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Markus Berger

Leben mit Cannabis

Entspannung, Rausch und Wohlbefinden mit Hanf

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Verlegt durch:

Nachtschatten Verlag AG

Kronengasse 11

CH-4500 Solothurn

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© 2019 Markus Berger

© 2019 Nachtschatten Verlag

Korrektorat: Jutta Berger, Inga Streblow

Umschlaggestaltung: Sven Sannwald, Lüterkofen

Lektorat und Layout: Nina Seiler, Zürich

Druck: Druckerei & Verlag Steinmeier, Deiningen

ISBN: 978-3-03788-583-3

eISBN: 978-3-03788-600-7

Alle Rechte der Verbreitung durch Funk, Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger jeder Art, elektronische digitale Medien und auszugsweiser Nachdruck nur unter Genehmigung des Verlags erlaubt.

Inhalt

Vorwort

Einführung

The Return of Cannabis: Vom Wandel innerhalb der weltweiten Cannabiskultur

Überblick: Was ist Cannabis?

Die unterschiedlichen Wirkweisen von Cannabisprodukten

Ist Cannabis eine Einstiegsdroge?

Weitere Cannabis-Mythen – und ihre Entlarvung

20 gute Gründe, Cannabis zu legalisieren

Cannabinoide & Co.: Die Cannabis-Wirkstoffe

Über die pflanzlichen Cannabinoide

Cannabiswirkstoffe im Wald und im Garten

Cannabinoide in uns! Über das Endocannabinoidsystem

Stoffkunde Cannabidiol (CBD)

Terpene im Cannabis

Verwendung von Cannabis

Haschisch, Liquid, BHO: Alles über Cannabis-Extrakte

ABC des Dabbings

Unglaubliche Hanf-Anwendungen

Cannabis zum Trinken

Psychoaktive Hanfkosmetik

Cannabis räuchern

Heilen mit Cannabis

Cannabismedizin: Von der Arznei zum Politikum – und zurück

WHO empfiehlt Neubewertung von Cannabis

Heile sich, wer kann!

Ist der Hanf ein exotisches Pharmakon?

Hanf für den Geist

Cannabis in der Homöopathie

Cannabis und Diabetes

Cannabis gegen Tinnitus

Patientenrecht und Cannabismedizin

Literatur

Dank

Über den Autor

Bildquellen

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Vorwort

Cannabis ist gesellschaftsfähig geworden. Um es etwas überspitzt (aber nicht etwa realitätsfern) zu formulieren, sind einige derjenigen Leute, die noch vor zwei, drei Jahren die Nase über Cannabisten rümpften und sie als »rauschgiftsüchtige Subjekte« brandmarkten, heute diejenigen, die im Supermarkt, in der Drogerie oder in der Apotheke nicht schnell genug sein können, alles zu kaufen, was ein Hanfblatt ziert. Ob Faserhanf-Tee aus dem Einkaufsladen oder CBD-Salbe aus dem Reformhaus – Hanf boomt und wird plötzlich in der Gesellschaft ganz anders wahrgenommen als bisher. Dies entbehrt nicht einer gewissen Ironie – ich nenne es den Cosmic Joke. Waren die mit dem Hanfblatt auf dem T-Shirt einst die »Underdogs«, die meist gut beraten waren, ihre hanfaffine Mode nicht überall öffentlich zu zeigen (denn das konnte und kann heute noch zu unschönem Kontakt mit den Ordnungshütern führen), tragen heute Kinder, Erwachsene und Senioren Hanfblätter auf Mützen, Jacken und T-Shirts sowie als Duftbäume im Auto.

Derweil legalisiert oder entkriminalisiert ein Land nach dem anderen Cannabis entweder zu therapeutischen Zwecken oder gar vollständig für den rekreativen Gebrauch. Sogar an deutschen Tankstellen können Volljährige heute CBD-Liquide für die E-Zigarette kaufen – in der Schweiz gibt es Hanfzigaretten und CBD-reiche Blüten sogar im Supermarkt, am Kiosk und sonstwo. Kein Tag vergeht, ohne dass die Mainstreammedien irgendeine hanfbezogene Meldung bringen, wobei der Duktus dem Cannabis gegenüber immer positiver wird – und normaler. Genau deshalb ist es Zeit für ein Lifestylebuch zum Thema. Weil die Akzeptanz heute eine ganz andere ist, als die, mit der wir groß geworden sind. Leben mit Cannabis beleuchtet möglichst viele Facetten der Cannabiskultur und bietet sowohl dem Neuling auf dem Gebiet wie auch dem erfahrenen Cannabisfreund hilfreiche Unterstützung, sich in die Hanfkunde einzulesen.

Der vorliegende Band über die in den Alltag eingebettete Cannabiskultur und über das Leben mit Cannabis ist gleichermaßen Sammelwerk wie literarische Collage. Die Kapitel und Abschnitte des Buches setzen sich dabei aus Texten zusammen, die im Lauf der letzten Jahre in verstreuten Publikationen, meist in Hanfperiodika, erschienen sind. Da in dieser schnelllebigen Zeit auch Printprodukte der gelebten Oberflächlichkeit zum Opfer fallen – sprich: Zeitschriftenartikel heute gelesen, morgen vergessen und übermorgen dem Altpapier anvertraut werden – habe ich mich entschieden, die zahlreichen Arbeiten, die ich über die Jahre recherchiert, verfasst und veröffentlicht habe, in einem Sammelband für die künftige Konsultation zu konservieren.

Als Enthusiast und leidenschaftlicher Sammler von Drogenliteratur tut es mir in der Seele weh, wenn literarische Arbeiten nach einmaliger Publikation vergessen werden und anschließend kaum noch greifbar sind. Vor den Zeiten des Internets pflegten viele Autoren noch ausführliche Bibliographien zu den einzelnen Teilgebieten der Psychoaktivakunde zusammenzutragen. Dies ist heute kaum mehr üblich, weil die Anzahl der publizierten Texte nicht mehr zu überschauen ist. So taucht nicht nur ein Cannabismagazin nach dem anderen auf dem internationalen Markt auf, um in vielen Fällen rasch wieder zu verschwinden, es springen überdies alle möglichen Verlage auf den Hanfzug auf und bedenken den (dennoch stagnierenden) Büchermarkt nahezu im Wochentakt mit neuen Bänden zum Thema. Die Möglichkeit, über Book-on-demand-Druck und kapitalistische Raubritter wie Amazon Bücher im Selbstverlag schnell und kostengünstig herauszubringen, wird ebenfalls immer mehr genutzt. Das macht es gerade dem Einsteiger schwer, einen Überblick über die Hanfliteratur zu gewinnen oder zu behalten. Denn bei selbstorganisierten Publikationen fehlt schlichtweg die prüfende Instanz, die Inhalt und Orthografie auf ihre Richtigkeit hin verifiziert. Das hat zur Folge, dass es immer mehr Veröffentlichungen gibt, deren Erwerb sich nicht lohnt, weil die darin präsentierten Inhalte nicht von Fachleuten stammen und im schlimmsten Fall einfach aus dem Internet zusammenkopiert wurden.

Wie dem auch sei, wir stehen kurz davor, mit Cannabis endlich wieder normal umgehen zu können und das gesamte damit verbundene Themengebiet aus der Schmuddelecke herauszuholen. Jede ernstzunehmende Publikation zum Thema fördert diese Entwicklung. Möge diese kleine Schrift dazu beitragen, das Schreckgespenst Cannabis zu entmystifizieren, um damit der fehlgeleiteten wie auch komplett gescheiterten Drogenpolitik auf Dauer das Fundament zu entziehen. Wir sind auf dem richtigen Weg.

Markus Berger, Felsberg, im Frühling 2019

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Einführung

The Return of Cannabis: Vom Wandel innerhalb der weltweiten Cannabiskultur

Cannabis ist eines der vielseitigsten Gewächse, die wir kennen. Aus dieser Pflanze lassen sich unfassbar viele nützliche Produkte für unser aller Leben gewinnen, die auch noch hundertprozentig umweltfreundlich sind: Medizin, Papier, Seile und Stoffe, Öle, Lebensmittel, Hygieneartikel, Tierfutter, Baustoffe und vieles andere mehr. Nicht umsonst gilt der Hanf als Nutz-, Heil-, Futter-, Rausch- und Ritualpflanze.

Cannabis ist Kulturgut. Deshalb ist es alles andere als verwunderlich, dass sich um diese zauberhafte Pflanze eine eigene kulturelle Bewegung entsponnen hat, die weltweit etabliert ist und heute immer mehr an gesellschaftlicher Akzeptanz hinzugewinnt. Denn Cannabis kommt allmählich (und immer schneller) wieder im Mainstream der Gesellschaft an.

Auch ehemaligen Gegnern wird nun klar, welchen Einfluss die Cannabispflanze auf unsere Kultur hat. Immerhin ist sie ein kultureller Schrittmacher wie kaum ein anderer Vertreter der Botanik. Kaum ein anderer? Nicht ganz: Es gibt ja zahlreiche Gewächse, die im menschlichen Leben nicht mehr wegzudenken wären: All die Zierpflanzen, die wir im Garten pflegen und hegen, die wertvollen Lieferanten von Nahrung, die täglich auf unseren Tellern landet, die lebenserhaltenden Medizinalpflanzen oder Gewächse wie Rosen, Orchideen und Kakteen, die eine weltumspannende Gemeinde von Liebhabern um sich scharen: Sie alle sind Teil unserer Kultur, Teil unseres Lebens und schließlich als pflanzliche Organismen sogar überhaupt dafür verantwortlich, dass wir als menschliche Spezies mehr oder weniger erfolgreich diesen Planeten bevölkern können. Von daher sind alle in die Kultur eingebetteten Gewächse gleich essenziell für uns. Keine ist überflüssig, jede findet ihren Platz im passenden gesellschaftlichen Kontext. Dass aber die Fans einer bestimmten Pflanzenart sich in entsprechende Kleider hüllen, explizite Musik hören und eine ganze Kultur aus der Nutzbarkeit eines Gewächses entwickeln – das ist doch eher ungewöhnlich. Nur nicht beim Cannabis: Hier ist die Existenz einer »Bewegung«, einer »Szene«, etwas ganz Normales.

Der wahre Kult um die Pflanze mit den charakteristisch gezahnten Blättern begann mit der Hippie-Bewegung gegen Ende der 60er Jahre. Seitdem hat sich aus dem Kult eine echte Kultur gebildet, und die bewegt sich partiell nach wie vor (aber nicht mehr lange) im Untergrund, weil der Hanf als gefährliche Pflanze gebrandmarkt wurde und wird. Allerdings lösen sich die Vorurteile in den Köpfen allmählich in Wohlgefallen auf. In immer mehr Gegenden der Erde wird der Hanf entkriminalisiert.

Cannabis ist heutzutage allgegenwärtig. Erst neulich sah ich auf der Straße ein Mädchen im Grundschulalter, das ein T-Shirt mit großem aufgedrucktem Hanfblatt trug, und einige Tage zuvor zwei Herren jenseits der 60 mit Mützen im Cannabis-Style. Der Hanf ist in der Tat in der Mitte der Gesellschaft angekommen, und das nicht nur symbolisch.

Aus der Cannabiskultur, die im Untergrund zu blühen begann, hat sich im Lauf der Jahre und Jahrzehnte eine ganze Branche entwickelt, die in verschiedene Richtungen geht: Es gibt die Headshop-Kultur, die Growshop-Kultur und die Samengemeinde, die Cannabis-Medien (Bücher, Magazine, TV-Sendungen, Poster, Comics, Kalender etc.), die Hanf-Merchandising-Artikel (Jacken, Hosen, Shirts, Schuhe, Taschen, Mützen, Schals, Aufkleber, Aufnäher, Dosen, Feuerzeuge etc. pp.), die mittlerweile so gut wie überall zu bekommen sind, die Cannabis Social Clubs, die Cannabis-Patienten, die US-amerikanischen Dispensaries und so weiter und so fort. Die Vielfalt an Artikeln und Produkten im Zeichen der Hanfkultur übertrifft mittlerweile mengenmäßig längst jene Produkte, die man aus der Pflanze selbst herstellen und gewinnen kann.

Vor zehn, fünfzehn Jahren wurde man noch schräg angeguckt, wenn man ein mit Hanfblatt verziertes Schmuckstück oder Shirt trug. Heute gehört das Cannabis-Sujet längst zu jenen Symbolen, die in der Öffentlichkeit immer wieder zu sehen sind und gern getragen werden. Ob als Understatement oder einfach, weil es so schön ist. Geht man zum Beispiel über einen ganz normalen Jahrmarkt, so springen einen die Hanf-Artefakte förmlich an. Da gibt es Cannabisblätter als Ohrringe, Anhänger und Armbänder, Hanfkraut auf Uhren, Stickern, Hemden und Beuteln – ja, sogar Förmchen für den Sandkasten und fürs Plätzchenbacken sind in Form eines Hanfblatts erhältlich. Und das, obwohl diese Pflanze nach wie vor Opfer politischer Irrungen und Fehlleistungen ist, wobei sich das zurzeit fast wie von selbst zu verändern scheint.

Der Hanf hat eine weltweit agierende Szene von Liebhabern und eingefleischten Puristen hervorgebracht. Hanfpuristen sind Menschen, die auf nur diese eine Droge schwören (oder ihr den Status als Rauschdroge der negativen Konnotation wegen sogar aberkennen wollen), die nur auf diese eine Medizin setzen und überhaupt nur diese eine Pflanze entkriminalisiert sehen mögen. Das ist eine der Schattenseiten der sogenannten Hanfkultur, die so uneinheitlich ist wie kaum eine andere »Bewegung« auf dieser Welt.

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Hanfparade in Berlin

Die einen sind Hardcore-Verfechter des Medizinalhanfs und meinen, dass Cannabis ausschließlich für Patienten frei zugänglich sein sollte; andere wollen mit Marihuana, Haschisch und Co. ausspannen und sich erholen. Die nächsten setzen allein auf Hanf als Nutzpflanze, wieder andere sehen in der Kreation von immer potenteren Strains ihre Lebensaufgabe. Innerhalb der verschiedenen Kreise existiert eine spürbare Differenz. Selbst bei den Hanfpuristen ist der kleinste gemeinsame Nenner nur mühevoll zu definieren – vermutlich ist es die Pflanze an und für sich. Aber das sind nur Aspekte einer »Hanfszene«, die ohnehin dynamisch wächst und sich verändert.

Heutzutage hat sich die Präsenz des Hanfs vom Untergrund in die Öffentlichkeit verlagert. Die gesamtgesellschaftliche Akzeptanz der Hanfpflanze und ihrer Produkte wächst stetig, und das über den gesamten Globus verteilt. Immer mehr Länder und Staaten überdenken und revidieren ihre repressive Cannabispolitik. Damit etabliert sich der Besitz und Gebrauch von Cannabis zu medizinischen oder Freizeitzwecken immer mehr – in einer Welt, in der die politisch Verantwortlichen bis vor kurzem noch auf Kampfparolen und Lügenmärchen gesetzt haben, um den Bürgern Angst vor dieser harmlosen Pflanze einzujagen.

Ein paar Beispiele für den Trend der letzten Jahre, Monate und Wochen: Uruguay und eine immer größer werdende Zahl US-amerikanischer Bundesstaaten legalisieren oder regulieren Cannabis. Seit März 2017 ist in Deutschland medizinisches Marihuana legalisiert, wenn auch die Rechtsprechung im Detail zu wünschen übrig lässt. So erhalten viele Patienten entweder kein Rezept oder keine Kostenübernahme der Krankenkasse oder gar, trotz Rezept und Kostenzusage, wegen Lieferengpässen kein Cannabis in der Apotheke. Dies soll sich demnächst durch eine Spezifizierung der Rechtslage und durch eine Bundes-Cannabis-Agentur, die den Anbau im eigenen Land regelt, ändern.

In der Schweiz boomt seit einiger Zeit CBD-Cannabis mit höchstens einem Prozent THC-Anteil. CBD-Produkte werden über Supermarkt- und Kioskketten vertrieben, und die Schweizer kiffen Cannabidiol-Gras, dass es nur so dampft. Kanada hat als erstes G7-Land Cannabis vollumfänglich reguliert und für den Freizeitgebrauch freigegeben. Sogar Thailand, die Philippinen und die Türkei haben jüngst beschlossen, den Hanf politisch neu einzuordnen und Medizinalcannabis für kranke Menschen verfügbar zu machen. Wenn in Ländern, in denen bisher öffentliche Ächtung, Gefängnis und Todesstrafe für den Besitz kleinster Mengen Cannabis üblich waren, nun ein Umdenken stattfindet, will das schon etwas heißen. Vor einiger Zeit noch hatte der Präsident der Philippinen, Rodrigo Duterte, der seit 2016 im Amt ist, öffentlich dazu aufgerufen, Drogenkonsumenten nicht nur zu denunzieren, sondern gar staatlich legitimiert umzubringen. Der plötzliche Wandel – wohl inspiriert durch die internationale Tendenz, Cannabis allmählich zu akzeptieren – ist ein Zeichen für einen echten Fortschritt.

Die Zahl der weiteren Länder, die zumindest medizinisches Marihuana oder Cannabinoidpharmaka bereits legalisiert haben oder freigeben wollen, wächst. Es sind unter anderem Großbritannien, Südafrika, Lesotho, Simbabwe, Italien, Luxemburg (inklusive Freizeitkonsum), der Libanon, Frankreich, Georgien, Sri Lanka und der pazifische Inselstaat Republik Vanuatu. In Polen ist Cannabis jetzt in der Apotheke erhältlich, und in Tschechien dürfen Patienten, die stationär in der Klinik liegen, Medizinalcannabis durch den Verdampfer konsumieren. Und jüngst haben die USA verkündet, den landwirtschaftlichen Einsatz von Faserhanf wieder zuzulassen.

Es geht also zurzeit richtig rund in der Hanfwelt. Aber es gibt auch Rückschritte, und das direkt um die Ecke: In Österreich wurde im vergangenen Jahr CBD unter Rezeptpflicht gestellt, und nun soll es den Stecklingen und Samen an den Kragen gehen. Kurz gesagt, will Österreich seine bisherige liberale Praxis im Umgang mit Hanf aufheben und mehr Repression walten lassen. Das ist dann wohl die berühmte Ausnahme, die wie immer die Regel bestätigt, aber auch in Österreich ticken die Uhren weiter und die Aktivisten werden nicht ruhen.

Mit der neuen Akzeptanz dem Cannabis gegenüber etabliert sich ein Geschäftszweig, der immer mehr Menschen und Unternehmen dazu beflügelt, mit dem Hanf das große Geld zu machen (oder es zumindest zu versuchen). Heute investieren auch Kapitalisten in den Hanf, die noch vor kurzem in den Reihen der Prohibitionisten zu finden waren. Hersteller von alkoholischen Getränken, die sich jahrelang gegen eine Freigabe des Cannabis gestemmt hatten, geben nun den Kampf gegen das Hanfkraut auf – und entwickeln Limonaden und Drinks auf THC- oder CBD-Basis. Dope sells.

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Der neue Cannabis-Lifestyle

In den letzten Jahren ist ein Überangebot an internationalen Hanfmessen und ähnlichen Veranstaltungen entstanden. In Deutschland gibt es heute eine Cannabismesse für die Szene (Mary Jane) sowie Veranstaltungen und Konferenzen für Business-People (ICBC, DHV-Kongress u.a.) in Berlin, eine Messe in München (Cannabis XXL) und ab 2019 auch in Düsseldorf (CannaFair NRW) und Dortmund (CNBS). Auch in Österreich und der Schweiz wird ein Cannabis-Event nach dem anderen aus dem Boden gestampft. Und das ist nur der Anfang einer neuen Generation, die längst nicht mehr zum »rebellischen Underground« gehört, sondern zu einem guten Teil aus Global Players besteht.

Zur Diskrepanz zwischen früher und heute eine kleine Anekdote: Kürzlich baten mich Familienangehörige um Rat in Sachen CBD-Öl, das zwischenzeitlich ja in den Drogerieketten Rossmann und DM und in anderen Geschäften angeboten wurde. Es ist schon eine Ironie des Schicksals, eine Geschichte, die das Leben schreibt, wenn die Oma, die sich früher um den »haschischsüchtigen« Enkel sorgte, ein Fläschchen mit stylischem Cannabisblatt-Logo hervorkramt, um ihre Rheumabeschwerden mit CBD-Öl aus dem Reformhaus zu lindern. Die Welt ist im Wandel, und das ist gut so.

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Überblick: Was ist Cannabis?

Das Wort Cannabis ist nichts weiter als der lateinische, also der wissenschaftliche Name der Hanfpflanze. Die Biologen konnten sich bis heute nicht einigen, ob es drei verschiedene Spezies innerhalb der Gattung gibt, nämlich den Kulturhanf Cannabis sativa, den indischen Hanf Cannabis indica und den Ruderalhanf Cannabis ruderalis, oder ob es sich ausschließlich um die Spezies Cannabis sativa mit drei Varietäten handelt (Cannabis sativa var. sativa, Cannabis sativa var. indica und Cannabis sativa var. ruderalis bzw. Cannabis sativa var. spontanea).

Der Hanf gehört in die botanische Familie der Hanfgewächse, die wissenschaftlich Cannabaceae genannt werden. Daneben wird nur noch der Hopfen (Humulus lupulus) zu dieser Familie gezählt – Hanf und Hopfen sind also biologisch eng miteinander verwandt.

Wer je eine Flasche herbes Bier geöffnet hat – zum Beispiel Jever Pilsener oder Beck‘s Bier –, wird sich möglicherweise über einen gewissen Grasgeruch gewundert haben. Auch blühender Hopfen verströmt zur Sommerzeit vor allem in den Morgenstunden einen Geruch, der dem des Cannabis verblüffend ähnelt. Vor Jahren fiel ich einmal selber auf diesen »Schwindel« der Natur herein. Aus dem fahrenden Auto heraus roch ich eines Morgens den vermeintlichen Duft des Hanfs. Der köstliche (und vor allem vermeintliche) Cannabisduft rührte jedoch von blühenden Hopfenpflanzen. Die Pflanzen können in der Tat zum Verwechseln ähnlich riechen.

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Hopfenblüten

Der Hanf ist seit Urzeiten in menschlichem Gebrauch. Die bislang ältesten Funde datieren die früheste Verwendung der Pflanze auf mindestens 10 000 Jahre vor unserer Zeit. Cannabis und dessen Produkte dienen als Rausch- und Heilmittel, Ritualsubstanz und Nutzpflanze. Was die Pflanze so wertvoll macht, sind die enthaltenen chemischen Prinzipien, die sich in der Hauptsache aus Cannabinoiden und anderen Terpenen zusammensetzen. Das führt uns direkt zu Frage Nummer zwei.

Gibt es einen Unterschied zwischen Marihuana und Hanf?

Da Cannabis heutzutage immer öfter in den Mainstream-Medien auftaucht und in der Gesellschaft kontrovers diskutiert wird, ergeben sich im Sprachgebrauch einige Wirrungen um verschiedene Begriffe aus der Hanfkultur.

Aus dem US-amerikanischen Sprachraum kommmt zum Beispiel die Unart, einen Unterschied zwischen Marihuana und Hanf zu machen. Der US-Amerikaner differenziert zwischen marijuana und hemp (= Hanf); mit marijuana bezeichnet er die Rauschpflanze oder die Blütenstände des psychoaktiven Cannabis, wohingegen mit hemp ausschließlich Faserhanfpflanzen bezeichnet werden. Und weil Europäer alles US-Amerikanische recht unkritisch übernehmen, gehen manche Hanffreunde im deutschsprachigen Gebiet und in den Niederlanden mittlerweile so weit und verwenden diese Unterscheidung zwischen Marihuana und Hanf. Das ist unsinnig und falsch, sind doch das Wort Hanf und die Vokabel hemp nichts weiter als Trivialbezeichnungen der Cannabispflanze in all ihren Formen – und Marihuana ist die Zubereitung aus den getrockneten Blüten des »Rauschhanfs«.

Wie wirkt Cannabis?

Psychoaktiver Cannabis kann unterschiedlich wirken. Dabei kommt es immer auf die Zusammensetzung der Inhaltsstoffe an (siehe dazu die Frage nach den Cannabinoiden). Grundsätzlich können sich Cannabispflanzen vom sogenannten Haze-Typus (das sind Pflanzen, die hauptsächlich die Sativa-Genetik in sich bergen) sich von denen des Indica-Typus (das sind zum Beispiel die hochpotenten Kush-Sorten und andere) in der Wirkung unterscheiden. Haze-Genetiken wirken häufig eher als Upper und in Richtung psychedelischer Aktivität, Indica-Pflanzen eher sedativ und ermüdend. Ausschlaggebend ist immer die Komposition aus Cannabinoiden und anderen Terpenen und Inhaltsstoffen – wobei auch die Konzentration und das Verhältnis der einzelnen Moleküle zueinander eine Rolle spielen.

Weil die Hanfwirkung für Erfahrene nur schwierig zu beschreiben und für Unerfahrene nur schwer nachzuvollziehen ist, hier eine wissenschaftliche Definition zur Wirkweise des Cannabis:

»Für die psychoaktive Wirkung von Cannabis-Produkten ist vor allem delta-9-THC verantwortlich, doch auch andere Pflanzeninhaltsstoffe dürften zur Gesamtwirkung beitragen. Das Wirkbild ist stark von der Dosis (THC-Potenz), der entsprechenden Applikationsart, der Umgebung, in der die Droge konsumiert wird, der psychischen Verfassung sowie von der Gewöhnung des Konsumenten abhängig. Wenn THC-haltiges Pflanzenmaterial geraucht wird, so erfolgt der Wirkungseintritt innerhalb der ersten Minuten. Zu Beginn werden die Umgebung und das Dasein als geschmeidiger und wohlig empfunden. Darauf kann intensive Euphorie erfolgen. Manche gehen in einen sehr humorvollen Zustand über, in dem sie viel lachen. Andere genießen die beruhigende Eigenschaft und lassen einen entspannten Zustand Einzug halten. Eine milde Sedation tritt bei Konzentrationen von 50 µg/kg Körpergewicht (geraucht) ein. Beim Erhöhen der Dosis geht der Rausch in Euphorie über. Bei sehr hohen Konzentrationen können Verwirrungen und Pseudohalluzinationen akustischer und optischer Art auftreten (vor allem bei unerfahrenen Konsumenten). Der Rausch klingt dann nach 3–6 Stunden angenehm ohne große Nachwehen aus. Deutlich unterscheiden sich die Wirkungen bei starken Cannabisrauchern; durch den täglichen mehrmaligen Konsum flachen die euphorischen Wirkungen ab und es tritt vor allem eine beruhigende Wirkung ein« (TRACHSEL 2011: 282f.).

Birgt Cannabis-Genuss auch Risiken und Gefahren?

Wie bei jeder psychoaktiven Substanz kann auch der Hanfkonsum gewisse Risiken mit sich bringen. So sollten Menschen mit größeren psychischen Problemen davon absehen, Cannabis und Cannabisprodukte einzunehmen, weil beispielsweise eine verborgen vorhandene Psychose vom Cannabisrausch aktiviert werden kann. Auch Betrofffene mit Paranoia, psychotischen Schüben und pathologischen Angstzuständen sollten kein psychoaktives Cannabis konsumieren.

Darüber hinaus muss das exzessive Rauchen als potenziell gesundheitsschädlich betrachtet werden, auch wenn Rauchen an sich bei Weitem nicht so gefährlich ist, wie es oft dargestellt wird. Wer sichergehen möchte, seine Lunge nicht durch Rauch zu belasten, kann auf die Technik des Vaporisierens umsteigen. Mit speziellen Vaporisatoren (Vaporizer) werden die Cannabisprodukte lediglich bis zur Lösung der Wirkstoffe erhitzt und verdampft – Verbrennungsprodukte entstehen dabei nicht.

Die unterschiedlichen Wirkweisen von Cannabisprodukten

Es wurde schon viel über die Cannabiswirkung geschrieben, diskutiert, geforscht und gemutmaßt. Cannabis sei die harmloseste psychoaktive Substanz, hört man immer wieder – die Wirkung der Hanfdroge sei im Vergleich zu anderen psychotropen Molekülen eher leicht, recht gut abzuschätzen und vor allem gut zu vertragen. Wenn aber selbst in gut unterrichteten Kreisen stets von der Cannabis-Wirkung gesprochen wird, muss man sich fragen, ob es diese universelle Wirkung denn tatsächlich gibt. Es ist doch vielmehr so, dass die diversen Cannabis-Erzeugnisse zumindest relativ unterschiedliche Wirkungen haben können. Wer würde ernsthaft die Effekte, die gedabbtes hochpotentes Haschöl induziert, mit denen von eher durchschnittlichem Gras vergleichen wollen? Sehen wir uns also die unterschiedlichen Wirkweisen der zurzeit verfügbaren Cannabisprodukte an, ohne dabei auf die Herstellung der einzelnen Substanzen einzugehen. Und wir werden sehen: Dope ist nicht gleich Dope.

Marihuana

Das gute alte Weed. Gras, Marihuana, Ganja, Hanfblüten – nenn es, wie du willst – ist wohl derzeit das beliebteste Cannabisprodukt. Selbst beim Gras gibt es keine universelle Cannabis-Wirkung. Während Sativa-dominierte Strains in aller Regel eher ein klärendes und je nach Sorte mitunter auch psychedelisch angehauchtes Up-High induzieren, bescheren potente Strains auf Indica-Basis eher einen schwereren, sedativeren und relaxierenderen Rausch.

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Gras-Blüte

Die verschiedenen Gras-Sorten können so unterschiedliche Wirkungen herbeiführen, dass unerfahrene Konsumenten durchaus glauben könnten, dass sie es hier mit zwei vollkommen unterschiedlichen psychoaktiven Substanzen zu tun haben. Zwar liegt der Cannabis-Erfahrung stets ein gemeinsamer Nenner zugrunde. Das heißt, dass der erfahrene Hanfliebhaber in aller Regel einen Cannabisrausch erkennt, und zwar unabhängig von Strain und Stammpflanze. Alles, was aber über diese Schnittmenge hinausgeht, kann einen Nutzer der Wunderpflanze in die eine oder eine völlig andere Richtung katapultieren. Zur Veranschaulichung: Die Psychoaktivität eines durchschnittlichen Pilseners ist wohl kaum zu vergleichen mit derjenigen, die ein starker Schnaps beschert. Spinnt man das Ganze weiter und wendet sich dem Absinthe zu – auch ein Alkoholprodukt –, so wird der Unterschied noch deutlicher. Bier, Schnaps und Absinthe haben vollkommen verschiedene Wirkprofile, trotz desselben Moleküls, das allen Erzeugnissen zugrunde liegt.

Haschisch

Werfen wir nun einen Blick auf ein weiteres Hanfprodukt: Haschisch. Beginnen wir bei der Hanfpflanze, dem Ausgangsprodukt zur Herstellung von Haschisch. Dieses besteht mehr oder weniger immer aus den gesammelten Harzdrüsen der Cannabis-Blüten.

Dabei spielt das Ausgangsmaterial – wie bei allen Cannabisprodukten – die größte Rolle. Aus schlechtem Hanf lässt sich zwar annehmbares Dope gewinnen. Den Vergleich mit solchem, das aus qualitativ hochwertigen Blüten gewonnen wird, muss ein solches Hasch aber immer scheuen.

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Haschisch

Wer sich eine billige Europlatte in die Tüte bröselt und anschließend beim Kumpel Nepali-Temple-Balls oder Charas durch die Pfeife schmaucht, wird kaum behaupten, dass es in der Wirkung dieser Haschischsorten keine Unterschiede gäbe. Allein die Tatsache, dass die Europlatte vornehmlich aus Pflanzenmaterial besteht und bestenfalls einige verirrte Trichome aufweist, die Temple Balls und der Charas dagegen fast reines Hanfharz sind, sagt über die zu erwartende Potenz des Materials schon alles aus.

Und auch hier stellt sich die Frage: Hat eine Haschischsorte eher Sativa-Charakter oder geht es eher in Richtung entspannender Indica? Eine Sonderrolle in dieser Hinsicht spielt auf jeden Fall das Water- oder Ice-O-Lator-Hash. Die Wirkung, die man beispielweise von gutem Marokkaner kennt, wird man mit Wasserhasch nicht erwarten können. Insbesondere unerfahrene Konsumenten können, wenn sie qualitativ hochwertiges Wasserhasch achtlos oder in gleicher Weise rauchen wie ihr Standard-Dope, die Wirkung des Materials leicht unterschätzen. Es gibt eben nicht nur die eine Cannabiswirkung.

Öl und Dabben

Weiter geht’s mit Haschöl. Heiliges Trittbrett! Das hat einige schon das Fürchten gelehrt. Es macht einen Unterschied, ob man Haschöl durch die normale Pur-Pfeife oder die spezielle Dabbing-Pfeife oder ein Dabbingrohr raucht. Bei der Pur-Pfeife kommt das Feuerzeug zum Einsatz, während beim Dabben mit einem glühenden Nagel aus Metall oder Glas gearbeitet wird. Dabbt man richtig, berührt der mit dem Öl versehene Stift den glühenden Nagel nicht, sondern kommt ihm gerade so nahe, dass die Inhaltsstoffe des Öls verdampfen und inhaliert werden können. Das Ganze ist dann eher eine Art Vaporisieren, während man mit der Pur-Pfeife samt Feuerzeugflamme das Material verbrennt – und damit auch eine Vielzahl an Inhaltsstoffen ungenutzt verpuffen lässt.

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Haschöl