Weitere Bücher der Reihe

Die unendliche Barbara Cartland Liebesroman Kollektion ist die Gelegenheit alle fünfhundert dieser zeitlos schönen Liebesromane zu sammeln, die die gefeierte Liebesromanautorin geschrieben hat.

Die Reihe trägt den Namen Die unendliche Barbara Cartland Liebesroman Kollektion weil sie Geschichten solche der wahren Liebe sind. Jeden Monat sollen zwei Bücher im Internet veröffentlicht werden, bis alle fünfhundert erhältlich sind.

Die unendliche Barbara Cartland Liebesroman Kollektion, klassisch schöne Romane wahrer Liebe erhältlich überall für alle Zeit.

  1. Der Fluch der Hexe
  2. Die Brigantenbraut
  3. Zärtliche Indira
  4. Ein Fremder kam vorbei
  5. Der Clan der McNarn
  6. Der Liebesschwur
  7. Jawort unter Fremden Sternen
  8. Gefangene der Liebe
  9. Laß mich bei dir Sein
  10. Das Traumpaar
  11. Bezaubernde Hexe
  12. Die Zärtliche Versuchung
  13. Liebe unter Fremdem Himmel
  14. Hochzeit Mit dem Ungeliebten
  15. Hochzeit Mit dem Ungeliebten
  16. Liebe unterm Tropenmond
  17. Weiße Lilie
  18. Amor in Sankt Petersburg
  19. Die Zähmung der Wilden Lorinda
  20. Die Zigeuner-prinzessin
  21. Flucht ins Gluck
  22. Die Einsame Frau das Herzogs
  23. Sehnsucht nach dem ersten Kuß
  24. Schlittenfahrt ins Glück
  25. Das Mädchen und der Maler
  26. Die Weiße Sklavin
  27. Bleib bei mir, Kleine Lady
  28. Die Braut des Rebellen
  29. Nur ein Hauch von Liebe
  30. Geheimnis um Virginia
  31. Liebestrommeln auf Haiti
  32. Ich Schenke dir mein Herz
  33. Das Glück hat deine Augen
  34. Liebesglück in Schottland
  35. Der Herzensbrecher
  36. Die Flamme der Liebe
  37. Die Schmugglerbraut
  38. Der Marquis und das Arme Mädchen
  39. Die Herrin des Clans
  40. In Deinen Armen will ich Trämen
  41. Liebe mit Hindernissen
  42. Die Kapelle im Wald
  43. Zauber des Herzens
  44. Verzieh mir Liebster
  45. Der Prinz und die Tänzerin
  46. Triumph der Liebe
  47. Geliebte Lady
  48. Heimliche Liebe
  49. Ich Liebe Sie, Mylord
  50. Alle Zärtlichkeit für Dich
  51. Das Gefährliche Spiel
  52. Irrwege der Liebe
  53. Heimliche Brautschau
  54. Das Wunder der Liebe
  55. Geliebte Dominica
  56. Die Maske der Liebe
  57. Geliebte Stimme
  58. Die Liebenden von Valmont
  59. Die Vernunftehe
  60. Die Heimliche Geliebte
  61. Ich Begleite dich auf Allen Wegen
  62. Wie ein Trauma us der Nacht
  63. Reise ins Paradies
  64. Alvina, Engel meines Herzens
  65. Entführer meines Herzens
  66. Geküßt von Einem Fremden
  67. Dein Zärtlicher Blick
  68. Meine Stolze Prinzessin
  69. Verliebt in einen Engel
  70. Verwundetes Herz
  71. Im Garten der Liebe
  72. Indischer Liebeszauber
  73. Die Brautfahrt
  74. Die Intrigen der Lady Brandon
  75. Der Herzensdieb
  76. Porträt Eines Engels
  77. Diona und ihr Dalmatiner
  78. Sternenhimmel über Tunis
  79. Ein Junggeselle wird Bekehrt
  80. Liebe im Hochland
  81. Jagd nach dem Glück
  82. Deine Liebe ist ein Juwell
  83. Bis Daß der Tod uns Scheidet
  84. Lektion in Sachen Liebe
  85. Geliebt und glücklich
  86. Entscheidung des Herzens
  87. Im Zeichen der Liebe
  88. Opfer der Gefühle
  89. Garten der Sehnsucht
  90. Lady Bartons Rache
  91. Reise im Glück
  92. Nur die Liebe Zählt
  93. Prinzessin meines Herzens
  94. Liebe im Wüstensand
  95. Atemlos aus Lauter Liebe
  96. Liebende auf der Flucht
  97. Das Pfand der Liebe
  98. Melodie des Herzens
  99. Alles Glück der Erde
  100. Magie des Herzens
  101. Im Banne der Hexe

Die arme Gouvernante

Barbara Cartland

Barbara Cartland E-Books Ltd.

Vorliegende Ausgabe ©2020

Copyright Cartland Promotions 1986

 

Gestaltung M-Y Books

www.m-ybooks.co.uk

Zur Autorin

Barbara Cartland wurde 1901 geboren und stammt mütterlicherseits aus einem alten englischen Adelsgeschlecht. Nach dem Tod des Vaters und Großvaters ernährte ihre Mutter die Familie allein.  Sie war zweimal verheiratet und hatte drei Kinder. Ihre Tochter Raine war die Stiefmutter von Prinzessin Diana von Wales. Sie schrieb über 700 Romane, die ein Millionenpublikum ansprechen. Barbara Cartland starb im Jahr 2000.

1 ~ 1887

Die Tür wurde geöffnet, und eine energische Stimme rief: „Kommen Sie, Miss Lara. Es ist ein schöner Tag heute. Sie sollten hinausgehen, an die frische Luft, anstatt sich hier drinnen die Finger wund zu schreiben.“

Lara Hurley hob lachend den Kopf.

„Ich schreibe mir nicht umsonst die Finger wund, Nanny: Wenn ich einmal berühmt bin, wirst du schon stolz auf mich sein. “

Nanny, die seit über zwanzig Jahren für die Familie arbeitete, schniefte nur mißbilligend, bevor sie einen Schal, einen Sonnenhut und ein paar Bücher aufhob, die achtlos auf Stühlen und Boden verstreut lagen.

Lara lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und schimpfte: „Oh, jetzt habe ich den Faden verloren. Dabei habe ich ohnehin solche Schwierigkeiten mit dem dritten Kapitel.“

 „Weshalb Sie noch ein Buch schreiben wollen, wenn das Haus jetzt schon voll davon ist, begreife ich einfach nicht“, erklärte Nanny.

„Das sagst du jetzt, aber wenn es einmal veröffentlicht ist, dann wirst du die erste sein, der ich eine Widmung in ihr Buch schreiben soll“, prophezeite Lara.

Doch Nanny gab ihrem Unglauben durch ein erneutes Schniefen Ausdruck.

„Ich verstehe dich ja, Nanny“, fuhr Laura fort, „aber was soll ich denn sonst tun, um Geld zu verdienen? Du weißt doch, wie sehr wir es brauchen. “

„Damit verdient man kein Geld“, erwiderte Nanny. „Ich habe immer nur gehört, daß Schriftsteller verhungert sind, noch bevor ihre Bücher überhaupt erschienen sind.“

„Da hast du recht, aber wenn ich auch nicht verhungern werde, was ich dann sicher dir zu verdanken habe, brauche ich doch ganz dringend ein neues Kleid. Und wenn ich noch weitere fünf Jahre mit demselben Hut zur Kirche gehe, dann wird er sich in seine Bestandteile auflösen, während ich gerade einen Psalm singe. Und dann wirst du dich meiner wirklich schämen.“

Nanny erwiderte nichts.

„Nicht daß es irgend jemanden in der Kirche gäbe, der von meiner Kleidung Notiz nehmen wollte“, fuhr Laura fort. „Das Leben in diesem Dorf ist viel zu langweilig und ereignislos. Ist es da ein Wunder, daß meine Phantasie auf Reisen geht?“

„Ich sage ja nichts gegen Ihre Phantasie, Miss Lara“, entgegnete Nanny steif, „aber Sie sehen so blaß aus. Sie brauchen dringend frische Luft, damit Ihre Wangen wieder rot werden. Andere junge Damen halten sich öfter im Garten auf und malen zum Beispiel. “

„Welche andere jungen Damen? In dieser Umgebung gibt es keine in meinem Alter,“

Nanny wußte darauf nichts zu erwidern. Deswegen schritt sie zur Tür und meinte nur: „Ich kann nicht den ganzen Tag Reden halten, Miss Lara. Ich muß mich um das Essen Ihres Vaters kümmern. Das Hühnchen, das Jacobs geschlachtet hat, ist so hart, daß ich es erst stundenlang kochen muß, ehe man hineinbeißen kann.“

Das zähe Fleisch der Hühnchen war ein ständiger Streitpunkt zwischen Nanny und dem alten Hausdiener, der die Reparaturarbeiten im Haus verrichtete, das Gemüse im Garten anpflanzte und die Ställe auskehrte.

Lara fragte sich oft, wie sie ohne ihn auskommen würden, denn sie war sich sicher, daß sie so leicht niemanden mehr finden würden, der für Jacobs’ kleines Gehalt seine Arbeit übernehmen würde.

Geld ist nicht die Wurzel allen Übels, dachte Lara bei sich, sondern die Ursache aller Sorgen. Irgendwie fand sie es ungerecht, daß ihr Vater mit seinem Titel keinen Penny abbekommen hatte.

Als jüngerer Sohn des dritten Lord Hurlington hatte er sein Leben der Kirche geweiht, während sein älterer Bruder Edward traditionsgemäß den Grenadieren beitrat. Als Edward in Ägypten an Malaria starb, wurde Reverend Arthur Hurlington Erbe des Titels.

Doch Laras Großvater starb und hinterließ einen Schuldenberg, der durch den Verkauf des Familienbesitzes nur zum Teil abgetragen werden konnte. Deswegen bemühte sich der neue Lord Hurlington aus Pflichtbewußtsein und Ehrenhaftigkeit, einen Teil seines ohnehin geringen Gehalts für die Abzahlung der verbliebenen Schulden abzuzweigen und mit dem spärlichen Rest des Geldes auszukommen.

Aus diesem Grund mußten Frau und Tochter jeden Penny zweimal umdrehen und den Kauf eines neuen Kleides oder neuen Hutes in die ferne Zukunft drängen.

„Wie hat Großvater nur so leichtsinnig mit dem Geld umgehen können!“ hatte Lara sich oft bei ihrer Mutter beschwert.

Lady Hurlington hatte darauf nicht nur keine Antwort gewußt, sondern hatte vor einem Jahr auch damit aufgehört sich an ihr Leben zu klammern. Es fehlte nicht nur an genügend Nahrungsmitteln, die ihre Kräfte hätten aufrechterhalten können, es fehlte auch das Geld für teure Medizin, die sie gebraucht hätte.

Seit Lara nun achtzehn Jahre alt geworden war und sich nicht mehr für ein Schulmädchen hielt, war sie von dem Wunsch des Geldverdienens förmlich besessen. Sie wußte natürlich, daß sie ihren Vater nicht allein lassen konnte, selbst wenn sie ein lukratives Stellenangebot erhalten hätte, was nicht der Fall war. Und sie hatte auch nicht das Verlangen, die einzigen Berufe zu ergreifen, die jungen Damen gestattet waren, nämlich Gesellschafterin einer zänkischen alten Witwe zu werden oder Gouvernante.

„Dazu sind Sie noch viel zu jung“, fand Nanny, als Lara mit ihr darüber sprach.

„Und ich habe auch keine Lust, Kinder zu unterrichten“, ergänzte Lara. „Außerdem sagte Mama immer, daß eine Gouvernante ein elendes Leben irgendwo zwischen Himmel und Hölle führen müßte.“

Als Nanny sie fragend anschaute, erklärte Lara lächelnd: „Sie sind weder oben noch unten, das heißt, sie befinden sich im Niemandsland dazwischen, was höchst unangenehm sein muß.“

Bei diesem Gedanken an das Dasein einer Gouvernante war in Lara der Wunsch erwacht, ein Buch darüber zu schreiben. In ihrem Roman würde die Heldin sehr arm, aber sehr hübsch sein. Sie würde eine Stellung in einem herzoglichen Haus erhalten, und da der Hausherr natürlich Witwer war, würde er nach einer Weile um ihre Hand anhalten, und sie würden in Glück und Freude zusammen leben.

Es sollte eine Geschichte werden, die Lara selbst gern lesen würde. Sie war sicher, daß sie nach Fertigstellung ihres Werks einen Verleger finden und ihr Glück machen würde.

Vielleicht werde ich einmal über Nacht so berühmt wie Lord Byron, dachte sie. In solchen Romanen gab es immer ein großes Haus, in dem der Kavalier wohnte. Entweder war er selbst jung und hübsch und hatte ein Auge auf ein hübsches Dorfmädchen geworfen, oder er war alt und streitsüchtig, hatte dafür aber einen Sohn, der mutig genug war, mit dem Mädchen, das er liebte, zu fliehen.

Da Lara als Einzelkind oft sich selbst überlassen war, hatte sie den Kopf voller romantischer Geschichten. Nur ihre Mutter hatte begriffen, daß die Menschen in ihrer Phantasie genauso lebendig, wenn nicht noch lebendiger waren als die, denen Lara täglich begegnete.

Als Lara nun vom Tisch aufstand, war sie äußerst zufrieden, daß sie bereits zwei Kapitel ihres Buches in sauberer Schrift zu Papier gebracht hatte, doch sie mußte sich auch eingestehen, daß sie beim dritten Kapitel zweifellos festsaß. Es war die Stelle, an der die Heldin, die eine freundliche alte Dame aus der Nachbarschaft für die Stellung in dem herzoglichen Haus empfohlen hatte, sich auf den Weg in das herrschaftliche Schloß machte.

Wie kann ich ein solches Haus beschreiben, ohne es je gesehen zu haben? fragte Lara sich. In ihrer näheren Umgebung gab es keine bedeutenden Häuser, die sie hätte besichtigen können. Zwar gab es zehn, fünfzehn Meilen entfernt die Landsitze einiger Adeliger, doch Rollo, das einzige Pferd der Pastorenfamilie, war so alt geworden, daß Lara ihm eine solche Entfernung nicht zumuten wollte.

Selbst wenn einer der benachbarten Bauern ihr einen Ackergaul auslieh, würde ein Tag für die Hinreise, die Besichtigung und die Rückreise nicht ausreichen. Und Lara konnte die Nacht ja kaum unter irgendeinem Gebüsch verbringen.

In dem Bewußtsein, daß es wohl allen Schriftstellern so wie ihr erging, blickte sie traurig auf ihr begonnenes Manuskript und beschloß, erst einmal Nannys Wunsch zu erfüllen und ein wenig in den Garten zu gehen. Vielleicht fällt mir dabei ein, wie ich meinen Roman fortsetzen kann, dachte sie.

Sie trat in die Diele, wo Nanny Laras alten Sonnenhut auf einen Stuhl gelegt hatte.

Lara griff nach dem Hut und wollte das Pfarrhaus gerade durch die Gartentür verlassen, als es an der Haustür klopfte.

Sie überlegte, wer es sein könnte.

Für den Postboten war es zu spät. Außerdem war er schon dagewesen, und die Leute aus dem Ort wußten, daß ihr Vater im benachbarten Dorf bei einer Beerdigung den Pastor vertrat, der gerade im Urlaub war.

Nanny konnte das Klopfen nicht gehört haben, sonst wäre sie schon längst aus der Küche gekommen. Also eilte Lara zur Haustür.

Einen Augenblick lang starrte sie die Besucherin an, die draußen stand, dann stieß sie einen Freudenruf aus.

„Jane! Wie schön, dich wiederzusehen!“

„Ich freue mich auch, dich wiederzusehen, Lara“, erwiderte Jane.

„Komm herein! Und erzähl mir, was es Neues gibt!“

Jane Cooper, Laras vierundzwanzigjährige Freundin, trat in die Diele. Sie wirkte ein wenig nervös, so als könnte sie nicht glauben, daß sie wirklich so willkommen war.

Jane war zur Welt gekommen, als ihr Vater, ein Lehrer, schon recht alt und bereits pensioniert war. Bei Janes Geburt war ihre Mutter gestorben, was Mr. Cooper kaum verwinden konnte. Nur die Liebe zu seinem einzigen Kind konnte seinen Schmerz lindern. Bis zu seinem Tod unterrichtete er seine Tochter mit dem gleichen Eifer wie früher die vielen Jungens der öffentlichen Schule.

Laras Mutter, die die Anwesenheit des intelligenten Mannes in Little Fladbury als glückliche Fügung des Schicksals erkannte, hatte Mr. Cooper gebeten, ihre Tochter als Schülerin zu akzeptieren, und obwohl Jane viel älter war als Lara, hatten sich die beiden angefreundet.

Doch die zwei Mädchen unterschieden sich nicht nur im Alter voneinander, sondern auch im Charakter.

Jane, die nie die Liebe einer Mutter erfahren hatte, war schüchtern, zurückhaltend und ohne jede Selbstsicherheit. Sie wuchs jedoch zu einem hübschen Mädchen heran, mit blonden Haaren und blaßrosafarbenem, klarem Teint. Das Schönste in ihrem schmalen Gesicht waren die himmelblauen Augen, die entweder voller Staunen in die Welt blickten oder zögernd, wenn ihr irgend etwas begegnete, was nicht gradlinig und einfach war.

Trotz ihrer höheren Bildung erschien Jane ihrer Freundin oft jünger und noch natürlicher, als Lara selbst war.

Es war ein großes Unglück, als Mr. Cooper dann starb, denn mit ihm starb auch die kleine Pension, so daß Jane gezwungen war, sich ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen.

Die einzige Stellung, für die sie qualifiziert war, war die einer Gouvernante, und es war Lady Hurlington gewesen, die über entfernte Verwandte ihres Mannes, welche einer ganz anderen Gesellschaftsschicht angehörten als sie selbst, für Jane eine Anstellung gefunden hatte.

Jane hatte sich damals zutiefst dankbar gezeigt und war gern in Lady Ludlows Haus nach London gezogen, wo sie, wie Lara erfuhr, mit viel Erfolg drei kleine Kinder unterrichtete.

Als Lara die Tür zum Arbeitszimmer öffnete und Jane hereinbat, dachte sie daran, welches Glück sie hatte, daß Jane ausgerechnet in dem Augenblick eingetroffen war, als Lara so dringend Informationen für ihr Buch brauchte.

„Setz dich, Jane“, bat sie. „Ich nehme an, du hast schon gegessen. Da es noch zu früh für den Tee ist, werde ich Jenny sagen, daß du hier bist, und sie bitten, dir eine Tasse Kaffee zu kochen. “

„Nein, ich möchte nichts, Lara, außer deiner Hilfe“, erwiderte Jane.

„Meine Hilfe?“ wiederholte Lara lächelnd. „Hilfe wollte ich von dir.“ Jane sah sie verwundert an. „Doch das ist im Augenblick nicht so wichtig. Erzähl du mir zuerst, was du auf dem Herzen hast.“

Jane streifte ihre weißen Baumwollhandschuhe ab, legte sie neben sich aufs Polster und verkrampfte die Hände ineinander. Schließlich stieß sie hervor: „O Lara, ich habe solche Schwierigkeiten! “

An ihrer Stimme erkannte Lara den Ernst der Lage, und sie fragte: „Schwierigkeiten, Jane? Was ist passiert?“

„Ich weiß gar nicht, wie ich beginnen soll“, erwiderte Jane. „Der Grund, weshalb ich heute hierherkam, war, deinen Vater zu bitten, mir eine andere Empfehlung zu geben.“

„Was ist denn mit der Stelle, die du zuvor hattest?“

„Eure Verwandte, Lady Ludlow, hat die Empfehlung an den Marquis von Keyston weitergegeben, bei dem ich jetzt angestellt bin.“

„Du hast Lady Ludlow verlassen?“ rief Lara. „Das wußte ich gar nicht.“

„Ich bin nicht gegangen, weil ich irgend etwas falsch gemacht habe“, versicherte Jane schnell, „aber die beiden Jungens besuchen jetzt die Vorschule, und da wurde beschlossen, daß das Mädchen mit anderen Kindern ihres Alters Unterricht erhalten solle.“

„Oh, arme Jane! Sie brauchten dich also nicht länger.“

 „Es hat mir sehr leid getan, sie verlassen zu müssen“, sagte Jane. „Ich bin dort sehr glücklich gewesen, und Lady Ludlow war immer so freundlich zu mir.“

„Aber sie hat dir wenigstens eine neue Stelle vermittelt?“

Jane nickte.

„Und was gefällt dir daran nicht?“

Sie glaubte zuerst, daß Jane ihr nicht antworten würde. In ihren blauen Augen lag ein Ausdruck, den Lara nicht zu deuten wußte.

Dann brach es aus Jane hervor: „O Lara, es ist alles so furchtbar! Ich weiß gar nicht, was ich tun soll.“

„Erzähl mir alles von Anfang an“, schlug Lara vor. Einen Augenblick lang schoß es ihr durch den Kopf, daß Janes Enthüllungen über ihre Stellung als Gouvernante genau das sein könnten, was ihr für ihr Buch fehlte. Dann schalt sie sich wegen ihrer Selbstsucht. Sie sollte sich besser darauf konzentrieren, Jane zu helfen, die dazu aus eigener Kraft nie in der Lage sein würde.

„Als Lady Ludlow mir sagte, daß ich für den Marquis von Keyston arbeiten solle, bekam ich große Angst“, begann Jane. „Er ist so einflußreich.“

„Wer ist das? Ich habe noch nie von ihm gehört.“

„Er ist ein Freund des Prinzen von Wales, und ihm gehören sehr viele Rennpferde. So wie Lady Ludlow von ihm sprach, bewundert sie ihn sehr.“

„Er muß ja faszinierend sein!“ fand Lara. „Erzähl weiter, Jane. Wie ist die Frau des Marquis?“

„Er ist nicht verheiratet. Ich unterrichte seine Nichte, das einzige Kind seines älteren Bruders, der gestorben ist, ohne einen Sohn zu haben. “

„Ich verstehe. Aus diesem Grund hat der gegenwärtige Marquis den Titel geerbt. “

„Ja. Georgina ist auch ein nettes kleines Mädchen . . .“

„Wie alt ist sie?“ unterbrach Lara.

„Sie ist zehn, aber sehr dumm, und ich kann ihr kaum etwas beibringen.“

„Wo lebt der Marquis?“

„In einem riesigen Haus namens ,Keyston Priory‘. Es ist eine wundervolle Gegend, und ich wäre auch sehr glücklich dort, wenn nicht . . .“ Jane brach ab und biß sich auf die zitternde Unterlippe.

In Laras Augen leuchtete die Wißbegierde.

 „Was ist geschehen, Jane? Macht dir der Marquis das Leben schwer?“ Sie wußte nicht genau, wie sie sich ausdrücken sollte, aber in ihrer Phantasie bedrohte ein übler Schurke das sanfte, unschuldige Mädchen, das Jane war, und nur ein Held konnte sie retten.

„Nein, es ist nicht der Marquis, der mir Schwierigkeiten bereitet“, gestand Jane kummervoll, „sondern sein Freund.“

„Welcher Freund?“

„Er heißt Lord Magor und ist recht alt.“

Lara wartete schweigend, bis Jane schluchzend hervorstieß: „O Lara, ich habe solche Angst vor ihm, und ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich muß weg von diesem Haus, aber ich weiß nicht, wo ich hingehen soll.“

Lara schob ihren Stuhl ein wenig näher zu Jane hin. „Wieso hast du solche Angst vor ihm?“ fragte sie.

„Er kommt immer in den Unterrichtsraum abends, wenn ich allein bin. Gestern abend hat er sogar versucht, mich zu küssen. Ich weiß, daß es etwas ganz Schlimmes ist, aber er will einfach nicht auf mich hören, wenn ich ihm sage, daß er weggehen soll. “

„Deswegen bist du heute weggegangen?“

„Ich hatte Glück“, erklärte Jane. „Georgina hatte gestern morgen schreckliche Zahnschmerzen. Sie wurden so schlimm, daß ich Mr. Simpson mitteilen mußte, daß Georgina dringend einen Zahnarzt aufsuchen müsse. Mr. Simpson ist der Sekretär Seiner Lordschaft. Er verwaltet das Haus.“

„Du hast sie also nach London gebracht?“

„Ja“, erwiderte Jane, „Der Zahnarzt stellte dann fest, daß sie einen Abszeß in einem Zahn hat und bestand darauf, daß sie den heutigen Tag im Bett bleibt.“ Nach einer kurzen Pause fuhr sie fort: „Das alte Kindermädchen begleitete uns nach London. Dadurch war es mir möglich, mich in einen Zug zu setzen und zu dir zu fahren. Aber ich darf auf keinen Fall den Zug zurück verpassen. Er geht pünktlich um fünf Uhr ab. “

„Wenn Papa nicht mit der Kutsche zurückkommt, wirst du zu Fuß zum Bahnhof gehen müssen“, gab Lara zu bedenken.

„Ich werde rechtzeitig aufbrechen“, versicherte Jane.

„Erzähl mir mehr über Lord Magor.“

„Er wohnt fast immer im Priory, weil der Marquis ihn bei sich haben möchte. Es werden oft große Partys gegeben, deswegen verstehe ich nicht, weshalb Lord Magor ausgerechnet zu mir kommt und mit mir reden möchte, wenn die Damen, die der Marquis einlädt, doch so schön sind und die herrlichsten Kleider besitzen, die man sich vorstellen kann.“

„Erzähl mir auch von ihnen“, bat Lara. „Aber zuerst möchte ich mehr über Lord Magor erfahren. Du könntest ihm doch sicher sagen, daß er dich allein lassen soll.“

„Er hört nicht auf mich“, seufzte Jane. „Er erzählt mir ständig, wie hübsch ich sei. Er ist sehr beeindruckend. Außerdem ist es nicht leicht, einem Gentleman gegenüber grob zu sein, der mindestens vierzig Jahre alt ist.“

Er ist in Wirklichkeit sicher genauso, wie ich ihn mir in meiner Phantasie vorstelle, dachte Lara bei sich. Groß und kräftig, mit rötlichem Gesicht und mit einer großen Zigarre zwischen den Lippen.

„Ich nehme an, du hast mit dem Marquis nicht über seinen Freund reden und ihn bitten können, daß er Lord Magor veranlaßt, dich in Ruhe zu lassen“, vermutete Lara.

„Mit dem Marquis reden?“ wiederholte Jane voller Entsetzen. „Niemals! Ich habe sogar schon Schwierigkeiten, nur ,Guten Morgen' oder ,Guten Abend' zu sagen. Er ist so furchteinflößend.“

„In welcher Hinsicht?“ wollte Lara wissen.

„Das ist schwer zu erklären“, antwortete Jane. „Er ist sehr zynisch und selbstherrlich. Er scheint alles und jeden zu verachten, besonders mich.“

„Oh, du arme Jane“, sagte Lara voller Mitgefühl. „Du scheinst genau an die falsche Stelle geraten zu sein.“

Lara wußte besser als jeder andere, wie hilflos Jane den kleinsten Schwierigkeiten im Leben gegenüberstand. Und Männern, die ihr mit üblen Absichten nachstellten, war sie völlig ausgeliefert, wenn Lara in ihrer Unschuld auch nicht genau wußte, was das bedeutete.

Sie wußte nur, daß die Schurken in den Romanen, die sie gelesen hatte und die ihre Phantasie beschäftigten, unentwegt unschuldige junge Mädchen verfolgten, nicht weil sie sie heiraten, sondern weil sie ihnen etwas bieten wollten, das als „ein Schicksal, schlimmer als der Tod“ beschrieben wurde.

Sie hatte keine Ahnung, wie dieses Schicksal aussah, aber sie wußte, daß es etwas mit den Zehn Geboten zu tun hatte.

Ihr Vater sprach in seinen Predigten gelegentlich von „Sündern, die die Flammen der Hölle verdienten“, und diese Sünder waren die Schurken in Laras Geschichten.

Und nun wurden ihr aus heiterem Himmel über Jane ein halbes Dutzend neuer Handlungsmöglichkeiten geboten! Es juckte sie förmlich in den Fingern, und sie hatte große Lust, Janes Erzählungen sofort niederzuschreiben.

„Erzähl mir jetzt vom Marquis“, bat sie.

Es schien, als ginge ein Zittern durch Jane, bevor diese antwortete: „Er ist furchteinflößend. Wenn es mir möglich ist, meide ich seine Nähe. Aber Lord Magor ist noch viel schlimmer. O Lara, was kann ich nur tun, damit er mich endlich in Frieden läßt?“

Bevor Lara etwas erwidern konnte, fügte sie hinzu: „Es hat alles keinen Sinn. Ich kann nicht mehr auf der Priory bleiben. Deswegen bin ich auch gekommen. Ich wollte deinen Vater bitten, mir eine neue Empfehlung zu schreiben. Wenn ich Mr. Simpson darum bitte, dann errät er vielleicht, daß ich mir eine neue Stellung suche.“

„Wie willst du von ihm ein Empfehlungsschreiben bekommen, wenn er nicht wissen soll, daß du gehst?“ fragte Lara.

Jane zögerte, dann sagte sie: „Ich dachte, ich schreibe an die Agentur für Personalvermittlung und bitte später Lady Ludlow, mir eine Empfehlung zu schreiben.“

„Das wird sie sicher tun. “

„Ja, aber ich möchte nicht, daß sie dem Marquis verrät, was ich vorhabe, solange ich keine neue Stellung habe. Du weißt, ich habe kein Zuhause mehr. Die Verwandten von Papa leben im Norden von England. Ich kann es mir nicht leisten, dorthin zu fahren und bei ihnen zu wohnen.“

„Du kannst jederzeit hierherkommen“, erklärte Lara.

In Janes Augen leuchtete es auf. „Meinst du das im Ernst?“

„Natürlich. Ich würde mich freuen, dich hier zu haben, und Papa auch. Er wird dir eine großartige Empfehlung schreiben oder, wenn du willst, kann ich dir die gleiche Empfehlung schreiben, die Mama dir damals gab, und ich kann sie mit ihrem Namen unterzeichnen.“

„Glaubst du denn, daß das ehrlich ist?“ fragte Jane.

„Natürlich ist das ehrlich. Es wäre genauso, als ob Mama dir die gleiche Empfehlung zweimal gegeben hätte.“