ANDREAS WEILER

 

 

DIE TERRANAUTEN, Band 40:

Ein Computer spielt verrückt

 

 

 

Science-Fiction-Roman

 

 

 

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

EIN COMPUTER SPIELT VERRÜCKT von Andreas Weiler 

1. 

2. 

3. 

 

Das Buch

 

Man schreibt das Jahr 2500 irdischer Zeitrechnung.

Nach Edison Tontors wohlverdientem Ende steht einer friedlichen Entwicklung des Bundes der Freien Welten kurzfristig nichts mehr im Wege. Die Terranauten können sich wieder ihren gefangenen Kameraden zuwenden. Noch immer werden auf zahllosen Welten Treiber von den Garden festgehalten, wie die Abenteuer Nardas zeigten. Narda regt auch die nächste Aktion der Terranauten an. Es geht darum, das Rätsel um die verschwundenen Treiber zu lösen, jene Gefangenen, die aufgrund eines Sonderbefehls des Lordoberst aussortiert und zu einem Geheimplaneten gebracht wurden.

David und seine Freunde vermuten, dass diese Gefangenen nach Sarym gebracht werden - eine geheimnisvolle Welt, deren Position unbekannt ist. Vier Terranauten brechen auf, um den Geheimplaneten zu finden. Doch auf ihrem Deportations-Schiff kommt es zu einem folgenschweren Zwischenfall...

 

DIE TERRANAUTEN – konzipiert von Thomas R. P. Mielke und Rolf W. Liersch und verfasst von einem Team aus Spitzen-Autoren – erschien in den Jahren von 1979 bis 81 mit 99 Heften und von 1981 bis 87 mit 18 Taschenbüchern im Bastei Verlag. 

Der Apex-Verlag veröffentlicht die legendäre Science-Fiction-Serie erstmals und exklusiv als E-Books.

  EIN COMPUTER SPIELT VERRÜCKT von Andreas Weiler

 

 

 

 

  1.

 

 

Vier Treiber kauerten in der feuchten, kalten Nacht, die Körper eng an den Boden gepresst.

»Verdammt!«, presste Suzanne Oh mit Nachdruck hervor und dann noch einmal: »Verdammt!«

Irgendwo aus der Ferne drang das dumpfe Rumoren eines startenden Raumschiffes an ihre Ohren. Als das Geräusch verblasste, schien ihr der eigene Herzschlag plötzlich unnatürlich laut. »Etwas nicht in Ordnung?«, erkundigte sich Onnegart Vangralen halblaut. Suzanne atmete tief durch und schüttelte dann den Kopf. Ihr langes schwarzes Haar wischte bei dieser Bewegung über Sand, schwarze Erde und kleine Steine. Für ein paar Augenblicke stemmte sie ihren Oberkörper ein wenig in die Höhe, suchte sie in dieser veränderten Haltung ein wenig Entspannung. Vergebens. Das schmerzhafte Pochen in ihren Unterarmen blieb.

Auch Ennerk Prime und Lyda Mar legten jetzt eine kurze Pause ein. Ihr Atem hing als weiße Fahne vor ihren Gesichtern. Die Kälte allein war schon unangenehm genug, aber der feuchte Nebel, der über ihnen hing, strapazierte die Nerven und gab ihnen das Gefühl, keinen trockenen Faden mehr am Leib zu tragen.

»Es wird zu schnell hell«, sagte Suzanne.

Ennerk Prime, der zwei Körperlängen vor ihr lang gestreckt am Boden lag, brummte etwas Unverständliches. Er dachte flüchtig an den letzten gemeinsamen Einsatz mit Suzanne – das Psi-Attentat gegen das Konzil in Berlin. Doch seitdem waren sie sich fremd geworden.

»Was du nicht sagst«, gab er zurück, nahm aber seinen Worten sofort die Schärfe, indem er eine beruhigende Geste vollführte. »Ich weiß. Wir liegen hinter unserem Zeitplan zurück; das ist jetzt nicht mehr zu ändern. Wir müssen uns eben beeilen.«

Lyda Mar warf ihr ein aufmunterndes Lächeln zu, und sie antwortete mit einem kurzen Nicken.

»Also weiter«, sagte Prime nur und robbte los. Sie hatten in einer kleinen Bodensenke gelegen, jetzt ging es leicht bergauf. Suzanne hatte plötzlich das Gefühl, als wäre es ohne Übergang um einige Grade kälter geworden. Sie fröstelte, beachtete die Schmerzen in den Ellenbogen nicht, folgte den anderen. Sie hatten nur deshalb eine Chance, weil das Depot nicht speziell mit Psi-Ortern ausgestattet war. Aber diese Geräte waren einfach zu teuer, um sie überall zu installieren.

Wenn wir unterwegs sind, hatte Lyda Mar gesagt, dann achtet darauf, dass ihr euch niemals mehr als achtzig Zentimeter vom Boden erhebt. Wenn auch nur eine Haarspitze diese Grenze erreicht und überschreitet, dann leuchtet in der Kontrollstation der Grauen ein kleines rotes Licht auf. Das wäre nicht weiter schlimm, wenn dieses rote Lichtchen nicht einige Graue sofort dazu veranlassen würde, die auslösende Ursache unter die Lupe zu nehmen. Die Region, in der sie sich befanden, wurde von einem elektromagnetischen Feld nahtlos überwacht. Nur auf kleine Tiere reagierte das Feld nicht, aber alles, was größer als achtzig Zentimeter war, geriet in seinen Bereich. 

Suzanne sah kurz zurück, konnte das milchige Weiß aber mit ihren Blicken nicht durchdringen. Sie schätzte grob, dass sie sich jetzt etwa achthundert Meter von dem Vorratslager entfernt hatten, dem ihr besonderes Interesse gegolten hatte. Der gedrungene Gebäudekomplex, den der Nebel unsichtbar gemacht hatte, enthielt wichtige Ausrüstungsmaterialien, darunter Waffen und Munition, für die hier auf Naria stationierten Grauen Garden. Überaus wichtig also – für die Grauen wie für deren Gegner. Konnten die auf Naria stationierten Kampfgruppen nicht mehr auf ihren Materialvorrat zurückgreifen, sollten sie plötzlich von ihrem Nachschub abgeschnitten werden, dann waren sie nur noch halb so gefährlich – ohne dass ein Mann getötet oder verletzt worden war. Jetzt enthielt der Bau noch zwei Bomben mehr, als von den Garden dort eingelagert waren.

»Sicherheitszone II«, verkündete Prime mit deutlicher Zufriedenheit in der Stimme. Suzanne Oh schloss auf, hütete sich jetzt aber, ihren Kopf zu heben. Vangralen lachte unterdrückt. Lyda Mar und Suzanne sahen ihn fragend an.

»Ach, ich stelle mir nur gerade vor, was für ein Gesicht eine gewisse Cecile Aman machen wird...« Er lachte erneut.

Lyda nickte langsam; sie hatte rote Flecken im Gesicht, die von der Anspannung zeugten, unter der sie seit Stunden standen.

»Sie wird böse sein«, gab sie leise zurück. »Sehr böse sogar.«

Ennerk Prime hatte unterdessen einen konusförmigen Sensorfühler aus der Tasche seines Einteilers gezogen und starrte aus zusammengekniffenen Augen auf die schwach fluoreszierende Skala. Mit ein paar Handgriffen wechselte er mehrmals die Empfangsintensität, dann schwenkte er das unscheinbar wirkende Gerät umher. Der Zeiger bewegte sich zitternd.

»Aha«, brummte er nur und deutete mit dem Kopf voraus. »Die zweite Falle, drei oder vier Meter voraus.«

»Was ist es?«, fragte Vangralen, der jetzt wieder dicht neben Suzanne lag.

»Ein Infrarot-Suchfeld«, antwortete Lyda gedehnt. Sie stammte von Naria, und ihr waren auch die genauen Informationen über das Vorratslager und die Sicherheitseinrichtungen zu verdanken. »Es reagiert bereits auf ein Zehntel der Wärmemenge, die du abstrahlst.«

»Hm.« Onnegart Vangralen war sichtlich beeindruckt und suchte mit seinen Blicken skeptisch die Umgebung ab.

»Wir sind reingekommen«, brummte Prime grimmig, »also kommen wir auch wieder heraus.«

»Das mag sein, aber vor ein paar Stunden hat dieses Feld noch nicht existiert.«

»Die Beschaffenheit der Sicherheitszonen wird turnusmäßig verändert«, sagte Lyda zum wiederholten Male. »Jetzt ist es eben da.«

»Aha«, machte Prime erneut. »Der Fall ist klar.«

Er verstaute den Sensorfühler wieder in seiner Tasche, holte dafür ein anderes Gerät hervor, das einem schwarzen Metallkasten nicht unähnlich sah, aber über ein kompliziertes elektronisches Innenleben verfügte. Ein leises Summen ertönte, danach ein helles »Ping«.

»Wir müssen uns beeilen«, stieß der ältere Treiber hervor. »Dreißig Sekunden, um Sicherheitszone II zu überwinden. Im Infrarot-Suchfeld gibt es jetzt eine kleine ›Störung‹.«

Während er das sagte, robbte er bereits mit einer Geschwindigkeit vorwärts, die seine Gefährten erstaunte. Sie folgten ihm, so rasch sie konnten, vermochten sich aber eines unguten Gefühls nicht zu erwehren, als sie über ihren Köpfen das energetische Feld spürten, dessen Kräfte die Nackenhaare aufzurichten schien. Sie achteten nicht darauf, dass sie sich die Haut an spitzen Steinen aufschrammten, dass die Lungen zu schmerzen begannen und ihnen der Schweiß aus allen Poren brach. Dutzende von Metern hinter der unsichtbaren Gefahr hielten sie atemlos inne. 

»Wie viel Zeit haben wir noch?«, fragte Onnegart Vangralen zum wohl zehnten Mal innerhalb der letzten sechzig Minuten. Prime rollte mit den Augen. »Keine Angst, du wirst schon nichts verpassen.« Er meint es nicht so, übermittelte Suzanne ihm telepathisch. 

Ich weiß, gab Onnegart auf gleiche Weise zurück und konnte dabei sein Erstaunen darüber nicht ganz verbergen, dass Suzanne versuchte, ihn zu trösten. Gleichzeitig war er über die Art und Weise verwirrt, wie sie Kontakt zu ihm aufgenommen hatte. Sie alle waren Treiber und Terranauten, aber in den letzten Stunden hatte aus Sicherheitsgründen so gut wie keine telepathische Verbindung unter ihnen stattgefunden. Das verlieh der kurzen Mitteilung der attraktiven Schwarzhaarigen etwas Intimes, das irgendeine Saite in ihm in Schwingungen versetzte. 

Das ist jetzt bestimmt kein geeigneter Zeitpunkt für irgendeinen Annäherungsversuch, dachte Vangralen, und wie um ihn in dieser Erkenntnis zu unterstützen, schien hinter ihnen der halbe Planet zu explodieren.

In einem Reflex schlössen sie alle die Augen, aber der Lichtblitz drang nur unwesentlich abgeschwächt durch ihre Lider, brannte sich in ihr Bewusstsein. Sekunden später rollte der Donner einer gewaltigen Explosion über sie hinweg und schien die Trommelfelle zum Platzen zu bringen.

»Mann, war das ein Ding!«, entfuhr es Vangralen. Er wunderte sich gerade darüber, dass er seine eigene Stimme nicht zu hören vermochte, als sich eine Woge aus Schmutz, Schutt und lockerer Erde über sie ergoss. Dann kam die Glutwelle, die alle Gedanken an die zurückliegende Kälte in ihnen erstickte. Erst nach einigen Minuten wagten sie, die Starre aus ihren Gliedern abzuschütteln und die über dem Kopf verschränkten Arme zu heben. Irgendwo in ihrer Nähe begann eine heulende Sirene ihr nervenaufreibendes Lied. 

»Ich dachte, es wären Baby-Bomben gewesen«, sagte Suzanne mit einem guten Schuß Erschütterung und Überraschung zugleich.

Prime zuckte mit den Achseln. »Waren es auch. Das, was da eben hochgegangen ist, waren die gesammelten Munitionslager. « Für einen Augenblick wirkte er fast verlegen. »Das hätte ins Auge gehen können.«

Er erhob sich ruckartig und kam auf die Beine. »Versteckspielen hat jetzt ohnehin keinen Zweck mehr«, erklärte er. »Verdammter Zeitplan!«

Seine drei Begleiter sprangen ebenfalls hoch und folgten Prime, der trotz seiner immerhin sechzig Jahre davonhetzte wie ein Zwanzigjähriger.

Die Druckwelle der Explosion hatte den Nebel davongewischt, als hätte er nie existiert. Das war ein Vorteil und Nachteil zugleich. Zum einen konnten sie sich jetzt wieder optisch orientieren, zum anderen aber – und das wog schwerer – konnten sie jetzt auch leicht gesehen werden. Vor ihnen lagen offenes Gelände, eine weitere Sicherheitszone, die überwunden werden musste, und bis zum Gleiter, der sie einstweilen in Sicherheit bringen konnte, war es noch ein weiter Weg.

Lyda Mar musste plötzlich an ihre Eltern denken. Ihre Familie lebte schon in der sechzehnten Generation auf Naria, und sie lebte nicht schlecht. Sie hatte es nie verstanden, dass Lyda, die die Treiberfähigkeit besaß, anstatt ihre vielversprechende Karriere aufzubauen, sich dem Widerstand gegen das Konzil angeschlossen hatte, zur Terranautin geworden war. Zwar sympathisierten ihre Eltern ebenfalls mit den Rebellen, aber Zuneigung und Aktivität waren doch zwei grundverschiedene Dinge. Ausgerechnet die einzige Tochter... 

»Runter!«, bellte Prime, und ihr Körper gehorchte, bevor der Verstand den Befehl gegeben hatte. Der Aufprall auf den Boden war nicht eben sanft. Ein langsam und stetig lauter werdendes Singen drang an ihre Ohren. Sie hielt den Atem an. Es klang wie ein sich nähernder Gleiter.

Sollten die Grauen sie jetzt schon entdeckt haben? Mit ihren Augen suchte sie den Horizont ab. In der Ferne erkannte sie den Komplex des militärischen Raumhafens, und genau von dort aus näherten sich ihnen einige dunkle Punkte, noch konturlos.

»Da kommt unser Begrüßungskomitee«, hustete Vangralen und deutete mit der rechten Hand in die entsprechende Richtung. »Ziemlich rasch, wenn ihr mich fragt.«

Suzanne nickte. »Das Überraschungsmoment scheint sie nicht lange aufgehalten zu haben.«

Die fünf Gleiter hielten direkt auf sie zu, aber dann drehten sie ab und nahmen Kurs auf das ehemalige Vorratslager, das jetzt nicht mehr als eine unbrauchbare Ruine war.

»Weiter«, knurrte Prime, und sie hetzten los.

Das lodernde Feuer hinter ihnen schien nur dazu da zu sein, ihnen jeden Schutz vor einer optischen Ortung zu nehmen. Vangralen hatte den Eindruck, die Hitze prasselnd in seinem Rücken zu spüren, obwohl das nur Einbildung sein konnte.

»Wie weit noch?«, rief Suzanne. Ihre Stimme klang brüchig.

Prime zog beim Laufen den Sensor-Fühler aus der Tasche und schaltete die elektronischen Schaltkreise ein. Er wagte es nicht stehen zu bleiben, um Fehlmessungen infolge von Erschütterungen auszuschließen. Die Zeit saß ihnen im Nacken.

»Nicht mehr weit«, keuchte er, blieb stehen, warf einen raschen Blick zurück und richtete dann seine Aufmerksamkeit wieder auf die Messnadel, die nur langsam ausschlug. Noch kreisten die Gleiter der Grauen über der brennenden Ruine, noch waren sie nicht entdeckt.

»Sicherheitszone III«, brachte er schwer atmend hervor. »Diese Sperre noch, dann ist der Weg frei.«

Zunehmend nervöser werdend schauten Vangralen, Oh und Mar zu, wie er mithilfe des Geräts versuchte, die Frequenz zu finden, die die unsichtbaren Energien der Barriere vor ihnen außer Kraft setzen oder zumindest stören konnte. Es dauerte lange, zu lange.

»Menschenskind, die Grauen werden bald ihre Aufmerksamkeit auf das Gelände richten.« Vangralen öffnete und schloss die Hände in unregelmäßigem Rhythmus. Sein Nacken begann zu kribbeln; er ignorierte es. Er blickte zu Suzanne, aber die junge Frau ließ die Gleiter nicht aus den Augen.

»Sie drehen ab«, brachte sie plötzlich hervor. Vangralen und Mar drehten sich langsam um, sahen, wie fünf schwarze und verhalten singende Punkte an Höhe gewannen – und dann einen Kurs einschlugen, der sie direkt über sie hinwegführen musste. Dass sie dabei unentdeckt blieben, wagte niemand von ihnen zu glauben.

»Ich hab’s«, stieß Prime hervor, veränderte, so schnell er konnte, die Justierung und winkte. »Das Feld ist jetzt unwirksam.«

Ohne eine Antwort abzuwarten, lief er los, dabei den Fühler wieder verstauend. Onnegart Vangralen hatte das unangenehme Gefühl, an seinen Beinen hingen unsichtbare Bleigewichte, die ihn daran hinderten, schneller zu laufen. Immer wieder warf er unruhige Blicke zurück, und jedes Mal waren die Gleiter ein ordentliches Stück näher gekommen.

Wir haben nicht die geringste Chance, dachte er. Wenn sie uns jetzt noch nicht entdeckt haben, dann sind sie auf beiden Augen blind.

Die Angst hielt ihn so gefangen, dass er nicht merkte, dass sich etwas veränderte, unmerklich erst, dann immer rascher. Die Luft schien plötzlich wie vor statischer Elektrizität zu knistern, und auch als die Bewegungen der Freunde vor ihm immer langsamer und träger wurden, schöpfte er noch keinen Verdacht. Das Knistern wurde zu einem Kribbeln, das seinen ganzen Körper zu erfassen schien – und zu diesem Zeitpunkt war es für eine Umkehr schon zu spät.

Ein Schockfeld, dachte er. Aber Prime hat doch gesagt, es sei alles in Ord… 

Irgendetwas griff nach seinem Geist, verbreitete Dunkelheit und Vergessen.

 

*

 

Vangralens Erwachen war mühsam, aber es schmerzte nicht, obwohl irgendetwas in ihm das unbewusst erwartet hatte. Sein Verstand arbeitete träge, und nur zögernd sickerte die Erkenntnis in sein Bewusstsein, dass etwas schiefgegangen war. Der Zeitplan, die Sicherheitszonen, das Schockfeld, das doch nicht gestört gewesen war, obwohl Prime es manipuliert hatte.

Vangralen erkannte schnell, dass man ihm einen Psi-Blocker injiziert hatte – ein Medikament, das seine Psi-Kräfte lahmte. Er gab auf, gegen die Droge anzukämpfen. Stattdessen versuchte er, die Reste der Schockfeldwirkung abzuschütteln. Nach einigen, ihm wie eine Ewigkeit erscheinenden Augenblicken öffnete er die Augen und sah in das breit grinsende Gesicht von Prime.

»Na, da bist du ja wieder«, brummte der zufrieden. Vangralen nickte mühsam.

»Wo...?«

»Wir wissen auch nicht genau, wo wir sind«, entgegnete Suzanne und zwinkerte ihm zu. »Aber unsere Umgebung wirkt nicht gerade wie ein Luxusappartement.« Sie zog die Augenbrauen hoch und vollführte eine weit ausholende Geste.

Vangralen richtete seinen Oberkörper auf und stellte fest, dass er offenbar der Einzige war, den es etwas schwerer erwischt hatte. Alle anderen wirkten zwar bedrückt, aber doch vollkommen munter. Er wusste selbst nicht, warum ihn das ärgerte, aber er versuchte, seine Müdigkeit nicht allzu deutlich zu zeigen, und sah sich interessiert um. Nein, ein Luxusappartement war es ganz bestimmt nicht. Eher hatte der Raum, in dem sie sich befanden, fatale Ähnlichkeit mit einer Zelle – und mit einer ungemütlichen noch dazu. Sie war vielleicht zwanzig Quadratmeter groß, verfügte über weiße, nüchtern wirkende Wände, eine Sitzgruppe aus vier Einzelelementen, die um einen niedrigen Tisch gruppiert waren, und eine breite Liege, auf der er sich noch immer befand. 

Vangralen erhob sich. Zwar war ihm noch ein wenig schwindelig, ansonsten aber fühlte er sich einigermaßen wohl, den Umständen entsprechend. Die Ausgangstür war nur an den haarfeinen Fugen zu erkennen, und er unterdrückte das Verlangen zu überprüfen, ob sie auch wirklich verschlossen war. Seine Freunde hatten das ganz sicher als erstes getan, mit negativem Erfolg, wie er sah. Rechts davon führte eine schmale Tür in eine noch schmalere Hygienezelle, die sehr sauber wirkte.

»Wenigstens etwas«, murmelte er. »Wie?«

Er winkte ab. »Ach, schon gut.« Mit schlurfenden Schritten wankte er wie ein alter Mann zu der Sitzgruppe zurück und ließ sich in eins der Elemente sinken. »Sie haben uns mit Psi-Blocken vollgepumpt. Die übliche Vorsichtsmaßnahme der Grauen.« Die anderen nickten. »Und was nun?«

»Nichts«, sagte Prime und setzte sich ebenfalls. »Gar nichts. Wir warten.«

Vangralen fiel plötzlich etwas ein, und er sah sich aus zusammengekniffenen Augen noch einmal um, wobei er diesmal besonders unzugängliche Stellen, Ecken und Kanten unter die Lupe nahm.

Prime lachte halblaut. »Keine Sorge; wir haben schon gesucht und nichts gefunden. Hier sind keine Abhöranlagen, wir können sprechen.« Nachdenklich runzelte er die Stirn. Solange die Wirkung der Psi-Blocker anhielt, konnten ihnen auch keine Schatten der Garden in die Gedanken sehen. Wenn man außerdem sogar auf Abhörgeräte verzichtete, ließ das nur einen Schluss zu: Die Grauen glaubten, bereits alles Wichtige über ihre Gefangenen zu wissen.