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Franjo Grotenhermen

Die Behandlung
mit Cannabis

Medizinische Möglichkeiten, rechtliche Lage, Rezepte und Praxistipps

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Verlegt durch:

Nachtschatten Verlag AG

Kronengasse 11

CH-4500 Solothurn

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© 2019 Nachtschatten Verlag AG

© 2019 Franjo Grotenhermen

8. aktualisierte und überarbeitete Neuauflage des 2006 erstmals erschienenen Titels:

Grotenhermen F., und Reckendrees B., Die Behandlung mit Cannabis und THC

Lektorat: Markus Berger

Korrektorat: Jutta Berger, Caro Lynn von Ow, Inga Streblow

Umschlaggestaltung: Sven Sannwald

Layout: Sven Sannwald, Nina Seiler

Druck: Druckerei & Verlag Steinmeier GmbH, Nördlingen

Printed in Germany

ISBN 978-3-03788-579-6

eISBN 978-3-03788-602-1

Nachdruck und sonstige Reproduktion nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages

Inhalt

Vorwort

Mein erster Arztbesuch – Eine Einführung für Patienten und deren Angehörige

Grundsätzliches

Arztgruppen

Erfahrene Ärzte

Erfahrene Ärzte, die nur Dronabinol und Sativex® verschreiben

Unerfahrene Ärzte, die offen für die Thematik sind

Unerfahrene Ärzte, die eine Therapie mit Cannabismedikamenten grundsätzlich ablehnen

Recht

Zulässigkeit der Verschreibung

Voraussetzungen für eine Kostenübernahme

THC, Nabilon, CBD

Verschreibungshöchstmengen

Medizin

Wirksamkeit

Verträglichkeit

Einnahmemöglichkeiten

Dosierung

Wechselwirkungen

Therapie mit Cannabis: Die wichtigsten Vor- und Nachteile

Die wichtigsten Vorteile auf einen Blick

Die wichtigsten Nachteile auf einen Blick

Welche Cannabisprodukte können medizinisch verwendet werden?

Cannabis und Cannabinoide – eine Einführung

Ganzpflanzenprodukte und isolierte Cannabinoide

Medizinische Wirkungen von Cannabis und THC

Hintergrund: Das breite Wirkungsspektrum von Cannabis und THC

Medizinische Wirkungen von CBD (Cannabidiol)

Rechtliche Lage

Die rechtliche Situation in Deutschland

Zulässigkeit der Verschreibung

Kostenübernahme durch die Krankenkasse

Begleiterhebung

Rechtliche Lage in der Schweiz

Rechtliche Lage in Österreich

Arzt-Patient-Beziehung

Was darf der Arzt?

Ärztliche Schweigepflicht

Möglichkeiten der Einnahme von Cannabisprodukten

Einnahme natürlicher Cannabisprodukte

Inhalation natürlicher Cannabisprodukte

Orale Einnahme von natürlichen Cannabisprodukten

Einnahme von Fertigarzneimitteln

Dosierung und Dosisfindung

Dosisfindung

Dosierung von THC-Präparaten

Dosierung bei verschiedenen Erkrankungen

Toleranzentwicklung

Überdosierung

Nebenwirkungen

Akute Nebenwirkungen

Akute psychische Nebenwirkungen

Akute körperliche Nebenwirkungen

Langzeitnebenwirkungen

Einfluss auf Psyche und Denken

Abhängigkeit

Immunsystem

Hormonsystem

Cannabiseinnahme während der Schwangerschaft

Risiken des Rauchens

Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten

Wichtige Wechselwirkungen

Übersicht über die wichtigsten Wechselwirkungen

Ungünstige Kombinationen mit Cannabisprodukten

Cannabis, Fahrtüchtigkeit und Fahreignung

Medizinische Verwendung von Cannabismedikamenten

Überprüfung der Fahreignung bei medizinischer Verwendung

Ärztliches Gutachten oder MPU (Medizinisch-Psychologische Untersuchung)

Informationen durch den behandelnden Arzt

Mögliche Fragestellungen durch die Fahrerlaubnisbehörde

Fahreignung

Fahruntüchtigkeit

Ärztliches Attest

Missbräuchliche Medikamenteneinnahme

Nachweis des THC-Konsums

Cannabiskonsum und Arbeitsplatz

Praxis im Umgang mit Cannabis am Arbeitsplatz

Drogentests

Beamtenrecht

Kündigung bei Pflichtverletzung

Cannabisanbau und Lagerung

Rechtliche Grundlagen des Cannabisanbaus

Anbaumöglichkeiten

Pflanzenanzucht mit Samen

Cannabiszucht mit Stecklingen

Ernte

Lagerung

Anhang

Zum Thema Eigenanbau

Zum Kapitel »Kostenübernahme von Cannabinoiden durch die Krankenkassen«

Zum Kapitel »Möglichkeiten der Einnahme von Cannabisprodukten«

Zum Kapitel »Cannabis, Fahrtüchtigkeit und Fahreignung«

Abkürzungsverzeichnis

Definitionen und Erläuterungen

Weiterführende Literatur

Adressen

Über den Autor

Vorwort

Cannabis ist kein Schmerzmittel. Es ist ein bekannter Irrtum, dass Cannabis ein Schmerzmittel sei, vor allem unter Schmerztherapeuten, aber auch in der Öffentlichkeit. Das ist jedoch nicht der Fall; aus zwei Gründen. Zum einen wirkt es bei Schmerzen leider häufig nicht. Und zum anderen kann es bei so vielen verschiedenen Erkrankungen hilfreich sein, dass man es unmöglich auf seine schmerzstillenden Eigenschaften reduzieren kann.

Gemäß der Deutschen Schmerzliga leiden etwa 5 Millionen Deutsche unter schwer zu behandelnden Schmerzen. Gemäß klinischer Studien mit einzelnen Cannabinoiden oder Zubereitungen der ganzen Cannabispflanze bei Patienten mit schweren Schmerzerkrankungen profitiert etwa jeder dritte oder jeder fünfte Teilnehmer gut von einer Therapie mit Cannabismedikamenten. Gehen wir von einem geringen Anteil von 20 Prozent aus, so würden eine Million Deutsche von einer Therapie mit THC-haltigen Cannabisprodukten gut bis sehr gut profitieren. Der Vergleich mit der realen Versorgungssituation in Deutschland, Österreich und der Schweiz zeigt eindrucksvoll, dass es eine eklatante Unterversorgung der Bevölkerung mit Cannabismedikamenten gibt.

Hinzu kommen Patienten mit neurologischen Erkrankungen, mit psychiatrischen Erkrankungen, mit chronisch-entzündlichen Erkrankungen, mit Appetitlosigkeit und Übelkeit aufgrund unterschiedlicher Ursachen und mit vielen weiteren Erkrankungen, die oft nicht auf Standardtherapien ansprechen, die aber zum Teil durch Cannabinoide gelindert werden können.

Durch das Cannabis-als-Medizin-Gesetz, das am 10. März 2017 in Deutschland in Kraft trat, wurde die Verschreibung von Medizinalcannabisblüten und daraus hergestellten Extrakten durch jeden Arzt und jede Ärztin möglich gemacht. Unter bestimmten Voraussetzungen müssen auch die Kosten für eine solche Therapie von den Krankenkassen erstattet werden. Das gilt auch für andere Cannabismedikamente wie reines THC (Dronabinol) sowie die beiden arzneimittelrechtlich zugelassenen Präparate Sativex® und Canemes®.

Die gegenwärtige Situation wirft viele Fragen auf. Wann dürfen Medikamente auf Cannabisbasis verschrieben werden? Welche Mittel können eingesetzt werden? Wie können Cannabispräparate eingenommen werden? Was muss in der schriftlichen Dosierungsanleitung stehen? Was muss bei einem Kostenübernahmeantrag an die Krankenkasse beachtet werden? Wie sieht die rechtliche Lage bei der Verwendung von Cannabismedikamenten im Zusammenhang mit der Teilnahme am Straßenverkehr oder am Arbeitsplatz aus? Dieses Buch soll dabei helfen, diese und weitere Fragen, die sich im Zusammenhang mit einer Cannabistherapie ergeben können, zu beantworten.

Es richtet sich vor allem an Patienten, die sich auf einen Arztbesuch vorbereiten möchten. Viele Ärzte kennen sich mit der Thematik nicht gut aus, sodass es ihnen leichter fällt, wenn sie einem informierten Patienten gegenübersitzen, der bereit ist, wichtige Fragen für sie zu recherchieren und zu klären und den eigenen bürokratischen Aufwand, der mit einer solchen Therapie verbunden ist, durch eigene Vorarbeit zu reduzieren.

Viele Inhalte des Buches basieren auf dem Buch Die Behandlung mit Cannabis und THC, das ich mit Dr. Britta Reckendrees verfasst hatte. Es ist jedoch mittlerweile nicht nur durch die rechtlichen Entwicklungen, sondern auch durch Entwicklungen im Bereich der Forschung überholt. So hat CBD (Cannabidiol), ein zweites Cannabinoid der Cannabispflanze mit einem bemerkenswerten therapeutischen Potenzial, in den letzten Jahren deutlich an Aufmerksamkeit gewonnen. Nicht nur CBD, sondern auch dem Thema »Cannabis gegen Krebs« habe ich daher in den vergangenen Jahren separate Bücher gewidmet.

Dieses Buch befasst sich weniger mit den verschiedenen Einsatzmöglichkeiten von Cannabis und Cannabinoiden, sondern konzentriert sich auf praktische Fragen der medizinischen Nutzung. Ich hoffe, es wird Ihnen helfen, die Antworten zu bekommen, nach denen Sie suchen, und die Therapie zu erhalten, die Sie benötigen.

Dr. med. Franjo Grotenhermen
Steinheim, im September 2019

Mein erster Arztbesuch – Eine Einführung für Patienten und deren Angehörige

Viele Patienten, die ihren Arzt auf eine Medikation mit Cannabismedikamenten ansprechen, erfahren eine Ablehnung. Das kann verschiedene Gründe haben. Viele Ärzte sind grundsätzlich nicht bereit zu einer solchen Therapie, weil sie Cannabis für wirkungslos oder für eine gefährliche Droge, die nicht therapeutisch verwendet werden sollte, halten. Es gibt jedoch auch viele Ärzte, die für eine Therapie gewonnen werden könnten, sich bisher allerdings kaum damit befasst haben. In diesen Fällen kommt es auch darauf an, wie sie von ihren Patienten auf das Thema angesprochen werden. Einige Tipps können helfen, grundlegende Fehler beim ersten Arztbesuch zu vermeiden.

Grundsätzliches

Sie können nicht davon ausgehen, dass Ihr Arzt sich mit dem Thema bereits gut auskennt. Eine Therapie mit Cannabismedikamenten ist zwar nicht kompliziert, wenn man einige grundlegende Dinge beachtet, aber die meisten Ärzte verfügen nicht über dieses grundlegende Wissen. Zwar ist eine zunehmende Zahl von Ärzten offen für das Thema, es sind aber leider bisher zu wenige.

Um Ihre Chancen zu verbessern, sollten Sie sich vor Ihrem Arztbesuch vor allem sehr gut informieren, damit Sie alle möglichen aufkommenden Fragen beantworten können und Ihr Arzt ein Stück seiner Unsicherheit verliert, wenn er erstmalig eine solche Therapie durchführt. Es ist wichtig, dass Sie zum Experten werden.

Es ist zudem hilfreich, wenn Sie sich in die Lage Ihres Arztes hineinversetzen, der möglicherweise wenig Zeit hat, sich in die Thematik einzuarbeiten, und für den eine solche Therapie aufgrund des Zeitaufwandes für die Begleiterhebung durch die Bundesopiumstelle und den notwendigen Kostenübernahmeantrag bei der Krankenkasse nicht attraktiv ist.

Arztgruppen

Grundsätzlich kann man aus Patientensicht vier Arztgruppen unterscheiden:

• Erfahrene Ärzte, die bereits Patienten mit Cannabismedikamenten behandeln und Erfahrungen mit unterschiedlichen Cannabismedikamenten (Fertigpräparate, Dronabinol, Extrakte, Cannabisblüten) haben.

• Erfahrene Ärzte, die eine Therapie mit Dronabinol und Fertigpräparaten bevorzugen, weil einige Ärzteverbände Ärzten nahelegen, sich darauf zu konzentrieren und zu beschränken oder weil die Inhalation von Cannabisblüten zu stark mit dem Freizeitkonsum assoziiert wird und eine Therapie mit Cannabisblüten und eventuell auch daraus hergestellten Extrakten grundsätzlich ablehnen.

• Unerfahrene Ärzte, die grundsätzlich für eine Therapie offen wären, sich bisher allerdings kaum oder nicht mit der Thematik befasst haben und nicht so recht wissen, wie sie eine Verschreibung und einen Kostenübernahmeantrag angehen können.

• Unerfahrene Ärzte, die eine Therapie mit Cannabis grundsätzlich ablehnen und auch kaum von ihrer Haltung abzubringen sind.

Erfahrene Ärzte

Bei erfahrenen Ärzten geht es meistens im Wesentlichen darum, ob aus rechtlicher Sicht eine Therapie mit Cannabismedikamenten erlaubt ist (nach § 13 Betäubungmittelgesetz), welches Präparat oder welche Präparate auf welche Art und Weise in welcher Dosis eingenommen werden sollten, und ob ein Antrag auf eine Kostenübernahme bei Kassenpatienten nach § 31 Abs. 6 SGB V Erfolg haben könnte. Bei Privatpatienten gibt es andere Grundlagen für die Kostenübernahme. Grundsätzlich sind die Bedingungen bei den privaten Versicherungen aber ähnlich.

Praxistipps

• Auch wenn Sie selbst viel Erfahrung haben, respektieren Sie, dass auch Ihr Arzt Erfahrungen mit der Thematik gewonnen hat. Er entscheidet letztlich, wie die Behandlung laufen wird und welche Präparate eingesetzt werden sollen. Jede Besserwisserei ist fehl am Platze. Es sollte darum gehen, einen gemeinsamen guten Weg zu finden.

• Bereiten Sie sich gut auf den Termin vor. Zeigen Sie Ihrem Arzt, dass Sie ihm Arbeit bei einem Kostenübernahmeantrag abnehmen werden, indem Sie beispielsweise ausführlich bisherige Therapieverfahren aufgelistet haben, von wann bis wann diese durchgeführt wurden, bei welchem Arzt, in welcher Dosierung, mit welchen Wirkungen und welchen Nebenwirkungen. Suchen Sie die wichtigsten bisherigen Arztberichte heraus, die Ihre Angaben belegen.

Erfahrene Ärzte, die nur Dronabinol und Sativex® verschreiben

Bei erfahrenen Ärzten, die nur Dronabinol und Sativex® und eventuell auch standardisierte Extrakte verschreiben, kann es nicht selten zu Konflikten kommen, wenn Sie bisher Cannabisblüten verwendet haben. Da 1 g Cannabisblüten mit einem THC-Gehalt von 20 %, entsprechend 200 mg Dronabinol / THC, nicht durch 10 oder 20 mg reines Dronabinol ersetzt werden können, stellen viele Patienten fest, dass Dronabinol oder Sativex® nicht so wirksam sind wie die Cannabisblüten. Dies liegt häufig an einer Unterdosierung und nicht grundsätzlich an einer schlechteren Wirksamkeit der oralen Präparate.

Praxistipp

• Informieren Sie sich, welche Präparate, bezogen auf den THC-Gehalt, am günstigsten sind. Eine kurze Übersicht findet sich beispielsweise im ACM-Magazin der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin, aber auch in Büchern für Ärzte, die Sie Ihrem Arzt zeigen können. Am günstigsten sind Cannabisblüten. Ein möglicher Kompromiss könnte darin bestehen, dass Ihr Arzt Ihnen Extrakte aus solchen Cannabisblüten verschreibt. Einige Apotheken stellen solche Extrakte selbst her. Sie sind deutlich günstiger als Dronabinol und Fertigextrakte bei gleich guter Dosierbarkeit und häufig besserer Verträglichkeit. Sie werden ebenfalls oral eingenommen, sind allerdings teurer als Cannabisblüten.

Unerfahrene Ärzte, die offen für die Thematik sind

Aus ärztlicher Sicht stellt sich das Thema anders dar als aus Patientensicht. Eine Therapie mit Cannabismedikamenten ist für Ärzte grundsätzlich nicht besonders attraktiv. Man muss sich in die Thematik einarbeiten, hat einiges an bürokratischem Aufwand zu bewältigen und ist zudem von einem möglichen Regress (Strafzahlung bei unwirtschaftlicher Verschreibung) bedroht.

Wenn Patienten berichten, dass sie bereits 50 Ärzte angerufen haben mit der Frage, ob diese grundsätzlich bereit sind, eine Therapie mit Cannabis durchzuführen, bedeutet dies auf der anderen Seite, dass viele Ärzte von vielen Patienten angerufen wurden, die ohne sich bei ihnen vorgestellt zu haben, gleich mit der Tür ins Haus fallen und nach einer Cannabistherapie fragen. Viele Ärzte haben daher ihre Sprechstundenhilfen angewiesen, solche Patienten gleich abzuweisen.

Praxistipps

• Klären Sie nicht telefonisch ab, ob ein Arzt eine Cannabistherapie durchführt, wenn Sie nicht wissen, dass er diese auch durchführt. Sie bekommen sonst sofort eine Anzahl von Absagen. Es macht wenig Sinn, viele Ärzte in kurzer Zeit zu kontaktieren. Es ist immer am besten, das Thema bei dem Arzt anzusprechen, der Sie schon länger kennt. Wenn Sie einen neuen Arzt suchen, geben Sie ihm Gelegenheit, Ihr Krankheitsbild kennenzulernen, und akzeptieren Sie, dass er mit ihnen zunächst Standardtherapien durchführen möchte. Der Hinweis, pharmazeutische Präparate grundsätzlich abzulehnen, ist weder aus ärztlicher Sicht noch juristisch (§ 13 Betäubungsmittelgesetz) ein Grund für eine Cannabis-Medikation.

• Zeigen Sie Ihrem Arzt, dass Sie sich gut vorbereitet haben. Sie sollten wissen, welche Präparate verschrieben werden können, wie ein Cannabismedikament auf einem Betäubungsmittelrezept verordnet wird, wie eine Dosierungsanleitung für Medikamente auf Cannabisbasis aussieht und wie ein Kostenübernahmeantrag bei der Krankenkasse abläuft. Seien Sie auf alle möglichen Fragen vorbereitet, wie beispielsweise das Risiko für eine Abhängigkeit, für die Entwicklung einer Psychose oder die Regeln für die Teilnahme am Straßenverkehr für Cannabispatienten. Machen Sie deutlich, dass Sie Ihrem Arzt die Hauptarbeit bei einer Kostenübernahme abnehmen, indem Sie darauf hinweisen, dass Sie alle Fragen, die im Arztfragebogen beantwortet werden müssen, etwa hinsichtlich der bereits durchgeführten Standardtherapien, in Ihren Worten vorbereiten werden, sodass der Aufwand für Ihren Arzt möglichst niedrig ist.

Unerfahrene Ärzte, die eine Therapie mit Cannabismedikamenten grundsätzlich ablehnen

Mögliche Gründe für eine grundlegende Ablehnung einer Therapie mit Medikamenten auf Cannabisbasis durch Ärzte sind vielfältig. Die häufigsten Gründe sind eine grundlegende Ablehnung einer solchen Behandlung, da die Studienlage bei vielen Indikationen schlecht ist oder Cannabis als sehr gefährliche Substanz betrachtet wird, die Psychosen auslöst und Abhängigkeit verursacht. Diese Ablehnung kann so weit gehen, dass einige Ärzte davon ausgehen, dass Cannabis keinen therapeutischen Wert besitzt und die meisten Patienten nur ihren Freizeitkonsum legalisieren möchten. Andere Gründe sind der bürokratische Aufwand und mögliche spätere Regressforderungen, die Sorge, in der Stadt als Cannabisarzt bekannt zu werden und damit nicht nur viele weitere Patienten anzuziehen, sondern auch einen schlechten Ruf zu bekommen.

Praxistipp

image Falls überhaupt ein Gespräch möglich ist, versuchen Sie herauszubekommen, welche Gründe der Ablehnung bei Ihrem Arzt vorliegen. Wenn er beispielsweise Angst davor hat, als Cannabisarzt bekannt zu werden, weisen Sie darauf hin, dass sie seine Behandlung für sich behalten und das Medikament in einer Apotheke aus einem anderen Ort bestellen werden.

Wenn Ihr Hausarzt oder der bisherige Arzt eine Therapie grundsätzlich ablehnen, kann sich dies möglicherweise im Laufe der Zeit verändern. In allen Ländern, in denen die medizinische Verwendung von Cannabis legalisiert wurde (Kanada, Niederlande, Israel etc.) war es zu Beginn immer nur eine kleine Zahl von Ärzten, die zu solch einer Therapie bereit waren. In allen Ländern hat diese Zahl dann langsam zugenommen. Häufig benötigt man viel Geduld, bevor vielleicht doch eine Offenheit entsteht.

Recht

Zulässigkeit der Verschreibung

Wann dürfen Cannabismedikamente verschrieben werden? Cannabisbasierte Medikamente befinden sich in der Anlage 3 des Betäubungsmittelgesetzes. Betäubungsmittel dürfen nach § 13 BtMG verschrieben werden, wenn »ihre Anwendung … begründet ist. Die Anwendung ist insbesondere dann nicht begründet, wenn der beabsichtigte Zweck auf andere Weise erreicht werden kann.«

Praxistipps

image Dies bedeutet grundsätzlich, dass Betäubungsmittel keine Mittel der ersten Wahl sein können, es sei denn, dass mögliche Alternativen im konkreten Fall mit einer ungünstigeren Risiko-Nutzen-Bewertung einhergehen. Dabei kann auch das langzeitige Risiko-Nutzen-Profil Berücksichtigung finden. So kann die Anwendung begründet sein, obwohl schwache Opioide (Tramadol, Tilidin®) – aufgrund ihres Abhängigkeitspotenzials –, Biologika – aufgrund ihrer potentiell tödlichen Nebenwirkungen – oder Neuroleptika – aufgrund ihrer möglichen motorischen Nebenwirkungen – zur Verfügung stehen. Es macht daher keinen Sinn, damit zu argumentieren, dass Sie bestimmte Medikamente, die bei Ihrer Erkrankung grundsätzlich zum Einsatz kommen könnten, prinzipiell ablehnen. Ihr Arzt darf Ihnen Cannabismedikamente nur verschreiben, wenn ihr Einsatz medizinisch begründet ist. Haben Sie schon genug Standardtherapien ausprobiert, die unzureichend wirksam oder mit ausgeprägten Nebenwirkungen verbunden sind?

image Informieren Sie sich genau über die Rechtslage, die an anderer Stelle in diesem Buch noch ausführlicher dargestellt wird, damit Ihr Arzt sicher sein kann, nicht gegen das Betäubungsmittelgesetz zu verstoßen.

Voraussetzungen für eine Kostenübernahme

Wann müssen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten einer Therapie übernehmen? Die Zulässigkeit der Verschreibung nach § 13 BtMG ist nicht zu verwechseln mit den Vorgaben des § 31 Abs. 6 SGB V, die die Voraussetzungen für die Kostenübernahme regeln. Im Wesentlichen müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein: Es muss 1. eine schwere Erkrankung vorliegen, die 2. weitgehend austherapiert ist, und 3. eine begründete Aussicht auf Linderung bestehen.

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