Trygve Gulbranssen

 

 

Heimkehr nach Björndal

Dritter Teil der BJÖRNDAL-Trilogie

 

Eine Novelle

 

 

 

 

Apex Heimat, Band 3

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

HEIMKEHR NACH BJÖRNDAL 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Epilog 

 

 

Das Buch

 

Die Novelle Heimkehr nach Björndal des norwegischen Schriftstellers Trygve Gulbranssen (* 15. Juni 1894 in Kristiania; † 10. Oktober 1962 in Eidsberg) erschien erstmals im Jahr 1936 und knüpft beinahe traumartig an die Romane Und ewig singen die Wälder und Das Erbe von Björndal an.  

Heimkehr nach Björndal wurde in Deutschland im Jahre 1958 erstveröffentlicht; der Apex-Verlag macht dies besondere Kleinod der Heimatroman-Literatur erstmals seit über sechzig Jahren wieder dem deutschsprachigen Lesepublikum zugänglich (in seiner Reihe APEX HEIMAT), ergänzt um Illustrationen von Christine Ackermann.

   HEIMKEHR NACH BJÖRNDAL

 

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

Es war noch dunkel, als Mekkal, der Holzfäller, sich auf den Weg machte. Schnell und so leise wie möglich ging er über das Stoppelfeld des abgeernteten Ackers.

Er musste sich fest auf seinen Stock stützen, um über den Graben zu kommen, und als er mit einem weiten Schritt auf der Fahrstraße landete, krachte das Eis der gefrorenen Wasserpfützen so laut, dass er vor Schrecken beinahe in den Graben gefallen wäre.

Vorsichtig ging er auf der Graskante neben dem Weg weiter, wandte jedoch den Kopf immer wieder lauschend zum Hof zurück. Aber kein anderer Laut war hörbar als das Knistern des steifgefrorenen Grases, durch das seine Füße streiften, und der Windhauch, wie er stillen Spätherbstnächten eigen ist. Zwar vermeinte er die Dachgiebel des Hofes gegen den Himmel zu erkennen, aber es war so dunkel, dass er dies wohl eher glaubte als wirklich sah.

Die Stille rings um ihn und der Gedanke, dass er ungehindert und unbemerkt zur Landstraße hinuntergelangt war, ließen ihn nun nach der Spannung zur Ruhe kommen, und er blickte wehmütig zu den Häusern zurück, die in der Dunkelheit verborgen lagen.

Es war der letzte Hof, auf dem er als ehrlicher Holzknecht gedient hatte. Gestern Abend hatte der Bauer das Urteil über ihn gesprochen. Er sei - so hatte er gesagt - beim Pfarrer gewesen, seinetwegen. Und nun sei Mekkal für immer versorgt - durch die Gemeindehilfe. Er brauche sich nur beim Pfarrer anzumelden.

Ganz ohne jede Beschwer hatte der Bauer das Urteil über ihn ausgesprochen. Ja, seine Stimme hatte sogar so geklungen, als geschähe damit ein gutes Werk.

Mekkal drückte das Kleiderbündel an sich - spürte er doch noch alles so wie vorher, als er noch Arbeiter war? Ihm schien jetzt nichts mehr, sicher zu sein. Seltsam, wie ein einziges solches Wort aus dem Munde eines Menschen einem andern so stark ins Ohr dringen konnte, dass er sich am ganzen Leib wie tot vorkam. Vergangene Nacht hatte er in der Futterkammer neben dem Pferdestall auf seiner Pritsche gelegen, den muffigen Strohgeruch und den warmen bitteren Brodem aus dem Pferdestall eingesogen und hatte prüfend mit der einen Hand die andere umfasst, hatte die Bretterkante rings um seine Lagerstatt abgetastet und sich beinahe darüber gewundert, dass er überhaupt noch etwas riechen und sich noch so bewegen konnte wie vor dem Augenblick, da der Bauer das Wort Gemeindehilfe ausgesprochen hatte.

Mekkal hatte dieses Wort als ein unbegreifliches Unrecht empfunden. Er, der so unverdrossen Holz hackte und die Scheiter ins Haus trug, überall half, wo man seine Hilfe brauchte, und sich wahrhaftig den ganzen Tag lang nützlich machte, musste sich dieses Wort sagen lassen! Wer war es denn, der im Herbst die Eggen und Pflüge ordentlich unter dem Schuppen verstaute, wenn sie achtlos hingeworfen in den Nesseln dahinter lagen? Wer war es denn, der, ohne dass man es ihn auch nur mit einem Wort heißen musste, den Holzschuppen mit zwei dicken Balken stützte, als er einzufallen drohte? Dies und noch mancherlei andere mühselige Arbeit hatte er auf sich genommen, aber wer wusste das überhaupt? Und jetzt musste man sich sagen lassen, dass man sein Essen nicht mehr wert sei...

Ja, so dachte er zuerst. Aber es ist merkwürdig, was so ein Wort einem Mann antun kann. Es nimmt ihm alle Sicherheit. Er war nun seiner selbst unsicher geworden - wusste nicht mehr, was er denken sollte. Die Gicht hatte ihn in diesem Herbst arg geplagt. Sie war so schlimm gewesen, dass es ihm jedes Mal davor gegraut hatte, die Axt in die Hand zu nehmen. Und bei den ersten Beilhieben morgens hatte es in seiner steifen Schulter richtig geknirscht, und auch im Rücken, wenn er von seinem Strohlager aufstand - nein - als Arbeiter taugte er wirklich nicht mehr viel.

Es war wohl am besten so, wie der Bauer gesagt hatte, wenn er jetzt zur Gemeindehilfe ging - der Reihe nach von einem Hof zum andern. Gemeindehilfe - ja, bei scheltenden Weibern und ungezogenen Kindern und den frechen Bemerkungen der gedankenlosen Jugend und unter den mitleidigen Blicken jener, die etwas verständiger waren. Er hatte so nach und nach schon einen Vorgeschmack davon bekommen.

Die ganze Nacht hatte er so dagelegen, sich in eine arge Wut hineingedacht, und hatte sich mit Gewalt vormachen wollen, dass mit dem Frühling im nächsten Jahr und den wärmeren Tagen auch die Gichtschmerzen nachlassen würden. Und dann würde er den Leuten schon zeigen, was er noch für ein Kerl war!

Doch bald war ihm zum Bewusstsein gekommen, dass er ja nirgends mehr hingehörte, wo er den ganzen Winter verbringen könnte. Der Bauer hatte so gebieterisch geredet, dass er seinen Entschluß sicher nicht zurücknehmen würde, und jetzt, kurz vor dem Winter, noch auf einem anderen Hof Arbeit zu finden, war ausgeschlossen, weil jeder schon zu viele Leute hatte.