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Über Michael Felten

MICHAEL FELTEN, Jg. 1951; 19812017 Gymnasiallehrer für Mathematik und Kunst in Köln, seit 2007 Lehraufträge an der PH Heidelberg, Alanus-Hochschule Alfter und Uni Bonn; seit 1995 Autor von Unterrichtsmaterialien, Sachbüchern sowie schulpädagogischen Beiträgen in Tages- und Fachpresse (Print und Audio, darunter über 6 Jahre die Kolumne »Schulfrage« für ZEIT online); seit 2010 unabhängiger Referent in der Lehrerweiterbildung; inhaltliche Schwerpunkte: Verbindung von Lernforschung und Schulpraxis, Individuelle Förderung, Beziehungsaspekte des Unterrichtens, Inklusion; Onlinepräsenz: www.eltern-lehrer-fragen.de.

Wichtige Publikationen: Auf die Lehrer kommt es an! Für eine Rückkehr der Pädagogik in die Schule (2010/32014); Lernwirksam unterrichten. Im Schulalltag von der Lernforschung profitieren (2012/32014); Lob der Unterrichtslenkung (2016); Die Inklusionsfalle (2017).

Über dieses Buch

Von der Qualität der Lehrer-Schüler-Beziehung hängt ganz wesentlich ab, ob Schüler/innen erfolgreich lernen – und ebenso, ob Lehrer/innen nach Jahrzehnten noch gerne unterrichten. Die pädagogische Beziehung ist die Kernfrage schulischen Gelingens.Michael Felten beleuchtet alle Angelpunkte des Unterrichts- und Schulalltags, vom Stundenbeginn bis zu Klassenfahrten, und erläutert ganz konkret, wie sie beziehungsförderlicher arrangiert werden können. Die Lehrer-Schüler-Beziehung: kein Schicksal, sondern gestaltbar.

Hinweise zur E-Book-Ausgabe

Die E-Books des Reclam Verlags verwenden entsprechend der jeweiligen Buchausgabe Sperrungen zur Hervorhebung von Textpassagen. Diese Textauszeichnung wird nicht von allen Readern unterstützt.

Enthält das E-Book in eckigen Klammern beigefügte Seitenzählungen, so verweisen diese auf die Printausgabe des Werkes.

Fußnoten

Begriffe wie Lehrer, Schüler etc. werden in diesem Buch funktional verwendet und nicht personal – gemeint sind insoweit stets Lehrende und Lernende beiderlei Geschlechts.

Barbara Thies, »Forschungszugänge zur Lehrer-Schüler-Interaktion«, in: Martin K. W. Schweer (Hrsg.), Lehrer-Schüler-Interaktion, Wiesbaden 2016.

Zit. nach: Karl Schlechta, Erasmus von Rotterdam, Hamburg 1940, S. 51.

Die vollständigen bibliografischen Angaben für mit Kurztitel zitierte Werke finden sich im Anhang, »Literatur zur Vertiefung«.

Z. B. in Herman Nohl, Pädagogik aus dreißig Jahren, Frankfurt a. M. 1949.

Herman Nohl, Die pädagogische Bewegung in Deutschland und ihre Theorie, Frankfurt a. M. 1935, S. 127.

Zur Übertragung des Konzepts auf Schule vgl. insbesondere: Hinrich Lühmann, »Freuds Konzept der Übertragung – Eine unverzichtbare pädagogische Beziehung in der Schule«, in: Herrmann 2019. Kurzfassung online: hinrich-luehmann.de/pädagogischer-eros-unterricht-h-l (Stand: 17.9.2019).

Sigmund Freud, »Zur Psychologie des Gymnasiasten«, in: Gesammelte Werke, Bd. 10, hrsg. von Anna Freud [u. a.], Frankfurt a. M. 1973, S. 203210.

Vgl. Matthias Schmitz, »Die Angst des Lehrers vor Liebesentzug«, in: Pädagogik 57 (2005) Heft 5, S. 4043.

Gerald Mackenthun, Alfred Adler – wie wir ihn kannten, Göttingen 2015.

Alfred Adler, Kindererziehung, Frankfurt a. M. 1976, S. 34 (zuerst New York 1930).

Vgl. Karl-Heinz Benkmann, »Schule«, in: Wörterbuch der Individualpsychologie, München/Basel 1985.

David Mitchell, What really works in Special and Inclusive Education? Using evidence-based teaching strategies, London 22014 (zusammengefasst von Rainer Dollase online: inklusion-als-problem.de/wp-content/uploads/2016/03/Mitchell-rezensiert-von-Dollase.pdf, Stand: 18.9.2019).

Günther Opp / Michael Fingerle, Was Kinder stärkt, München 32008, nach Hechler 2017.

Ewald Terhart (Hrsg.), Die Hattie-Studie in der Diskussion, Seelze 2014, S. 22 f. Vgl. auch E. T., »Visible Learning. A Synthesis of over 800 Meta-Analyses relating to Achievement«, in: Zeitschrift für Pädagogik (2011), Heft 1, online: www.pedocs.de/volltexte/2014/8711/pdf/ZfPaed_1_2011_Rezension_Terhart_Hattie_Visible_Learning.pdf (Stand: 19.9.2019).

Joachim Bauer, »Einfühlung, Zuwendung und pädagogische Führung«, in: Herrmann 2019. Vgl. auch J. B., »Reformpädagogik – Nähe – Distanz«, www.beltz.de/fachmedien/paedagogik/zeitschriften/paedagogik/themenschwerpunkte/reformpaedagogik_naehe_distanz.html (Stand: 19.9.2019).

Nicole Becker, »Achtung Zeitfenster! Die Grenzen der Neurodidaktik«, SWR 2 Wissen: Aula, 9.11.2008, www.swr.de/-/id=4023400/property=download/nid=660374/1ymvoer/swr2-wissen-20081109.pdf (Stand: 19.9.2019).

www.news4teachers.de/2017/05/mehr-als-zehn-jahre-nach-der-potsdamer-studie-zur-lehrergesundheit-zieht-ihr-leiter-ein-trauriges-fazit-vielerorts-zeichnet-sich-eine-ruecknahme-des-beruflichen-engagements-ab (Stand: 19.9.2019).

Joachim Bauer, »Die pädagogische Beziehung: Neurowissenschaften und Pädagogik im Dialog«. In: Herrmann 2019. Online: www.spes.co.at/fileadmin/Downloads/FamAK/Fachtagung_elter-bildung_2017/Prof._Dr._Joachim_Bauer__Hauptreferat.pdf (Stand: 19.9.2019).

Rotter, Carolin / Schülke, Carsten / Bressler, Christoph (Hrsg.), Lehrerhandeln – eine Frage der Haltung?, Weinheim/Basel 2019.

Mathias Greffrath, »Das Tier, das ›Wir‹ sagt«, in: Die Zeit, Nr. 16, 8.4.2009.

Karl-Oswald Bauer, »Lehrer-Schüler-Interaktion im Kontext von Schulentwicklung«, in: Martin K. W. Schweer (Hrsg.), Lehrer-Schüler-Interaktion, Wiesbaden 2016.

Jochen Krautz, »Pädagogik als téchne, der Lehrer als artifex«, in: Björn Blankenheim (Hrsg.), Kunstlehre/Lehrkunst. Kunstlehre als Paradigma von Bildung, Erziehung und Vermittlung, München 2019.

Reinhold Miller, »Förderliche Beziehungen«, in: Herrmann 2019.

Vgl. Pressemitteilung der Uni Bonn vom 10.9.2018: www.uni-bonn.de/neues/237-2018 (Stand: 5.11.2019).

René Walcher, »Die Feedbackhypothese. Hattie’s Faktor Feedback und guter Unterricht« (2016), walcher1.magix.net/index_htm_files/die%20feedbackhypothese%20c.pdf (Stand: 19.9.2019). – Mit Genehmigung von René Walcher, Wil (Schweiz).

Jacob S. Kounin, Techniken der Klassenführung, Bern 1976, Reprint: Münster / New York 2006.

Zusammenfassung online: studienseminar.rlp.de/fileadmin/user_upload/studienseminar.rlp.de/gy-ko/Pflichtmodule_19-21/05_Lehrerrolle_II_-_02.09.2019/02_Kounin_Ansatz_komplett.pdf (Stand: 20.9.2019). Weiterer Überblick zum Thema: www.face-freiburg.de/wp-content/uploads/2018/07/Classroom-Management-FACE-PH-Freiburg-Dez-2016-Pb.pdf (Stand: 20.9.2019).

Salzmann 2015, S. 7; online: gutenberg.spiegel.de/buch/ameisenbuchlein-3436/3 (Stand: 5.11.2019).

Vgl. Peter Berger, Burnout in der Psychotherapie, Bad Zwesten 2006; online: www.wicker.de/fileadmin/user_upload/HWK_2_Hardtwaldklinik_2/Downloads/Burnout-in-der-Psychotherapie-Burnout-was-ist-das.pdf (Stand: 5.11.2019).

Vgl. Marita Brune, »Sascha spricht nicht«, In: Zeit-Fragen, Nr. 15 (2019), online: www.zeit-fragen.ch/de/ausgaben/2019/nr-15-2-juli-2019/sascha-spricht-nicht.html (Stand: 20.9.2019).

Vgl. Dieter Eicke (Hrsg.), Tiefenpsychologie, Weinheim/Basel 1982 (Psychologie des 20. Jahrhunderts, Bd. 4).

Wichtiges Arbeitsmittel dazu: Françoise Alsaker, Mutig gegen Mobbing in Kindergarten und Schule, Bern [u. a.] 2012. Übersicht online: www.socialnet.de/rezensionen/13135.php (Stand: 9.12.2019).

Rainer Werner, »Den Klassenverband preiszugeben, ist eine pädagogische Ursünde«, in: Welt, 13. März 2018. Online: www.welt.de/debatte/kommentare/plus174510384/Bildung-Schueler-brauchen-ihre-Klasse-als-Heimat.html (Stand: 20.9.2019).

Alfons Simon, Verstehen und Helfen, München 1950, Neuausg.: Meilen 2015. Online: docplayer.org/130902787-Alfons-simon-verstehen-und-helfen.html (Stand: 9.12.2019).

Alfred Adler, Individualpsychologie in der Schule [1929], Frankfurt a. M. 71996, S. 51.

Vgl. dazu auch die Übersicht des Schweizer Pädagogen Arthur Brühlmeier: www.bruehlmeier.info/adler.htm (Stand: 24.9.2019).

Alfons Simon, Verstehen und Helfen, München 1950, Neuausg. Meilen 2015. Online: docplayer.org/130902787-Alfons-simon-verstehen-und-helfen.html (Stand: 9.12.2019).

Elsbeth Stern, »Wie viel Hirn braucht die Schule?«, in: Zeitschrift für Pädagogik 50 (2004) Heft 4. Online: www.pedocs.de/volltexte/2011/4826/pdf/ZfPaed_2004_4_Stern_Wie_viel_Hirn_braucht_die_Schule_D_A.pdf (Stand: 24.9.2019).

Vgl. zu Letzterem auch: Olaf Meurer, »Lehrperson werden und sein«, in: Martin K. W. Schweer (Hrsg.), Lehrer-Schüler-Interaktion, Wiesbaden 2016.

Unterrichtsdiagnostik mit EMU, www.unterrichtsdiagnostik.info (Stand: 24.9.2019). Vgl. auch Anhang S. 108.

Georg Gnandt, »Fallvignettenarbeit in der Ausbildung«, in: Seminar 4 (2013). Online: plaz.uni-paderborn.de/fileadmin/plaz/Fort-_und_Weiterbildungsangebote/Tagungen/Materialien_zur_Expertentagung/WS15_Fallvignettenarbeit.pdf (Stand: 24.9.2019).

Ulrike Starker / Margarete Imhof, »›Komplexitätsmanagement‹ in der Lehramtsausbildung: das Planspiel ›Schulalltag‹ und dessen Evaluation«, in: Michael Krämer / Ulrich Weger / Michaela Zupanic (Hrsg.), Psychologiedidaktik und Evaluation X, Aachen 2014, S. 327–332. Online: www.psycharchives.org/handle/20.500.12034/783 (Stand: 9.12.2019).

Vgl. dazu etwa Frank Lipowsky / Daniela Rzejak, »Lehrerfortbildungen lernwirksam gestalten«, in: ZfL-Magazin 1/2015. Online: www.uni-muenster.de/imperia/md/content/lehrerbildung/daszfl/zfl_magazin_web.pdf (Stand: 24.9.2019).

Christoph Schneider, »Kann man Beziehungsgestaltung lernen?«, in: Herrmann 2019.

Dokumentiert z. B. in SchulVerwaltung spezial 19 (2017) Nr. 4: »›Endlich mal ein pädagogischer Tag, der was nützt!‹ Schulleitung – der verkannte Impulsgeber für mehr Unterrichtsqualität«.

Vgl. etwa Jörg Schlee, Kollegiale Beratung und Supervision für pädagogische Berufe, Stuttgart 42019.

Vgl. die öffentlichen Lehrberatungen Alfred Adlers in Wien, beschrieben etwa in: Edward Hoffman, Alfred Adler. Ein Leben für die Individualpsychologie, München/Basel 1997.

Etwa Wilfried Datler, »Tiefenpsychologische Lehrerfortbildung in Wien«, in: Zeitschrift für Individualpsychologie 14 (1989). Online: www.univie.ac.at/bildungswissenschaft/papaed/seiten/datler/Artikel/36_Tiefenpsychologische_Lehrerfortbildung_in_Wien.pdf (Stand: 25.9.2019).

Johann Matthias Gesner [1738], in: Bach-Dokumente, Bd. 2, hrsg. von Werner Neumann und Hans-Joachim Schulze, Kassel 1969, Nr. 432.

Salzmann 2015, S. 73. Online: https://gutenberg.spiegel.de/buch/ameisenbuchlein-3436/6 (Stand: 5.11.2019).

Prolog

DER INTERESSIERTE
Das glauben Sie doch selbst nicht, dass die zwischenmenschliche Beziehung – überhaupt: was für ein unpräziser Begriff? – den Kern des Unterrichtsgeschehens ausmacht!

DER KUNDIGE
Warum fragen Sie denn so aufgeregt, ist etwas passiert?

DER INTERESSIERTE
Na ja, wenn Ihre Auffassung zuträfe, läge die schulische Verantwortung ja noch stärker bei den Lehrern …

DER KUNDIGE
Sie haben recht, vom Handeln jeden Lehrers hängt enorm viel ab – Tag für Tag. Von dem der Bildungspolitiker natürlich auch.

DER INTERESSIERTE
Und es soll gar keine Bedeutung haben, nach welchen Methoden unterrichtet wird?

DER KUNDIGE
Das habe ich niemals gesagt.

DER INTERESSIERTE
Aber was ist mit der Klassengröße – die spielt Ihrer Meinung nach wohl auch keine Rolle?

DER KUNDIGE
Tatsächlich lassen sich große Klassen durchaus sinnvoll unterrichten. Mit kleineren Lerngruppen ist es für alle Beteiligten jedoch meist befriedigender – und manchmal auch ergiebiger.

DER INTERESSIERTE
Ich weiß nicht. Und überhaupt: Lehrerpersönlichkeit, pädagogische Emotionen – das kommt doch sicher auch in der Lehrerausbildung vor.

DER KUNDIGE
Sie werden sich wundern: nur am Rande.

DER INTERESSIERTE
Na ja, aber demnächst läuft ja ohnehin alles digital.

DER KUNDIGE
Gewiss, Technologien können wunderbare Hilfsmittel sein. Aber Entwicklungswunder vollbringen, das vermögen nur lebendige Menschen – z. B. Lehrer, die mit ihren Schülern intensiv in Beziehung sind.

DER INTERESSIERTE
Aber was meinen Sie denn eigentlich damit, »intensiv in Beziehung sein«?

DER KUNDIGE
Wollen wir uns für diese Frage ein wenig Zeit nehmen?

1

Wieder im Fokus: Lehrer-Schüler-Beziehung

Unterricht ist Beziehungssache – so der Inhalt dieses Büchleins, in drei Worten zusammengefasst. Gemeint ist: Ob Schüler beim Lernen gut vorankommen, ob Lehrer auch nach Jahrzehnten noch gerne unterrichten, das hängt ganz wesentlich von der Güte der Lehrer-Schüler-Beziehung ab.1

Natürlich ist Unterrichtsqualität auch eine Frage unterrichtlicher Methodik (ob und wie Lehrer den Lernprozess strukturieren) und schulischer Ressourcen (ob es also genug Lehrkräfte und angemessene Räumlichkeiten gibt). Mit dem Topos ›pädagogische Beziehung‹ beleuchtet dieses Büchlein indes eine bislang unterschätzte, dabei höchst bedeutsame Seite der Unterrichtskunst – man könnte getrost vom Kern schulischen Lernens, ja einem Schlüsselbegriff für unterrichtliches Gelingen sprechen.

Landläufig ist der Einfluss des Beziehungshaften im Unterricht eigentlich kein Geheimnis. Wünschten Eltern sonst ihren Kindern zur Einschulung in Zeitungsannoncen »viel Glück mit den Lehrern«? Würden junge Pädagogen sonst im Lehrer-Chat einander empfehlen, jenseits aller Methodik sei es das Wichtigste, dass man einen guten Draht zu seinen Schülern bekomme? Gäbe es sonst in der Literatur – neben den geläufigen Bildern skurriler oder drangsalierender Lehrergestalten – eine Vielzahl von Darstellungen ebenso einfühlsam wie zielstrebig agierender Pädagogen? Man denke nur an Albert Camus’ ausführliche Schilderung seines ersten Lehrers in der algerischen Volksschule, in dem stark autobiografisch geprägten, unvollendet gebliebenen Roman Der erste Mensch. Oder an die emanzipierende Figur des Dorfschulmeisters in Tschingis Aitmatovs Der erste Lehrer.

Auch im Genre Film wird das Thema pädagogische Beziehung immer wieder ausgeleuchtet. So entführt die französische Doku Sein und Haben (Être et avoir, 2002) in den Alltag einer einklassigen Dorfschule in der Auvergne, in die geduldige Arbeit eines alten Lehrers mit einem Dutzend Kinder. Kein Medienzauber, kein Methodenkarussell, stattdessen schulpädagogische Beziehungshaftigkeit pur: viel Verlässlichkeit, große Übersichtlichkeit, ein wenig Freiheit, genügend Ordnung – eine wohldosierte Mischung aus Respekt, Ernsthaftigkeit und guter Laune. Für diesen Lehrer ist jedes der Kinder ein unverwechselbares Einzelnes, den Kindern ist er ein wahrhaft »bedeutungsvoller Erwachsener« (Bruno Bettelheim). Ebenfalls höchst eindrucksvoll: Rhythm is it! (2004), die Aufzeichnung und Reflexion der Probenarbeit von Berliner Hauptschülern für eine anspruchsvolle klassische Ballettaufführung. Der gleichermaßen humorvolle wie strenge Tanzpädagoge Royston Maldoom lässt die Jugendlichen bisherige Grenzen überschreiten und Ansätze zu einem neuen Selbstbewusstsein aufkeimen.

Dieser Band will den Beziehungsaspekt schulischen Lehrens und Lernens in drei Schritten breiter ergründen und in seiner Reichhaltigkeit entfalten. Nicht, um den Lehrer mit einer weiteren Zusatzaufgabe zu befrachten – sondern um sein Wirken zu erleichtern und ergiebiger zu machen. Denn ›Beziehung‹ bleibt auch in Zeiten fortschreitender Digitalisierung ein Zentralschlüssel für Bildung.

Zunächst wird dargelegt, welche Befunde von Seiten der Wissenschaft dazu vorliegen. Ein weiter Bogen spannt sich von der frühen Stimme des Renaissance-Gelehrten Erasmus von Rotterdam (»Der erste Schritt zum Lernen ist die Liebe zum Lehrer«) über das zeitgenössische Diktum des Neurowissenschaftlers Joachim Bauer (»Der Mensch ist für den anderen Menschen die Motivationsdroge Nummer Eins«) bis hin zum empirischen Unterrichtsforscher John Hattie (»Die Lehrer-Schüler-Beziehung gehört zu den wirkungsmächtigsten Einflüssen auf die Lernleistung von Schülern«). Deutlich wird in den Forschungsbeiträgen auch, dass das Beziehungsklima nicht nur anreizförderliche oder gar outputsteigernde Aspekte hat, sondern auch eine störungspräventive Komponente. So riet Alfred Adler, Begründer der tiefenpsychologischen Individualpsychologie: »Man kommt weiter, wenn man nicht mit den Kindern kämpft, sondern ihre Muster wohlwollend durchschaut – und ihre Energie in nützliche Bahnen lenkt.« Ganz allgemein geht es aber auch um eine sensiblere Wahrnehmung und humanere Gestaltung der zwischenmenschlichen Grundlage von Lehren und Lernen.