Museen mit japanischer Kunst wird man vor allem mit Gebrauchsgegenständen des Alltags konfrontiert. Jedes ästhetische Objekt hatte offenbar einen Nutzen, bzw. erst der Nutzen machte das Objekt zu etwas Ästhetischem, etwas Bewunderungswürdigen. Diese Konzentration auf die Funktion führte zur Wertschätzung der Einfachheit. Daraus resultiert der originäre japanische Ausdruck einer kultivierten, perfektionierten Schlichtheit. Soetsu Yanagi stellte in seinem Buch „Die Schönheit der einfachen Dinge“ fest: „Nützlichkeit schließt unsolide Konstruktion oder Zerbrechlichkeit aus (...)“. Er bezieht sich hier zwar auf Keramik, aber für das nihontō gilt dies umso mehr. Risse und andere hinlänglich bekannte Fehler führen im Regelfall zu einer Deklassierung der Klinge, da sie eben den funktionellen Ansprüchen nicht mehr genügt.

Andererseits weisen Klingen von Hankei oft unsauber verschweißte Stahllagen auf – normalerweise ein Fehler, bei ihm stellt es ein besonderes künstlerisches Merkmal dar (was jedoch nicht unumstritten sein dürfte). Eine Diskussion wurde auch um Naotane geführt, dessen Klingen trotz höchster Kunstfertigkeit für den praktischen Gebrauch nicht uneingeschränkt geeignet sein sollen.

Natürlichkeit und Zufälligkeit sind Aspekte, die eng mit japanischer Kunst verknüpft sind. Der Japaner zeigt generell eine enge Verbundenheit mit der Natur (z.B. im Shintoismus). Dabei liebt er nicht unbedingt die Natur als solche, sondern eine idealisierte Natur, die stark vom Menschen beeinflusst wurde. Es wird der Künstler bewundert, der es vermag, einen Garten harmonisch erscheinen zu lassen, ein paar Zweige scheinbar zufällig in einer Vase zu arrangieren, ein Tier lebensecht aus Elfenbein zu schnitzen oder fotografisch genau eine Rindenstruktur in Lack wiederzugeben. So wird im Grunde einer Natürlichkeit gehuldigt, die stilisiert und idealisiert und somit eher als künstlerisch-künstlich anzusehen ist. Dabei sind Zufälligkeiten durchaus erwünscht – wenn sie ins ästhetische Konzept passen, etwa Eindellungen bei Keramik, Blasen in einer Glasur oder Unregelmäßigkeiten von in Lack eingestreuten Partikeln.

Auch bei Schwertern findet sich diese Anschauung wieder. Nicht zufällig entstehende Strukturen, sondern gewollte Strukturen mit Zufälligkeiten, die der Schmied durch seine Intention kontrolliert in hada und hamon integriert, zeichnen seine Fertigkeiten und letztlich die Qualität seiner Arbeit aus. Das finale Aussehen der Klinge ist jedoch nur bis zu einem gewissen Punkt steuerbar, so dass immer ein Zufallsfaktor bleibt.

Kennzeichnend für das typisch japanische Schönheitsideal ist die Suche nach Perfektion unter Einbeziehung des Nicht-Perfekten. Besonders gewürdigt werden Kunstwerke, die sich durch Patina und Gebrauchsspuren auszeichnen, mit der Vorstellung, dass Dinge an ästhetischem Wert gewinnen, je älter sie sind und je länger sie in Gebrauch waren. Diese Auffassung geht so weit, dass es Beispiele gibt, wo Keramik bewusst zerbrochen und wieder repariert wurde um erst darin den Inbegriff der perfekten Ästhetik zu sehen. Es wäre deshalb sicher eine Überlegung wert, inwieweit beispielsweise der hamon – neben der Zweckgebundenheit – ein Element ist, welches die perfekte Form der Klinge bewusst stört und sie so vor einem sterilen, ja langweiligen Erscheinungsbild bewahrt.

Tanizaki Junichiro beschreibt in seinem Buch „Lob des Schattens“, dass die Japaner das Diffuse und Gedämpfte höher schätzen als das Glänzende, Strahlende oder Klare. Dies zeigt sich in der Auswahl wie in der Bearbeitung von Materialien. Dadurch erhalten Kunstobjekte einen eher zurückhaltenden Charakter, man ist gezwungen, sich länger damit zu beschäftigen, intensiver hinzusehen. Auf dieser Idee des Gedämpften scheint das Polieren von hadōri zu basieren, welches auf den ersten Blick den hamon verdeckt und zumindest entlang der Schneide den Glanz reduziert. Erst bei richtigem Winkel und Lichteinfall verschwindet das hadōri wie ein sich auflösender Nebel und gibt den Blick auf den eigentlichen hamon frei.

kirenihontōhamon