image

image

Habichtskraut am Steinernen Meer

Andrea Strauß (Hrsg.)

ALPENTREKS

14 großartige Wege

Exklusiv für Sie als Leser:

MIT GPS-DATEN ZUM DOWNLOAD

unter: gps.bruckmann.de

image

Inhalt

Vorwort

Einführung

DIE TOUREN

1Der Klassiker über die Alpen

In 28 Tagen auf der Graßler-Route nach Venedig

von Andrea (Text) und Andreas Strauß (Fotos)

2Mit dem Zelt über die Alpen

Auf alpinen Wegen von München zum Gardasee

von Maria und Wolfgang Rosenwirth

3Auf dem E5 zu Fuß in den Süden

Acht Tage – sechs Täler – drei Länder

von Robert Mayer

4Der Maximiliansweg

Vom Bodensee nach Berchtesgaden – eine wahrhaft königliche Tour

von Eugen E. Hüsler

5Der Große Walserweg

Auf den Spuren der Walser von Zermatt zum Kleinwalsertal

von Bernhard Irlinger

6Die Schweizer Alpenpassroute

Höhenweg Sargans–Montreux mit grandioser Gipfelschau

von Hans Diem

7Auf der GTA durch die piemontesischen Alpen

Teilstrecke Griespass–Dora Baltea

von Prof. Werner Bätzing und Michael Kleider

8Von Berchtesgaden nach Lienz

In 9 Tagen auf neuem Weg in den Süden

von Andrea (Text) und Andreas Strauß (Fotos)

9Alpenüberquerung Salzburg–Triest

In 28 Tagen durch 7 Gebirgsgruppen und 4 Länder bis ans Mittelmeer

von Christof Herrmann

10Der Berliner Höhenweg

In einer Woche durch die Zillertaler Alpen

von Andrea (Text) und Andreas Strauß (Fotos)

11Translagorai

In fünf Tagen vom Rollepass zum Passo Manghen

von Andrea (Text) und Andreas Strauß (Fotos)

12Via dei Monti Lariani

Sieben Tage hoch über dem Comer See

von Andrea (Text) und Andreas Strauß (Fotos)

13Sentiero Roma

Grandioser Höhenweg im südlichen Bergell

von Andrea (Text) und Andreas Strauß (Fotos)

14Via Engiadina

In zehn Tagen durch das Engadin

von Andrea (Text) und Andreas Strauß (Fotos)

Register

Impressum

image

Eindrücke vom Wegrand. TOUR 8

image

Alternative zur Hüttenübernachtung – das Bivacco Molteni am Sentiero Roma. TOUR 13

image

Warum nicht einmal sich Zeit nehmen und innehalten? Auf der Via dei Monti Lariani. TOUR 12

image

Geschützt: das Edelweiß. TOUR 8

TOURENBEWERTUNG

Diese rein subjektive Bewertung dient lediglich zum Vergleich der Routen untereinander.

image

Schwierigkeit – ((1 Stern)) bis ((5 Sterne))

Spiegelt den technischen Anspruch wider, der sich aus der Beschaffenheit und Art der Wege und der Steilheit ergibt.

image

Kondition – ((1 Stern)) bis ((5 Sterne))

Gibt den Grad der Ausdauer an, der für die jeweilige Route nötig ist. Gewichtiges Gepäck kann die Anforderungen schnell erhöhen.

Vorwort

Gehen, so weit die Füße tragen. Gehen als Selbstzweck. Als Fitnessprogramm. Für den Körper, aber noch mehr für Geist und Seele. Obwohl wir es im 21. Jahrhundert schon fast vergessen haben, liegt uns das Wandern in der Tat seit Urzeiten im Blut. Wer früher zu Fuß in Rom oder Santiago de Compostela, in Mekka, zu Füßen des Kailash oder auf dem Fujiyama angekommen war, hatte Entbehrungen in Kauf genommen und manchmal sogar Gefahren bestanden, er hatte seinen Körper gespürt und viele, viele einzelne Schritte zurückgelegt. Am Ende war ein großes Ziel erreicht. Ein Ziel, das sich nicht mehr in einer Anzahl von Kilometern messen ließ oder in der Zahl der Reisetage.

Heute ist Wandern für viele ein beliebter Ausgleichssport zum hektischen Berufsleben. Draußen sein und die Bergwelt genießen, auf einem Gipfel stehen, den Blick in die Weite schweifen lassen – was gibt es Schöneres? Es darf aber genauso auch einmal eine Talwanderung dabei sein oder ein aussichtsreicher Höhenweg.

Voller Bewunderung und auch mit ein wenig Neid blickt man dann auf jene glücklichen Menschen, die am Ende des Tages nicht nach Hause fahren, keinen Stau, keinen »Sie-haben-gewonnen-Anruf« und keine tropfenden Wasserhähne erleben müssen, sondern stattdessen auf der Hüttenterrasse sitzen bleiben und im warmen Abendlicht die Füße hochlegen können, bis die Sonne als roter Feuerball hinterm Horizont verschwindet. Und die am nächsten Morgen aufbrechen, um neue Eindrücke zu gewinnen und einfach weiterzuwandern.

Weitwandern, egal in welcher Form, findet daher auch immer mehr Anhänger. Ob man die Herausforderung sucht und sich alleine auf den Weg macht oder ob man mit Familie oder mit Freunden unterwegs ist, ist Geschmackssache und eine Frage der Möglichkeiten. Für gewöhnlich wird man nicht gleich mit dem großen Abenteuer beginnen und eine mehrwöchige Zeltwanderung planen. Meist steht eine Mehrtagestour am Anfang, vielleicht ein verlängertes Wochenende mit verschiedenen Hüttentouren, die sich zu passenden Tagesetappen kombinieren lassen. Aber Vorsicht – es besteht akute Suchtgefahr! Wer einmal angefangen hat, den lässt das Weitwandern nicht mehr los. Was dann dabei herauskommt, lesen Sie in Alpentreks. Zehn Autoren haben für Sie die 14 schönsten, spannendsten, sportlichsten, neuesten und auch alte Wanderungen über die Alpen und durch die Alpen zusammengestellt: neun in den Ostalpen und fünf in den Westalpen. Noch etwas mehr Statistik: Sechs davon verlaufen mehr oder weniger parallel zum Alpenbogen, sechs queren von Nord nach Süd den Alpenhauptkamm und einer beschreibt eine Rundtour.

image

Am Kleinen Ahornboden im Karwendel

image

Die Brenta nach einem herbstlichen Wintereinbruch

Unter den Alpentreks sind einfache Wanderungen, wie zum Beispiel der E5 mit nur 125 Kilometern und acht Tagesetappen, oder, schon schwieriger und mit teilweise großen täglichen Höhenunterschieden, die Alpenpassroute über 16 Tage und 340 Kilometer Strecke im Angesicht vieler Drei- und Viertausender. Wer mehr Zeit aufbringen kann, wird den Maximiliansweg (22 Tage, 370 Kilometer) oder den Großen Walserweg (35 Etappen, 660 Kilometer) unter die Füße nehmen. Die Schwierigkeiten und Höhen lassen sich steigern. Da sind die Routen München–Venedig (sogar mit einer Klettersteigbegehung!) oder München-Gardasee zu nennen (jeweils vier Wochen Dauer und mehr als 500 Kilometer), oder der Teilabschnitt des E5 von Oberstdorf nach Meran; diese drei berühren schon knapp die Dreitausend-MeterGrenze. Der Große Walserweg hebt sich durch seine Etappenzahl und Streckenlänge (35 Etappen, 660 Kilometer) wie auch durch eine Gletscherüberquerung und seine Höhe (über 3300 Meter) deutlich von den vorgenannten ab. Allerdings steht es jedem Wanderfreund frei, von jedem Alpentrek nur Teiletappen zu gehen, Teilstücke mit Verkehrsmitteln zurückzulegen und an anderer Stelle wieder »einzusteigen« oder einen der kürzeren Treks zu wählen, etwa die Translagorai mit nur fünf Tagen. Da und dort kann man sogar von einem Alpentrek in einen anderen wechseln.

Kein Wunder daher, dass bereits bestehende Alpentreks neue Liebhaber finden. Manche Routen sind längst Klassiker geworden, sie existieren seit vielen Jahrzehnten als Wanderroute oder auch schon seit Jahrhunderten als gängige Verbindungs- und Handelswege. Es entstehen aber auch neue Wegverbindungen. Eine inhaltliche Klammer, die Hütten und Almen miteinander zu Wegen verbindet, kann in der Geschichte liegen, wie dies beim Walserweg der Fall ist. Bei der Festlegung der GTA-Strecke wurde im Piemont erfolgreich versucht, die Idee einer »sanften« und nachhaltigen Entwicklung durch Wandertourismus umzusetzen, um den drohenden Verfall der traditionellen Bergkulturen und schon fast entvölkerten Berggebiete aufzuhalten. Oder es werden einfach nur besonders attraktive Wegabschnitte und landschaftliche Höhepunkte mit einer Alpenroute verknüpft.

Ob alt oder neu, kurz oder lang, einfach oder schwierig – Weitwandern in den Alpen ist eine der schönsten Formen des Unterwegsseins. Wer einmal damit begonnen hat, wird immer wieder Zeit dafür finden. In den Alpentreks werden Sie vielleicht Erinnerungen auffrischen, auf jeden Fall aber Anregungen gewinnen für weitere Wanderungen nach dem Motto: »So weit die Füße tragen …«

Viel Spaß und eine gesunde Rückkehr!
Andrea Strauß, im Sommer 2019

Einführung

Vorbereitungen

Wie jede Reise, so benötigt auch ein Alpentrek ein wenig Vorbereitung. Der Aufwand hält sich jedoch in Grenzen, wenn man es mit anderen Reiseformen vergleicht: Man braucht keine Reservierungen von langer Hand, keine Flüge und keine Impfungen.

Wenn die Wunschtour ausgewählt ist, wird man sich anhand der Routeninformation und der einen oder anderen Übersichtskarte die Wegführung verdeutlichen und die Tagesetappen soweit möglich an die eigenen Fähigkeiten oder auch an den persönlichen Ehrgeiz anpassen. Oft kann man lange Etappen entschärfen, indem man eine Zwischenübernachtung einschiebt oder zumindest einen Ruhetag vor dem »Marathontag« einplant. Bei technisch schwierigen Abschnitten sollte man sich alternative Streckenführungen überlegen. Zwei kurze Tagesleistungen an einem Tag zu bewältigen, ist oft ebenso möglich, vorausgesetzt, die Fitness hält dem Ehrgeiz stand.

image

Das Ziel des Traumpfades über die Alpen: Venedig

An erster Stelle bei den Vorbereitungen sollte tatsächlich ein wenig Zeit für die persönliche Fitness stehen. Die Vorschläge in diesem Buch sind keine 8000er-Expeditionen und sie führen nicht in die »Todeszone«. Aber auch das Wandern in den Alpen macht mehr Spaß, wenn nicht jeder Schritt Überwindung kostet. Angepasst an die geplante Tour, sollte man zumindest ein paar Wochen vorher bereits ab und zu zum Wandern oder Bergsteigen gehen, zum Joggen oder Walken. Der Grundsatz heißt eindeutig: lieber weniger, aber öfter.

Vor dem Aufbruch kann auch eine kleine Generalprobe nicht schaden, bei der man einen oder zwei Tage seine Ausrüstung und seine Fitness testet. Bezüglich der Anforderungen orientiert man sich dabei an der durchschnittlichen Tagesleistung, die dann auch beim Alpentrek zu gehen ist. So lässt sich schnell feststellen, ob die geplante Tour auch zum momentanen Können und zur Kondition passt, ob die Schuhe drücken und die Socken auch nicht rutschen …

Je schwieriger und länger die Wanderung sein soll, desto sorgfältiger muss die Vorbereitung ausfallen. Wenn man jederzeit abbrechen kann, wie zum Beispiel auf dem Goetheweg, dann fallen kleine Pannen bei der Wahl der Ausrüstung nicht so ins Gewicht wie bei langen Wanderungen oder bei Touren mit dem Zelt. Schon kleine Fehler wie die zu dünnen Socken können sich dann schmerzhaft auswirken oder Umstände bereiten, etwa wenn es beim Zelttrek Spaghetti gibt und das Besteck dazu fehlt.

Zu den Vorbereitungen gehört auch die Zusammenstellung der Gruppe – es sei denn, man möchte ganz alleine unterwegs sein. Je größer die Gruppe ist, desto größer sollte auch die Toleranz der Mitwanderer sein. Nur in seltenen Ausnahmen sind wirklich alle Teilnehmer gleich fit, gleich schnell und haben die gleichen Interessen. Unterwegs sollte sich niemand gehetzt fühlen und niemand sollte sich langweilen. Es lohnt sich daher, zuvor die Vorstellungen, die man an die Wanderung hat, gemeinsam zu besprechen: Will man ein sportliches Tempo einschlagen oder Zeit zum Fotografieren und Blumenbetrachten haben?

Schließlich muss man sich über die beste Reisezeit Gedanken machen. In den Infokästen geben die Autoren dazu Tipps. Bei sehr häufig begangenen Routen lohnt es sich, über Vor- oder Nachsaison nachzudenken. Dann sind zwar die Verhältnisse nicht so gut, weil etwa auf den höheren Etappen noch Schneereste liegen oder die schönsten Blumen schon verblüht sind, dafür sind aber die Hütten nicht so voll.

Ein Anruf auf den Hütten oder bei den Pensionen bringt hier schnell Sicherheit. Häufig wird man die Übernachtung vorreservieren. Wenn man als größere Gruppe unterwegs ist, kann man sowieso nicht anders planen. Aber auch als Kleingruppe oder als Einzelwanderer bringt die Reservierung eine gewisse Sicherheit. Der einzige Nachteil: Man ist nicht mehr so flexibel, wenn es um das Einlegen von Ruhetagen geht oder wenn man einfach irgendwo mehr Zeit als veranschlagt braucht. Falls man aus dem einen oder anderen Grund seine Reservierung nicht aufrechterhalten kann, sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, beim jeweiligen Wirt nochmals anzurufen und sich wieder abzumelden. Wie man sich auch entscheidet, ein wenig Vorbereitung ist nötig und erhöht ja auch die Vorfreude auf das Unterwegssein.

image

Funtensee mit Funtenseetauern (hinten links) und Schottmalhorn

Ausrüstung

Auf einer längeren Wanderung wie einem Alpentrek spielt auch die Ausrüstung eine gewisse Rolle. Zwei wesentliche Kriterien sollte sie erfüllen: Sie muss funktionell und sollte leicht sein. Was nutzt der neue Bergschuh mit den neongelben Schuhbändeln, den es als Schnäppchen gab, wenn sich nach ein paar Stunden die Sohle ablöst? Oder wenn er drückt? Zentrale Bedeutung bei der Ausrüstung haben Schuhe und Strümpfe. Abgestimmt auf die Anforderungen der jeweiligen Tour wird man einen knöchelhohen Bergschuh benötigen, oder es kann auch ein leichter Halbschuh ausreichen. Eine griffige Sohle dagegen muss jedes Modell haben und passen muss er natürlich auch. Dieses Kriterium trifft auch auf die Strümpfe zu.

Wichtig ist zweifellos auch der geeignete Rucksack. Für den normalen Alpentrek mit Hüttenübernachtungen oder Nächtigung in Pensionen und Gasthäusern sollte ein 25- bis 35-Liter-Rucksack genügen, der mit einem stabilen Rückenteil und einem gut hinterlüfteten Tragesystem ausgestattet ist. Wenn man auch Zelt und Schlafsack mitträgt, Kocher und somit auch entsprechend mehr Verpflegung, wird diese Rucksackgröße nicht ausreichen. Je schwerer aber der Rucksack, desto wichtiger wird es, dass das Tragesystem die Last perfekt verteilt. In Fachgeschäften kann man sich hier über die besten Systeme jederzeit beraten lassen.

Generell kann man sagen, dass die Sicherheitsausrüstung nicht fehlen darf. Dazu zählt zunächst die Bekleidung: Regenschutz und Kälteschutz sind wesentlich. Im Gebirge kann es zu Wetterumstürzen kommen, die mit einer Heftigkeit und Schnelligkeit einsetzen, wie man sie im Flachland nicht kennt. Kaum ein Sommer, in dem nicht zumindest einmal ein Kälteeinbruch für Schnee auch bis in mittlere Lagen sorgt. Auch Dauerregen ist möglich … Die Mitnahme eines wasserdichten Anoraks und einer Regenhose ist daher ein Muss.

image

Südlich des Monte Rosa führt der Walserweg am Weiler Crest vorbei.

Als Kälteschutz gehören auch dünne Handschuhe und eine Mütze oder Ähnliches unbedingt in den Rucksack, zumindest wenn man länger als eine Woche unterwegs ist und die Wetterentwicklung nicht absehen kann.

Auch Sonnenschutzmittel zählen zu den elementaren Ausrüstungsgegenständen. Sonnencreme, Brille und Kopfbedeckung müssen mit. Die UV-Strahlung ist im Gebirge deutlich höher als im Tal, und die Reflexion gleißender Schnee- oder Gletscherflächen tut ein Übriges dazu, dass sich der Bergwanderer starke Hautverbrennungen zuzieht. Dass ein Notfall eintreten könnte, darüber möchte man meist nicht so gern nachdenken. Aber da man ihn trotz aller Vorsicht nicht ausschließen kann, ist jedenfalls eine kleine Notfallapotheke mitzunehmen. Verbandszeug, eine Rettungsfolie und Blasenpflaster sollten darin enthalten sein. Und das Handy fehlt heute sowieso nirgends mehr …

Es lohnt sich, bereits vor dem Aufbruch den Rucksack einmal probeweise zu packen und zu wiegen. Mehr als 10 bis 15 Kilogramm sollte er für einen normalen Trek nicht wiegen. Andernfalls ist der Spaßfaktor deutlich reduziert. Manche wichtigen Ausrüstungsgegenstände lassen sich unter den Mitwanderern aufteilen, wie dies in der Packliste auch zu erkennen ist. Selbst wenn das Gewicht jedes einzelnen Gegenstands kaum der Rede wert scheint, summieren sich gerade hier einige vermeidbare Kilo auf. So wiegen etwa die Wanderkarten für die Alpenüberquerung München–Venedig zusammen über ein Kilo.

Unterwegs

Endlich ist es so weit und man ist unterwegs. Berücksichtigt man ein paar Verhaltenstipps, macht das Wandern doppelt so viel Spaß. Nicht zu schnell losgehen! Auch wenn man alleine wandert, gilt dieser Grundsatz. In der Gruppe ist er aber schwieriger umzusetzen. Ob der zehnjährige Nachwuchswanderer oder die jung gebliebene Seniorengruppe – keiner scheint davor gefeit, aus Gedankenlosigkeit oder falschem Ehrgeiz die erste Viertelstunde im Stechschritt zurücklegen zu wollen. Erst wenn die Gespräche verstummen und der Erste mit hochrotem Kopf zurückbleibt, wird das Tempo gedrosselt. Umgekehrt wäre es viel sinnvoller. Auch der Spitzensportler beginnt den Tag nicht gleich mit dem Wettkampf, sondern mit dem Wachwerden. Die erste Viertelstunde sollte also auch der Wanderer mit reduziertem Tempo losgehen und erst nach der »Ausziehpause« das Tempo steigern.

Gefahren erkennen! Das Gebirge ist kein Spielplatz. Egal, wie Sie sich verhalten, Sie tragen die Verantwortung und nicht der Hüttenwirt, nicht der Wegewart, auch nicht der Reiseveranstalter, wenn man an einer geführten Tour teilnimmt. Man sollte daher versuchen, Gefahren rechtzeitig zu erkennen und sie zu vermeiden.

Das Einholen des aktuellen Wetterberichts und Wegezustandes ist eine dieser vorausschauenden Maßnahmen. Hüttenwirte geben hier sachkundig Auskunft, auch die Frage an entgegenkommende Wanderer kann hilfreich sein. Bei schlechtem Wetter etwa muss man zwar nicht automatisch einen Ruhetag einlegen, wenn ausgerechnet hier aber ein besonders schwieriger Wegabschnitt wartet, sollte man überdenken, ob man nicht doch pausiert oder andere Wege im Tal geht. Vor allem Nebel und Gewitter sind tückisch. Während man bei Nebel nur empfehlen kann, auf jeden Fall am Weg zu bleiben, sind Gewitter in keiner Weise kalkulierbar, außer, dass man morgens zeitig aufbricht und im Hochsommer so das Gewitterrisiko reduziert. Versicherte Steige, Gipfel oder Grate sind bei Gewitter absolut tabu! Schwierige Wegabschnitte, zum Beispiel versicherte Stellen, ausgesetzte Pfade, Altschneefelder oder Bachquerungen begeht man konzentriert, und wenn man sich ganz unsicher fühlt, dann überhaupt nicht! Im Zweifelsfall kehrt man eben um. Was bei Skifahrern für die Lawinensituation gilt, trifft auch auf Wanderer und Bergsteiger zu: Lieber verzichten als verschüttet sein oder tot! Sinnvoll ist es, vor schwierigen Passagen eine kurze Pause zu machen und sich zu stärken, vor allem auch auf alle Mitwanderer zu warten. Gerade die schwächeren Teilnehmer sind um eine Ruhepause vor einer gefährlichen Stelle besonders froh und müssen dann nicht außer Atem und mit zittrigen Knien versuchen, den Anschluss nicht zu verlieren. Manche Risiken lassen sich nicht völlig ausschließen, dazu gehört auch das Steinschlagrisiko. Als Wanderer kann man lediglich die Gefahr reduzieren, indem man sich nur möglichst kurz im gefährdeten Bereich aufhält und nicht etwa gerade unter der Steinschlagrinne die Brotzeit auspackt. Auf den Alpentreks ist die Steinschlaggefahr niedrig, da sie auf Wanderwegen verlaufen – generell ausschließen kann man sie aber nicht.

image

Schächentaler Windgällenstock beim Klausenpass

image

Die Bergsteigerin hat den Allgäuer Hauptkamm im Blick.

Die Zeitplanung einhalten! Manche Unfälle passieren, weil man vergessen hat, auf die Uhr zu schauen. Je länger die Tagesetappe ist, desto wichtiger ist es, für sich selbst eine passende Zeitplanung zu haben. Auch wenn in den Toureninformationen Zeiten angegeben und häufig auch auf den Wegweisern Zeitangaben zu finden sind, wird doch jeder sein individuelles Tempo gehen. Wer deutlich langsamer läuft als angegeben, wird daher einen eigenen Zeitplan aufstellen müssen. Vielleicht lässt sich das Problem beheben, wenn Etappen halbiert werden können und man eben eine zusätzliche Übernachtung einschiebt. Manchmal wirkt ein leichterer Rucksack Wunder. Im Zweifelsfall sucht man sich eine einfachere Route aus, die weniger Leistung verlangt. Oder man lässt eine besonders lange Etappe aus, nutzt die öffentlichen Verkehrsmittel im Tal und trifft den Rest der Gruppe im nächsten Talort wieder. Als Berechnungsgrundlage für eine übliche durchschnittliche Leistung gilt die Regel: Pro Stunde legt der »normale« Wanderer 400 Höhenmeter im Aufstieg zurück oder vier Kilometer. Wenn Höhenmeter und eine gewisse Entfernung zurückgelegt werden müssen, wie das meistens der Fall ist, dann kombiniert man beides. Zum größeren Wert zählt man die Hälfte des kleineren Wertes dazu. Zu den zwei Stunden für 800 Höhenmeter Aufstieg zählt man dann z. B. eine halbe Stunde für vier Kilometer hinzu (halber Wert). 800 Höhenmeter mit vier Kilometer Distanz sind danach in 2½ Stunden zu schaffen.

Ruhetage sorgen für Erholung Genauso wie die Wanderung selbst sorgen auch Ruhetage für Erholung. Spätestens nach einer guten Woche sollte man daher einen Ruhetag einplanen. Bei Wanderungen mit Senioren oder Kindern sollten es mehr sein. Auf diese Weise bleibt Zeit, auszuschlafen, die Ausrüstung zu überprüfen, den Schlechtwettertag aufzuholen oder einfach eine besonders schöne Gegend intensiver zu genießen, sei es am Berg oder im Tal. Ganz Unermüdliche können den »Ruhetag« mit einem kleinen Gipfel in Hüttennähe bereichern.

Noch etwas …

In den Infoblöcken zu Beginn jeder Route sind die wichtigsten Angaben über Etappenzahl, Länge der Tour, Summe der zu bewältigenden Höhenmeter, Kartenmaterial und Literaturhinweise zusammengestellt. Die »Sternebewertung« (1 bis 5 Sterne) für Kondition und Schwierigkeit beruht auf einer relativen Einteilung innerhalb der 15 vorgestellten Strecken und ist nur bei genauer Einhaltung des jeweiligen Routenablaufes gültig. Wer es vorzieht, eine 28-tägige Tour in drei Wochen zu pressen, braucht sicher eine entsprechend höhere Kondition… Der Spitzenreiter in der Schwierigkeits- und Konditionsbewertung ist der Große Walserweg wegen seiner Länge und Gletscherüberquerung, gefolgt von der Route München-Venedig (über den Alpenhauptkamm) mit einer Klettersteigpassage. Das Mittragen einer kompletten Zeltausrüstung, wie bei der Strecke München–Gardasee vorgeschlagen, ist auch nur gut Trainierten zu empfehlen.

Mit den hier wiedergegebenen Beschreibungen wird jeder Wanderbegeisterte sicher die für ihn geeignete Strecke nach Wunsch und Laune zusammenstellen können.

image

Nur per Schiff erreichbar – St. Bartholomä am Fuß der Watzmann-Ostwand

image

Spät in der Saison über alle Berge. In den Hohen Tauern

Der Klassiker über die Alpen

In 28 Tagen auf der Graßler-Route nach Venedig

von Andrea (Text) und Andreas Strauß (Fotos)

image

Blick vom Peitlerkofel Richtung Geislerspitzen, Dolomiten

1Der Klassiker über die Alpen

In 28 Tagen auf der Graßler-Route nach Venedig

SCHWIERIGKEIT

image

KONDITION

image

ETAPPEN

28 Etappen, 520 km, 20 000 Hm (jeweils im Auf- und Abstieg)

HÖCHSTER PUNKT

Friesenbergscharte (2904 m)

AUSGANGSORT

Marienplatz in München

ENDPUNKT

Markusplatz in Venedig

ERLEBNISWELT/HIGHLIGHTS

Marienplatz und Markusplatz sind die beiden städtebaulichen Eckpunkte mit viel Flair, dazwischen liegen wunderschöne Gebirgslandschaften: vor allem die Karwendelüberschreitung, die traumhafte Szenerie um die Friesenberghütte, der Abschnitt auf dem Dolomitenweg Nr. 2 durch den Puez-Geisler-Naturpark, das Sellaplateau mit dem Piz Boé, der Bindelweg mit Marmoladablick. Die Ruhe in der Civetta- und Schiaragruppe. Die Weinberge Venetiens.

KARTEN

Bay. Landesamt für Vermessung 1:50 000, UK50 – 41; Kompass-Karten Nr. 26, 36, 37, 55, 56, 77, 180, 182; AV-Karten BY 11, 12, Nr. 5/2, 31/5, 35/1, 52/1; Tabacco-Karten Nr. 4, 11, 24, 30; freytag & berndt Nr. 5; Belletti Nr. 218, 223; siehe die einzelnen Etappen

LITERATUR

Ludwig Graßler u. a.: Traumpfad München–Venedig, Bruckmann Verlag; Eva-Maria Troidl, Stefan Lenz, Ludwig Graßler: Bruckmanns Wanderführer Traumpfad München–Venedig, Bruckmann Verlag; Ralf und Mareike Lamsbach: Von München nach Venedig, DuMont Verlag

BESTE TOURENZEIT

Anfang/Mitte Juli bis Mitte/Ende September

Venedig sehen und sterben! Nach vier Wochen Wandern wird man tatsächlich in Venedig sein, sterben wird man deshalb nicht gleich wollen. Dazu ist die Alpenüberquerung von München aus auch viel zu schön! Seit über vierzig Jahren sind diese beiden Städte nun durch die große klassische Traversale, den Graßlerweg, miteinander verbunden. Vier Wochen Wandern. Vier Wochen von Hütte zu Hütte. Vier Wochen Aussichtsgipfel sammeln und Tallandschaften durchstreifen. Vier Wochen auf den schönsten Pfaden unterwegs sein, die die Ostalpen zu bieten haben. Vier Wochen die Seele baumeln lassen und das Leben auf die wenigen Dinge reduzieren, die im Gebirge von Belang sind. Vier Wochen, die man sich zumindest einmal im Leben gönnen sollte.

Losgehen in Münchens guter Stube

Am frühen Morgen eines Frühsommertages stehen wir unter den golden glänzenden Augen Marias am Münchner Marienplatz, die Rucksäcke sind an die Balustrade der Mariensäule gelehnt, wir sehen den Geschäftsleuten zu, wie sie aus den U-Bahn-Schächten strömen und im Straßengewirr verschwinden, und warten auf Herbert und Susi, die nach Venedig mitwandern möchten. Da stehen wir mit diesem angenehmen Kribbeln im Bauch, das alle Sinne schärft. Blauer Himmel, aber kühle Temperaturen, optimales Wanderwetter eben. Dann sind sie da, ein freudig-gespannter Blick in die Runde, die Rucksäcke geschultert – und schließlich der erste Schritt!

image

Los geht’s in Münchens »guter Stube«, am Marienplatz.

Der erste Schritt fühlt sich physisch nicht anders an als andere Wanderschritte, emotional aber fällt eine riesige Last zu Boden. Was war nicht alles zu erledigen in den letzten Wochen! Denn eine Alpenüberquerung will geplant sein. Geht man allein, zu zweit, in der Gruppe? Mit der Familie, mit guten Freunden oder mit einem mehr oder weniger bunt zusammengewürfelten Grüppchen? Organisiert man die Reise selbst oder soll es eine geführte Tour sein? Möchte man die Strecke in einem Rutsch bewältigen oder entscheidet man sich für mehrere, voneinander getrennte Etappen? Übernachtet man auf Hütten und in Gasthöfen oder wählt man gar die Hardcore-Linie und trägt sein Schneckenhaus selbst mit? Was haben wir nicht über Vorteile und Nachteile von vorreservierten Hüttenübernachtungen debattiert! Und wie oft darüber sinniert, ob das dritte Paar Socken Luxus ist oder vielmehr eine Notwendigkeit.

image

Bad Tölz ist das Ziel der 2. Etappe.

Während der ersten beherzten Meter zum Turm des Alten Rathauses sind diese Fragen Vergangenheit. Ein buntes Grüppchen wandert in munterer Unterhaltung Richtung Süden. Dort liegt nämlich das Ziel, auch wenn es noch über 500 Kilometer entfernt ist und etwa 20 000 Höhenmeter zurückgelegt werden müssen. Das ist sechsmal der Aufstieg vom Basislager des Everest zum Gipfel. Zugegeben: Wir erreichen nur eine absolute Höhe von 2904 Metern an der Friesenbergscharte und haben daher die bessere Sauerstoffversorgung als Everestaspiranten – sieht man einmal von den Stunden ab, in denen wir in einem voll besetzten Hüttenlager nach Bohneneintopf als Abendmenü liegen –, wir gehen auf markierten Wegen und nur einmal im Zillertal über Firn oder Eis. Und wir können jeden Tag unsere Spaghetti essen und uns nach vollbrachter Tagesleistung mit einem Gläschen Bier oder Wein auf die Hüttenterrasse setzen.

Um das Kulinarische nicht am Anfang schon zu kurz kommen zu lassen, weichen wir nach nicht einmal fünf Minuten vom rechten Weg ab und versorgen uns am Viktualienmarkt mit frischen Köstlichkeiten für die Tagesverpflegung. Nur ein paar ausgewählte Schmankerln kommen in den Rucksack. Unser erster Wandertag führt uns nach Wolfratshausen, dabei laufen wir an einer Reihe von Traditionsgaststätten vorbei, und außerdem will man ja nicht mehr tragen als unbedingt nötig.

image

Ahornriesen unter den Karwendelwänden – am Kleinen Ahornboden

Selbst wer München gut kennt, wird die Stadt jetzt mit anderen Augen sehen. Durch die »Wanderbrille« sozusagen, die manche Entfernungen dehnt, manchen Hügel zum Berg macht und überhaupt alles in ein anderes Licht taucht. Die Cafés und Boutiquen, das Deutsche Museum, vor dem sich die Reisebusse aus der ganzen Republik aufreihen, und die Isar mit ihrem ewigen Wellenspiel. An der Isar geht es nun für mehrere Tage entlang, stromaufwärts den Bayerischen Alpen zu, bis wir ihre Ufer am dritten Tag verlassen und sie am sechsten Tag an ihrem Ursprung wieder treffen. Dann werden wir schon mitten im Karwendel sein, um viele Erlebnisse reicher und auch mit ein paar kleinen Wehwehchen, wie sie im Laufe der ersten Woche gewöhnlich auftreten.

Vier Stunden später ist der erste Berg erreicht. Zum Auftakt ist es gleich ein besonders heiliger Berg. Am Isarhochufer wartet das Kloster Schäftlarn auf einen Besuch. Dass nach der zünftigen Brotzeit und der Halben Bier jedem München-Venedig-Wanderer die Füße schwer sind, ist übrigens ganz normal. Obwohl man natürlich vor dem Start ein wenig Zeit investieren sollte, um sich für Tagesetappen von bis zu acht Stunden fit zu machen.

Eine dieser langen Strecken erleben wir gleich am Starttag. Bis nach Wolfratshausen legt man zwar so gut wie keine Höhenmeter zurück, jedoch respektable 32 Kilometer am Isarufer; das ist die längste Kilometerleistung der kompletten Reise. Nach dem Kloster Schäftlarn spulen wir die restlichen Stunden aber unbeschwert ab. Vor allem wer früh im Jahr losgeht, erlebt in der Pupplinger Au einen grandiosen Vorgeschmack auf die Schönheiten am Wegesrand. Was hier alles blüht! Kenner werden auf diesem Abschnitt ins Jubeln kommen, wenn sie seltene Orchideen entdecken. Wir »Normalsterbliche« können uns nur wundern, wie viele Möglichkeiten die Natur gefunden hat, um uns zu zeigen: Das Leben ist schön!

Vom Isartal ins Karwendel

Stille Bergseen, wilde Pässe, bunte Almmatten und herrliche Tiefblicke in Kare und Täler, all das haben wir vor Augen, wenn wir an die Alpenüberquerung denken. Wir sind schon ganz heiß auf den ersten Gipfel, die Benediktenwand, und den Blick aufs Karwendel, der sich hier auftun wird. Und dann erst der Aufstieg zum Karwendelhaus an der Hauptkette dieses unglaublichen Felsstocks entlang. Es kann uns gar nicht steinig und steil genug sein. Im Moment. Denn der zweite Tag beginnt in Wolfratshausen und auch heute wandern wir nochmals eben an der Isar entlang. Von den wirklichen Bergen ist den ganzen Tag über keine Spur zu sehen, selbst die Gipfeloption am Ende dieses Wandertags in Bad Tölz ist kein echter Berg, ein Hügel vielmehr. Darüber kann sein Name nicht hinwegtäuschen: der Kalvarienberg mit seinen 707 Metern.

image

Blick zurück von der Birkkarspitze ins Schlauchkar

Vorfreude erzeugt dieser Tag aber sehr wohl. Nochmals wandern wir durch die Pupplinger Au, diesmal durch den südlichen Teil des Naturschutzgebiets. Und nochmals rauscht uns die Isar ihre Geschichte ins Ohr, vom Ursprung im Karwendel, von den vielen kleinen Felsstufen, über die sie hinabsprang, über den langen Weg nach Scharnitz und ihre Strecke von Vorderriß in den Sylvensteinspeicher. Sie murmelt uns den ganzen Tag von Lenggries und Tölz vor. Jetzt ist unsere Vorfreude am Maximum angelangt. Wir fühlen uns trotz der schweren Füße nach erneut siebenstündiger Wanderung wie eine Feder, die bis zum Äußersten gespannt ist und nur noch darauf wartet, loshüpfen zu dürfen. Morgen, am dritten Tag, werden wir die Berge erreichen. Unsere Bayerischen Voralpen.

Mit der Benediktenwand ist ein besonderer Sympathieträger an den Anfang gestellt. Die »Benewand«, wie sie liebevoll genannt wird, als bayerisches Bergunikum: behäbig, mit breitem »Kreuz« (Rücken) und einem Bierbauch. Auf den ersten Blick macht die Benewand nicht so viel her, aber wenn man genauer hinsieht, und dazu hat man beim Wandern wahrlich Zeit, dann bietet sie alles: An der Benewand kann man wandern, biken und im Winter Schlitten fahren. Und sie hat Felsen. So viele, dass man auch klettern kann und sich eine Kolonie Steinböcke hier wieder angesiedelt hat. Ein sehr beliebter Höhenweg führt vom Seilbahnberg Brauneck hinüber zu ihrem Gipfel. Diese Möglichkeit eröffnet uns auch die Option, gut 800 Höhenmeter Aufstieg einzusparen. Außerdem bietet die Benewand Almen und eine Alpenvereinshütte, die Tutzinger Hütte, für die erste Hüttenübernachtung. Wenn man am vierten Wandertag von der Tutzinger Hütte frühzeitig aufbricht, kann man nicht nur den Gipfel zusätzlich ansteuern, sondern hat gute Chancen, die stolzen Steinböcke beobachten zu können.

image

Die Falkenhütte liegt unweit der Graßler-Originalroute; beeindruckend sind die Laliderer-Nordwände.

Über die schön gelegene Petereralm steigt man ab in die Jachenau, quert dieses Tal und ist nach einem weiteren waldigen Höhenzug in Vorderriß an der Isar. Auf der Talwanderung von Vorderriß nach Hinterriß am Folgetag wird jeder einmal schwach. Manche Wanderer erwischt es in der ersten Hälfte schon und sie kehren in einer der urigsten Hütten unserer Überquerung zum Frühschoppen ein. Die Oswaldhütte liegt zwar nahe der Straße und nach viel zu kurzer Wegstrecke, aber trotzdem werden manche hier der Versuchung erliegen. Andere werden schwach, wenn sie sehen, dass man die gut zwölf Kilometer lange Strecke mit dem Auto in wenigen Minuten zurücklegen könnte. Manche strecken die Segel und lassen sich vom Bus Richtung Eng mitnehmen, manche strecken den Daumen in die Höhe und setzen ihr charmantestes Lächeln auf oder ihren treuherzigsten Blick, je nachdem, wie man eben »früher« als Anhalter am meisten Erfolg hatte. Wer diesen Versuchungen widersteht, sieht im Rißbachtal einen munteren Gebirgsbach fließen, teils im breiten Bett, teils von engen Felsbarrieren begrenzt. Er geht durch kühlen Gebirgswald mit Orchideen und hört das Bimmeln der Kuhglocken auf den Almweiden. Leider aber auch den regen Verkehrsfluss, den die Straße in die Eng mit sich bringt.

image

Das Karwendelhaus vor der langen Schlauchkaretappe

Vom Ahornboden ins Inntal

Ob man als Purist auf dem München-Venedig-Weg unterwegs ist und wirklich nur auf die Kraft des eigenen Körpers baut und jegliche Hilfe verschmäht oder ob man nicht doch ab und an »schummelt« und einen Lift, die öffentlichen Verkehrsmittel oder gar ein Begleitfahrzeug nutzt, diese Gretchenfrage muss jeder für sich selbst entscheiden. Hauptsache, man hat Spaß auf diesem großartigen Weg. Kurz nach Hinterriß, wo die Mautstraße beginnt, zweigt der Weg ins Johannestal ab. Ein langes, wildes Karwendeltal, wie geschaffen für die Mountainbiker. Doch trösten wir uns, dass auch sie beim Fahren hinaufschwitzen müssen.

Die letzte halbe Stunde sind die Gespräche beim Aufstieg auf der breiten Forststraße im Johannestal immer mehr verstummt. Jetzt steht unsere Gruppe an der Wegverzweigung Falkenhütte–Karwendelhaus im Kleinen Ahornboden. Unsere Stille hat eine andere Qualität bekommen. Staunend stehen wir hier und versuchen, die Eindrücke einzusaugen. Der Kleine Ahornboden, hinter dem die Felswände des Karwendels emporragen, taucht uns in eine Atmosphäre, die sich schwer beschreiben lässt. Gewaltig und lieblich zugleich. Eine zeitlose Schönheit liegt über dem Talboden. Mit dem Rücken an einen der knorrigen Ahornriesen gelehnt, im Ohr das Plätschern des Wassers aus dem nahen Brunnen und den Blick aufs Blätterdach gerichtet, so verbringen wir einen Teil des Nachmittags. Ob es noch Kriege gäbe, wenn alle »Großen« dieser Welt pro Woche eine Stunde hier sitzen und schweigen würden?

Hinauf zum Karwendelhaus verändert sich das Landschaftsbild rasch. Von der Waldregion gelangt man ins Almgelände. Der Blick auf die Östliche Karwendelspitze rechts und auf Kaltwasserkarspitze und Birkkarspitze links gibt einen Vorgeschmack auf die morgige Etappe: Die Überschreitung des Karwendelhauptkamms spielt sich in der Felszone ab. Eine karge, unwirtliche Mondlandschaft erwartet uns.

Ein Fuß überm Abgrund, einer auf der Hüttenterrasse, die Sonnenstrahlen wärmen den Rücken, die Apfelschorle löscht den Durst. Zufrieden genießen wir den Luxus des Karwendelhauses. Was braucht man schon zum Leben? Ein einfaches Essen, klares Wasser, eine Decke für die Nacht. Die Zeit, sich mit Freunden unterhalten zu können, der Blick auf die wilde Landschaft, ein paar Spritzer kaltes Wasser zum Waschen – ist das nicht schon Luxus? Wir empfinden es jedenfalls so und freuen uns darüber, als hätten wir den Hauptgewinn gezogen.

image

Sanfte Almen kennzeichnen die 3. und 4. Etappe.

»Nein, der Abstieg vom Schlauchkarsattel war uns zu schwierig, wir steigen nach Scharnitz ab und gehen übers Hinterautal zum Hallerangerhaus«, berichtet eine Seniorengruppe am Nachbartisch. Gut, dass es am Graßlerweg einige Varianten gibt. Vor allem der anspruchsvolle und lange Tag vom Karwendelhaus zum Hallerangerhaus lässt sich problemlos umgehen. Zum Beispiel über die Eng und die Lamsenjochhütte oder noch einfacher mit dem Abstieg durchs Karwendeltal nach Scharnitz. Am schönsten ist jedoch die Originalroute durchs Schlauchkar und hinab zur Kastenalm.

image

Ein Kleinod am Wegesrand: der Junssee

Es dämmert gerade, als wir über rutschig-erdiges Schrofengelände hinter der Hütte ins Schlauchkar hinaufsteigen. Ein älterer Herr überholt uns, mühsam schnaufend. Ob er das Tempo halten kann? Fast möchte man ihm nachrufen: In der Ruhe liegt die Kraft. Aber er wird schon wissen, was er tut. Alt genug ist er jedenfalls. Drei Stunden später bläst uns ein kühles Lüftchen ins Gesicht und trocknet den Schweiß. Das Schlauchkar hat seinem Namen Ehre gemacht. Eine Geröllwüste, in der es außer der Gemsenmama mit ihrem Kitz und ein paar Spinnen kein Leben zu geben scheint. Nur ganz unten im Kar sieht man zwei dunkle Punkte langsam sich herauf- und einen roten Punkt langsam sich hinabbewegen: Den älteren Herrn hatten wir mitten im Kar eingeholt. Zerknirscht saß er da mit zwei Schuhen, aber nur noch einer Sohle. Jetzt steigt er wieder ab. Auch wir machen dies, jedoch nach Süden, immer der Sonne entgegen, die den steilen Südhang schon kräftig aufgewärmt hat. Schritt für Schritt hinab zur Isar.

Natürlich ist es geschwindelt, wenn man behauptet, 500 Kilometer Wanderstrecke wären durchwegs herrlich und man würde kein Stück davon missen wollen. Der Spaziergang vom Hallerangerhaus zu den Isarquellen am Abend des sechsten Tages kostet wirklich Überwindung. Auch wenn Wegstrecke und Höhenmeter angesichts der heute zurückgelegten 1500 Höhenmeter Auf- und Abstieg gar nicht mehr ins Gewicht fallen. Bereut haben wir den zusätzlichen Weg nicht. Der Alpenpark Karwendel mit seinen 900 Quadratkilometern Fläche auf bayerischem und Tiroler Gebiet stellt ein riesiges Areal unter Schutz. Die Isarquellen unterm Überschalljoch aber sind eine der wunderbarsten Stellen in diesem Gebirge. Wir lassen den Tag ausklingen und freuen uns schon aufs Kontrastprogramm des kommenden Tages: die letzte Gebirgskette des Karwendelstocks überschreiten und dann ins Getümmel des Inntals eintauchen. Innsbruck, Hall oder Wattens heißen die nächsten Ziele, je nach geplanter Variante. Von dort nach Venedig ist’s nur noch ein Katzensprung!

image

Am Junssee überblickt man die nächsten eineinhalb Tagesetappen.

Höhenluft in den Tuxer und Zillertaler Alpen

Nein, den Ruhe- und Besichtigungstag sparen wir uns auf. So interessant Innsbruck oder Hall gewesen wären, so groß war auch der »Kulturschock«. Die schwülheiße Luft, der Autoverkehr, überhaupt der Trubel und die Hektik. Lieber hängen wir einen Tag die Füße in den Friesenbergsee oder wir lassen uns in Stein mit Südtiroler Köstlichkeiten mästen. 800 Höhenmeter und scheinbar endlose Kilometer zieht sich die Straße ins Wattental hinein. Ab Lager Walchen endet zumindest der Autoverkehr. Jetzt ist es nur noch die Zufahrt zur Lizumer Hütte, die aufwärtsführt. Die Gruppe zieht sich auseinander, jeder hängt seinen Gedanken nach. Es ist ein wenig wie Zugfahren: Man muss nicht denken, die Füße gehen alleine, der Weg ist breit. Man darf die Gedanken schweifen lassen oder mit wachen Sinnen die Kleinigkeiten am Wegrand aufnehmen. Hier ein Zaunkönig, der im letzten Moment ins Gebüsch huscht. Da eine lilafarbene Glockenblume, die im Wind nickt. Die alte Bäuerin, wie sie die Blumen am Balkon auszupft. Bilder. Nicht spektakulär, schon gar nicht atemberaubend neu. Müssen sie aber auch nicht sein. Nach einer guten Woche Wandern hat man gelernt, sich wieder an Alltäglichem zu erfreuen.

Über das Junsjoch führt der Weg am nächsten Morgen ins Herz der Tuxer Alpen. Eine vergleichsweise liebliche Hochgebirgslandschaft mit blühenden Almmatten, Schafen und Kühen erwartet uns. Für das Erlebnis »Sonnenaufgang am Junsjoch« mit dem schönen Blick auf Gfrorne Wandspitzen und Olperer muss man die Etappe von der Lizumer Hütte im Dunkeln zurücklegen. In einer Mulde über dem dunklen Auge des Junssees warten wir anschließend auf den Rest der Gruppe, der sich das Frühstück nicht nehmen hat lassen. Ein Tag über Scharten und Wiesen steht bevor. Hundert Grüntöne erfreuen das Auge, nur ganz zum Schluss muss man sich an die grauen, ausgeaperten Gletscherreste gewöhnen, auf denen Lifttrassen und Pistenraupen an den Skibetrieb im Winter erinnern.

image

Im Anstieg zur Friesenbergscharte

image

Am Pisciadùsee ist die Hälfte des Wegs bereits zurückgelegt.

»Augen zu und durch«, heißt die Devise für den zehnten Tag! Denn zunächst quert der Weg das Skigebiet. Das Wetter meint es gut: Dichter Nebel verhüllt die Scheußlichkeit, und erst am Spannagelhaus, wo das Grauen ein Ende hat, blitzt blauer Himmel durchs Grau. In einer Stunde ist der höchste obligatorische Punkt erreicht: die Friesenbergscharte mit 2904 Metern. Ein Firnfeld zieht sich zum Schartenübergang. Früh im Jahr liegt hier die »Schlüsselstelle« der Alpenüberquerung. Vor allem der steile Abstieg nach Süden muss zwingend schneefrei sein.

Die meisten Wanderer greifen gern an die Stahlseile der Versicherungen und steigen Tritt für Tritt vorsichtig ab. Ja, die Friesenbergscharte will geschafft sein. Der Angstschweiß lässt sich im Friesenbergsee abwaschen. Ein kleiner Badesee mit traumhaftem Blick auf die Eiswände von Hochferner und Hochfeiler, den beiden Zillertaler Riesen. So würde das zumindest jener Norweger sehen, der mir vor Jahren erklärte, dass ein See zum Baden tauge, solange er eisfrei sei. Wie dem auch sei – Baden oder nicht – im nahen Friesenberghaus kann man sich wieder aufwärmen und außerdem verwöhnen lassen. Schnell steht fest: Die eine Hälfte des Ruhetags findet hier statt, den Abstieg zum Schlegeisspeicher und zur Dominikushütte hängen wir an die morgige Etappe an. Zwischen Marienplatz und Markusplatz ist das Hüttennetz teils eng genug, um Tagesetappen zu verkürzen oder ganze Tage herauszulaufen, wenn man auf höheres Tempo Lust hat.

Drei Tage noch bis zu den Dolomiten!

Auf die freuen wir uns alle mehr als auf jeden anderen Gebirgsstock. Dabei ist der kräftig türkisfarbene Schlegeisspeicher mit den Zillertaler Gletscherbergen als Kulisse ein wunderbarer Anblick. Ein purer Genuss, der uns am folgenden elften Tag dazu verleitet, zuerst zur Olpererhütte zu queren und dann erst abzusteigen. Am Stausee beginnt unter Tausenden von Ausflüglern eigentlich erst die heutige Tagesetappe. Dass man auf dem richtigen Weg ist, prangt bald auf einem großen Felsen. Sieben gelbe Buchstaben leuchten dem Wanderer entgegen: VENEDIG.

Während der beiden Stunden Abstieg vom Pfitscherjochhaus zum Weiler Stein auf der italienischen Seite treten die Knie in Streik und im Kopf kommt es zu Halluzinationen.

Da tauchen Bilder auf von Schlutzkrapfen und einem Glas Roten, von frischem Salat… Ein Teil der Gruppe sitzt schon auf der blumengeschmückten Terrasse in Stein und lässt ein Bier zischen. »Setz dich her und trink erst was, bevor wir weitergehen.« Ich sitze, trinke und versuche, den dritten Teil des Satzes zu verstehen. Wieso weitergehen? Unser Tag endet hier. Ich gehe nicht mehr weiter. Wohin denn auch? Die nächste Etappe ist fast acht Stunden lang, und jetzt ist’s Abend. Die Wahrheit sickert nur langsam in meinen müden Geist: Das Gasthaus Stein ist bis auf den letzten Platz ausgebucht.

Nach etlichen Telefonaten, die die Wirtin liebenswerterweise führt, um eine Lösung für unser Übernachtungsproblem aufzutun, ist eine Notunterkunft gefunden. Weiter unten im Tal gibt es einen alten Bauernhof aus der Zeit der Großfamilien, nur noch von einem alleinstehenden Nebenerwerbslandwirt bewohnt. Ansprüche dürften wir keine stellen, aber ein Dach überm Kopf wär’s eben. So beziehen wir dort Zimmer und machen uns auf in die uns bekannte Pizzeria. Nochmals ein Fußmarsch an diesem langen Tag. Hätten wir jetzt schon gewusst, dass wir das Abendessen erst zwei Stunden später am Tisch haben würden, weil der Pizzabäcker in ein anderes Seitental des Etschtals umgezogen ist und die nächste Wirtschaft nochmals eine halbe Stunde talab liegt …

Am nächsten Morgen sitzen wir in der Küche des Bauernhauses. Der Besitzer ist längst zur Arbeit gegangen. Am Küchenboden steht für uns ein fast meterhoher Papiersack mit frischen Semmeln. Wir sollen halt das Übernachtungsgeld in die Küchenschublade und den Haustürschlüssel unter die Treppe legen. Wo gibt es noch so viel blindes Vertrauen zu ein paar wildfremden Menschen? Gleich nach der Überquerung des Pfitscherbachs beginnt es zu regnen. Es soll den ganzen Vormittag nicht aufhören. Durch hohes Gras und verfallene Almsiedlungen führt der Pfad hinauf ins Gliderschartl. Kalter Wind pfeift durch die Scharte, die Felsen sind vom Regen schwarz. Alles ist nass, klamm, die Hände eisig kalt und schon ganz weiß angelaufen. Aus der gemütlichen Brotzeit am malerischen Grindler See unter der Scharte wird ein etwas missmutiger Stehimbiss. Jeder mümmelt an einem Riegel, ein schnelles Beweisbild, über das wir zu Hause herzhaft lachen werden, so schlimme Grimassen entstehen bei dem Versuch, nicht zu übellaunig in die Kamera zu blicken.

image

Dolomitisch – die Fünffingerspitze im Langkofelmassiv

image

Vom Gipfel des Piz Boé zeigt sich die Marmolada mit ihrer vergletscherten Nordflanke.

Aber heißt es nicht »sonniger Süden«? Mit jedem Höhenmeter Abstieg lässt der Regen nach, und bald ist es so warm, dass wir die nassen Anoraks zum Trocknen über die Rucksäcke hängen. Ab den Engbergalmen können wir wieder richtig lachen und erfreuen uns an dem wilden Tal und den Blumen am Wegesrand, an denen noch schwere Regentropfen hängen wie Perlen auf der Schnur. Immer wieder kommt das Gespräch auf das Vertrauen, das man braucht, um Fremden einfach sein Haus zu überlassen.

image

Kreuz am Crespernajoch im Puez-Geisler-Nationalpark

Auf zur Marmolada

»Ah, la Marmolada!« – der fesche italienische Herr, mit dem wir am Würzjoch ins Gespräch kommen, hat auf einmal ein Leuchten in den Augen, wie es nur durch große, bedingungslose Liebe entstehen kann. »La Marmolada«, wiederholt er nochmals. Erst wollte er uns gar nicht glauben, dass wir nach Venedig wandern, und meinte, es handele sich um einen Hörfehler oder eigentlich um einen Aussprachefehler. Aber dann zählen wir ihm Etappenziele auf: Monaco, Innsbruck, Gran Pilastro, Val di Rienz, Passo Gardena, Marmolada. Zu Civetta, Belluno, Venezia kommen wir nicht mehr, die Tatsache, dass wir Richtung Marmolada gehen, nimmt ihn ganz gefangen. Zum schönsten Dolomitenberg. Mit seinem Gletscher und der herrlichen Aussicht. Er war auch mal oben, erzählt er uns und reckt den Brustkorb heraus, der heutzutage als Unterbau ein kleines Pastabäuchlein bekommen hat. Mit einem »Bellissima!« schickt er uns auf den Weg und macht noch eine großzügige Handbewegung wie der Patriarch, der dem Sohn das spätere Erbe zeigt.

image

Keineswegs bleich präsentiert sich die Sella im Abendlicht.

Seit zwei Tagen sind wir jetzt in den Dolomiten unterwegs. Doch die Strecke zwischen Pustertal und Würzjoch entspricht nicht dem klassischen Dolomitenbild. Viel eher hat man den Eindruck, man würde irgendwo im Mittelgebirge wandern. Viel Wald und liebliches Almgelände. Die großartigen Fernblicke stehen noch aus und die sagenhaften »bleichen Berge« sind viel zu grün.

Aber hier am Würzjoch tauchen wir erstmals in die »Faszination Dolomiten« ein. Zwischen dem felsigen Peitlerkofel und den Geislerspitzen führt der Weg hoch in die Peitlerscharte und quert in wunderschöner Landschaft zur altehrwürdigen Schlüterhütte. Groß ist die Versuchung, von der Scharte auf den Gipfel dieses aussichtsreichen Felskolosses weiterzusteigen. In immer stärker werdendem Wind kommen wir aber nur bis zum Beginn der Drahtseilversicherungen, dann beginnt es zu graupeln. Schade, zu Recht gilt der Peitlerkofel als einer der besten Aussichtsberge. Auch wenn nach fast zwei Wochen Wandern das Zeitgefühl anders geworden ist, wissen wir doch, dass wir einen Reservetag zur Verfügung haben. Mit diesem Wissen kann man einen Regennachmittag in den gemütlichen Lagern der Schlüterhütte gut überstehen. Nach dem Abendessen ziehen die Nebelfetzen an den Felswänden der Geislerspitzen hinauf – ein gutes Wetterzeichen und Grund zur Hoffnung.